Die Bildunterschrift des Tages entnehmen wir heute taz.de:
[via Franz]
Nachtrag, 24. Mai: Irgendwann in den letzten Tagen muss taz.de die Bildunterschrift geändert haben.
Jetzt sieht sie jedenfalls so aus:
Coffee And TV feiert heute seinen ersten Geburtstag und wie es zu solch großen Ereignissen üblich ist, soll auch hier eine Nabelschau der Extraklasse stattfinden.
Lesen Sie noch einmal nach, wie es war, als wir den Start mit einem Feuerwerk der guten Laune feierten oder sehen Sie sich das Ereignis auf Video an.
Klicken Sie sich auch noch einmal durch die Einträge der ersten Wochen, als das Konzept “Gruppenblog” irgendwie noch besser funktioniert hat. Und erfreuen Sie sich an den populärsten Beiträgen über irrationale Ängste, den Konflikt von Sprache und Justiz, nackte Jungschauspielerinnen, Eva Herman, die Musikindustrie und Nazis. Oder lesen Sie den Text, in dem die meiste journalistische Arbeit steckt. Nennen Sie uns Ihren Lieblingstext auf Coffee And TV! Erzählen Sie, wie Sie zu diesem Blog gefunden haben! Bohren Sie sich ein Loch ins Knie und schütten Sie Maggi rein!
Und wo ich grad vor sechs Zeilen “Gruppenblog” geschrieben hab: Sagen Sie “Hallo!” zu unserem neuen Mitarbeiter Markus Steidl!
Beinahe wöchentlich erschüttert ein neuer “Nazi-Skandal” die Öffentlichkeit. Kaum jemand kann noch den Überblick behalten, wer gerade wieder versehentlich oder absichtlich etwas gesagt hat, was “halt nicht geht”.
Das Dienstleistungsblog Coffee And TV hat sich deshalb bemüht, einen historischen Abriss der skandalösesten Skandale und der empörenswertesten Entgleisungen zusammenzustellen, der selbstverständlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben will:
Mit Dank an Niels W. für die indirekte Anregung und Stefan N. für die Unterstützung bei der Recherche.
Unter Zuhilfenahme von agitpopblog.org, FAZ.net und der Politikwissenschaftler an der FU Berlin.
So, da hatte also DJ Tomekk, der zunächst wahnsinnig unsympathische, dann aber immer knuffiger werdende Dschungelcamp-Bewohner, vor zehn Tagen in einer australischen Hotelhalle den rechten Arm gehoben und die erste Strophe des Deutschlandlieds (die übrigens nicht “verboten” ist, liebe Viva-Mitarbeiter) angestimmt. Gestern tauchte das Video dann urplötzlich auf und wurde von “Bild.de” veröffentlicht. Dass man die Erstveröffentlichung des Videos mit dem Off-Kommentar “Dieses Skandalvideo schockiert Deutschland!” versehen hatte, spricht entweder für eine Lücke im Raum-Zeit-Kontinuum oder für das Selbstverständnis von “Bild”.
Und “Bild” sollte recht behalten: Schon im eigenen Artikel hatte man die gut geölte Empörungsmaschinerie in Gang gebracht. Gut möglich, dass Dieter Graumann, stellvertretender Vorsitzender des Zentralrates der Juden in Deutschland, weder wusste, wer DJ Tomekk war, noch das Video gesehen hatte, als “Bild” ihn anrief und um einen Kommentar bat. Aber “Wer Hitler feiert, muss geächtet werden”, kann man ja immer sagen.
Nun, es mag sicher einigermaßen geschmacklos sein, als Deutscher im Ausland den Hitler-Gruß zu zeigen, aber … Moment, “Deutscher”? Tomekk wurde als Tomasz Kuklicz in Krakau geboren, sein Mutter ist Polin, sein Vater Marokkaner – für Roland Koch und erst recht für Neonazis macht ihn das wohl zu einem “Ausländer”. Deswegen sind Überschriften wie “Nazi-Skandal im Dschungel-Camp” gleich doppelter Unfug.
Der “Skandal” findet nämlich außerhalb des Camps statt, in lautstark empörten Medien, deren Leser und Zuschauer bis vor zwei Wochen nicht mal wussten, dass es einen DJ namens Tomekk geben könnte. Als wären die deutschen Medienkonsumenten zu doof, Geschmacklosigkeiten selbst zu erkennen, wird ihnen von möglichst vielen Fachleuten für Entrüstung erklärt, warum dieses oder jenes “nicht geht”. Über kurz oder lang kann das allerdings dazu führen, dass die Leute irgendwann eben nicht mehr selbständig wissen, was “schlimm” ist.
