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Give Facts A Chance

Ich weiß nicht, war­um sich Jour­na­lis­ten die­ser Tage so auf­fal­lend schwer damit tun, sich kor­rekt dar­an zu erin­nern, wann und wo John Len­non erschos­sen wur­de (8. Dezem­ber 1980 vor dem Dako­ta Buil­ding in Man­hat­tan, steht auch in der Wiki­pe­dia).

Ich weiß nur, dass es so ist:

1980 war bekanntlich John Lennon in New York vor dem Chelsea Hotel von David Chapman erschossen worden.
(„Frank­fur­ter All­ge­mei­ne Sonn­tags­zei­tung“, 7. Sep­tem­ber 2008)

John Lennon ist schon seit 26 Jahren tot, aber die Friedensmission der beiden lebt im Werk Yoko Onos weiter.
(„Welt am Sonn­tag“, 7. Sep­tem­ber 2008)

Nach dem Attentat auf John von 1969 fotografiert sie seine blutbespritzte Brille und macht draus ein Platten-Cover.
(„Bild“, 11. Sep­tem­ber 2008)

Mit Dank u.a. an BILD­blog-Hin­weis­ge­ber Wil­helm E.

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Unterwegs

Ground Zero, Square One

Ver­mut­lich weiß jeder Mensch, wo er war und was er tat, als am 11. Sep­tem­ber 2001 die Flug­zeu­ge ein­schlu­gen. Ich saß, gera­de aus der Schu­le gekom­men, am Küchen­tisch und aß eine Tief­kühl­piz­za, als mei­ne Mut­ter her­ein­stürm­te und sag­te, das World Trade Cen­ter ste­he in Flam­men. Den Rest des Tages ver­brach­te ich vor dem Fern­se­her und sah die Bil­der, von denen jeder sag­te, sie sei­en „wie im Kino“. Zu unvor­stell­bar waren die Ereig­nis­se und selbst die irgend­wann nach unten kor­ri­gier­ten Zah­len von knapp 3.000 Toten waren in einer Grö­ßen­ord­nung, die das eige­ne Hirn über­for­der­te.

Jetzt bin ich zum ers­ten Mal in mei­nem Leben in der „Stadt mit Loch“, Thees Uhl­mann New York im gleich­na­mi­gen Tom­te-Song nennt, und auch mit meh­re­ren Jah­ren Abstand sind die Anschlä­ge von jenem son­ni­gen Spät­som­mer­tag etwas Abs­trak­tes. Tau­sen­de Male hat man die Sze­nen von den explo­die­ren­den Flug­zeu­gen und den ein­stür­zen­den Tür­men seit­dem gese­hen, die mit Staub bedeck­ten Stra­ßen und Men­schen. Sie sind in der Zwi­schen­zeit pop­kul­tu­rel­le Iko­nen gewor­den und damit noch wei­ter ent­fernt von der Rea­li­tät eines west­deut­schen Stu­den­ten als sie es ohne­hin schon waren, als sie damals noch Nach­rich­ten­bil­der waren.

Wer das alte, voll­stän­di­ge New York nicht kann­te, merkt kaum, das etwas fehlt. Die Sky­line ist auch so noch beein­dru­ckend genug, die Stadt ist groß und laut und bunt. Von einer Melan­cho­lie oder Läh­mung, die man­che Jour­na­lis­ten auch nach Jah­ren noch zu ent­de­cken glau­ben, ist nichts zu bemer­ken. Die Stadt ist leben­di­ger als jede ande­re Stadt, in der ich bis­her war, und wer einen Moment nicht auf­passt als Fuß­gän­ger, gefähr­det sei­ne eige­ne Leben­dig­keit.

