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Taking Oslo back

Als ich am Freitag Nachmittag die ersten Bilder aus Oslo sah, fühlte ich mich auch persönlich betroffen. Immerhin war zum ersten Mal eine Bombe in einer Stadt explodiert, in der ich vorher schon mal gewesen war. Es ist eine merkwürdige Formulierung, weil es natürlich kein Volk dieser Erde verdient hätte, aber die friedlichen, liebenswürdigen Norweger hatten es irgendwie ganz besonders wenig verdient.

Die Norweger reagieren jetzt mit dem Aufruf zur Versöhnung, zum Frieden und zur Liebe, was mir einerseits gleich noch mal das Herz bricht, dieses aber andererseits auch wärmt. Stimmen wie die der instinkt- und würdelosen CSU-Falken, die härtere Sicherheitsgesetze forderten, noch ehe die Leichen kalt waren, habe ich aus Norwegen keine vernommen.

In zwei Wochen findet in Oslo das Øya-Festival statt, das Menschen, die schon mal dort waren, als eines der schönsten Festivals überhaupt bezeichnen. Die Organisatoren haben mit sich gerungen, ob sie es absagen sollten — und sich dann dagegen entschieden.

Stattdessen schreiben sie:

The last few days have been heavy and unreal. Our thoughts go out to everyone who has lost someone or in some other way has been affected by the tragedy in the centre of Oslo and at Utøya. We send our condolences and compassion to the people who are struggling right now. These are times for mourning and reflection, and we know that many will now have to use all their time and energy on working through what has happened. In the midst of all this, we find it important that our city and its citizens shall not be broken by what happened this weekend. Organisers of concerts and events in Oslo have jointly agreed that this shall not stop us. The Police, the Government and the general audience have expressed a strong wish that Oslo resumes some kind of normality as soon as possible. Together with the population of Oslo and visitors from abroad we wish to take our city back. Festivals, concerts and other cultural or sports events are meant to be arenas for common experiences, unity and positive impressions during hard times. We hope that our events can help ease the sadness and also be good meeting places in the days and weeks to come. We wish to take Oslo back by once again filling it with the great variety of cultural activities this city is known for and also by spreading a clear message that our population wants to take care of each other.

Ich möchte gleich ein ganzes Land in den Arm nehmen.

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Der blonde Teufel von Seite 1

Der Fußballweltverband FIFA steht nicht gerade in dem Verdacht, ein Ort zu sein, an dem logische und rationale Entscheidungen gefällt werden. Doch die FIFA hat ihren eigenen Fernsehleuten, die etwa die Liveübertragungen von Fußballweltmeisterschaften durchführen, die Anweisung gegeben, mögliche Störer im Stadion nicht im Bild zu zeigen. Was auf den ersten Blick nur wie die Wahrung einer Heile-Welt-Fassade aussieht, ist in Wahrheit viel logischer begründet: Störer wollen Öffentlichkeit, also gilt es, diese Öffentlichkeit zu vermeiden. Von dem (komplett bekleideten) “Flitzer” beim letztjährigen WM-Finale war also in der offiziellen FIFA-Übertragung fast nichts zu sehen — erst die Medien berichteten hinterher, dass es sich um jenen Spanier handelte, der schon beim Eurovision Song Contest in Oslo die Bühne gestürmt hatte, und boten dem Mann damit die Bühne, die er mit seinen Aktionen sucht.

Jedes Mal, wenn irgendwo in der Welt ein Schüler Amok läuft, überbieten sich die Medien darin, dem feigen, armseligen Täter das Denkmal zu errichten, das er mit seiner Tat errichten wollte. Wenn es Fotos gibt, die den späteren Täter mit Trenchcoat, Sonnenbrille und Pistole zeigen, dann kommt das auf die Titelseiten der Zeitungen. Und mithilfe möglicher Profilseiten in sozialen Netzwerken wird eine Exegese betrieben, die jeweils nur einen Schluss zulässt: Man hätte es kommen sehen müssen.

Jetzt also dieser Mann, der in Oslo eine Bombe gezündet und auf Utøya ein Blutbad angerichtet hat. Er hat – anders als die allermeisten Amokläufer – nach seiner Tat keinen Selbstmord begangen, sondern sich festnehmen lassen. Seine Verhaftung solle den Beginn einer “Propagandaphase” markieren, hat er geschrieben. Er hat nicht nur Videobotschaften oder wirre Artikel vorbereitet, er ist auch noch selbst da, um zu sprechen — und er will sprechen, das ist klar. Damit erinnert er ein wenig an John Wilkes Booth, der auf die Bühne sprang, nachdem er Abraham Lincoln in einem Theater erschossen hatte. Der Täter aus Norwegen sucht eine Bühne und die Medien stellen sie ihm zur Verfügung.

