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Homegrown Terror

Es gibt ja eigent­lich kei­nen Grund, war­um Nena heu­te noch bekannt sein soll­te – also mal davon ab, dass sie mit unra­sier­ten Ach­seln im Fern­se­hen auf­trat und damit das Deutsch­land­bild vie­ler Bri­ten und Ame­ri­ka­ner nach­hal­ti­ger präg­te als so man­cher Bun­des­kanz­ler. Seit vie­len Jah­ren ver­öf­fent­licht Nena die immer­glei­chen Songs in immer neu­en Gewän­dern und schafft damit ver­mut­lich auch noch das, was sie damit errei­chen will: Gan­ze Gene­ra­tio­nen neu­er Nena-Fans zu erschlie­ßen.

Letz­te Woche erschien das neue Album von Nena. Es heißt „Cover Me“ und hät­te mich ver­mut­lich mein Leb­tag nicht inter­es­siert, wenn, ja wenn ich nicht gera­de bei iTu­nes dar­über gestol­pert wäre. Dank moder­ner Tech­nik kann man ja heut­zu­ta­ge in jedes Album zumin­dest rein­hö­ren und das habe ich dann auch getan.

Nach­dem ich den Tep­pich so gut es ging wie­der gerei­nigt und mir eine Win­ter­ja­cke ange­zo­gen hat­te (ich wer­de noch ein paar Tage lüf­ten müs­sen, bis der Gestank raus­geht), dach­te ich mir: Nein, damit möch­te ich nicht allein blei­ben. Und des­halb jetzt hier für Sie: Die „High­lights“ aus „Cover Me“, das – Sie hat­ten es bereits dem groß­ar­ti­gen Wort­spiel im Album­ti­tel ent­nom­men – ein Cover­al­bum ist.

Auf der ers­ten Sei­te ver­greift sich Nena „nur“ an deutsch­spra­chi­gen Songs: So erwischt es neben den ungleich kre­di­bi­le­ren Mit-Acht­zi­ger-Acts Ulla Meine­cke („Für dich tu ich fast alles“) und Ide­al („Eis­zeit“ )auch David Bowie („Hel­den“ aus dem „Chris­tia­ne F.“-Sound­track) und – bit­te fest­hal­ten und sehr, sehr tap­fer sein! – Deich­kind („Rem­mi­dem­mi“).

Wer bereits jetzt glaubt, alles Elend die­ser Welt gehört zu haben, hat gera­de mal den Fuß in der Höl­len­pfor­te, aus der auf der B‑Seite des Albums diver­se eng­li­sche Cover­ver­sio­nen strö­men wer­den. Mark Bol­an von T. Rex ist immer­hin schon tot, so dass ihn die Ver­si­on von „Child­ren Of The Revo­lu­ti­on“ allen­falls noch zum lei­sen Rotie­ren brin­gen soll­te – ande­re Musi­ker haben das Glück nicht: Bowie („Star­man“) sowie Bob Dylan und die Rol­ling Stones erwischt es gleich zwei Mal („It’s All Over Now Baby Blue“ und „Blo­win‘ In The Wind“ bzw. „The Last Time“ und „She’s Like A Rain­bow“), The Cure bekom­men die zwei­tau­sends­te Inter­pre­ta­ti­on von „Fri­day I’m In Love“ ange­hängt und bei Pink Floyd dürf­te man sich nach dem Kon­sum von „Us And Them“ wün­schen, es wären gleich alle Band­mit­glie­der dem Wahn­sinn anheim gefal­len.

Auch „jün­ge­re“ Acts wie Air („Sexy Boy“) und Moby („Slip­ping Away“) sind nicht sicher vor Nena und ihrem Haus-und-Hof-Pro­du­zen­ten und Ex-„Popstars“-Jurymitglied Uwe Fah­ren­krog-Peter­sen. Doch ihnen allen geht es noch gut, denn am schlimms­ten erwischt es mal wie­der die arme Joni Mit­chell. Wer geglaubt hat­te, wüs­ter als die Coun­ting Crows kön­ne nie­mand mehr die gro­ße alte Dame der Folk­mu­sik belei­di­gen, wird bei Nena eines bes­se­ren belehrt: Ihre Ver­si­on von „Big Yel­low Taxi“ ist seit vie­len Jah­ren, ja: Jahr­zehn­ten der ers­te Song, der Wil­liam Shat­ners „Lucy In The Sky With Dia­monds“ den Ruhm als schlech­tes­te Cover­ver­si­on aller Zei­ten strei­tig machen könn­te. Aber das ist ja auch schon mal eine erstaun­li­che Leis­tung.

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Voll auf die … Ach, lassen wir das!

Den Deut­schen sagt man ja (neben vie­lem ande­ren) auch ein etwas gestör­tes Ver­hält­nis zur Pop­kul­tur nach. Wenn also die Ver­öf­fent­li­chung eines neu­en Ton­trä­gers in jedem Medi­um von der F.A.Z. bis zur „Vani­ty Fair“, von „Wet­ten dass…?“ bis zu MTV the­ma­ti­siert wird, dann ist das schon etwas ganz beson­de­res. Her­bert Grö­ne­mey­er ist popu­lä­rer als jeder ande­re deut­sche Musi­ker und so über jeden Zwei­fel erha­ben wie andern­orts Bob Dylan. Eine CD-Bespre­chung ver­bie­tet sich fast von selbst, denn kein noch so kri­ti­scher Musik­jour­na­list mag an Grö­ne­mey­er her­um­mä­keln. Er ist ein­fach eine Aus­nah­me­erschei­nung, auch wenn er das sel­ber nicht hören mag. In den letz­ten Wochen hat Grö­ne­mey­er so vie­le Inter­views gege­ben, dass man als auf­merk­sa­mer Medi­en­kon­su­ment mitt­ler­wei­le an sei­ner statt Inter­views geben könn­te (was aktu­ell übri­gens auch für Chris­toph Maria Herbst und den Start der drit­ten „Stromberg“-Staffel gilt).

