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Gesellschaft

Der Druck steigt

So wie es aus­sieht, wird es mor­gen in Bochum zu Groß­de­mons­tra­tio­nen mit mehr als 30.000 Teil­neh­mern kom­men – und das liegt aus­nahms­wei­se nicht dar­an, dass mal wie­der irgend­ei­ne Pro­duk­ti­ons­stät­te geschlos­sen wer­den soll. Der tür­ki­sche Minis­ter­prä­si­dent Recep Tayyip Erdo­gan soll in der Bochu­mer Jahr­hun­dert­hal­le aus den Hän­den von Ex-Bun­des­kanz­ler Ger­hard Schrö­der den soge­nann­ten „Stei­ger Award“ in der Kate­go­rie „Euro­pa“ erhal­ten, „auch als deut­li­ches Zei­chen für geleb­te deutsch-tür­ki­sche Freund­schaft“.

Nun könn­te man ein­wen­den, ein Minis­ter­prä­si­dent, der die Tür­ken in Deutsch­land vor Assi­mi­la­ti­on warnt und den Völ­ker­mord der Tür­ken an den Arme­ni­ern abstrei­tet, des­sen Regie­rung die Pres­se­frei­heit nicht son­der­lich ernst nimmt und des­sen Land unbe­que­me Jour­na­lis­ten ein­sperrt, so ein Minis­ter­prä­si­dent soll­te viel­leicht bes­ser kei­nen Preis bekom­men, da könn­te man ja auch gleich Bushi­do mit einem Inte­gra­ti­ons­preis aus­zeich­nen. Aber las­sen Sie mich erst mal zu dem Preis selbst kom­men.

In Deutsch­land wer­den vie­le merk­wür­di­ge Prei­se ver­lie­hen, von den meis­ten bekommt man aller­dings nichts mit. Auch der „Stei­ger Award“ war bis­her vor allem sei­nem Ver­an­stal­ter, den loka­len Per­sön­lich­kei­ten, die zur Ver­lei­hung ein­ge­la­den wer­den, und den Mana­gern der Preis­trä­ger ein Begriff.

Der Ver­an­stal­ter beschreibt sein Anlie­gen so:

Der Stei­ger Award ist ent­stan­den aus Pri­vat­in­itia­ti­ve und dem Wunsch der kul­tu­rel­len, sozia­len und gesell­schaft­li­chen För­de­rung der Regi­on.

Das Ruhr­ge­biet in der Mit­te Euro­pas soll­te stär­ker in den Fokus rücken. Der Stei­ger Award ist Preis und Phi­lo­so­phie zugleich. Wir ehren Per­sön­lich­kei­ten, die sich durch Gerad­li­nig­keit, Offen­heit, Mensch­lich­keit und Tole­ranz aus­zeich­nen.
Der Begriff „Stei­ger“ stammt aus dem Berg­bau und dient als Syn­onym für die Gerad­li­nig­keit und Offen­heit der Berg­leu­te, der soge­nann­ten „Stei­ger“. Jähr­lich ent­schei­det eine Jury dar­über, wer die Aus­zeich­nung in den Berei­chen Film, Musik, Kunst, Sport, Cha­ri­ty, Umwelt, Tole­ranz und für sein Enga­ge­ment zur Eini­gung Euro­pas erhält.

