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Schutzbehauptungen

Rauch (Symbolbild)

In der mor­gi­gen „FAZ“ fin­det sich eine Repor­ta­ge von Judith Lembke, die sich drei Mona­te nach der Ein­füh­rung des Rauch­ver­bots in Hes­sen in Frank­fur­ter Knei­pen umge­se­hen hat.

Auch wenn ich – wie bereits beschrie­ben – Nicht­rau­cher bin und sehr ent­schie­den etwas dage­gen habe, wenn frem­de Leu­te mei­ne Kla­mot­ten und mei­ne Gesund­heit rui­nie­ren wol­len, muss ich doch fest­stel­len, dass das Nicht­rau­cher­schutz­ge­setz offen­bar wie­der sämt­li­che Qua­li­tä­ten der gro­ßen Koali­ti­on ver­eint: Am Leben vor­bei, übers Ziel hin­aus­schie­ßend, allen­falls zur Hälf­te durch­dacht und (wie so oft) nicht so ganz mit der Ver­fas­sung ver­ein­bar:

Die Loka­le, die nur aus einem Schank­raum bestehen und kei­ne Mög­lich­keit haben, beson­de­re Rau­cher­zo­nen aus­zu­wei­sen, sind beson­ders stark vom Gäs­te­schwund betrof­fen. Da dort ein gene­rel­les Rauch­ver­bot herrscht, wei­chen die rau­chen­den Gäs­te auf Knei­pen aus, wo sie sich auch wei­ter­hin die Ziga­ret­te zum Fei­er­abend­bier geneh­mi­gen kön­nen. Und der Rau­cher, der sei­nem Stamm­lo­kal die Treue hält, trinkt weni­ger, weil er zum Rau­chen nicht in die Käl­te, son­dern lie­ber wie­der nach Hau­se geht.

Es sieht also so aus, dass die Wir­te klei­ner Eck­knei­pen, die in eini­gen Fäl­len sogar Besit­zer der Immo­bi­lie sein mögen, ihren Kun­den in ihren eige­nen vier Wän­den das Rau­chen ver­bie­ten müs­sen, wenn sie kei­nen abtrenn­ba­ren Neben­raum haben. Und das wol­len sich die meis­ten rau­chen­den Kun­den natür­lich nicht antun.

Sicher: Ich wür­de kei­ne Rau­cher­knei­pe auf­su­chen, aber das müss­te ich ja auch nicht, solan­ge es für mich Nicht­rau­cher­knei­pen gäbe. Die aller­dings hät­te es auf frei­wil­li­ger Basis schon lan­ge geben kön­nen und ich ken­ne bis heu­te kei­ne ein­zi­ge. Und damit befin­den wir uns mit­ten drin in einem Dilem­ma, das so undurch­schau­bar scheint, dass ich die Erstel­lung einer Pro- und Con­tra-Lis­te für ein pro­ba­tes Mit­tel erach­te:

Pro Rauch­ver­bot in Knei­pen

  • Rau­chen ist unge­sund. Wenn nur ein Mensch mit dem Rau­chen auf­hört, weil er sich den Gang vor die Tür nicht mehr antun will, ist das ein Gewinn. Auch für die Kran­ken­kas­sen, deren Finan­zie­rung immer­hin auch durch Nicht­rau­cher erfolgt.
  • Die Mit­ar­bei­ter müs­sen geschützt wer­den. In Deutsch­land gibt es Vor­schrif­ten zur Grö­ße von Schreib­ti­schen und der Beleuch­tung in Büros, da erscheint es drin­gend ange­zeigt, Ange­stell­te end­lich vor den Gefah­ren des Pas­siv­rau­chens zu schüt­zen.
  • Wo geraucht wird, muss häu­fi­ger reno­viert wer­den. In Extrem­fäl­len kann auch der Wert der Immo­bi­lie sin­ken. Rau­chen ist also eigent­lich unver­ant­wort­lich, wenn es nicht in den (im juris­ti­schen Sin­ne) eige­nen vier Wän­den pas­siert. Rauch­ver­bo­te wären dem­nach auch in Miet­woh­nun­gen und Rau­cher­zim­mern in gemie­te­ten Gast­stät­ten erfor­der­lich.
  • Es hat bis­her kaum Nicht­rau­cher­knei­pen auf frei­wil­li­ger Basis gege­ben – und das, obwohl der Markt mit Sicher­heit da wäre. Wenn sich der Markt nicht mehr selbst regu­lie­ren kann, soll­te der Staat über eine Inter­ven­ti­on nach­den­ken.

