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Leben

You can run but you can’t hide

Ges­tern war mal wie­der pl0gbar im Bochu­mer Café Kon­kret. Neben den übli­chen Ver­däch­ti­gen gab es auch drei neue Gesich­ter. Lei­der bin ich in der Dis­zi­plin „Namen mer­ken“ ähn­lich schlecht wie die­ser Mann, der immer irgend­wo im Fern­se­hen (glaub ich) auf­tritt, und die „Pro­jek­te“ und Web­sites krieg ich schon gar nicht zuge­ord­net.

Zwi­schen­durch wur­de unse­re Grup­pe von Frem­den ange­spro­chen: Wir sei­en doch sicher „web­af­fin“ (Alder, das Wort geht ja geschrie­ben mal gar nicht!), also inter­net­tech­nisch ver­siert – ob wir nicht einen PHP-Ent­wick­ler kenn­ten oder gar selbst ein sol­cher wären. Wir lach­ten sehr herz­lich. (Für tech­nisch unkun­di­ge Leu­te: Das sind Per­so­nen, die viel kom­pli­zier­te­re Web­sei­ten zusam­men­bau­en kön­nen als die Nach­bars­kin­der, und die des­halb ähn­lich begehrt und weit ver­brei­tet sind wie humor­vol­le, gut­aus­se­hen­de Lebens­part­ner, die viel Geld ver­die­nen und den Haus­halt schmei­ßen wol­len.)

Zu vor­ge­rück­ter Stun­de stell­ten Simon (Name nach­ge­schla­gen) von 12rec.net und ich fest, dass wir bei­de aus Dins­la­ken stam­men, ja: dass unse­re jewei­li­gen Eltern­häu­ser sogar weni­ge hun­dert Meter von­ein­an­der ent­fernt ste­hen müs­sen. Was folg­te, war das übli­che hek­ti­sche Abklop­fen von Gemein­sam­kei­ten, dass immer ein­tritt, wenn sich zwei Men­schen fern der gemein­sa­men Hei­mat begeg­nen. Nach­dem wir Epping­ho­ven, Holt­brüg­ge, Pas­tor Schnei­der, Stadt­park und Iggy Pop (den Dins­la­ke­ner, nicht den ech­ten) abge­he­chelt hat­ten, frag­te Pott­blog-Jens schon leicht fas­sungs­los, ob es sich bei „Dins­la­ken“ um einen ähn­li­chen Geheim­bund han­de­le wie bei Sci­en­to­lo­gy. Nein, tut es nicht.

Apro­pos Dins­la­ken: Heu­te Abend spie­len die Kili­ans ein „exklu­si­ves Radio­kon­zert“ im Bochu­mer Riff (sogar bei­na­he rich­tig ange­kün­digt, am 13. Sep­tem­ber im Dins­la­ke­ner Jäger­hof. Das Album (aktu­el­ler Amazon.de-Verkaufsrang: 89) erscheint am Frei­tag.

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Film Rundfunk

Wiedersehen tut weh

Vor fast acht Jah­ren sah ich im Kino den Film „Abso­lu­te Gigan­ten“, der mir unglaub­lich gut gefiel. Bis heu­te ist die melan­cho­li­sche Geschich­te von drei Freun­den, die eine letz­te gemein­sa­me Nacht durch­ma­chen, bevor einer von ihnen das Land ver­lässt, einer mei­ner abso­lu­ten Lieb­lings­fil­me.

In die­sem Film erblick­te ich auch zum ers­ten Mal Julia Hum­mer und ver­lieb­te mich ein wenig in sie. Die Sze­nen, in denen sie mit einem Cow­boy­hut auf dem Kopf tanzt und die Kame­ra sie umkreist, zäh­len nach wie vor zum Tolls­ten, was ich je gese­hen habe, und auch ihre irgend­wie merk­wür­di­ge, leicht lis­peln­de, aber doch sehr nied­li­che Stim­me fand ich damals irgend­wie süß.

Spä­ter zeig­te sie unter ande­rem noch in „Cra­zy“, „Die inne­re Sicher­heit“ und „Gespens­ter“ ihr schau­spie­le­ri­sches Kön­nen und ver­öf­fent­lich­te 2005 mit ihrer Band Too Many Boys eine CD, von der ich nicht mehr als drei­ßig Sekun­den hören konn­te, weil es kör­per­lich ein­fach nicht ging. Dann war sie weg.

Ges­tern habe ich Julia Hum­mer wie­der­ge­se­hen. In einem Wer­be­spot für die GEZ. „Hat die das jetzt nötig?“, frag­te ich mich, aber ich war mir nicht ganz sicher, ob „die“ jetzt Julia Hum­mer oder doch die GEZ war.

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Gesellschaft

Wir nennen es Arbeitsplatz

Nach­dem mein Com­pu­ter vor­ges­tern kaputt gegan­gen ist, sit­ze ich nun schon den zwei­ten Tag in Fol­ge in der Uni-Biblio­thek. Es ist wie­der der glei­che PC wie ges­tern (nur die Jalou­sien sind heu­te wegen erheb­li­cher Bewöl­kung und Regens die gan­ze Zeit über oben) und ich füh­le mich schon fast ein biss­chen, als sei das hier mein Arbeits­platz. Neben mir arbei­ten ande­re jun­ge Men­schen an ihren Semi­nar­ar­bei­ten, ab und an fliegt eine Tau­be gegen die Fens­ter­front und gleich wer­de ich mal sehen, was die Kaf­fee­bar im Erd­ge­schoss so zu bie­ten hat.