Der Ver­an­stal­ter, das ist Sascha Hel­len, ein Mann Mit­te 30, der das soge­nann­te Netz­wer­ken zu sei­nem Beruf gemacht hat. Anders als Cars­ten Maschmey­er, der aktu­ell in „Bild“ erklärt, wie man Kon­tak­te knüpft und nutzt, hat Hel­len nichts mit dem Ver­kauf dubio­sen Finanz­dienst­leis­tun­gen zu tun, denn er ver­kauft: nichts. Er ver­mit­telt Red­ner, orga­ni­siert Ver­an­stal­tun­gen und sorgt so dafür, dass sich irgend­wel­che Leu­te und Ver­ei­ne mit zu viel Geld im Licht von berühm­ten Leu­ten son­nen kön­nen, die auch schon sehr viel Geld haben, jetzt aber noch mehr, weil Hel­len sie an die­se Leu­te und Ver­ei­ne ver­mit­telt. Es ist eine Win-Win-Situa­ti­on, die nie­man­dem weh tut, mit­tel­g­la­mou­rö­se Fotos für die Lokal­zei­tun­gen ab- und nur ganz am Ran­de die Fra­ge auf­wirft, zu was für absur­den Aus­wüch­sen so eine Mensch­heit eigent­lich in der Lage ist.

Nun pas­sen das Ruhr­ge­biet und Gla­mour-Ver­an­stal­tun­gen für die Obe­ren Zehn­tau­send eher nicht zusam­men, aber man kann natür­lich mal ver­su­chen, ob man den Leu­ten hier ihre gene­rel­le Skep­sis gegen­über allem, was sie nicht ken­nen, nicht ein biss­chen aberzie­hen kann. Die Ober­bür­ger­meis­te­rin hält den „Stei­ger Award“ dann auch aus uner­find­li­chen Grün­den für ein Pres­ti­ge­pro­jekt, das wich­tig für das Anse­hen Bochums sei – ganz so, als ob sich Shi­mon Peres, Bob Geldof oder Chris­to­pher Lee mer­ken könn­ten, ob sie einen die­ser merk­wür­di­gen deut­schen Prei­se auf ihrem Kamin­sims jetzt in Bochum oder in Offen­burg in Emp­fang genom­men haben.

Ver­gan­ge­nes Jahr woll­te Hel­len den Bochu­mern einen Abend mit Josef Acker­mann schen­ken – aus­ge­rech­net im Bochu­mer Schau­spiel­haus, das sich tra­di­tio­nell eher den Arbei­tern als irgend­wel­chen Bank­di­rek­to­ren ver­pflich­tet fühlt. Der frü­he­re Inten­dant des Hau­ses, Frank-Patrick Ste­ckel, pro­tes­tier­te öffent­lich dage­gen und irgend­wann sag­te Acker­mann schließ­lich ent­nervt ab. Ober­bür­ger­meis­te­rin Otti­lie Scholz ver­öf­fent­lich­te eine gemein­sa­me Erklä­rung mit Ver­an­stal­ter Sascha Hel­len, in der sie sich „in aller Form für die unwür­di­ge Dis­kus­si­on“ ent­schul­dig­te.

Jetzt also soll Recep Tayyip Erdo­gan den „Stei­ger Award“ bekom­men und unter Umstän­den könn­te man den Quatsch­preis Quatsch­preis sei­en las­sen, wenn die Schirm­her­rin der Ver­an­stal­tung nicht gera­de Ober­bür­ger­meis­te­rin Scholz wäre. Ver­tre­ter der Lan­des­re­gie­rung haben ihre Teil­nah­me inzwi­schen aus ver­schie­de­nen Grün­den (Bun­des­prä­si­den­ten­wahl, ande­re Ter­mi­ne) abge­sagt. Von Ger­hard Schrö­der ist eh kein Anstand zu erwar­ten, der hät­te letz­tes Jahr schon den eben­so schwach­sin­ni­gen Qua­dri­ga-Preis an Wla­di­mir Putin über­rei­chen sol­len, wenn die Ver­an­stal­tung nicht nach har­scher Kri­tik und einem Aus­stieg des Preis­ko­mi­tees abge­sagt wor­den wäre.