Keine deutsche Boulevardzeitung kam am Montag ohne ein Foto des Mannes aus, den sie wahlweise als “Mord-Maschine” (“Berliner Kurier”), “Bestie” (“Express”) oder “Teufel” (“tz”, “Bild”) bezeichneten. Blätter wie die “Hamburger Morgenpost” oder die “Abendzeitung” taten ihm den Gefallen und zeigten ihn in Kampfmontur, mit Waffe im Anschlag. Ein Bild wie aus einer Werbeanzeige für jene Computerspiele, die von den gleichen Medien dann gerne “Killerspiele” genannt werden.

Medien wie “Spiegel Online” griffen dankbar die Brocken auf, die ihnen der Täter bei Facebook, YouTube und in irgendwelchen zwielichtigen Webforen hingeworfen hatte, und bastelten sich aus diesen Informationen halbgare Psychogramme. Nicht einmal Lady Gaga schafft es, dass die Medien exakt so über sie berichten, wie sie sich das wünscht, doch dem Täter vom Freitag ist genau das gelungen. So wie Detective David Mills in “Sieben” am Ende den perfiden Plan des Killers vollendet, erweisen sich die Journalisten jetzt als willfährige Erfüllungsgehilfen einer Propaganda, die sie selbst als geisteskrank brandmarken.

Es muss schon einiges falsch gelaufen sein, wenn die Stimme der Vernunft ausgerechnet aus dem Körper von Franz Josef Wagner spricht:

Ich glaube, die höchste Strafe für den Attentäter wäre die Bedeutungslosigkeit. Nicht mehr über ihn zu berichten, seine Fotos nicht mehr zu zeigen, seine wirren Ideen nicht mehr im Internet zu lesen.

Dieser Typ will ja, dass alle Welt über seine Morde berichtet. Die Höchststrafe für diesen Psycho ist, dass er ein kleines Arschloch ist.

(Wagners Worte erschienen natürlich in einer Zeitung, die dieses “kleine Arschloch” heute vier Mal zeigt, davon einmal groß auf der Titelseite. Und einen Tag, nachdem Wagner seine “Post” an den Täter adressiert hatte.)

Der Täter hat darüber hinaus ein “Manifest” von 1.516 Seiten verfasst. Es dürfte (wie die meisten “Manifeste” dieser Art) eine eher freudlose Lektüre abgeben. Und es stellt die potentiellen Leser (also mutmaßlich vor allem Journalisten) vor die Frage, wie sie mit der Ideologie des Täters umgehen sollen.

Möglichkeit Eins ist der Klassiker, der bereits in vollem Gange ist: Die Dämonisierung. Menschen, die Jugendliche in einem Ferienlager erschießen, kleine Kinder missbrauchen oder die Eroberung Europas und die Auslöschung aller Juden planen, sind eine enorme Herausforderung für das menschliche Gehirn. Einfacher wird es, wenn die Tat von einer “Bestie” oder einer “Mord-Maschine” verübt wird — dann kann man sich im Lehnstuhl zurück lehnen und das Grauen beobachten wie eine Naturkatastrophe. Solange wir die Deutungshoheit darüber haben, wer Mensch ist und wer nicht, haben wir zumindest ein minimales Restgefühl von Kontrolle. Deswegen ist es so verlockend, Täter in außermenschliche Kategorien einzusortieren.

Möglichkeit Zwei wäre die inhaltliche Auseinandersetzung. Sie ist technisch (im Sinne von “in den meisten menschlichen Gehirnen”) unmöglich, weil sie von einer eingebauten Moralsperre blockiert wird. Das theoretische Gerede vom “Kulturmarxismus” (aktuell) oder der “Judenrasse” (historisch) taugt nicht mal als Arbeitshypothese, die man argumentativ widerlegen könnte, weil es praktisch zur Legitimation von Taten herangezogen wurde, die jeder Mensch, der noch alle Tassen im Schrank hat, verurteilen muss.