Kurz­um: Smells like Groß­raum­bü­ro und gere­gel­ten Arbeits­zei­ten. Und soll ich Euch was sagen, Ihr digi­ta­len Bohé­mi­ans? Ich fin­de das super!

End­lich gehe ich Abends wie­der ins Bett, wenn ich müde bin, und nicht erst, wenn Feed­rea­der und ICQ wirk­lich abso­lut gar nichts mehr her­ge­ben. Ich trin­ke mei­nen Kaf­fee am Früh­stücks­tisch (wo einer mei­ner Mit­be­woh­ner heu­te freund­li­cher­wei­se sogar eine Zei­tung, na gut: die „Welt kom­pakt“ hin­ter­legt hat­te) und nicht vor dem Moni­tor, in gefähr­li­cher Schlab­ber­nä­he zur Tas­ta­tur. Ich wer­de heu­te Abend nach Hau­se gehen und mich mit den Wor­ten „Schatz, ich bin wie­der da-ha!“ mei­nem Fern­se­her wid­men. Oder etwas in der Art.

Ich über­le­ge in Zukunft, wenn mein Com­pu­ter wie­der läuft, eine klei­ne Besen­kam­mer anzu­mie­ten, wo ich ihn rein­stel­len kann. So muss ich zwi­schen­durch an die fri­sche Luft und mein Zim­mer ist nicht mehr ein Büro mit Bett, son­dern ein Wohn­zim­mer. Viel­leicht reicht es aber auch, wenn ich mich ein­fach dazu zwin­ge, das doo­fe Ding, das so unglaub­lich prak­tisch ist, ein­fach mal aus­zu­schal­ten oder aus­zu­las­sen.

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Rundfunk Leben

Nach dem Ende des Tunnels

Jetzt isse also auch schon zehn Jah­re tot, die Prin­zes­sin. Noch immer wol­len vie­le Lese­rin­nen von War­te­zim­mer­aus­le­ge­wa­re nicht glau­ben, dass das gla­mou­rö­se Leben von „et Dai­än­na“ ende­te, weil ihr betrun­ke­ner Fah­rer einen Mer­ce­des mit über­höh­ter Geschwin­dig­keit gegen einen Beton­pfei­ler jag­te.

Wie spä­ter bei den Anschlä­gen des 11. Sep­tem­ber oder vor­her bei der Ermor­dung John F. Ken­ne­dys (die deut­lich Älte­ren wer­den sich erin­nern …) weiß heut noch jeder, wo er an die­sem schö­nen Sonn­tag­mor­gen war, als er „davon“ erfuhr. Alter­na­tiv hat sich das Unter­be­wusst­sein aus der Wirk­lich­keit und den Mil­li­ar­den Berich­ten, die man seit­dem über die­se Ereig­nis­se gese­hen hat, eine eige­ne, viel­leicht span­nen­de­re Ver­si­on die­ses Moments zurecht­ge­bo­gen.

Ich taper­te an die­sem 31. August 1997 – von einer ein paar Tage zurück­lie­gen­den Ope­ra­ti­on noch leicht geh­be­hin­dert – durch die elter­li­che Woh­nung und ver­nahm auf WDR2 (es ist immer WDR2, wenn irgend­was schlim­mes pas­siert) einen Nach­rich­ten­spre­cher, der fol­gen­den Satz vor­las: „Bun­des­prä­si­dent Her­zog hat in einem Tele­gramm den Prin­zen Wil­liam und Har­ry sein Mit­ge­fühl aus­ge­drückt.“

„Was ist da los?“, dach­te ich, frag­te ich und bekam ich berich­tet. Und obwohl mir Prin­zes­sin Dia­na bis zu dies­me Moment nun wirk­lich sowas von egal gewe­sen war, war ich doch … Nein, nicht geschockt oder berührt oder so: ver­wirrt. Ich nahm die Nach­richt zur Kennt­nis und wid­me­te mich dem, was ich schon seit Ewig­kei­ten mache, wenn irgend­et­was schlim­mes pas­siert ist: Ich ver­such­te, alle Infor­ma­tio­nen über das Ereig­nis auf­zu­sau­gen.

Ich erin­ne­re mich dar­an, dass ich es irgen­wie unpas­send fand, dass WDR2 „Mmmm, Mmmm, Mmmm, Mmmm“ von den Crash Test Dum­mies spiel­te („Once the­re was this kid who got into an acci­dent and could­n’t come to school“), dass wir am Nach­mit­tag in „Mr. Bean – Der Film“ waren, und dass am Abend nichts ande­res im Fern­se­hen kam als die tote Prin­zes­sin. Alle Men­schen spra­chen nur noch davon, Mil­li­ar­den sahen die Beer­di­gung im Fern­se­hen und ich schnitt mir den neu­en Text von Elton Johns „Cand­le In The Wind“ aus der Zei­tung aus und ver­such­te, das Lied auf dem Kla­vier nach­zu­spie­len. Nach andert­halb Wochen war mir das eng­li­sche Königs­haus wie­der völ­lig egal.

Und wenn die­ser Tage wie­der über­all über die Prin­zes­sin berich­tet wird und der Satz „Sie wird nie ver­ges­sen wer­den“ fällt, dann ist das eine self-ful­fil­ling pro­phe­cy.

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Leben

Ständiges Auf und Ab

Ich habe mei­nen defek­ten Rech­ner heu­te Mit­tag zu Fuß zur U‑Bahn und von dort aus zum nächst­ge­le­ge­nen PC-Händ­ler geschleppt. Am Mon­tag wer­de man sich das Teil mal anse­hen und mich dann anru­fen, erklär­te mir der freund­li­che Herr hin­ter der The­ke. Ich bin gespannt.