Con­tra gene­rel­les Rauch­ver­bot

  • Jeder erwach­se­ne Mensch soll­te selbst ent­schei­den kön­nen, was er mit sei­nem Kör­per macht: Mara­thon lau­fen, Puls­adern auf­schnei­den, Bart wach­sen las­sen, rau­chen, trin­ken, Dro­gen neh­men. Ich hiel­te eine unauf­ge­reg­te Grund­satz­dis­kus­si­on über die völ­li­ge Lega­li­sie­rung aller berau­schen­den Stof­fe für begrü­ßens­wert, bin mir aber sicher, sie zeit­le­bens und hier­zu­lan­de nicht mehr zu erle­ben.
  • In den meis­ten Eck­knei­pen bedie­nen ein Besit­zer und ein, zwei Ange­stell­te, die nicht sel­ten zur Fami­lie des Besit­zers gehö­ren. Einer per­sön­li­chen Erhe­bung nach wür­de ich sagen, dass sämt­li­che (dau­er­haf­ten) Bedie­nun­gen in sol­chen Knei­pen selbst rau­chen.
  • Es grenzt das Recht auf Berufs­frei­heit ein, wenn Gast­wir­te per Gesetz zu Nicht­rau­cher­gast­wir­ten gemacht wer­den. Mög­li­cher­wei­se ver­stößt es sogar wirk­lich gegen das Grund­ge­setz. Wer ent­schei­den darf, wie sei­ne Knei­pe aus­sieht, wel­ches Bier dort aus­ge­schenkt wird ((Für mich auch ein wich­ti­ges Aus­schluss­kri­te­ri­um. Beson­ders in Bochum.)) und wel­che Musik dort läuft, soll­te auch ent­schei­den dür­fen, was dar­in im Rah­men der gesetz­li­chen Gren­zen – wobei ich das Nicht­rau­cher­schutz­ge­setz natür­lich aus­ge­klam­mert wis­sen will – erlaubt ist und was nicht. Hät­te ich eine Knei­pe, gäbe es dort kei­ne „Gold“-Biere und kei­ne Musik von Bryan Adams oder Revol­ver­held.
  • Wenn die Nicht­rau­cher nicht Wil­lens oder in der Lage waren, sämt­li­che Gast­stät­ten, in denen geraucht wur­de, zu boy­kot­tie­ren (und dem Wirt das auch mit­zu­tei­len), müs­sen sie sich die Fra­ge gefal­len las­sen, wie wich­tig ihnen ihr Anlie­gen war. Nur spre­chen­den Men­schen kann gehol­fen wer­den und man kann es nie allen recht machen, wie mei­ne Groß­mutter schon immer sag­te.
  • Im Gegen­satz zu Zügen, Behör­den, Kon­zert­hal­len und Kinos kann man sich sei­ne bevor­zug­te Gast­stät­te selbst aus­su­chen. Nichts und nie­mand zwingt einen ((„zwin­gen“ ist in die­sem Fall eher meta­pho­risch gemeint. Schon das Kon­zert einer bestimm­ten Band wäre dem­nach ein zwin­gen­der Grund, eine bestimm­te Kon­zert­hal­le auf­zu­su­chen, die dann auch bit­te rauch­frei sein soll­te.)), genau in eine Rau­cher­knei­pe zu gehen. 18 Jah­re nach der Wie­der­ver­ei­ni­gung und in Zei­ten einer immer wei­ter aus­ein­an­der klaf­fen­den sozia­len Sche­re wäre eine Zwei-Klas­sen-Gesell­schaft im Nacht­le­ben nur kon­se­quent.
  • Rau­chen­de, laut schnat­tern­de Men­schen vor einer Knei­pe sind schlim­mer als rau­chen­de, laut schnat­tern­de Men­schen in der glei­chen Knei­pe – vor allem für die Anwoh­ner. Wer über dem Ein­gang einer Gast­stät­te wohnt, wird Dank des Nicht­rau­cher­schutz­ge­set­zes sein Fens­ter in die­sem Som­mer nachts geschlos­sen hal­ten müs­sen.
  • Zahl­rei­che Wir­te wol­len ihre Knei­pen jetzt zu Ver­eins­hei­men umwid­men und grün­den eigens dafür Rau­cher­clubs. Das Letz­te, was Deutsch­land braucht, sind aber noch mehr Ver­eins­mei­er und orga­ni­sier­te Wich­tig­tu­er. Das wird Ihnen jeder Finanz­be­am­te, der die ver­damm­ten Jah­res­rech­nungs­be­rich­te kon­trol­lie­ren muss, bestä­ti­gen.