Muss man das “Manifest” also lesen und besprechen? Dafür spräche, dass der Täter darin recht weit verbreitete Ängste aufgreift, etwa vor einer “Überfremdung” und einem “Identitätsverlust”. Es sind die gleichen Ängste, die auch von islamophoben Hassblogs bedient werden, die mit Stimmungen und falschen Fakten hantieren, oder von Politikern verschiedener Parteien. Deswegen werden jetzt Logikketten geknüpft, die Thilo Sarrazin, Henryk M. Broder und andere Lautsprecher in einen direkten oder indirekten Zusammenhang mit dem norwegischen Massenmörder setzen. Das ist ungefähr so billig wie die Argumentationsweise der Gegenseite, die eine direkte Linie vom Koran zum islamistischen Terror ziehen will. Dabei ist Broder nur ein Borderline-Komiker, der sich auch die rechte Hand abhacken würde für eine billige Pointe, ein bisschen Applaus und viel Aufruhr.

Gegen die ausführliche Exegese des Manifests spricht, dass es nie jemand gelesen hätte, wenn sein Autor nicht durch ein die Vorstellungskraft herausforderndes Verbrechen darauf aufmerksam gemacht hätte. Es ist ein perverser PR-Plan eines offensichtlich kranken Mannes und die Medien tun alles, um diesen Plan aufgehen zu lassen.

Die Medienberichterstattung, die sich nach Verbrechen so häufig auf die Täter konzentriert, mag eine kathartische Wirkung haben. Wir fühlen uns besser, wenn wir den immer freundlichen Nachbarn und Sachbearbeiter, der einen kleinen Jungen missbraucht und getötet hat, anschließend als “Schwein” bezeichnen, und vielleicht glauben Journalisten tatsächlich, dass es irgendetwas ändern oder irgendwie helfen kann, ihn in einem unscharfen Foto für jeden erkennbar auf der Titelseite zu zeigen. Doch es ist vor allem ein Ausdruck von Hilflosigkeit (die völlig okay ist, sich nur vielleicht nicht unbedingt in Zeitungstitelseiten niederschlagen sollte) — und im Fall von wahnhaften Massenmördern ist es sogar eine Form von Mittäterschaft.

Ich glaube, heute muss ich Franz Josef Wagner einfach mal vollumfänglich zustimmen.

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Betr.: Norwegen, Amy Winehouse

Wenn ich hier aufschriebe, was ich in den letzten 48 Stunden am liebsten mit einer Vielzahl Journalisten angestellt hätte, würde man mich als “Hassblogger” bezeichnen. Vermutlich nicht ganz zu unrecht.

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Gesellschaft

Grand Prix 2010: Es kann nur besser werden

Moskau, Grand-Prix-Ausrichter 2009:

Screenshot: tagesschau.de

Oslo, Grand-Prix-Ausrichter 2010:

Gay Kids
(Irgendwo aufgenommen während des Oslo-Trips im Februar.)

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Unterwegs

Oslog (7)

Kommen wir nun zu einem abschließenden Nachklapp zum by:Larm-Festival und dem damit verbundenen Oslo-Trip:

How to look at by:Larm (Montage: Lukas Heinser)

Eigentlich hätte ich so durch die Gegend laufen müssen, denn groteske Napoleon-Dynamite-Brillen und Ironie-Schnauzbärte scheinen im Moment der Renner unter den Musik-nahen Skandinaviern zu sein. Ansonsten machten diese aber einen ganz normalen und höflichen Eindruck.

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Musik Unterwegs

Oslog (6)

Gut, dass ich meinen Nachbericht zum by:Larm noch nicht angefangen hatte, denn Seth Werkheiser, mit dem ich während der Konferenz ein paar mal getwittert habe und an dem ich dann doch immer vorbeigelaufen bin, hat für Buzzgrinder sehr schön zusammengefasst, was dort alles passiert ist.

Besucher des by:Larm in Oslo

Na gut, ein paar Sachen will ich dann doch noch etwas ausführen: Der dort bereits erwähnte Vortrag “Things I Have Learned In My Life So Far” des Grafikdesigners Stefan Sagmeister war wirklich großartig und … ja, doch: inspirierend. Das dazugehörige Buch sei hier unbesehen empfohlen.

Ebenfalls sehr erhellend (und gleichzeitig unendlich deprimierend) war das Panel, auf dem Festival-Organisatoren aus Schottland erklärten, wie sie ihre Städte (teilweise gemeinsam) über die dortige Kultur vermarkten. Das Deprimierende daran war jeder einzelne Gedanke, der mich von Schottland weg und in meine Heimatregion Ruhrgebiet führte, wo jede Stadt mit viel Lust versucht, sich von ihren Nachbarstädten abzugrenzen — anstatt endlich zu erkennen, dass wir hier in einer der größten Metropolen Europas leben. Leben könnten, wenn wir nur alle wollten.