Die Kri­tik, die zunächst eher regio­nal zu hören war, ist inzwi­schen bei den natio­na­len Nach­rich­ten­agen­tu­ren ange­kom­men: dpa, AFP und Reu­ters berich­ten über Ralph Giord­a­no, den Deut­schen Jour­na­lis­ten­ver­band und CSU-Gene­ral­se­kre­tär Alex­an­der Dob­rindt, die die Preis­ver­lei­hung an Erdo­gan kri­ti­siert haben (zuge­ge­be­ner­ma­ßen nicht die seriö­ses­ten Kri­ti­ker, die ich mir vor­stel­len könn­te), ges­tern erschien auch bei „Spie­gel Online“ ein Arti­kel zu dem The­ma.

Die Ver­an­stal­ter mel­den sich seit Tagen mit immer staats­tra­gen­de­ren Beschwich­ti­gungs­schrei­ben zu Wort, in denen sie erklä­ren, die Aus­zeich­nung sei „aus­drück­lich kei­ne Bewer­tung der innen- und außen­po­li­ti­schen Akti­vi­tä­ten des tür­ki­schen Minis­ter­prä­si­den­ten“, der Preis sei „stell­ver­tre­tend für 50 Jah­re deutsch-tür­ki­sche Freund­schaft“ gemeint und die Aus­ein­an­der­set­zung mit Erdo­gans Poli­tik sol­le „durch einen kri­ti­schen Dis­kurs erfol­gen, nicht durch Aus­gren­zung“. Dass der Pro­test sol­che Dimen­sio­nen anneh­me, damit habe er nicht gerech­net, sag­te Hel­len der „WAZ“.

Eine Per­son hat sich zu dem gan­zen Dilem­ma noch gar nicht geäu­ßert: Ober­bür­ger­meis­te­rin Dr. Otti­lie Scholz, die Schirm­her­rin des „Stei­ger Awards“. Ver­mut­lich wird sie sich erst mor­gen zu Wort mel­den, wenn sie sich bei Erdo­gan in aller Form ent­schul­digt.

Nach­trag, 17. März: Minis­ter­prä­si­dent Erdo­gan hat sei­ne Teil­nah­me am „Stei­ger Award“ abge­sagt. „Als Grund wur­de der Absturz eines tür­ki­schen Mili­tär­hub­schrau­bers in Afgha­ni­stan mit 17 Todes­op­fern genannt“, wie Reu­ters schreibt.

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Städte, die das möchten

Damit war nicht zu rech­nen gewe­sen, als wir Dirk Elbers zwi­schen Weiß­wein (er) und Sekt (ich) anspra­chen. Doch der Düs­sel­dor­fer Ober­bür­ger­meis­ter ant­wor­te­te auf mei­ne Fra­ge, ob sei­ne Stadt Euro­vi­si­on Song Con­test, Mara­thon und eine rie­si­ge Indus­trie­mes­se gleich­zei­tig locker weg­ste­cken kön­ne, mit einem Satz, der als Glau­bens­be­kennt­nis aller Stadt­obe­ren in latent grö­ßen­wahn­sin­ni­gen Kom­mu­nen (also qua­si über­all) gel­ten kann: „Das ist eine Stadt, die das möch­te!“

Nun ist Düs­sel­dorf, eine Stadt, die es sich nicht mal neh­men lässt, einen ver­damm­ten Ski­lang­lauf-Welt­cup in ihrer Innen­stadt aus­zu­rich­ten, ein Extrem­bei­spiel jener Städ­te, die so ger­ne eine Metro­po­le wären, aber eben doch nur rein ver­wal­tungs­recht­lich eine Groß­stadt sind – aber bei­lei­be kein Ein­zel­fall.