Und jetzt sit­ze ich hier in der Uni-Biblio­thek an bei­na­he brand­neu­en Com­pu­tern, die über jede nur vor­stell­ba­re Soft­ware ver­fü­gen, und sich­te die digi­ta­le Welt. Aus dem Fens­ter, vor dem „mein“ Com­pu­ter steht, hat man einen wun­der­ba­ren Aus­blick über den Cam­pus und ins Lot­ten­tal1, dahin wo das Ruhr­ge­biet ins Ber­gi­sche Land (I sup­po­se) über­geht. Um mich her­um lesen ange­hen­de Juris­ten ange­regt ihre andert­halb­tau­sen Sei­ten dicken Fach­bü­cher, es ist – bis auf das hirn­erwei­chen­de Rau­schen der Leucht­stoff­röh­ren – still und bei­na­he den­ke ich nicht mehr an mei­nen Com­pu­ter­är­ger.

Aber lei­der sit­zen vor die­sem Fens­ter auto­ma­ti­sche Jalou­sien, die hoch­fah­ren, wenn es sich bewölkt, und her­un­ter, wenn die Son­ne raus­kommt. Und bei dem Wet­ter, was hier im Moment vor­herrscht, tun sie das alle ver­damm­ten fünf Minu­ten!

1 Ja, das muss­te ich bei Goog­le Maps nach­gu­cken.

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Leben

Motherf*****board

Heu­te Nach­mit­tag ging mein PC plötz­lich aus. Und obwohl ich so ziem­lich alles ver­sucht habe, kam er nicht mehr rich­tig zu Bewusst­sein. Jetzt muss ich ihn mor­gen zur Repa­ra­tur brin­gen, auf dass man ihn hof­fent­lich ret­ten kann.

Erwar­ten Sie also in den nächs­ten Tagen nicht all­zu viel von mir hier.

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Digital Leben

Panik ohne Listen

Pop­kul­tur­lieb­ha­ber nei­gen mit­un­ter dazu, alles in Lis­ten zu orga­ni­sie­ren. Das wis­sen wir spä­tes­tens seit Nick Horn­bys „High Fide­li­ty“ (Platz 2 mei­ner Lieb­lings­bü­cher, Platz 4 mei­ner Lieb­lings­fil­me).

Ich habe schon mein Leben lang Spaß an Lis­ten und Sta­tis­ti­ken. Den Grand Prix Euro­vi­si­on de la Chan­son habe ich haupt­säch­lich wegen der ellen­lan­gen, wahn­sin­nig ermü­den­den Punk­te­ver­ga­be am Schluss geschaut. Ich habe sogar mit Play­mo­bil-Figu­ren eige­ne Grand Pri­x­es aus­ge­tra­gen, wobei auch dort die Ver­ga­be und Berech­nung der Jury­stim­men der für mich unter­halt­sams­te Teil waren. Ich habe vor Fuß­ball­welt­meis­ter­schaf­ten deren Aus­gang berech­net (Welt­meis­ter 1994 wur­de Deutsch­land mit einem 2:1 gegen Argen­ti­ni­en) und eige­ne Sport­li­gen gegrün­det und durch­ge­rech­net – alles noch mit Papier und Kugel­schrei­ber.

Als ich anfing, Kas­set­ten­mäd­chen­kas­set­ten auf­zu­neh­men, habe ich die genau­en Play­lists in den Com­pu­ter ein­ge­tra­gen. So wuss­te ich hin­ter­her, wel­che Songs das ent­spre­chen­de love inte­rest bereits von mir erhal­ten hat­te, kann aber heu­te auch rela­tiv schnell über­prü­fen, was die essen­ti­el­len Hits auf bis­her über 65 Mix­tapes und ‑CDs waren: „Try, Try, Try“ von den Smas­hing Pump­kins, „Just Loo­king“ von den Ste­reo­pho­nics und „Charm Attack“ von Leo­na Naess kom­men auf jeweils fünf Ein­sät­ze (bei den Bands lie­gen Tra­vis mit 56 Songs vor den Ste­reo­pho­nics und Ben Folds Five mit jeweils 46).

Seit vie­len Jah­ren füh­re ich Excel-Tabel­len, in denen ich ver­mer­ke, wel­che CDs ich wann und wo für wel­chen Preis gekauft habe (im ver­gan­ge­nen Jahr 63 Alben und Sin­gles für durch­schnitt­lich 7,77 Euro) oder wann ich wo mit wem im Kino war und wel­chen Film wir dort gese­hen haben (frü­her sogar noch mit einer Bewer­tung für jeden Film ver­se­hen).

Hät­ten wir uns im Mathe­ma­tik-Grund­kurs noch mit Sta­tis­tik beschäf­tigt, wäre mein Abitur­schnitt (den ich über­ra­schen­der­wei­se nicht vor­ab berech­net hat­te) bestimmt bes­ser aus­ge­fal­len.

Ich bin also das, was man einen „Sta­tis­tik­freak“ nen­nen könn­te, und wür­de nicht groß wider­spre­chen, wenn mir jemand einen mil­den Autis­mus auf dem Gebiet unter­stell­te.

Des­halb bin ich auch ziem­lich trau­rig, dass Blogscout dicht gemacht hat. So long and thanks for all the num­bers.