Konzertbesucher beim by:Larm

Überhaupt lautete eine der zentralen Erkenntnisse: Deutschland ist ein durch seine Durchbürokratisierung weitgehend entkulturalisiertes Land. Wenn man hört, wie gut die Kulturförderung (die explizit Rockmusik mit einbezieht) in Skandinavien organisiert ist, können einem nur die Tränen kommen. Ein Festival wie das by:Larm wäre hierzulande vermutlich undenkbar, auch wenn ich mir fast sicher bin, dass man in Deutschland (oder auch gerne im deutschsprachigen Raum) genug gute Künstler zusammentrommeln könnte. Und selbst, wenn es ein Jahr funktionierte und Musikindustrie, Regierung, Künstler und Sponsoren gemeinsam etwas auf die Beine stellten: Danach würden sich wieder alle hoffnungslos zerstreiten und dann käme Dieter Gorny vorbei, um nach dem Musikfernsehen, der Popkomm und dem Ruhrgebiet das nächste große Ding zu ruinieren.

Was es mit dem Oslo-Trip auf sich hatte, steht hier.

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Musik Unterwegs

Oslog (5)

Ich bin wieder zuhause. Gestern hatte unsere kleine deutsche Reisegruppe noch einen schönen Spaziergang am Osloer Hafen entlang und hoch zum Königsschloss unternommen (Fotos folgen vielleicht), dann ging es mit dem Flieger zurück in heimische Gefilde, die uns besonders herzlich, also in Form von Nieselregen und betrunkenen Kindern, begrüßten.

Oslo bei Nacht

Die Reisetasche ist ausgepackt, auf meinem Schreibtisch stapeln sich die neuen CDs, aber als erstes ist es an der Zeit, die Bands vom Samstagabend noch zu würdigen:

Simon Says No (Foto: Lukas Heinser)

Simon Says No
Nach all den vertrackten, verspielten, sonstwo beeinflussten Bands tat es gut, endlich mal wieder eine zu hören, die einfach nur gerade nach vorne rockten: Simon Says No erinnerten an die frühen Radiohead, die frühen R.E.M., Dinosaur Jr. und Editors. Leider hielt sich meine Begeisterung nicht sehr lange, denn ungefähr nach drei Songs wurde das Ganze ein bisschen spannungsarm. Ob die Leute, die den Club im Dutzend verließen, ähnlich dachten oder nur dringend zu einem anderen Konzert wollten, weiß ich leider nicht.

Fennesz/Food

Fennesz/Food
Der österreichische Saxophonist Christian Fennesz spielte gemeinsam mit dem norwegischen Duo Food, das aus einem Schlagzeuger und einem DJ besteht. (Nachtrag: Wer da gespielt hat, steht hier.) Und sie spielten eine halbe Stunde ohne Unterbrechung eine einzige lange Improvisation, die nur noch wenig mit Pop zu tun hatte, dafür viel mit Jazz und Düsternis. Das klang schon mal nach David-Lynch-Filmen und nach schweren Migräne-Attacken, war aber durchaus sehenswert. Zum Schluss steigerte sich die Musik wie erwartet in ein unglaubliches Lärmgewitter, aber das war nach den überwiegend sehr zugänglichen Sachen auch mal toll.

The Whitest Boy Alive

The Whitest Boy Alive
Ich hatte ja schon mal erwähnt, dass Erlend Øye Maskottchen und Star des by:Larm in Personalunion war, nun durfte er auch mit seiner Band Headliner sein. Dance Music in Bandbesetzung und über Tausend Norweger tanzten undw wippten und riefen am Schluss auf Deutsch “Kalte Füße!” (aber das ist eine lange Geschichte). Øyes Sonderrolle wurde dadurch deutlich, dass die Band nicht nur sieben Minuten überzog, sondern auch einfach noch eine Zugabe spielte. Aber das ging völlig in Ordnung.

Lindstrøm
Ich habe immer so meine Schwierigkeiten, wenn es um Live-Auftritte von Elektrokünstlern geht. Es ist halt nicht soooo spannend, einem Mann zuzusehen, der hinter einem Mischpult und einem MacBook steht. Die Musik war dafür durchaus schön und an der Grenze zwischen tanzbar und chillig. (Referenzgrößen hier: die erste Röyksopp, die letzte Underworld.)