Dass etwas nicht stimmt, merkt man erst, wenn man die Fotos und Gemäl­de aus der Zeit vor den Anschlä­gen sieht, die im Bat­tery Park an der Süd­spit­ze Man­hat­tans zu Dut­zen­den an Tou­ris­ten ver­kauft wer­den sol­len. Die Twin Towers sind fast dop­pelt so hoch wie die ohne­hin schon beein­dru­cken­den Hoch­häu­ser, die man auch heu­te noch sehen kann. Ich hal­te die Zei­ge- und Mit­tel­fin­ger mei­ner rech­ten Hand vor mein Auge, um zwei Tür­me in die Sky­line zu malen. Es klappt nicht: so hohe Häu­ser lie­gen außer­halb der eige­nen Vor­stel­lung, wenn man am durch­weg fla­chen Nie­der­rhein auf­ge­wach­sen ist. Beein­druckt bin ich trotz­dem.

Ich gehe nach Nor­den, in Rich­tung des Ortes, den alle immer noch „Ground Zero“ nen­nen. Plötz­lich bre­chen die engen Stra­ßen­schluch­ten auf und vor mir liegt ein son­nen­durch­flu­te­ter Platz, groß sicher­lich, aber inmit­ten von gro­ßen Häu­sern in einer so gro­ßen Stadt wirkt er gar nicht so. Selbst die Gru­be, in der bereits an den Fun­da­men­ten des neu­en „Free­dom Towers“ gear­bei­tet wird, erscheint einem auf­grund der Pro­por­tio­nen eher wie eine belie­bi­ge Bau­stel­le in einer belie­bi­gen Innen­stadt. Drum­her­um ein Metall­zaun und Schil­der, auf denen die Hafen­be­hör­de von New York bit­tet, die­sen „Ort der beson­de­ren Erin­ne­rung“ wür­de­voll zu behan­deln, hier nicht zu bet­teln und hier nichts zu kau­fen oder zu ver­kau­fen. Eini­ge Män­ner bie­ten Foto­al­ben mit aus dem Inter­net aus­ge­druck­ten Fotos der Flug­zeug­ein­schlä­ge an, lachen­de Mäd­chen las­sen sich gemein­sam vor dem Zaun und dem dahin­ter­lie­gen­den Nichts foto­gra­fie­ren. Es ist die­se Mischung aus Gedenk­stät­ten­haf­tig­keit und Tou­ris­mus, die man in Ber­lin an jeder Ecke erle­ben kann. Drum­her­um ste­hen Hoch­häu­ser, deren Fas­sa­den und Fens­ter teil­wei­se immer noch mit Staub bedeckt sind – nach all den Jah­ren. Hin­ter dem ers­ten Neu­bau steht ein Haus, des­sen hal­be Fas­sa­de fehlt. Das ist anders als alles, was man kennt.

Die U‑Bahn-Sta­ti­on „World Trade Cen­ter“ gibt es immer noch, sie heißt auch immer noch so. Im ers­ten Unter­ge­schoss kann man durch einen Zaun in das Loch gucken, das von hier aus schon sehr viel grö­ßer wirkt als von oben. Wenn man wei­ter­geht, kommt man an einem Schild vor­bei, das einem erklärt, dass die U‑Bahn-Sta­ti­on „von hier an“ noch die ori­gi­na­le Sta­ti­on des World Trade Cen­ters sei. Die Kache­lung an der Wand beginnt selt­sam zer­franst – die Bruch­kan­te zwi­schen dem, was frü­her war, und dem, was jetzt ist. Die Ereig­nis­se sind immer noch so abs­trakt wie die Zahl der Todes­op­fer, aber die­se Kacheln sind kon­kret. Ich bekom­me eine Gän­se­haut und will nur noch weg.