Zwi­schen April und Okto­ber gibt es qua­si kein ein­zi­ges Wochen­en­de, an dem nicht min­des­tens ein, zwei Bus­li­ni­en in der Bochu­mer Innen­stadt umge­legt wer­den müs­sen, weil die eine oder ande­re Haupt­stra­ße (oder gleich meh­re­re davon) gesperrt ist. Da ist natür­lich Bochum Total („Euro­pas größ­tes inner­städ­ti­sches Musik­fes­ti­val“), aber auch der „Spar­kas­sen-Giro“ (ein Rad­ren­nen), der „Bochu­mer Musik­som­mer“ (auch eine Art Musik­fes­ti­val, aber mehr mit Wein­bu­den und ange­grau­ten Leh­rer-Ehe­paa­ren als Ziel­grup­pe), „Bochum kuli­na­risch“ (kei­ne Musik, noch mehr Wein­bu­den und Leh­rer) und am ver­gan­ge­nen Wochen­en­de erst­ma­lig der „Rewir­power-Halb­ma­ra­thon“ (ein Halb­ma­ra­thon). Hin­zu kom­men Ver­an­stal­tun­gen wie „Die Nord­see kommt – Das Welt­na­tur­er­be Wat­ten­meer zu Gast in Bochum“, das „Kuh­hir­ten­fest“, das Uni­fest, meh­re­re Floh­märk­te, ein Fisch­markt, sowie diver­se „Events“ in und um die inner­städ­ti­schen Ein­kaufs­zen­tren. Wer kei­nen Schre­ber­gar­ten hat, kann eigent­lich jedes Wochen­en­de irgend­wo hin­ge­hen, bevor dann im Novem­ber end­lich der Weih­nachts­markt eröff­net. Und das alles gibt es in jeder Nach­bar­stadt hier im Ruhr­ge­biet selbst­ver­ständ­lich noch ein­mal.

Ver­ant­wort­lich sind natür­lich vie­le unter­schied­li­che Ver­an­stal­ter. Oft ist das Stadt­mar­ke­ting dabei, aber nicht immer. Es gibt vie­le unter­schied­li­che Ziel­grup­pen und für sich genom­men mag jede Ver­an­stal­tung ihre Berech­ti­gung und ihren Charme haben. In der Sum­me gleicht es einer Fünf­jäh­ri­gen, die sich Mut­tis Schmuck umge­han­gen hat (und zwar den gan­zen) und deren Gesicht unter einer zen­ti­me­ter­di­cken Schmink­schicht ver­schwun­den ist. ((Außer­dem kann die klei­ne nicht rich­tig gehen, weil sie in über­gro­ßen Pumps steckt.))

Was uns zum vor­läu­fi­gen Tief­punkt bringt, der erreicht war, als „City Point“ und „Dreh­schei­be“ (die zuvor erwähn­ten inner­städ­ti­schen Ein­kaufs­zen­tren) kürz­lich die „Living Doll 2011“ zu küren such­ten. Da stan­den vor den ein­zel­nen Geschäf­ten Men­schen, die Pro­duk­te aus den jewei­li­gen Läden tru­gen und sich nicht bewe­gen durf­ten. Dazwi­schen stan­den ande­re Men­schen, ((Oder waren es die glei­chen? Ich hat­te mich abwen­den müs­sen.)) die Karao­ke san­gen. „Nur ein Wort“ von Wir Sind Hel­den, zum Bei­spiel. Alles, aber auch wirk­lich alles muss schief gegan­gen sein, damit so etwas pas­siert.

Nun ist es natür­lich nicht so, dass ech­te Metro­po­len völ­lig auf sol­cher­lei Ver­an­stal­tun­gen ver­zich­ten wür­den. In New York ist an jedem Wochen­en­de ver­mut­lich mehr los, als in ganz NRW in einem hal­ben Jahr. Aber die Stadt ist natür­lich bedeu­tend grö­ßer, so dass nicht stän­dig die glei­chen Stra­ßen gesperrt wer­den müs­sen, und außer­dem gibt es dort Tou­ris­ten.