WhoMadeWho

WhoMadeWho
Der Abschluss und angeblich der Headliner des Festivals: drei Dänen, die eine Sorte von Musik machten, die mir nach ungefähr vier Takten gehörig auf die Ketten ging. Wenn man’s mag, war’s bestimmt toll, aber für mich war das MGMT und Klaxons in nervig.

Fazit
Rund 20 Acts in drei Tagen, da kann man schnell den Überblick verlieren. Was ist hängengeblieben? Auf alle Fälle die beiden Mädels von First Aid Kit. Die beeindruckendste Liveshow war wohl die von I Was A Teenage Satan Worshipper, die gleichzeitig den tollsten Bandnamen hatten. Annie war auch toll und von Pony The Pirate werden wir sicher auch noch was hören.

Es folgt noch mindestens ein Eintrag zur Konferenz und dem ganzen Drumherum, aber ich kann schon einmal zusammenfassen, dass der Ausflug zum by:Larm eine feine Sache war und ich jede Menge gute neue Musik gehört habe.

Was es mit dem Oslo-Trip auf sich hatte, steht hier.

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Musik Unterwegs

Oslog (4)

Verzeihung, ich habe grad überhaupt keine Zeit.

Ich habe heute Mittag eine Band gesehen, deren Verehrung nun meine ganze Zeit in Anspruch nimmt. Es handelte sich um First Aid Kit, zwei schwedische Schwestern, die 15 und 17 Jahre alt sind und eine Unschuld auf die Bühne brachten, wie man sie im Musikbusiness selten erlebt.

First Aid Kit

Die Beiden stimmten allerliebste Folkmusik amerikanischer Prägung an und sangen über Dinge, von denen man annehmen sollte, dass sie keine Ahnung davon hätten. Aber es war toll und erinnerte ein unter anderem an Fleet Foxes, She & Him und Bon Iver — und damit an gleich drei meiner letztjährigen Lieblingsalben. Von den Fleet Foxes stimmten sie dann sogar noch den “Tiger Mountain Peasant Song” an, was ganz schlimm hätte danebengehen können, aber ganz wunderbar klang. (Wie ich später erfuhr, hatte das Video dieses Covers das Duo bei YouTube unter anderem so berühmt gemacht.) Dass sie mit “I Walk The Line” zuvor auch noch einen weiteren Song aus der Kiste mit der Aufschrift “Besser nicht covern!” sehr unpeinlich zum Besten gegeben hatten, spricht ebenfalls für die Band.

Aber jetzt müssen sie mich wirklich entschuldigen: Ich habe im Plattenladen die vorletzte Ausgabe ihrer EP “Drunken Trees” erstanden und muss die jetzt erst mal hören. (Vorher setze ich aber 50 Euro darauf, dass die Band dieses Jahr beim Haldern Pop spielt.)

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[“Our Own Pretty Ways”]

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[“Tiger Mountain Peasant Song”]

First Aid Kit bei MySpace

Was es mit dem Oslo-Trip auf sich hat, steht hier.

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Musik Unterwegs

Oslog (3)

Über die Konferenz, die das by:Larm zur Hälfte ausmacht, muss ich ein andermal schreiben. Vielleicht so viel vorab: Obwohl ich Vorträge und sogenannte Panels sonst eher hasse, suhle ich mich hier mit Freuden in Erkenntnisgewinnen.

Kommen wir nun zur anderen Hälfte: den Konzerten, die hier in so ziemlichen allen Clubs der Stadt (sowie in Kongresshallen und Zelten) stattfinden. Alles liegt näher zusammen als Hundehaufen auf Berliner Bürgersteigen, aber trotzdem muss man natürlich ständig Jacke, Mütze, Schal und Handschuhe anziehen, über die mitunter lebensgefährlichen Bürgersteige stapfen (eine Räumpflicht scheint in Norwegen eher unbekannt), in den nächsten Club rein, alles so gut es geht ablegen und versuchen, sich nicht zu viel zu bewegen, weil man sich unter der Jacke sonst totschwitzt.