[geschrie­ben im Novem­ber 2006]

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Musik Unterwegs

Bochum – Berlin 2:13

Nächs­te Woche fah­re ich nach Ber­lin. Sowas wür­de ich nie ohne guten Grund tun und wie schon bei den letz­ten Malen (Ber­li­na­le 2003, Ben-Folds-Kon­zert 2005) gibt es auch dies­mal wie­der einen: die BILD­blog-Lesung. Wenn ich Char­lot­te Roche anschlie­ßend tref­fen soll­te, wer­de ich sie per­sön­lich dafür ver­ant­wort­lich machen, dass auch heu­te noch hüb­sche Mäd­chen mit Röcken über ihren Jeans­ho­sen (oder Jeans­ho­sen unter ihren Röcken) her­um­lau­fen, was nun lang­sam aber wirk­lich nicht mehr geht. Oder ich wer­de ihr erzäh­len, wie vie­le Lieb­lings­bands ich ihret­we­gen ken­nen­ge­lernt habe.

Als ich vor sechs Jah­ren auf Kurs­fahrt in Ber­lin war, waren wir alle furcht­bar betrun­ken hat­te ich mir vor­her ein Mix­tape auf­ge­nom­men, wo jede Men­ge Ber­lin-Songs drauf waren.1 Weil ich nicht soooo die Lust dar­auf habe, extra für die­ses Tape2 mei­nen 200 Jah­re alten Sony-Walk­man mit­zu­schlep­pen, hab ich grad mal in iTu­nes nach­ge­guckt, wie vie­le Lie­der mit „Ber­lin“ im Titel ich so habe. Es sind 13. Ich habe sechs Songs, die nach San Fran­cis­co benannt sind, 14 über New York3, zwei über Rom, kei­nen über Dins­la­ken (Gott­sei­dank) und zwei über Bochum.

„Wie, zwei?“, wer­den Sie fra­gen. „Grö­ne­mey­er und?“ Grö­ne­mey­er und Six By Seven – und das ist ein Super-Song, sag ich Ihnen.

Übri­gens könn­te Ber­lin auf­ho­len, wenn man die Stadt­tei­le mit­nimmt: „Kreuz­berg“ von Bloc Par­ty und „Tier­gar­ten“ von Rufus Wain­w­right. Aber dann kom­men wie­der fünf Man­hat­tan-Songs, „Har­lem“ von Bill Withers und vier „NYC“-Titel dazu. New York gewinnt also doch.

1 Ich hab grad nach­ge­guckt: Es waren vier. „Ber­lin“ von Bris­ke­by, „Big in Ber­lin“ von den Ster­nen, „Ber­lin“ von Lou Reed und „Born To Die In Ber­lin“ von den Ramo­nes.
2 Ist es nicht toll, dass „Tape“ noch anti­quier­ter und 90er-mäßig klingt als „Kas­set­te“? Ich fin­de das super.
3 13, wenn wir den Remix von „New York City Boy“ abzie­hen.

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Schöner löschen

Deutsche Bank in New York, NY

Von der deut­schen Pres­se weit­ge­hend unbe­ach­tet sind am Sams­tag bei einem Brand im frü­he­ren „Deut­sche Bank Tower“ am New Yor­ker „Ground Zero“ zwei Feu­er­wehr­leu­te ums Leben gekom­men. Das Gebäu­de war beim Ein­sturz des World Trade Cen­ters am 11. Sep­tem­ber 2001 so schwer beschä­digt wor­den, dass es jetzt, nach lan­gen Pla­nun­gen, Stück für Stück abge­ris­sen wird.

Schon wie­der zwei tote Feu­er­wehr­leu­te, qua­si genau an dem Ort, wo vor knapp sechs Jah­ren schon 343 Kol­le­gen ihr Leben lie­ßen. Klar, dass sowas alte Wun­den auf­reißt. Ver­ständ­lich, wenn man da von einem „House of Hor­rors“ spricht.

Wie hilf­reich mag es da noch sein, dass die Unter­neh­mens­be­ra­tung McK­in­sey den Feu­er­wehr­leu­ten jetzt erklä­ren will, wie deren Jobs zu machen sei­en?