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Film Digital Leben

Wie ich einmal Filmgeschichte schrieb

Immer wie­der wer­de ich von Men­schen (manch­mal wild­frem­den) gefragt: „Sag mal Lukas, wie­so hast Du eigent­lich einen Ein­trag in der Inter­net Movie Data­ba­se?“

Okay, das ist gelo­gen. Genau­ge­nom­men bin ich noch nie gefragt wor­den, war­um ich eigent­lich einen Ein­trag in der IMDb habe. Aber ich erzähl die Geschich­te ein­fach trotz­dem mal:

Die Vor­ge­schich­te
Im Früh­som­mer 1999 soll­ten wir im Deutsch­un­ter­richt der damals zehn­ten Klas­se „etwas krea­ti­ves“ machen. Und da eini­ge Freun­de und ich im Früh­jahr für unse­re sehr moder­ne Ver­fil­mung (man­che wür­den sie „avant­gar­dis­tisch“ nen­nen – oder „krank“) von E.T.A. Hoff­manns „Das Fräu­lein von Scu­de­ri“ eine Eins bekom­men hat­ten, dach­ten wir uns: „Klar, wir dre­hen wie­der einen Film!“

Im Zuge des damals vor­herr­schen­den Mill­en­ni­um-Hypes (und weil der Deutsch­land­start von „Matrix“ kurz bevor stand) ent­wi­ckel­ten wir eine Geschich­te, in der der Teu­fel auf die Erde kommt, um die Apo­ka­lyp­se ein­zu­lei­ten. Mit mei­nem bes­ten Freund schrieb ich das Dreh­buch zu „Doomsday 99“ und als wir alle aus dem Som­mer­ur­laub zurück waren, stürz­ten wir uns in die Dreh­ar­bei­ten, die alles in allem etwa sechs Wochen ver­schlan­gen.

Mit dem har­ten Kern von acht Leu­ten dreh­ten wir in so ziem­lich allen Wohn­häu­sern, derer wir hab­haft wur­den, in ver­las­se­nen Indus­trie­rui­nen (wofür wir über Zäu­ne klet­tern und unter halb­ver­schlos­se­nen Toren drun­ter­her­rol­len muss­ten) und in Autos, hin­ter deren Fens­tern grü­ne Tisch­de­cken gespannt waren (kei­ner von uns hat­te damals einen Füh­rer­schein und bei „City­ex­press“ fuhr der Zug schließ­lich auch nicht wirk­lich).

Ich fun­gier­te als Regis­seur, Kame­ra­mann, Dreh­buch­au­tor und Pro­du­zent in Per­so­nal­uni­on, was haupt­säch­lich bedeu­te­te, dass ich mei­ne Freun­de und jün­ge­ren Geschwis­ter her­um­kom­man­dier­te, anschrie und manch­mal mit Sachen bewarf. Anschlie­ßend schnitt ich den Film auf dem Video­schnitt­ge­rät mei­nes Groß­va­ters, dem heu­te weit­ge­hend unbe­kann­ten „Casa­blan­ca“, wo ich auch das grü­ne Tisch­tuch durch Land­schafts­auf­nah­men ersetz­te, die ich aus dem fah­ren­den Auto mei­nes Vaters her­aus getä­tigt hat­te.

Die über­aus spek­ta­ku­lä­ren Ergeb­nis­se (wie wir fan­den) sahen in etwa so aus:

Green Screen beim Dreh von “Doomsday” (vorher/nachher)

Im Sep­tem­ber – wir gin­gen längst in die elf­te Klas­se – zeig­ten wir den fer­ti­gen Film end­lich im Deutsch­un­ter­richt. Und obwohl er blut­rüns­tig, gewalt­tä­tig und zu einem nicht gerin­gen Maße Frau­en­ver­ach­tend war (kei­ne weib­li­che Per­son blieb län­ger als fünf Minu­ten am Leben – aller­dings auch kaum eine männ­li­che), beka­men wir dafür eine Eins bei „Sons­ti­ge Mit­ar­beit“ auf­ge­schrie­ben. Der Film wur­de im klei­nen Sozio­top eines Dins­la­ke­ner Gym­na­si­ums das, was man wohl als „Kult“ bezeich­net. Oder als „Trash“. Oder als „so schlecht, dass es schon fast wie­der gut ist“.

Der Ein­trag
Weil wir so unge­heu­er stolz auf unse­ren Film waren, woll­ten wir natür­lich auch, dass er ange­mes­sen gewür­digt wird. Ein Ein­trag in der IMDb erschien uns also das Min­des­te.

Ich mach­te mich schlau und stell­te fest, dass man die Daten­bank mit einem ein­fa­chen Daten­string füt­tern konn­te. Also schrieb ich die Mit­wir­ken­den unse­rer letz­ten drei Fil­me („Jesus – Back for God“ von den Tagen reli­giö­ser Ori­en­tie­rung im Janu­ar, „E.T.A. Hoffmann’s Das Fräu­lein von Scu­de­ri“ aus dem Früh­jahr und „Doomsday 99“ eben) in eine E‑Mail und schick­te das Gan­ze ab.

Nach eini­gen Wochen erhielt ich die Ant­wort, dass unse­re Fil­me abge­lehnt wor­den sei­en. In der ame­ri­ka­ni­schen Ent­spre­chung von „da könn­te ja jeder kom­men“ hieß es, die Fil­me müss­ten min­des­tens auf einem aner­kann­ten Film­fes­ti­val gelau­fen sein.

Ein paar Wochen spä­ter stell­te ich fest, dass mein bes­ter Freund Ben­ja­min, der bei unse­rem „Jesus“-Film Regie geführt hat­te, plötz­lich als Regis­seur des TV-Zwei­tei­lers „Jesus“ geführt wur­de. Die­ser Ein­trag war nach weni­gen Tagen wie­der ver­schwun­den.