Wartende Menschen in Oslo

Ist man aber einmal im Rausch, will man jede Band, die gerade spielt, sehen — oder zumindest jeweils eine. Nur einer scheint in jedem Moment überall gleichzeitig zu sein: Erlend Øye von den Kings Of Convenience und The Whitest Boy Alive. Er ist gleichzeitig Star und Maskottchen des Festivals, so eine Art Thees Uhlmann Norwegens. Wo er auftaucht und zur Musik mitwippt, steigen die Chancen der jeweiligen Band auf den großen Durchbruch. 30 Minuten sind eine sympathische Länge, um sich einen Eindruck über die Künstler zu verschaffen, den man dann später vertiefen kann (oder eben nicht).

Kommen wir nun zu den Künstlern des heutigen Abends und – in Ermangelung von klar definierten Genres – wieder zu einem munteren Namedropping:

I Was A Teenage Satan Worshiper

I Was A Teenage Satan Worshipper
Ja, geil, das ist mal ein Bandname. Nicht Oasis, Blur, The Killers, The Fray oder Occident, sondern I Was A Teenage Satan Worshipper. Bands, die so heißen, will man doch auf Anhieb gut finden. Und die Finnen sind gar nicht schlecht: ein bisschen wie The Sounds mit Sänger, ein bisschen wie The Killers auf Speed. Durchgeknallter, tanzbarer Indierock mit sattem Synthesizer dahinter. Dazu Texte, die von Skeletor und leeren Augenhölen handeln. Auf Dauer wird’s ein bisschen langweilig, aber definitiv eine Band für die abseitigeren Mixtapes. Wobei der Bandname da ein bisschen lang ist für diese kleinen Papiereinleger.

Pony The Pirate

Pony The Pirate
Eine Band, die in Norwegen als nächstes großes Ding gehandelt wird. Sieben Musiker (bzw. fünf und zwei Musikerinnen), die so ziemlich alles spielen, was eine ordentliche Musikalienhandlung so verkauft: Glockenspiel, Pedal Steel, Saxophon, Trompete und den ganzen normalen Quatsch. Haben viel von Arcade Fire und ein bisschen was von The Gaslight Anthem. Und einen Sänger, der Bass spielt und aussieht wie Billy Corgan. 10 Euro, dass die dieses Jahr auf dem Haldern spielen.

Under Dogs International
Die ersten fünf Minuten dachte ich: “Ja, doch, aber hallo!” Jazz, Gypsiesound und Dub, ein bisschen Englisch, ein bisschen Norwegisch. Dann dachte ich: “Na gut, es nervt doch sehr auf Dauer.” Würde mich aber nicht wundern, wenn wir die dieses Jahr beim Grand Prix wiedersähen.

The Alexandria Quartet

The Alexandria Quartet
Die hatte ich ja schon vor Travis gesehen und für ganz ordentlich befunden. Dieser Eindruck hat sich heute verfestigt: Indierock zwischen Mando Diao, den frühen Killers und Travis. Die ruhigen Sachen gefallen mir allerdings ein bisschen besser als die rockigeren.

Olafur Arnalds
Auf dem Haldern letztes Jahr war ich irgendwie zu müde, um mir mitten in der Nacht noch ruhige Musik im Zelt anzuhören. Heute spielte er in einem bestuhlten Saal im Kongresszentrum und ich sah mich schon wieder dahinschlummern. Aber dann blieb ich doch wach, um der wunderschön entrückten Musik zu hören, die der junge Isländer da mit Hilfe eines Flügels, eines Laptops und eines Streichquartetts in den Raum ergoss. Es erinnerte ein bisschen an The Notwist, ein bisschen mehr an Sigur Rós und für Sekundenbruchteile an Richard Clayderman, und die Frage, ob das eigentlich noch Pop sei, hätte sicher angeklopft, wenn Anklopfen bei dieser ruhigen Instrumentalmusik nicht denkbar unhöflich gewesen wäre. Von Herrn Arnalds kam auch die beste Ansage bisher: “I will sell the CD for … like what? One hundret Kroner? That’s a nice price … not for you, but it’s very, very much in Icelandic money.” Vielleicht hätte man den Kontrast zwischen seiner Musik und dieser lakonischen Moderation miterleben müssen, aber der Saal hat getobt.