After the Sept. 11 attack at the World Trade Cen­ter, an inde­pen­dent con­sul­tant stu­di­ed the Fire Department’s per­for­mance and iden­ti­fied a num­ber of lap­ses amid all the unde­niable valor of that day. It said that too many men rus­hed into the buil­dings befo­re anyo­ne rea­li­zed the dan­ger they were in, con­tri­bu­ting to the stag­ge­ring death toll.

The con­sul­tant, McK­in­sey & Com­pa­ny, said the Fire Depart­ment nee­ded to use more cau­ti­on and pre­pa­ra­ti­on when it approa­ched such a major, com­pli­ca­ted fire, and not send too many men in befo­re it knew what it was deal­ing with.

Die „New York Times“ liegt sicher­lich nicht falsch, wenn sie fest­stellt:

In a way, it is a deba­te that goes to the heart of Fire Depart­ment cul­tu­re — rus­hing into bur­ning buil­dings, after all, is what fire­figh­ters do.

Nun han­del­te es sich bei der Rui­ne der Deut­schen Bank um ein leer­ste­hen­des Gebä­de, des­sen Infra­struk­tur schon so weit in Mit­lei­den­schaft gezo­gen war, dass die Steig­lei­tun­gen nicht mehr rich­tig funk­tio­nier­ten und die Feu­er­wehr­leu­te dem Groß­brand des­halb mit tro­cke­nen Schläu­chen gegen­über­stan­den, bis ihnen die Luft aus­ging. Man hät­te also in aller Ruhe erst mal gucken kön­nen, was da denn so los ist, und dann irgend­wann mal das Feu­er löschen kön­nen, denkt da der Außen­ste­hen­de, für den der täg­li­che Berufs­ver­kehr das Höchst­maß an Gefahr dar­stellt.

Trotz­dem erscheint es mir (selbst für eine berufs­be­dingt zyni­sche Unter­neh­mens­be­ra­tung) eine Spur zu zynisch, Feu­er­wehr­leu­ten, die ihr eige­nes Leben ris­kie­ren, um das ande­rer Men­schen zu ret­ten, erklä­ren zu wol­len, wie man ihren Beruf bes­ser und effek­ti­ver aus­üben könn­te. Die wer­den ja wohl kaum in selbst­mör­de­ri­scher Absicht in bren­nen­de Gebäu­de ren­nen.

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Leben

Coffee On TV

Eine von 171 Starbucks-Filialen in Manhattan (Times Square)

Ges­tern hat­te ich noch über die „New-York-ver­däch­ti­ge“ Anzahl von Star­bucks-Filia­len in Bochum gescherzt (zwei Stück), inzwi­schen weiß ich, wie vie­le Star­buck­ses es in New York Man­hat­tan gibt: 171.

Mark Malkoff hat sie alle besucht. An einem Tag. Er hat in jeder Filia­le etwas gekauft. Und er hat einen höchst amü­san­ten Kurz­film über die­se Akti­on gedreht. Den kann man hier anschau­en.

Und wo wir gera­de bei Kurz­fil­men sind: Es gibt eine neue Epi­so­de von „Kloß und Spin­ne“. Also nicht so ganz, aber das erklärt Vol­ker Strü­bing am Bes­ten selbst.

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Leben Unterwegs

Urlaub machen, wo andere leben

Jesus auch in Bochum

Besucht man irgend­wen irgend­wo und drängt die­se Per­son mit mil­der Gewalt dazu, am eige­nen tou­ris­ti­schen Pro­gramm mit­zu­ma­chen, wird man mit an Sicher­heit gren­zen­der Wahr­schein­lich­keit am Ende einen Satz wie die­sen hören: „Also, das fand ich jetzt wirk­lich inter­es­sant. Wenn man hier wohnt, guckt man sich das ja nor­ma­ler­wei­se gar nicht an.“

Mich kommt in Bochum lei­der nie­mand besu­chen, wes­we­gen Kath­rin und ich uns am Wochen­en­de ein­fach mal auf eige­ne Faust als Tou­ris­ten in der eige­nen Hei­mat ver­sucht haben. Einen beson­de­ren Grund dazu gab es eigent­lich nicht, außer dass wir mal recht drin­gend Urlaub brauch­ten.