Wie­der ein paar Wochen spä­ter stell­te ich fest, dass der Daten­satz der „Doomsday“-Produzenten1 offen­bar als ein­zi­ger durch­ge­kom­men war und über­lebt hat­te – in den Cre­dits des mir bis heu­te völ­lig unbe­kann­ten B‑Movies „Doomsday Man“.

Die Fol­gen
Wir waren glei­cher­ma­ßen ent­täuscht wie erhei­tert über das, was die IMDb da so gebo­ten hat­te. Aber wir ver­ga­ßen das alles, als im Dezem­ber 1999 ein Film anlief, der Hand­lung, Sze­nen und sogar ein­zel­ne Ein­stel­lun­gen aus „Doomsday“ geklaut zu haben schien: „End Of Days“ mit Arnold Schwar­zen­eg­ger. Dann sahen wir ein, dass die Dreh­ar­bei­ten dazu schon vor län­ge­rer Zeit statt­ge­fun­den haben muss­ten, und bei­de Fil­me jetzt nicht sooooo ori­gi­nell waren. Da war uns auch „End Of Days“ egal – wie der Film übri­gens jedem egal sein soll­te.

Mit den Jah­ren stell­ten wir fest, dass offen­bar ziem­lich vie­le Film­da­ten­ban­ken ihre Daten­sät­ze mit denen der IMDb … nun ja: abglei­chen – und so ste­hen wir heu­te nicht nur dort, son­dern auch hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier.

Und weil Sie die­se klei­ne, fei­ne, aber doch irgend­wie unspek­ta­ku­lä­re Geschich­te bis zum Schluss durch­ge­le­sen haben, sol­len Sie dafür mit einem klei­nen Schman­kerl belohnt wer­den. Es sind – natür­lich – die bes­ten Sze­nen aus „Doomsday“:

1 Wir hat­ten in der Zwi­schen­zeit erkannt, dass „Doomsday 99“ doch ein zeit­lich zu begrenzt ver­wert­ba­rer Titel sein wür­de.

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Leben Unterwegs

Been there, done that

Fünf Arten, wie man nicht zum Ter­min bei sei­nem Anwalt erschei­nen soll­te:

  • Ver­spä­tet (Deut­sche Bahn)
  • Klamm („Leich­te Schau­er“)
  • Außer Atem (Spon­ta­ne Mit­tel­stre­cken­läu­fe)
  • Ver­schwitzt (Spon­ta­ne Mit­tel­stre­cken­läu­fe)
  • Unfri­siert (All of the abo­ve)

Wenigs­tens hat­te ich unter­wegs noch Gele­gen­heit, vom Zug aus die heu­te bekann­tes­te Piz­ze­ria Deutsch­lands zu sehen.

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Leben Unterwegs

Urlaub machen, wo andere leben

Jesus auch in Bochum

Besucht man irgend­wen irgend­wo und drängt die­se Per­son mit mil­der Gewalt dazu, am eige­nen tou­ris­ti­schen Pro­gramm mit­zu­ma­chen, wird man mit an Sicher­heit gren­zen­der Wahr­schein­lich­keit am Ende einen Satz wie die­sen hören: „Also, das fand ich jetzt wirk­lich inter­es­sant. Wenn man hier wohnt, guckt man sich das ja nor­ma­ler­wei­se gar nicht an.“

Mich kommt in Bochum lei­der nie­mand besu­chen, wes­we­gen Kath­rin und ich uns am Wochen­en­de ein­fach mal auf eige­ne Faust als Tou­ris­ten in der eige­nen Hei­mat ver­sucht haben. Einen beson­de­ren Grund dazu gab es eigent­lich nicht, außer dass wir mal recht drin­gend Urlaub brauch­ten.

Gute Grün­de, dass die Innen­stadt voll ist, gibt es hin­ge­gen schon: Die Son­ne scheint in all ihrer som­mer­li­chen Pracht vom Him­mel hin­ab, der VfL spielt zur Sai­son­er­öff­nung gegen Wer­der Bre­men und auf dem Dr.-Ruer-Platz fin­det „Bochum kuli­na­risch“ statt, eine Art Weih­nachts­markt ohne Geschen­ke­stän­de und mit bes­se­rem Essen im Som­mer. Es herrscht das, was in Fern­seh­do­ku­men­ta­tio­nen mit dem Satz „Es herrscht Volks­fest­stim­mung“ beschrie­ben wird, bevor dann irgend­ein Unglück pas­siert (Explo­sio­nen, ein­stür­zen­de Tri­bü­nen, nie­der­ge­schla­ge­ne Volks­auf­stän­de).

Ein Unglück soll­te uns am Sams­tag aber nicht pas­sie­ren, denn Jesus liebt uns. Das behaup­ten zumin­dest die jun­gen Men­schen, die uns hun­dert Meter wei­ter Flug­blät­ter in die Hand drü­cken wol­len. Wir bedan­ken uns für so viel Unter­stüt­zung, gehen aber lie­ber wei­ter, bevor wir noch beim gro­ßen gemein­sa­men Sin­gen mit­ma­chen müs­sen. Kath­rin möch­te ihren Tele­fon­an­schluss kün­di­gen, was aber im Tele­kom-Laden natür­lich nicht geht. Des­halb gehen wir direkt wei­ter „Kla­mot­ten gucken“, also serious shop­ping betrei­ben. Zwan­zig Minu­ten spä­ter habe ich bei C&A ein Paar Jeans in mei­ner Grö­ße für 9 Euro erstan­den (alle ande­ren Grö­ßen kos­ten 15 Euro, der Ursprungs­preis ist dem Eti­kett lei­der nicht mehr zu ent­neh­men) und ver­schwand erst mal in den Tie­fen einer Buch­hand­lung.

