Kategorien
Musik Leben

The höher they come, the blöder they fall

Es mag Zufall sein, dass es fast auf den Tag genau acht Jah­re her ist, dass ich zum ers­ten Mal von Brit­ney Spears hör­te. Sie trat mit ihrer ers­ten Sin­gle „Baby One More Time“ bei „Top Of The Pops“ auf und als mein bes­ter Freund und ich das sahen und hör­ten, gaben wir dem Mädel drei Sin­gles, dann sei alles wie­der vor­bei. Ich gebe zu: wir hat­ten uns ver­schätzt. Es waren dann doch vier Alben, die zu bewer­ten hier gar nicht The­ma sein soll. (Nur ein Hin­weis sei erlaubt: dass „Baby One More Time“ ein tol­ler Song war, wur­de spä­tes­tens ein Jahr spä­ter klar, als Tra­vis ihn cover­ten.)

Die Fra­ge, wann eigent­lich Brit­neys letz­te Sin­gle erschie­nen sei (und wie die klang), könn­te ich nicht ohne vor­he­ri­ge Recher­che beant­wor­ten. Aber das ist inzwi­schen auch völ­lig egal, es inter­es­siert ja auch nur noch die wenigs­ten, dass Pete Doh­erty noch Musik macht (die letz­te Babysham­bles-EP, das weiß ich wenigs­tens, hieß „The Blin­ding“ und erschien Ende 2006). Brit­ney Spears, die ja sowie­so immer schon ein belieb­tes The­ma des sog. Boulevard-„Journalismus“ war, ist end­gül­tig zum Traum eines jeden Gos­sen­be­ob­ach­ters gewor­den, weil sie alles, aber auch wirk­lich alles ver­eint, wofür man sonst Paris Hil­ton, Rob­bie Wil­liams und Pete Doh­erty bräuch­te – oder die jetzt nicht mehr ver­füg­ba­re Anna Nico­le Smith.

Jetzt (das ist der Bild­zei­tungs-Begriff für „vor eini­ger Zeit“, in die­sem Fall: „let­ze Woche“) hat sie sich eine Glat­ze schnei­den las­sen, was die „Panorama“-Redakteure hun­der­ter Online-Maga­zi­ne in Ver­zü­ckung ver­set­ze. Zwar gab es allen­falls zwei grie­se­li­ge Fotos von Spears‘ Plat­te, aber fast nie­mand ließ sich die Gele­gen­heit ent­ge­hen, noch mal eine Foto-Gale­rie mit den schöns­ten glatz­köp­fi­gen Frau­en (Sinead O’Con­nor, Skin, Nata­lie Port­man, Demi Moo­re) zusam­men­zu­stel­len. Ent­setzt wur­de das Phra­sen­schwein gemol­ken und die ewig glei­che Fra­ge, wie es nur so weit habe kom­men kön­nen, in den Raum oder zumin­dest auf die Titel­sei­ten gestellt. Frau Spears, die vor dem Fri­seur­be­such eine Ent­zie­hungs­kur abge­bro­chen hat­te, begab sich in der Zwi­schen­zeit in eine Ent­zugs­kli­nik, check­te nach 24 stun­den wie­der aus und hat nach neu­es­ten Mel­dun­gen grad zum drit­ten Mal inner­halb einer Woche eine Reha-Kli­nik auf­ge­sucht. (Ich muss mich kor­ri­gie­ren: nach neu­es­ten Mel­dun­gen soll Frau Spears mit einem Regen­schirm auf ein Auto los­ge­gan­gen sein, das ent­we­der ihrem Noch-Gat­ten oder einem Papa­raz­zo gehör­te. Das mit der Kli­nik könn­te natür­lich trotz­dem stim­men. Oder schon wie­der über­holt sein.)

Der ziem­lich bril­lan­te ame­ri­ka­ni­sche Pop­jour­na­list Chuck Klos­ter­man sagt in einem (im Novem­ber 2006 geführ­ten) Inter­view in der aktu­el­len Galo­re:

Es ist schwie­rig, jeman­den wie Brit­ney sati­risch zu beglei­ten. Wenn jemand vor zwei Jah­ren eine Par­odie auf Spears ver­fasst hät­te, was hät­te er getan? Wahr­schein­lich hät­te man sie mit einem wei­ßen Mit­tel­stands-Mann ver­hei­ra­tet, der von sich denkt, er sei ein Rap­per. Und der dann in ihrem Kel­ler wohnt und hin­ter­her um das Sor­ge­recht für die Kin­der klagt, um an ihr Geld zu kom­men. Das wäre glatt als Sati­re durch­ge­gan­gen. Aber es ist wirk­lich pas­siert. Man hät­te auch eine Sze­ne schrei­ben kön­nen, wie Brit­ney bar­fuß aus einer öffent­li­chen Toi­let­te kommt. Auch das ist wirk­lich pas­siert.