Gute Grün­de, dass die Innen­stadt voll ist, gibt es hin­ge­gen schon: Die Son­ne scheint in all ihrer som­mer­li­chen Pracht vom Him­mel hin­ab, der VfL spielt zur Sai­son­er­öff­nung gegen Wer­der Bre­men und auf dem Dr.-Ruer-Platz fin­det „Bochum kuli­na­risch“ statt, eine Art Weih­nachts­markt ohne Geschen­ke­stän­de und mit bes­se­rem Essen im Som­mer. Es herrscht das, was in Fern­seh­do­ku­men­ta­tio­nen mit dem Satz „Es herrscht Volks­fest­stim­mung“ beschrie­ben wird, bevor dann irgend­ein Unglück pas­siert (Explo­sio­nen, ein­stür­zen­de Tri­bü­nen, nie­der­ge­schla­ge­ne Volks­auf­stän­de).

Ein Unglück soll­te uns am Sams­tag aber nicht pas­sie­ren, denn Jesus liebt uns. Das behaup­ten zumin­dest die jun­gen Men­schen, die uns hun­dert Meter wei­ter Flug­blät­ter in die Hand drü­cken wol­len. Wir bedan­ken uns für so viel Unter­stüt­zung, gehen aber lie­ber wei­ter, bevor wir noch beim gro­ßen gemein­sa­men Sin­gen mit­ma­chen müs­sen. Kath­rin möch­te ihren Tele­fon­an­schluss kün­di­gen, was aber im Tele­kom-Laden natür­lich nicht geht. Des­halb gehen wir direkt wei­ter „Kla­mot­ten gucken“, also serious shop­ping betrei­ben. Zwan­zig Minu­ten spä­ter habe ich bei C&A ein Paar Jeans in mei­ner Grö­ße für 9 Euro erstan­den (alle ande­ren Grö­ßen kos­ten 15 Euro, der Ursprungs­preis ist dem Eti­kett lei­der nicht mehr zu ent­neh­men) und ver­schwand erst mal in den Tie­fen einer Buch­hand­lung.

Um das Gefühl von Groß­stadt und Urlaub noch ein biss­chen aus­zu­kos­ten, gehen wir zu Star­bucks – davon hat Bochum inzwi­schen zwei Stück im New-York-ver­däch­ti­gen Abstand von 250 Metern. Star­bucks ist zwar eigent­lich ein Super-Feind­bild für alles und A haben mit „Don’t want your job in Star­bucks“ eine wun­der­bar tref­fen­de Lied­zei­le zum The­ma, aber wie sonst soll man Welt­läu­fig­keit simu­lie­ren, wenn nicht mit einer ame­ri­ka­ni­schen Kaf­fee­ket­te? Ganz uname­ri­ka­nisch set­zen wir uns aller­dings hin1 – wenn auch drau­ßen vor den Laden, wo wir die Men­schen in der Fuß­gän­ger­zo­ne wie Qual­len an uns vor­bei­trei­ben las­sen. Die Bochu­mer Innen­stadt ist teil­wei­se der­art reno­viert wor­den in den letz­ten Jah­ren, dass ich nur auf den Tag war­te, an dem die Stadt das ers­te Mal in einem Fern­seh­film Ber­lin dou­beln muss, weil sich die Kame­ra­teams in Ber­lin ja sowie­so immer gegen­sei­tig auf den Füßen rum­ste­hen.