Um das Gefühl von Groß­stadt und Urlaub noch ein biss­chen aus­zu­kos­ten, gehen wir zu Star­bucks – davon hat Bochum inzwi­schen zwei Stück im New-York-ver­däch­ti­gen Abstand von 250 Metern. Star­bucks ist zwar eigent­lich ein Super-Feind­bild für alles und A haben mit „Don’t want your job in Star­bucks“ eine wun­der­bar tref­fen­de Lied­zei­le zum The­ma, aber wie sonst soll man Welt­läu­fig­keit simu­lie­ren, wenn nicht mit einer ame­ri­ka­ni­schen Kaf­fee­ket­te? Ganz uname­ri­ka­nisch set­zen wir uns aller­dings hin1 – wenn auch drau­ßen vor den Laden, wo wir die Men­schen in der Fuß­gän­ger­zo­ne wie Qual­len an uns vor­bei­trei­ben las­sen. Die Bochu­mer Innen­stadt ist teil­wei­se der­art reno­viert wor­den in den letz­ten Jah­ren, dass ich nur auf den Tag war­te, an dem die Stadt das ers­te Mal in einem Fern­seh­film Ber­lin dou­beln muss, weil sich die Kame­ra­teams in Ber­lin ja sowie­so immer gegen­sei­tig auf den Füßen rum­ste­hen.

Der shop­ping spree soll bei H&M wei­ter­ge­hen, dort haben sie schwar­ze Cord­sackos, deren Erwerb ich seit eini­gen Jah­ren ernst­haft in Erwä­gung zie­he. Ein­mal hat­te ich bereits eines gekauft, aber mei­ne per­sön­li­che Stil­be­ra­te­rin, die lan­ge als Mar­ke­ting-Direk­tor in der New Yor­ker Mode­bran­che gear­bei­tet hat­te, schick­te mich mit harr­schem Ton zum Umtausch. Die Ärmel sei­en defi­ni­tiv zu kurz, so ihr ver­nich­ten­des Urteil. Die Ärmel sind auch dies­mal zu kurz, was den Ver­dacht nahe­legt, dass mei­ne Arme in Wahr­heit zu lang sind. Dafür sind mei­ne Bei­ne zu kurz, was das Ein­stel­len des Fah­rer­sit­zes im Auto immer zu einer län­ge­ren Ange­le­gen­heit wer­den lässt.

Nach etwa einer Stun­de schwe­di­scher Mas­sen­mo­de (ich hat­te die eben­falls shop­pen­de Dame ja erwähnt) bin ich gegen Fünf lang­sam doch mal reif für Mit­tag­essen. Also gehen wir zur Fisch­bra­te­rei von Gül­cans Schwie­ger­va­ter und ich ent­schei­de mich zwecks Urlaubs­fee­ling für ein Krab­ben­bröt­chen mit Nord­see­krab­ben. Das erin­nert mich immer an die unge­zähl­ten Fami­li­en­ur­lau­be an der hol­län­di­schen Nord­see­küs­te (war­um ein Bröt­chen mit Nord­see­krab­ben in Bochum knapp die Hälf­te von dem kos­tet, was man in Hol­land hin­term Deich bezahlt, kann mir sicher irgend­ein VWL-Stu­dent erklä­ren, falls ich mal einen ken­nen­ler­ne).

Für den Sams­tag reicht uns das, außer­dem will ich ja die „Sport­schau“ sehen. Hät­te ich geahnt, dass in der ers­ten Stun­de sowie­so nichts inter­es­san­tes läuft, hät­te ich mir die Tier­schüt­zer, die in der Fuß­gän­ger­zo­ne Vide­os von lei­den­dem Schlacht­vieh zei­gen, viel­leicht noch mal genau­er ange­guckt.

Nach die­sem groß­städ­ti­schen Sams­tag hät­ten wir es am Sonn­tag­abend gern ein paar Num­mern klei­ner. Das ist kein Pro­blem, denn in fuß­läu­fi­ger Ent­fer­nung befin­det sich das „Kirch­vier­tel“ mit alten Berg­ar­bei­ter­häu­sern; diver­sen Bäcke­rei­en, Apo­the­ken und Super­märk­ten; zwei Piz­za­bu­den und tat­säch­lich einer Kir­che. Uns inter­es­siert aber beson­ders die Eis­die­le: Die Aus­wahl ist noch grö­ßer als am Tag zuvor bei Star­bucks und ich wün­sche mir für einen Moment, irgend­je­mand wür­de ein­fach mal für mich ent­schei­den. Dann wäre ich aber ver­mut­lich bei Bana­ne-Moc­ca aus­ge­kom­men und nicht bei Ana­nas-Tira­mi­su wie jetzt. Vor uns ist ein Mann dran, der mit etwas eigen­tüm­li­chen Wün­schen zu über­ra­schen weiß: Fünf Kugeln Moc­ca mit Sah­ne und zwei Kugeln Eis für den Hund (ohne Sah­ne).2

Eis schle­ckend und trop­fend spa­zie­ren wir durch den Orts­teil, der so wun­der­bar dörf­lich wirkt, dass man kaum glau­ben kann, mit­ten im Ruhr­ge­biet zu sein. Die Bewoh­ner des nahe­ge­le­ge­nen Senio­ren­heims (das erklärt die vie­len Apo­the­ken) schlur­fen durch die Stra­ßen und mei­ne Hän­de kle­ben von der zer­lau­fe­nen Eis­creme. Als wir wie­der Rich­tung Uni­ver­si­täts­stra­ße gehen, fra­gen wir uns, ob Bochum nicht viel­leicht doch ein ganz guter Wohn­ort ist, auch län­ger­fris­tig, und war­um man sich sowas nor­ma­ler­wei­se nicht anguckt.