Ande­rer­seits hat der Ver­an­stal­tungs­wahn zumin­dest in Bochum den (poli­tisch sicher so gewoll­ten) Vor­teil, dass man sich an den Wochen­en­den eher für das oft unan­sehn­li­che Gan­ze schämt, anstatt stän­dig für die eige­ne Stadt­spit­ze. Immer­hin hat­te es unse­re Ober­bür­ger­meis­te­rin für nötig gehal­ten, sich nach einer durch­aus hit­zi­gen öffent­li­chen Debat­te dar­über, ob Josef Acker­mann im Bochu­mer Schau­spiel­haus reden soll (of all places), bei Herrn Dr. Acker­mann per­sön­lich „für die unwür­di­ge Dis­kus­si­on“ zu ent­schul­di­gen. ((Nicht etwa für die Art der Dis­kus­si­on, die natür­lich als „weit­ge­hend unsach­li­che Kri­tik, aber auch die über­zo­ge­ne Bericht­erstat­tung in Tei­len der Lokal­pres­se“ gegei­ßelt wur­de, son­dern gleich für die gan­ze ver­damm­te Dis­kus­si­on an sich! Wer schreibt die­ser Frau ihre Brie­fe und Pres­se­er­klä­run­gen?!))

Jetzt aber ab heu­te und bis Sonn­tag „Bochu­mer Musik­som­mer“ und die nächs­te ganz gro­ße Pein­lich­keit: Am Sonn­tag wird das Pro­gramm auf allen Büh­nen von 14.46 Uhr bis 15.03 Uhr unter­bro­chen. War­um so krumm? Nun, in die­ser Zeit läu­ten in der gan­zen Stadt die Glo­cken zum Geden­ken an die Opfer der Anschlä­ge vom 11. Sep­tem­ber. ((War­um man dafür den Zeit­raum zwi­schen dem Ein­schlag des ers­ten und des zwei­ten Flug­zeugs ins World Trade Cen­ter gewählt hat, die Abstür­ze ins Pen­ta­gon und in Shanks­ville und den Ein­sturz der Tür­me aber außen vor­lässt, weiß ver­mut­lich vor allem der Wind.)) 17 Minu­ten Betrof­fen­heit bei Brat­wurst und Ape­rol Spritz, dann geht’s wei­ter mit Musik.

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Kultur

Es gilt das erbrochene Wort

Ich ver­eh­re Jochen Malms­hei­mer seit mehr als einer Deka­de. Ich schrie­be nicht, wenn er und sein dama­li­ger Tre­sen­le­sen-Kol­le­ge Frank Goo­sen mir nicht gezeigt hät­ten, was man alles Schö­nes mit der deut­schen Spra­che anfan­gen kann (der Rest mei­nes Schrei­bens stützt sich auf die Gesamt­wer­ke von Ben­ja­min von Stuck­rad-Bar­re, Chris­ti­an Kracht und natür­lich Max Goldt). Des­halb freut es mich beson­ders, dass Herrn Malms­hei­mer das gelun­gen ist, was in unse­rer bei­der Hei­mat­stadt Bochum maxi­mal alle zwei Wochen pas­siert: Er hat einen „Eklat“ aus­ge­löst.

Ort und Grund war die Eröff­nung des Zelt­fes­ti­vals Ruhr, das auch in die­sem Jahr wie­der hoch­ka­rä­ti­ge Künst­ler, aber auch Acts wie Ich + Ich, die Simp­le Minds oder die H‑BlockX an den Gesta­den des male­ri­schen Kem­n­ader Sees ver­sam­melt. Malms­hei­mer war gela­den, ein Gruß­wort zu spre­chen, und er nutz­te die Gele­gen­heit, dass die gesam­te Stadt­spit­ze wehr­los vor ihm saß, zu einer „Sua­da“ („West­deut­sche All­ge­mei­ne Zei­tung“), um „vom Leder zu zie­hen“ (ebd.), zu einer „Lita­nei“ („Ruhr Nach­rich­ten“) und um zu „scho­cken“ (ebd.).

Da ich nicht zu den rund 500 gela­de­nen Wür­den­trä­gern aus Poli­tik, Wirt­schaft und Kul­tur gehör­te (it’s a long way to the top, even in Bochum), muss ich mich auf die Aus­zü­ge aus der elf­sei­ti­gen Rede ver­las­sen, die die „Ruhr Nach­rich­ten“ ins Inter­net gestellt haben. Die­se gefal­len mir jedoch außer­or­dent­lich.