Jan Feddersen hat bei taz.de einen sehr interessanten Artikel veröffentlicht, dem ich nicht in allen Punkten zustimmen würde, der aber die Lektüre dennoch lohnt:
In Deutschland geht Nazi gar nicht. Niemals und auf ewig nicht. Ist schlimm. Politisch, ästhetisch, kulturell, unterschichtstrashig. Jeder muss wissen, dass jede semiotische Andeutung mindestens fünf Tanklaster Tränen der Empörung und der Wut und des Abscheus provoziert. Solidaritätserklärungen von Zentralräten, Gewerkschaftskreisen, Zirkeln der Opfer und Vereinen der Auchbetroffenheit in allgemeiner Hinsicht.
Klar, dass das den Lesern sauer aufstößt:
Gerade in der Taz ein Plädoyer für solche völlig unangebrachten “Scherze” zu finden, irritiert mich gerade ziemlich.
Oder:
Ich wusste gar nicht, dass die TAZ das Bildungsfernsehen RTL und ihre trashige-debile Dschungelsenung anschaut!
Und damit wird vielleicht auch die Marschrichtung Intention der ganzen Kampagne angesprochen: “Ich bin ein Star, holt mich hier raus!” ist ja eh “Unterschichtenfernsehen”. Wenn ein dort mitmachender HipHop-Proll (HipHop ist ja eh böse, s. Bushido) also zum Nazi taugt, kann sich das Bürgertum entspannt zurücklehnen und gleich drei Sachen auf einmal scheiße finden. Das ist einfacher, als sich mit den echten Neonazis vor der eigenen Haustür zu beschäftigen.
Die wirklich spannende Frage, die Feddersens Artikel aufwirft, ist die, warum man in Deutschland eigentlich immer noch keine Witze über Nazis machen soll:
DJ Tomekk mag uns der Beweis sein: 75 Jahre nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland darf über den Führer, darf über Goebbels, Hitler, über all das Nazig’schwurbel gelacht und gelästert werden.
Ich bin mir nicht ganz sicher, welche “Witze” man über Nazis machen sollte und welche nicht. Aber werden Verbrechen der Nationalsozialisten etwa “weniger schlimm”, wenn man sich über die Anführer von damals lustig macht? Fast scheint es, als würden diese Arschlöcher heute ernster genommen als je im “Dritten Reich”.
Weiterführende Links
DJ Tomekks Reaktion und Entschuldigung im Wortlaut
Das Hitler-Blog der taz zum Thema
Es ist ja keine neue Erkenntnis, dass der klägliche Versuch, der deutschen Ausgabe von “Vanity Fair, eine Existenzberechtigung jenseits der Rätselseite zu verpassen, mindestens mittelfristig zum Scheitern verurteilt ist. Diesen Nullstellen-Journalismus im Hinterkopf war die Meldung, dass mit Horst Mahler der einzige Mensch, der krude genug im Hirn ist, sowohl in der RAF als auch in der NPD gewesen zu sein, seinen Denkmist ausgerechnet dort in einem Interview ausbreiten durfte, für einiges Entsetzen gut.
Nun hat man sich mit Michel Friedmann einen externen Mitarbeiter für dieses Gespräch geangelt, der das von vorneherein zum Scheitern verurteilte Unterfangen (man denke an das hilflose Desaster, als Ralph Giordano und Michael Glos in der n-tv-Sendung Talk in Berlin Jörg Haider demaskieren wollten) recht bravourös nach Hause bringt. Dieses eine Mal nämlich darf, nein, muss Friedmann so angenehm überheblich agieren. Denn die Zweifel daran, daß Mahler ziemlich schattig im Schädel ist, schwinden dank Friedmanns gespielter Naivität, die Mahler zu immer neuem Dünnsinn provoziert, immer weiter. Aber die Anmaßung, einzig Vanity Fair wisse, wie man mit Nazis zu sprechen habe, ist dann doch etwas zu viel mit dem Feuer gespielt. Es ist ja gar nicht lange her, daß eine in die Ecke gedrängte Zukurzdenkerin die Mitleidskarte ausspielen durfte.
Weniger Schaulaufen dürfte der Film “Roots Germania” von Mo Asumang sein, die als Reaktion auf den Song einer Naziband, in dem ihr eine Kugel verpasst werden sollte, spontan das Gespräch mit den Flachbirnen suchte und ihnen beim Sichselbstentlarven half. Diese Nacht um 0:20 Uhr im ZDF. Angucken.