1 Fol­gen­der Dia­log wur­de mir mal aus einer kali­for­ni­schen High School über­lie­fert:
Deutsch­leh­re­rin (Deut­sche): „In Euro­pe, espe­ci­al­ly in Ger­ma­ny, the peo­p­le usual­ly sit down in a cafe. I don’t get why Ame­ri­cans always have to walk around with their bever­a­ges.“
Schü­ler (Ame­ri­ka­ner): „It’s becau­se they have jobs – which 4.5 mil­li­on Ger­mans don’t do, as I recall.“
Der Schü­ler wur­de dar­auf­hin des Unter­richts ver­wie­sen.

2 Das ist aller­dings nichts ver­gli­chen mit dem Mann, der in Dins­la­ken mal „Ama­re­na­ta durchs Spa­ghet­ti-Eis-Sieb gepresst im Hörn­chen“ haben woll­te. Ama­re­na­ta ist Eis mit gan­zen Kir­schen drin.

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Wer bei Regen Sonnenmilch kauft, weiß, dass der Stuhl zuerst ein Baum ist

Es ist Hald­ern und die Son­ne scheint … nicht. Nein, es pisst.

Wenn das, was da gera­de run­ter­kommt, zu den für heu­te ange­kün­dig­ten „Schau­ern“ zählt, kann ich wirk­lich nur hof­fen, dass es nicht auch noch zu „Wol­ken­brü­chen“ kommt. Oder dass sich das gan­ze Was­ser jetzt abreg­net und es ab heu­te Abend zum Zelt­auf­bau tro­cken bleibt. Oder dass es nur im Ruhr­ge­biet reg­net, nicht aber am Nie­der­rhein.

Okay, das letz­te war jetzt wirk­lich eine absur­de Idee. Schließ­lich bin ich am Nie­der­rhein auf­ge­wach­sen und in mei­ner Erin­ne­rung reg­ne­te es qua­si immer. Das erklärt natür­lich auch die saf­ti­gen Wie­sen und die lieb­li­chen Auen, die bei­na­he als Tou­ris­ten­ma­gnet her­hal­ten könn­ten, wenn das Wet­ter (s.o.) nicht immer so schlecht wäre. Ver­mut­lich stand am Nie­der­rhein mal die höchs­te Gebirgs­ket­te der Welt (inkl. eines Neun­tau­sen­ders dort, wo heu­te Ding­den liegt, und eines Acht­tau­sen­ders bei Fried­richs­feld), aber der Regen hat das gan­ze Gestein weg­ge­wa­schen, so dass das Land dort nun flach ist wie … Hol­land.

Heu­te Abend wird es wohl noch kein Live­ge­b­log­ge geben, weil ich auf dem Zelt­platz erst recht kein Inter­net haben wer­de (und mein Sie­mens ME45 nicht wirk­lich für sol­che Vor­ha­ben zu gebrau­chen ist). Aber ab mor­gen wer­de ich dann ver­su­chen, immer was aktu­el­les zu schrei­ben.

Bis dahin ver­wei­se ich noch mal auf mein letz­tes Fes­ti­val-im-Regen-Blog und den Umstand, dass sich noch eine Band für heu­te Abend ange­kün­digt hat, die, wenn ich noch ein­mal ihren Namen nen­nen wür­de, ihre gefühl­te zwöl­f­und­drei­ßigs­te Erwäh­nung in die­sem Blog gefun­den hät­te. Und das muss ja nicht heu­te sein.

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Irrationale Ängste

Als ich ges­tern „Das Model und der Freak“ sah, dach­te ich, dass es doch ein biss­chen beun­ru­hi­gend wäre, wenn dort ein­mal ein ehe­ma­li­ger Klas­sen­ka­me­rad als „Freak“ auf­tauch­te. Mög­li­cher­wei­se hät­te man sich mit unüber­leg­ten puber­tä­ren Sprü­chen oder der Wahl des Betref­fen­den zum „Schü­ler, der ein­mal in den Nach­rich­ten erschei­nen wird“ in der Abizei­tung mit­schul­dig dar­an gemacht, dass der Arme nun von halb­nack­ten Models in küchen­psy­cho­lo­gi­sche Gesprä­che ver­wi­ckelt wird.

Dann dach­te ich: Noch tra­gi­scher wäre doch, wenn man als Frau vor dem Fern­se­her sitzt und sei­nen Ex-Freund durch eine sol­che Sen­dung gescheucht sieht. Der neue Lebens­part­ner (oder gar Ehe­mann) sitzt mit einem Tel­ler Möh­ren und einer Schüs­sel Kräu­ter­quark auf dem Sofa neben einem und man muss jetzt ganz genau über­le­gen, ob das die rich­ti­ge Situa­ti­on ist, ihm sei­nen Vor­gän­ger vor­zu­stel­len.