Zum Bei­spiel das, was Malms­hei­mer über das geplan­te, jedoch nicht vor der Wie­der­kehr Chris­ti fer­tig­ge­stell­te Bochu­mer Kon­zert­haus zu sagen hat:

…dies ist die Stadt, die voll­mun­dig, um nicht zu sagen: groß­mäu­lig, die Not­wen­dig­keit zur Instal­la­ti­on eines voll­kom­men unnüt­zen Kon­zert­hau­ses ver­kün­det, ohne einen Bedarf dafür zu haben und die Kos­ten des lau­fen­den Betrie­bes decken zu kön­nen, und das alles in einem Kul­tur­raum, der inzwi­schen über mehr nicht aus­ge­las­te­te Kon­zert­häu­ser ver­fügt, als er Orches­ter unter­hält, und die das alles dann doch nicht hin­kriegt, weil der Regie­rungs­prä­si­dent zum Glück sol­chen und ähn­li­chen Unfug einer Gemein­de unter­sagt hat, die ihre Rech­nun­gen in einer Grö­ßen­ord­nung im Kel­ler ver­schlampt, die unser­ei­nen für Jah­re in den Knast bräch­te und die finan­zi­ell noch nicht mal in der Lage ist, die Frost­schä­den des letz­ten Win­ters im Stra­ßen­netz zu besei­ti­gen…

Den gekürz­ten Rest gibt’s auf ruhrnachrichten.de.

Malms­hei­mers Wor­te jeden­falls ver­fehl­ten nicht ihr Ziel. Ober­bür­ger­meis­te­rin Otti­lie Scholz ließ eine erneu­te Ein­la­dung, sich zu bla­mie­ren, nicht unge­nutzt ver­fal­len, wie die „WAZ“ berich­tet:

Die Ober­bür­ger­meis­te­rin beschwer­te sich bei den Ver­an­stal­tern, die­se distan­zier­ten sich sogleich von ihrem Gast; in sei­nem „pola­ri­sie­ren­den Vor­trag“ habe Malms­hei­mer „für sich selbst gespro­chen“.

Das hat­te Malms­hei­mer selbst frei­lich direkt klar­ge­stellt – aber dafür hät­te man ihm natür­lich zuhö­ren müs­sen:

Dabei möch­te ich gleich zu Beginn dar­auf hin­wei­sen, dass ich, anders als jene, die vor mir adres­sier­ten, aus­schließ­lich für mich sel­ber spre­che, eine Fähig­keit, die ich mir unter Mühen antrai­nier­te und die mich eigent­lich seit­dem hin­rei­chend aus­füllt.

[via Jens]

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Smile Like You Mean It

Einer der schlimms­ten Irr­tü­mer unse­rer Zeit ist ja der, dass Wahl­kampf im Inter­net statt­fin­den müs­se. Er kann, wenn man sich mit dem Medi­um aus­kennt, gute Ideen hat oder Barack Oba­ma heißt. Mir per­sön­lich wäre es ange­sichts von Face­book-Pro­fi­len von Poli­ti­kern, iPho­ne-Apps von Par­tei­en und sechs Mil­li­ar­den „#piraten+“-Nachrichten auf Twit­ter täg­lich sogar lieb, wenn das Inter­net ein poli­tik­frei­er Raum wäre, aber man kann nicht alles haben.

Rich­tig bizarr wird es aber, wenn der Kom­mu­nal­wahl­kampf im Inter­net statt­fin­det. Völ­lig ohne Grund geben sich Men­schen, die bestimmt tol­le Ideen für ihre Hei­mat­stadt haben, aber nicht über Know­how und Mit­tel für einen pro­fes­sio­nel­len (und völ­lig über­flüs­si­gen) Online-Wahl­kampf ver­fü­gen, online der Welt­öf­fent­lich­keit preis – und damit zumeist dem Spott.