Jetzt kreist „Zwölf“ end­lich seit ein paar Tagen in mei­nem CD-Lauf­werk und in der Tat habe ich kei­ne Ahnung, was ich dar­über schrei­ben soll­te. Wie schon bei „Mensch“ bin ich mir sicher, dass es sich um ein wich­ti­ges Album mit aus­ge­feil­ter Musik und klu­gen Tex­ten han­delt, und wie­der hab ich kei­ne Ahnung, ob mir das Album per­sön­lich jetzt sehr viel oder gar nichts bedeu­tet. Die­ses Gefühl habe ich wirk­lich nur bei Plat­ten des Ex-Bochu­mers. (Wäre dies ein Zei­tungs­ar­ti­kel, hät­te der Text­chef gera­de „Ex-Bochu­mer“ durch­ge­stri­chen und „Wahl-Lon­do­ner“ hin­ge­schrie­ben. Aber Lokal­pa­trio­tis­mus ist halt stär­ker als der Drang zum Main­stream-Syn­onym.) Schon beim ers­ten Hören kommt einem die Musik selt­sam ver­traut vor und selbst wenn Grö­ne­mey­er immer wie­der betont, wie unwich­tig ihm selbst die Tex­te eigent­lich sei­en: in jedem Lied fin­det sich min­des­tens eine Zei­le, die man unter „Das hat er wie­der sehr schön gesagt“ in sein Notiz­büch­lein krit­zeln möch­te.

Und weil mir immer noch zwei Ton­nen Her­me­neu­tik und die eige­ne dif­fu­se Erwar­tung den Zugang dem Werk ver­sper­ren, statt­des­sen hier ein paar Fak­ten und Beob­ach­tun­gen:

  • Aus Grün­den, die wohl nur der Plat­ten­fir­ma EMI bekannt sind, erscheint die CD in einer „Super Jewel Box“. was eine nor­ma­le CD-Hül­le mit abge­run­de­ten Ecken ist. Sieht im Regal total däm­lich aus und man kommt schlecht ans Book­let ran. Aber weil Uni­ver­sal in Euro­pa mit die­ser Unsit­te ange­fan­gen hat (rich­ti­ge CD-Hül­len gibt es noch in den USA), muss­te EMI wohl nach­zie­hen.
  • Für die epi­sche Sin­gle „Stück vom Him­mel“ scheint Nick Ing­ham schon wie­der den glei­chen Strei­cher­satz ver­wen­det zu haben, den er auch schon bei „Wha­te­ver“ von Oasis und zuletzt bei Grö­ne­mey­ers eige­nem „Demo (Letz­ter Tag)“ ver­bra­ten hat.
  • „Mar­le­ne“ klingt ein biss­chen wie Peter Gabri­el und behan­delt auch ähn­lich schwe­re The­men wie der Ex-Gene­sis-Sän­ger: Aids in Afri­ka.
  • „Ich ver­steh“ erin­nert wegen sei­nes pro­mi­nen­ten Bass-Ein­sat­zes an Kom­po­si­tio­nen von Sting. Also an die wirk­lich guten Sachen von Sting.
  • In „Zieh dei­nen Weg“ singt Grö­ne­mey­er „Sei aus Unsi­cher­heit nicht arro­gant /​ Hab immer Mit­ge­fühl als Unter­pfand“. Es han­delt sich damit erst um das zwei­te mir bekann­te Lied, in dem das Wort „Unter­pfand“ vor­kommt. Das ande­re ist die deut­sche Natio­nal­hym­ne.
  • Lied 12 („Lie­be liegt nicht“) fängt an wie irgend­was von Kai­zers Orches­tra. Danach spielt Fran Hea­ly von Tra­vis die Akus­tik­gi­tar­re (und ich bil­de mir ein, ihn auch im Chor sin­gen zu hören). Deren letz­tes Album hieß „12 Memo­ries“ und hat­te auch zwölf Stü­cke, was eine nicht gera­de unspan­nen­de Par­al­le­le zu Grö­ne­mey­ers „Zwölf“ ist.
  • „Zwölf“ ist nicht der letz­te Ein­trag, wenn ich mei­ne iTu­nes-Biblio­thek alpha­be­tisch nach Album­ti­teln sor­tie­re. Danach kommt noch (war­um auch immer) „ZZYZX“ von Zero­man­cer.

Doch, ich fin­de das Album schon sehr gut. Viel­leicht ist es ein­fach nor­mal, dass mich Grö­ne­mey­er-Alben nicht voll ins Herz tref­fen. Aber gera­de der strei­cher­ge­tränk­te Abschluss sorgt schon für Glücks­ge­füh­le. Die wer­den übri­gens noch grö­ßer, wenn ich gera­de noch eben die ande­ren Acht­zi­ger-Jah­re-Deutschrock­grö­ßen abha­ke: Wes­tern­ha­gen: lan­ge nichts mehr gehört, hof­fent­lich bleibt das so; Maf­fay: schreibt Kin­der­mu­si­cals und stemmt bei Tho­mas Gott­schalk Gewich­te; Nena: ach, schwei­gen wir über Nena; Heinz Rudolf Kun­ze: tritt heu­te Abend beim Grand-Prix-Vor­ent­scheid an. Damit wäre dann wohl alles gesagt.