Dann erin­ner­te ich mich an ein Gespräch, das ich mal in einem Café mit­be­kom­men hat­te: Eine jun­ge Frau erzähl­te einer ande­ren, sie habe kürz­lich mit ihrem Ex-Freund tele­fo­niert und als sie die­sen gefragt habe, wie es ihm gehe, habe der geant­wor­tet, er sei jetzt mit Sound­so zusam­men und Sound­so war der Name eines Man­nes und der Ex-Freund dem­nach auf ein­mal schwul. Ich konn­te gera­de noch an mich hal­ten, mich zu den bei­den umzu­dre­hen, mich vor­zu­leh­nen und in Rein­hold-Beck­mann-Ton­fall zu fra­gen: „Wie fühlt man sich in einer sol­chen Situa­ti­on? Zwei­felt man da nicht an sei­ner eige­nen Weib­lich­keit?“ Aber dann dach­te ich mir, dass Rein­hold Beck­mann (ob echt oder falsch) der letz­te ist, den man in einer sol­chen Situa­ti­on um sich haben möch­te.

Frü­her, als es im Fern­se­hen nur drei Kanä­le gab, war man noch sicher: Ins Fern­se­hen kam nur, wer Poli­ti­ker, Sport­ler oder Kan­di­dat bei „Wet­ten, dass…?“ war. Dann kamen die Pri­vat­sen­der und ris­sen die vier­te Wand, von der sie ver­mut­lich nicht mal wuss­ten, dass sie exis­tier­te oder wer sie dahin­ge­stellt hat­te, ein. Aber auch nach über zwan­zig Jah­ren haben die Leu­te auf der Stra­ße nicht begrif­fen, dass die ein­zig ange­mes­se­ne Reak­ti­on auf eine Fern­seh­ka­me­ra und einen über­dreh­ten Repor­ter ist, schnell weg­zu­lau­fen und wäh­rend der Flucht mit den eige­nen Anwäl­ten zu dro­hen, falls die­ser Irr­sinn aus­ge­strahlt wer­den soll­te. Nein, die Leu­te sind immer noch ganz ehr­fürch­tig, wenn sie von alber­nen Fran­zo­sen, die in ein Baguette spre­chen, oder TV-Total-Mit­ar­bei­tern ange­quas­selt wer­den.

Einen, der die­ses jour­na­lis­ti­sche Sub­gen­re in Deutsch­land „groß“ gemacht hat, sah ich neu­lich in der Esse­ner Innen­stadt: Theo West. Von wei­tem sah ich, wie er unver­mit­telt neben (meist älte­ren) Pas­san­ten auf­tauch­te und sie mit ver­mut­lich dadurch schon so weit irri­tier­te, dass sie ihm spä­ter glau­ben wür­den, Bun­des­kanz­le­rin Mer­kel habe auf dem Esse­ner Wochen­markt einen Stand mit selbst­ge­koch­ter Wal­nuss­mar­me­la­de eröff­net (oder was immer er ihnen erzähl­te). Ich merk­te, dass ich kalt­schwei­ßig wur­de und instän­dig hoff­te, die­ser Knilch möge an mir vor­über­ge­hen. Ich hät­te ver­sucht sein kön­nen, wit­zig oder schlag­fer­tig zu sein (zwei Eigen­schaf­ten, die ich für mich nie in Anspruch genom­men habe), und das hät­te neben einem sol­chen Voll­pro­fi rich­tig pein­lich wir­ken kön­nen. Da hät­te nur noch apa­thi­sches Stie­ren direkt in die Kame­ra eine Aus­strah­lung ver­mas­seln kön­nen (so bin ich mal dem dama­li­gen Musik­sen­der Viva ent­kom­men).

Aber selbst, wer die Esse­ner, Köl­ner und Ber­li­ner (wo man immer­hin noch von Cars­ten van Rys­sen ver­arscht wer­den konn­te) Innen­stadt mei­det, ist nicht mehr sicher: Seit neu­es­tem läuft man auch zuhau­se Gefahr, von Sen­dun­gen wie „Quiz-Tour“ beläs­tigt zu wer­den. Mein schlimms­ter Alp­traum indes wäre, dass Tine Witt­ler bei mir klin­gel­te, um medi­ter­ra­ne Wisch­tech­nik und Stau­raum in mei­ne vier Wän­de zu brin­gen, auf dass ich zukünf­tig lie­ber unter einer Brü­cke schlie­fe als daheim. Wo sind die Leu­te, die immer mit dem Grund­ge­setz wedeln, eigent­lich, wenn öffent­lich der­art gegen die Unver­letz­lich­keit der Woh­nung ver­sto­ßen wird?

All dies sind natür­lich Extrem­bei­spie­le; Ängs­te, die – wie die aller­meis­ten Ängs­te – unbe­grün­det sind. So habe ich jah­re­lang wie­der­holt geträumt, in einem Fahr­stuhl zu sein, der wahl­wei­se abstürzt oder nach oben durch die Decke schießt. Das ist inso­fern fas­zi­nie­rend, als ich im wachen Zustand kei­ner­lei Pro­ble­me mit gro­ßen Höhen oder Fahr­stüh­len habe – mit der Ein­schrän­kung, dass ich pani­sche Angst davor habe, gemein­sam mit Jür­gen Drews und Gül­can Karahan­ci in einem Fahr­stuhl ste­cken zu blei­ben. Da ich aber weder dem „König von Mal­lor­ca“, noch der Plau­der­ta­sche von Viva bis­her begeg­net bin, basiert auch die­se Angst mehr auf der vagen Mög­lich­keit, ein sol­ches Ereig­nis kön­ne ein­tre­ten, als auf per­sön­li­chen Erfah­run­gen. Noch unwahr­schein­li­cher ist ledig­lich der Traum, den ich kürz­lich hat­te, und in dem ich zum Bun­des­vor­sit­zen­den der Jun­gen Uni­on gewählt wor­den war. Der war aber auch schreck­lich.