Bei You­Tube kann man sich ein Video anse­hen, wie Brit­ney Spears von Papa­raz­zi bedrängt wird und schließ­lich aus­ras­tet. Die Berufs­zy­ni­ker der Scum Press wer­den wie­der was faseln von „Wer die Medi­en für sei­nen Auf­stieg nutzt, muss auch damit rech­nen, in der Zei­tung zu ste­hen, wenn es mal nicht so gut läuft.“ (das Zitat ist zusam­men­er­fun­den, soll­te aber als authen­tisch durch­ge­hen) und auch der klei­ne Mann auf der Stra­ße wird wie­der geist­rei­che Leser­brie­fe abson­dern mit Sen­ten­zen wie „Ich kann das Gejam­mer der ‚Rei­chen und Schö­nen‘ nicht mehr hören. Er hat sich für das Leben, das er führt, ent­schie­den, und ent­schei­det sich jeden Tag aufs Neue dafür.“ (aus den Kom­men­ta­ren zu einem sueddeutsche.de-Arti­kels über Rob­bie Wil­liams‘ aktu­el­len Tablet­ten­ent­zug, der sich sowie­so schon wie ein Nach­ruf liest). Und war­um gucken wir uns das alle an? Weil „die da oben“ viel schö­ner und län­ger fal­len kön­nen. Das Schluss­wort die­ses quir­li­gen Gedan­ken­hop­pings gebührt des­halb Bil­ly Wil­der:

Der Unter­schied zwi­schen einer Komö­die und einer Tra­gö­die ist: Ein Mann läuft eine Stra­ße hin­un­ter und fällt hin. Wenn er wie­der auf­steht, ist das eine Komö­die, die Leu­te lachen; bleibt er lie­gen, ist es eine Tra­gö­die.

Kategorien
Musik Rundfunk

Rock Me Amadeus

Ich mag die Öster­rei­cher. Und in den letz­ten 12 Stun­den fand ich wie­der zwei Sachen, an denen ich das fest­ma­chen konn­te:

1. Die ORF-2-Über­tra­gung vom Wie­ner Opern­ball. Wäh­rend mann im deut­schen Fern­se­hen (auch oder gera­de im öffent­lich-recht­li­chen) bei sol­chen Ereig­nis­sen hek­ti­sche, ober­fläch­li­che Inter­views mit den immer glei­chen Pro­mi­nen­ten sehen wür­de, unter­hielt sich Ara­bel­la Kies­bau­er min­des­tens drei Minu­ten mit Stel­la Deet­jen, die sich für ein Lepra-Pro­jekt in Indi­en enga­giert und den Opern­ball zum Kon­tak­te­knüp­fen und Spen­den­sam­meln nut­zen woll­te. Man mag das als Ali­bi-The­ma abtun, aber dann stel­le man sich mal vor, bei irgend­ei­nem deut­schen „Event“ (bei dem deut­schen „Event“, was auch immer das sein soll­te) käme eine nicht-pro­mi­nen­te Wohl­tä­te­rin zu Wort und rede­te drei Minu­ten über eine immer noch weit ver­brei­te­te, aber rela­tiv gut heil­ba­re Krank­heit. Klingt eher unwahr­schein­lich, oder? Dass der kur­ze Talk mit Paris Hil­ton dann auch noch gar nicht mal so ober­fläch­lich war und Mode­ra­tor Alfons Hai­der mit dem hüb­schen Neben­satz „sie ver­sucht sich als Schau­spie­le­rin, Sän­ge­rin und Model“ auch noch eine (unfrei­wil­li­ge?) Spit­ze rein­brach­te, run­de­te mei­ne Freu­de über die­ses TV-Ereig­nis ab.

2. Die­se Wor­te, die die Öster­rei­cher, und wirk­lich nur die Öster­rei­cher haben, die­se Berufs­be­zeich­nun­gen, die­se etwas anti­quiert wir­ken­de Höf­lich­keit, das alles fin­de ich ganz toll. Und ein neu­es Lieb­lings­wort habe ich jetzt auch: Pöna­le.

In die­sem Zusam­men­hang soll­te man viel­leicht dar­auf hin­wei­sen, dass der zweit dritt viert­be­rühm­tes­te Öster­rei­cher der Welt nächs­te Woche 50 Jah­re alt gewor­den wäre. Stand in der neu­en Vani­ty Fair.