Der shop­ping spree soll bei H&M wei­ter­ge­hen, dort haben sie schwar­ze Cord­sackos, deren Erwerb ich seit eini­gen Jah­ren ernst­haft in Erwä­gung zie­he. Ein­mal hat­te ich bereits eines gekauft, aber mei­ne per­sön­li­che Stil­be­ra­te­rin, die lan­ge als Mar­ke­ting-Direk­tor in der New Yor­ker Mode­bran­che gear­bei­tet hat­te, schick­te mich mit harr­schem Ton zum Umtausch. Die Ärmel sei­en defi­ni­tiv zu kurz, so ihr ver­nich­ten­des Urteil. Die Ärmel sind auch dies­mal zu kurz, was den Ver­dacht nahe­legt, dass mei­ne Arme in Wahr­heit zu lang sind. Dafür sind mei­ne Bei­ne zu kurz, was das Ein­stel­len des Fah­rer­sit­zes im Auto immer zu einer län­ge­ren Ange­le­gen­heit wer­den lässt.

Nach etwa einer Stun­de schwe­di­scher Mas­sen­mo­de (ich hat­te die eben­falls shop­pen­de Dame ja erwähnt) bin ich gegen Fünf lang­sam doch mal reif für Mit­tag­essen. Also gehen wir zur Fisch­bra­te­rei von Gül­cans Schwie­ger­va­ter und ich ent­schei­de mich zwecks Urlaubs­fee­ling für ein Krab­ben­bröt­chen mit Nord­see­krab­ben. Das erin­nert mich immer an die unge­zähl­ten Fami­li­en­ur­lau­be an der hol­län­di­schen Nord­see­küs­te (war­um ein Bröt­chen mit Nord­see­krab­ben in Bochum knapp die Hälf­te von dem kos­tet, was man in Hol­land hin­term Deich bezahlt, kann mir sicher irgend­ein VWL-Stu­dent erklä­ren, falls ich mal einen ken­nen­ler­ne).

Für den Sams­tag reicht uns das, außer­dem will ich ja die „Sport­schau“ sehen. Hät­te ich geahnt, dass in der ers­ten Stun­de sowie­so nichts inter­es­san­tes läuft, hät­te ich mir die Tier­schüt­zer, die in der Fuß­gän­ger­zo­ne Vide­os von lei­den­dem Schlacht­vieh zei­gen, viel­leicht noch mal genau­er ange­guckt.

Nach die­sem groß­städ­ti­schen Sams­tag hät­ten wir es am Sonn­tag­abend gern ein paar Num­mern klei­ner. Das ist kein Pro­blem, denn in fuß­läu­fi­ger Ent­fer­nung befin­det sich das „Kirch­vier­tel“ mit alten Berg­ar­bei­ter­häu­sern; diver­sen Bäcke­rei­en, Apo­the­ken und Super­märk­ten; zwei Piz­za­bu­den und tat­säch­lich einer Kir­che. Uns inter­es­siert aber beson­ders die Eis­die­le: Die Aus­wahl ist noch grö­ßer als am Tag zuvor bei Star­bucks und ich wün­sche mir für einen Moment, irgend­je­mand wür­de ein­fach mal für mich ent­schei­den. Dann wäre ich aber ver­mut­lich bei Bana­ne-Moc­ca aus­ge­kom­men und nicht bei Ana­nas-Tira­mi­su wie jetzt. Vor uns ist ein Mann dran, der mit etwas eigen­tüm­li­chen Wün­schen zu über­ra­schen weiß: Fünf Kugeln Moc­ca mit Sah­ne und zwei Kugeln Eis für den Hund (ohne Sah­ne).2

Eis schle­ckend und trop­fend spa­zie­ren wir durch den Orts­teil, der so wun­der­bar dörf­lich wirkt, dass man kaum glau­ben kann, mit­ten im Ruhr­ge­biet zu sein. Die Bewoh­ner des nahe­ge­le­ge­nen Senio­ren­heims (das erklärt die vie­len Apo­the­ken) schlur­fen durch die Stra­ßen und mei­ne Hän­de kle­ben von der zer­lau­fe­nen Eis­creme. Als wir wie­der Rich­tung Uni­ver­si­täts­stra­ße gehen, fra­gen wir uns, ob Bochum nicht viel­leicht doch ein ganz guter Wohn­ort ist, auch län­ger­fris­tig, und war­um man sich sowas nor­ma­ler­wei­se nicht anguckt.