Fjorden Baby!
Deren Sänger hatte ich gestern auf dem Weg zurück zum Hotel getroffen und ihm versprochen, mir seine Band anzusehen. Ich versuche bei sowas ja immer Wort zu halten, zumal er mir die beste norwegische Band unserer Zeit versprochen hat. Die habe ich dann aber zumindest nach meinem Empfinden nicht gesehen. Als ich reinkam, spielten sie gerade irgendwas in Richtung Reggae/Dub mit norwegischen Texten. Die anderen Songs waren rhythmisch vertrackter, klopften dafür aber auch mal beim Nu Metal an. Das ist Musik, von der ich gar nicht weiß, was ich davon halten soll. Wer Kaizers Orchestra mag, könnte Fjorden Baby! unter Umständen etwas abgewinnen. Aber ich mag ja eigentlich Kaizers Orchestra …

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Oslog (2)

Nachdem auf der Konferenz Ian Gittins noch ein bisschen was über die Zukunft des Musikjournalismus erzählt hatte (die alten Musikmagazine sterben mit ihren Lesern, die Bruce Springsteen und die Rolling Stones hören aus; Blogs sind heute das, was früher Punk Fanzines waren), machte sich die kleine deutsche Delegation in Oslo auf den Weg, viel Geld für Pizzen auszugeben.

Und dann ging die Konzertrunde los: Erst in die Kongresshalle, in der gleich drei Bühnen standen, dann rüber in den nächsten Club mit ebenso vielen Bühnen. Halbe Stunde Auftritt, nächste Band. Es war ein bisschen wie früher die Abhörsitzungen beim Radio. Ich stellte alsbald fest, dass ich viel zu wenig Musik kenne, um sagen zu können, ob eine Band jetzt originell ist oder nur klingt wie zig andere, von denen ich nur nie etwas gehört habe.

Aber da wir hier im Dienstleistungsblog Coffee And TV sind, will ich hier mal zu jeder Band meine 20 Øre aufschreiben:

Choir Of Young Believers
Der Sänger sah mit seinem Hut und seinem Bart aus wie Drafi Deutscher (die Älteren werden sich – damm, damm – erinnern), der Indiepop klang mal ein bisschen nach Beirut (die Folklore), mal nach Aqualung (der Falsett-Gesang). Insgesamt kamen mir in den Liedtexten ein paar zu viele “Aaaaaaaah”-Passagen vor, um mich damit länger zu beschäftigen.

Retro Stefson

Retro Stefson
Island, das Land am Rande des Abgrunds, hofft auf diese Schülerband, die die heimische Wirtschaft nur mithilfe ihrer Plattenverkäufe aus der Krise führen soll. Dafür wird munter Reggae mit Polka und Ska mit Disco vermischt, bis eine sympathisch-krude Mischung entsteht, die so gar nichts mit den anderen großen isländischen Künstlern (Björk und Sigur Rós) gemeinsam hat. Eigentlich fand ich das Ergebnis gar nicht schlecht, aber in der Summe war es dann doch etwas zu gewollt eklektisch.

Merlin
Also, für Hardcore bin ich beim besten Willen kein Experte. Aber es hat schon ordentlich gerummst, so viel ist klar.

Underwater Sleeping Society

Underwater Sleeping Society
In meinem schlauen Notizbuch steht “Mischung aus Kashmir & Kilians, Radiohead & Sigur Rós (inkl. Klarinette) => sehr gut”. Das dürfte der endgültige Beweis sein, dass ich zu wenige Bands kenne. Diese hier ist aber sicher eine, die es sich kennenzulernen lohnt.

Harrys Gym
Den Preis für den blödesten Bandnamen bei gleichzeitig guter Musik haben ja eigentlich Schrottgrenze auf Lebenszeit bekommen, aber “Haralds Turnhalle” ist auch nicht schlecht gut. Diesmal klingt die Sängerin nach Björk, der Rest der Musik hat was von The Notwist und Portishead. Leider bin ich zu diesen Klängen in den sehr bequemen Sesseln (das Konzert fand in einer Art Theatersaal mit bestuhlter Empore statt) mehrfach in beunruhigende Traumwelten verschwunden, aber ich bin mir sicher, dass diese Musik sehr real und sehr, sehr gut war. Schade, dass das, was ich gerade auf der MySpace-Seite der Band höre, nicht ganz so gut ist wie die Live-Show.

Annie

Annie
Und hier der erste Künstler des heutigen Tages, den ich vorher kannte und von dem ich sogar eine CD besitze. Annie galt bei Erscheinen ihres Debütalbums “Anniemal” vor dreieinhalb Jahren als “neue Madonna” und “bessere Kylie Minogue”. Zumindest letzteres stimmt. Ich kann mich nicht erinnern, jemals bei einem Konzert eine erste Reihe gesehen zu haben, die ausschließlich aus Männern bestand. Und Anne Lilia Berge Strand flirtete mit ihnen, was das Zeug hielt. Der Bubblegum-Sound, der das Album mitunter etwas schwer hörbar machte, wurde von der Liveband weitgehend weggebügelt, bis nur noch knochentrockenes Disco-Gestampfe übrig war.