Die höhe­re Anzahl an Con­tra-Argu­men­ten legt mir die Ver­mu­tung nahe, ich sei eher gegen ein gene­rel­les Rauch­ver­bot. Ganz sicher bin ich mir da aber auch nicht. Dafür weiß ich, dass ich jeder­zeit einen eige­nen Debat­tier­club nur mit mir grün­den könn­te. Mein Club­haus wäre selbst­ver­ständ­lich rauch­frei.

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Lektionen in Unmut

Wenn man sich sel­ber zwei Mit­be­woh­ner aus­su­chen darf, deren ein­zi­ge Vor­aus­set­zung man mit „Nicht­rau­cher“ fest­legt, soll­te man sich nicht wun­dern, wenn man nach weni­gen Wochen fest­stellt, dass man vor lau­ter Fokus­sie­rung auf das Nicht­rau­chen so Aus­schluss­kri­te­ri­en wie „Ein­zel­kin­der“ („räu­men nie auf und kön­nen nicht put­zen“) über­se­hen hat­te.

Wenn die­se Mit­be­woh­ner aber zwei Jah­re spä­ter stän­dig rau­chend auf dem Bal­kon vor dem eige­nen Zim­mer ste­hen und einen so auch bei som­mer­li­chem Wet­ter zum Geschlos­sen­hal­ten der Fens­ter zwin­gen, dann hat ent­we­der die Ziga­ret­ten­in­dus­trie erheb­li­che Erfol­ge bei der Akqui­rie­rung neu­er Kun­den­schich­ten erzielt („Was für eine bril­lan­te Idee: unse­re neue Ziel­grup­pe sind die Nicht­rau­cher!“) oder man muss sich vor­wer­fen las­sen, in Sachen Men­schen­kennt­nis irgend­wie noch Nach­hol­be­darf zu haben …

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Wir sterben lieber eines natürlichen Todes

Ver­mut­lich sind die meis­ten, die hier mit­le­sen, zu jung, um damals in den Acht­zi­ger die­ses Plas­tik­schild mit­be­kom­men zu haben. Man sah dar­auf einen nord­ame­ri­ka­ni­schen Urein­woh­ner (vor 20 Jah­ren noch als „India­ner“, ein paar Jahr zuvor nur als „Win­ne­tou“ bekannt), der an einem Lager­feu­er her­um­we­del­te. Damals hielt man das als pas­sen­des Motiv für den Spruch „Dan­ke fürs Nicht­rau­chen. Wir ster­ben lie­ber eines natür­li­chen Todes.“ Der eine oder ande­re Niko­tin­ist dach­te sich damals, dass der­lei ja gera­de­zu nach einer Ver­ar­sche schreie. Denn anstatt wie die­se lang­wei­li­gen Nicht­rau­cher mal eben einen natür­li­chen Tod hin­zu­le­gen, inhal­tiert man doch gleich noch mal so genüß­lich.