Die Ruhr­ba­ro­ne stel­len heu­te schlech­te und nicht ganz so schlech­te Bei­spie­le von Inter­net-Vide­os als Mit­tel im Kom­mu­nal­wahl­kampf vor. Von den Bochu­mer Ober­bür­ger­meis­ter-Kan­di­da­ten habe ich nichts gefun­den, aber in Dins­la­ken haben gleich zwei der sechs Bür­ger­meis­ter­kan­di­da­ten Wer­be­spots in Auf­trag gege­ben.

Den Anfang macht Heinz Wan­sing von der CDU (wir erin­nern uns: „Da. Echt. Nah.“), der sich vom Dins­la­ke­ner Star-Regis­seur Adnan Köse („Lauf um dein Leben – Vom Jun­kie zum Iron­man“) in Sze­ne set­zen ließ. Nach­dem Barack Oba­ma uns letz­tes Jahr die Mut­ter aller Wahl­wer­be­spots vor­ge­stellt hat, ler­nen wir mit „Wan­sing – Der Film“ jetzt deren Groß­cou­si­ne müt­ter­li­cher­seits ken­nen:

Sagen Sie bit­te nicht, ich sei der Ein­zi­ge, der bei der Musik die gan­ze Zeit damit rech­ne, dass gleich Dino­sau­ri­er aus dem Rot­b­ach­see auf­tau­chen. (Und Dins­la­ken wirkt übri­gens nicht ganz so trost­los, wenn man es im Som­mer besucht und filmt.)

Sein Gegen­kan­di­dat von der SPD, Dr. Micha­el Hei­din­ger, ori­en­tiert sich mit „Micha­el Hei­din­ger (SPD) – Der Film“ optisch stär­ker an Fil­men wie „A Scan­ner Dark­ly“ oder „Waltz With Bas­hir“, ver­zich­tet dafür aber völ­lig auf das Able­sen vom Blatt:

Link: Michael Heidinger (SPD) - Der Film (2009)

Die­se Spots wir­ken auf mich ein wenig wie die Auf­trit­te unbe­hol­fe­ner Kan­di­da­ten in Cas­ting­shows: Einer­seits sucht da jemand ganz bewusst die Öffent­lich­keit, ande­rer­seits hat man als Zuschau­er das Gefühl, sie genau davor beschüt­zen zu wol­len.

Nach­trag, 31. August: Die Comic­fi­gur hat übri­gens gewon­nen

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Politik

Die Welt in drei Wörtern erklären

Am 30. August sind Kom­mu­nal­wah­len in NRW. Offen­bar seit die­sem Wochen­en­de dür­fen des­halb die Innen­städ­te mit unin­spi­rier­ten, ver­stö­ren­den, plum­pen, pein­li­chen oder ein­fach nur ega­len Pla­ka­ten zuge­stellt wer­den.

Ein Trend zeich­net sich jetzt schon ab: Vie­le Kan­di­da­ten ver­su­chen in einem Drei­klang auf sich auf­merk­sam zu machen. Dass man da schnell durch­ein­an­der gerät, liegt in der Natur der Sache.

Die fol­gen­de Lis­te von Bür­ger­meis­ter­kan­di­da­ten aus ganz Deutsch­land ist sicher unvoll­stän­dig:

Mut­maß­lich noch ein biss­chen kom­pe­ten­ter, sozia­ler und … äh: daer sind dann wohl die­se bei­den Her­ren:

  • Unab­hän­gig. Kom­pe­tent. Bür­ger­nah. Ver­läss­lich. (Oli­ver Wild, Ehrings­hau­sen, par­tei­los)
  • Sau­ber­keit. Sicher­heit. Recht. Ord­nung. (Hein­rich Müh­mert, Dins­la­ken, Offen­si­ve Dins­la­ken)