1 Fol­gen­der Dia­log wur­de mir mal aus einer kali­for­ni­schen High School über­lie­fert:
Deutsch­leh­re­rin (Deut­sche): „In Euro­pe, espe­ci­al­ly in Ger­ma­ny, the peo­p­le usual­ly sit down in a cafe. I don’t get why Ame­ri­cans always have to walk around with their bever­a­ges.“
Schü­ler (Ame­ri­ka­ner): „It’s becau­se they have jobs – which 4.5 mil­li­on Ger­mans don’t do, as I recall.“
Der Schü­ler wur­de dar­auf­hin des Unter­richts ver­wie­sen.

2 Das ist aller­dings nichts ver­gli­chen mit dem Mann, der in Dins­la­ken mal „Ama­re­na­ta durchs Spa­ghet­ti-Eis-Sieb gepresst im Hörn­chen“ haben woll­te. Ama­re­na­ta ist Eis mit gan­zen Kir­schen drin.

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Film

Ich und McClane

Stirb langsam 4.0 (Plakat)Es gibt ja Fil­me, die hat man gefühl­te Tau­send­mal gese­hen. Bei mir ist „Stirb lang­sam – Jetzt erst recht“ (Nr. 3 der Serie) so ein Fall (das letz­te Mal im letz­ten Novem­ber an Bord eines Flug­zeugs von New York nach Oak­land). Teil 1 habe ich bestimmt auch schon ein Halb­dut­zend Mal gese­hen – nur Teil 2 fehlt mir bis heu­te. Jedes Mal, wenn er im Fern­se­hen läuft, ist irgend­was: Geburts­tags­fei­er, Bochum Total oder der Papst stirbt.*

Des­halb fehlt mir natür­lich ein gewis­ser Teil des Gan­zen, aber ich glau­be, man kann „Stirb lang­sam 4.0“ (erst dach­te ich ja: „Doo­fer Titel“, aber er passt ganz gut zur The­ma­tik) auch ganz ohne Vor­kennt­nis­se der Serie schau­en – nur die Run­ning Gags und Quer­ver­wei­se bekommt man dann nicht immer mit. Es gibt in die­sem Som­mer aber sicher ganz ande­re Fort­set­zun­gen, die auf eine fort­lau­fen­de Hand­lung set­zen.

Bruce Wil­lis ist zum vier­ten Mal John McCla­ne, der New Yor­ker Poli­zist, der schon so ziem­lich alles durch­ge­macht hat. Dies­mal soll er eigent­lich nur einen jun­gen Hacker (Jus­tin Long) ans FBI über­füh­ren, aber natür­lich kommt alles ganz anders, als Cyber­ter­ro­ris­ten die kom­plet­te Infra­struk­tur der USA in ihre Gewalt brin­gen wol­len.

Dies­mal ist es also kein Einer-gegen-Alle-Kampf im Hoch­haus wie in Teil 1 (obwohl es gegen Ende des Films noch ein paar schö­ne Ver­wei­se in die Rich­tung gibt) und kei­ne Schnit­zel­jagd wie in Teil 3 (auch wenn McCla­ne wie­der einen unge­lieb­ten Beglei­ter hat und auch dies­mal die meis­te Zeit über nur in fern­münd­li­chem Kon­takt zum Ober­schur­ken steht). „Stirb lang­sam 4.0“ ist also irgend­wie ein Destil­lat der bis­he­ri­gen Tei­le und hat trotz sei­nes recht schlicht anmu­ten­den Plots einen gut kon­stru­ier­ten Ablauf.