Damals waren die Kran­ken­kas­sen­kas­sen ja auch noch so etwas ähn­li­ches wie voll. Und das sozi­al­ver­träg­li­che Früh­ab­le­ben derer mit den geteer­ten Lun­gen nah­men die Ren­ten­kas­sen noch ohne nen­nens­wer­tes Hus­ten zur Kennt­nis. Die­se Zei­ten sind vor­bei. Und auch die Zei­ten, in der sich bun­des­deut­sche Regie­run­gen nicht ent­blö­den, der Tabak­lob­by das Wort zu reden und jeg­li­ches Tabak­wer­be- oder gar Rauch­ver­bot, das man sich in Brüs­sel aus­ge­dacht hat, geflis­sent­lich zu unter­gra­ben. Oder min­des­tens mit blöd­sin­ni­gen Kla­gen aus­zu­brem­sen.

Längst zei­gen die Iren, die Mal­te­ser, die Ita­lie­ner, die Spa­ni­er, die Luxem­bur­ger, die Bel­gi­er und die Fran­zo­sen, wie genüß­lich man abends wie­der in die Knei­pe oder den Club gehen kann. Kei­ne Angst mehr vor mut­wil­lig pro­du­zier­tem Fein­staub, kei­ne spon­ta­nen Bron­chi­al­asth­ma­at­ta­cken mehr beim Betre­ten einer Tanz­lo­kal-Eck­knei­pe. Und sogar rosi­ge Aus­sich­ten für die Gast­wir­te wegen stei­gen­den Besu­cher­zah­len. In Deutsch­land ist das ja immer noch anders. Und wer mit weni­ger als 1,80m Kör­per­grö­ße auf eine Stipp­vi­si­te z.B. ins Köl­ner Blue Shell geht, soll­te die Sau­er­stoff­fla­sche nicht ver­ges­sen, die es zum Über­le­ben brau­chen wür­de.

Doch jetzt zeigt der spon­ta­ne Aktio­nis­mus der Regie­rung Wir­kung. Es ist ja auch erst knapp vier Jah­re her, dass die EU wegen jähr­lich 650.000 Toten und über 100 Mil­li­ar­den Euro Kos­ten euro­pa­weit eine Richt­li­nie zum Ver­bot von Tabak­wer­bung erlas­sen hat. Da kam die deut­sche Umset­zung im Dezem­ber 2006 wie eine rich­tig spon­ta­ne Über­sprungs­hand­lung. Und die zeit­gleich statt­fin­den­de Pos­se um den natio­na­len Gesetz­ent­wurf zum Nicht­rau­cher­schutz am Arbeits­platz bekam ja eh kaum jemand mit. Ohne sich über eine Regie­rung schlapp zu lachen, die es nicht blickt, dass sie für den Gel­tungs­be­reich gar nicht mehr zustän­dig ist.

Jetzt kommt es also: das bun­des­wei­te Rauch­ver­bot in öffent­li­chen Gebäu­den, Kran­ken­häu­sern, Alten­hei­men, Gast­stät­ten, Knei­pen, Dis­co­the­ken etc. Zum Glück hat sich das Volk aber immer noch genü­gend Voll­pfos­ten an die jewei­li­ge Macht gewählt, dass die schon wie­der Auf­wei­chun­gen des unver­mu­tet sinn­vol­len Rauch­ver­bots ver­lan­gen. Was einem dann durch­aus den Wunsch nahe­legt, die Her­ren Wulff, Rütt­gers und Stoi­ber in der frei­wil­li­gen Rau­cher­knei­pe ihrer Wahl end­zu­la­gern. Die könn­ten sich dann bit­te rasch an das Plas­tik­schild vom Arti­kel­ein­stieg erin­nern.

Wobei die Dis­kus­si­on um Rauch­ver­bo­te ja der­zeit längst von der Kli­ma­pa­nik über den Hau­fen gerannt wur­de. Wenn wir eh nur noch zwölf Jah­re haben, um den Kli­ma­kol­laps abzu­wen­den, haben die Rau­cher sogar noch einen Grund mehr, rasch auf Niko­tin­pflas­ter umzu­stei­gen. Denn wenn die Küs­ten dem­nächst eh über­flu­tet wer­den, reicht das bis dahin ein­ge­spar­te Feu­er­zeug­ben­zin ja viel­leicht noch fürs Signal­feu­er im Ret­tungs­boot.