Und damit möchte ich den ersten Tag hier in Oslo beschließen. Ich bin bald 24 Stunden wach, habe ein paar hundert Kilometer in so ziemlich jedem Verkehrsmittel außer Schiff hinter mir, und muss morgen wieder an einer Konferenz teilnehmen …

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Musik Unterwegs

Oslog (1)

Wenn man Mitte/Ende Februar mit dem Flugzeug in Oslo landet, hat man zunächst einmal Angst, die Maschine werde gleich die verschneiten Tannenwipfel rasieren. Dann denkt man, man ginge auf einem Acker nieder. Und dann erkennt man, dass genau an der Stelle, an der die Maschine aufsetzt, doch so ein bisschen Landebahn ist. Notdürftig geräumt und schon wieder leicht mit Schnee zugeweht. Wären deutsche Straßen in diesem Zustand, das Verkehrschaos wäre vorprogrammiert.

by:Larm

Die Winter in Norwegen scheinen kalt zu sein, sehr kalt. Alle öffentlichen Gebäude haben Drehtüren, die verhindern sollen, dass kalte Luft von außen hereinkommt. Am Flughafen gibt es sogar zwei Drehtüren hintereinander, eine regelrechte Schleuse gegen die Kälte.

Sooo kalt ist es in Oslo gar nicht: +1°C zeigen die Thermometer an. Aber es weht ein kalter Wind und es fällt unaufhörlich Schnee. Neben den Straßen, auf den Plätzen und Dächern türmt sich die weiße Pracht (Quelle: Synonym-Wörterbuch für Lokalredakteure) meterhoch. Zweimal wäre ich mit meinen schweren Winterstiefeln schon fast auf die Fresse geflogen. Der Kollege vom “Intro” hat nur Turnschuhe mit.

Oslo im Schnee (Foto: Lukas Heinser)

Bei meiner kurzen Runde durch die nähere Umgebung fiel mir (neben den offensichtlichen Wetterverhältnissen) eines auf: die Norweger sind unfassbar hübsch. Alle. Ich war vorgewarnt worden, aber man kann sich das nicht vorstellen, wenn man es nicht selbst gesehen hat. “The O.C.” war nichts dagegen. Und tadellos gekleidet sind sie auch alle, vom Kindergartenkind bis zur alten Dame, vom Skater (ich habe bisher nur einen gesehen, die Osloer tragen auffallend mehr Langlaufskier mit sich herum als Skateboards) bis zum Arbeiter.

Hier im Hotel, wo der/die/das by:Larm stattfindet, ist es noch schlimmer: Hunderte adretter Indiekinder in viel zu engen Röhrenjeans (die Boys) und Röcken über der Hose (die Girls). Es wirkt ein bisschen wie die Fusion von Viva 2 und “Harper’s Bazaar”.

Aber genug der Äußerlichkeiten. Ich werde mich nun ins bunte Treiben (Quelle: Synonym-Wörterbuch für Lokalredakteure) stürzen und dann beim nächsten Mal inhaltliches berichten. Möglicherweise.

Oslo im Schnee (Foto: Lukas Heinser)

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Musik Digital

Programmhinweis: by:Larm 2009

Auf Einladung des by:Larm-Festivals und der norwegischen Botschaft werde ich morgen nach Oslo reisen, um mir das by:Larm vor Ort anzusehen.

Dabei handelt es sich um eine Konferenz zum Thema Musik (also primär Musikindustrie und deren Zukunft), sowie um zahlreiche Konzerte in so ziemlich allen Clubs der Stadt. Wenn man so will, ist es also das skandinavische Gegenstück zum South By Southwest — nur, dass nicht gleich ein paar Tausend Bands auftreten, sondern nur ein paar Hundert.

Ich werde mich bemühen, jeden Tag ein bisschen was über das by:Larm und Oslo zu schreiben. Alle Einträge zum Thema werden mit dem Tag “bylarm” versehen, damit Sie diese entweder schnell finden oder ignorieren können.

Wenn Sie sich jetzt bitte erheben würden für die Nationalhymne von Norwegen!

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