Bruce Wil­lis ist natür­lich wie­der genau die coo­le Sau, für die man ihn so liebt, und die Action vor allem eins: laut, hell, bru­tal. McCla­ne steht in der heu­ti­gen Welt der Hacker und Mobil­te­le­fo­ne für die alte, rohe Hand­ar­beit und Wil­lis steht eigent­lich für eine ganz ande­re Gene­ra­ti­on von Action­fil­men: Denn natür­lich kommt auch „Stirb lang­sam 4.0“ wie bei­na­he jeder Action­film dies­seits von 1999 nicht ohne Com­pu­ter­bild­schir­me, Kung-Fu-Ele­men­te und prü­geln­de Frau­en (nix gegen Mag­gie Q …) aus – es wäre also drin­gend an der Zeit, dass mal irgend­je­mand einen Film dreht, der „Matrix“ als Gen­re­prä­gen­des Werk ablö­sen kann.

Außer die­ser Ran­schmei­ße an die Jugend („Ihr wart ja noch nicht mal geplant, als der ers­te Teil im Kino lief!“) kann man dem Film und sei­nem Regis­seur Len Wise­man („Under­world“, „Under­world: Evo­lu­ti­on“) aber nichts vor­wer­fen. Die wenigs­ten Logik- und Schnitt­feh­ler fal­len einem wäh­rend des Films auf und hin­ter­her hat man viel zu viel Adre­na­lin in der Blut­bahn, um über sol­che Lap­pa­li­en reflek­tie­ren zu kön­nen.

Das The­ma Cyber­ter­ro­ris­mus ist gar nicht mal so abwe­gig und man ist fast ver­sucht, von „erschre­ckend rea­lis­ti­schen Sze­na­ri­en“ zu faseln. Um kei­ne Vor­ur­tei­le zu schü­ren oder von der Rea­li­tät über­holt zu wer­den, reden die Bösen aber abwech­selnd fran­zö­sisch, ita­lie­nisch und eng­lisch (hier­zu­lan­de natür­lich deutsch) und sehen auch kein biss­chen ara­bisch aus. Und der Ober­bö­se­wicht (Timo­thy Oly­phant) ist noch nicht mal in der Ori­gi­nal­fas­sung Deut­scher …

Auch wenn außer John McCla­ne (und um den geht’s ja schließ­lich) nur weni­ge ver­bin­den­de Ele­men­te, die über das Selbst­zi­tat hin­aus­ge­hen, exis­tie­ren: „Stirb lang­sam 4.0“ ist ein wür­di­ger Nach­fol­ger (und mög­li­cher Schluss­punkt) der Serie. Es ist einer die­ser rar gewor­de­nen Action­fil­me, die noch rich­tig Wumms haben anstel­le von com­pu­ter­ani­mier­ten Kame­ra­fahr­ten. Man könn­te auch in die Kis­te mit der Auf­schrift „elen­di­ge Kli­scheesät­ze“ grei­fen und sagen bzw. schrei­ben: eine 130minütige Ach­ter­bahn­fahrt, per­fek­tes Pop­corn- bzw. Som­mer­ki­no. Wür­de auch stim­men.

Offi­zi­el­le Web­site zum Film
Offi­zi­el­le deut­sche Web­site zum Film

* Es gehört zu den beson­de­ren Details die­ser Welt, dass einer der weni­gen deut­schen Fern­seh­sen­der, der sein Pro­gramm beim Tod Johan­nes Paul II. mun­ter fort­setz­te, Pro Sie­ben war – mit besag­tem „Stirb lang­sam 2“.

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Unterwegs Leben

Mein schönstes Urlaubsfoto

Ab Mitt­woch gibt es bei Aldi Nord eine preis­wer­te Digi­tal­ka­me­ra, mit der man beson­ders schö­ne Urlaubs­fo­tos schie­ßen kann. Zum Bei­spiel vom Ground Zero:

Urlaubsfotos am Ground Zero
(Screen­shot: aldi-essen.de)

Zum Ver­gleich: So sah es im letz­ten Novem­ber von der gegen­über­lie­gen­den Sei­te des Lochs aus.