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Musik Unterwegs

Oslog (6)

Gut, dass ich mei­nen Nach­be­richt zum by:Larm noch nicht ange­fan­gen hat­te, denn Seth Werk­hei­ser, mit dem ich wäh­rend der Kon­fe­renz ein paar mal get­wit­tert habe und an dem ich dann doch immer vor­bei­ge­lau­fen bin, hat für Buzzg­rin­der sehr schön zusam­men­ge­fasst, was dort alles pas­siert ist.

Besucher des by:Larm in Oslo

Na gut, ein paar Sachen will ich dann doch noch etwas aus­füh­ren: Der dort bereits erwähn­te Vor­trag „Things I Have Lear­ned In My Life So Far“ des Gra­fik­de­si­gners Ste­fan Sag­meis­ter war wirk­lich groß­ar­tig und … ja, doch: inspi­rie­rend. Das dazu­ge­hö­ri­ge Buch sei hier unbe­se­hen emp­foh­len.

Eben­falls sehr erhel­lend (und gleich­zei­tig unend­lich depri­mie­rend) war das Panel, auf dem Fes­ti­val-Orga­ni­sa­to­ren aus Schott­land erklär­ten, wie sie ihre Städ­te (teil­wei­se gemein­sam) über die dor­ti­ge Kul­tur ver­mark­ten. Das Depri­mie­ren­de dar­an war jeder ein­zel­ne Gedan­ke, der mich von Schott­land weg und in mei­ne Hei­mat­re­gi­on Ruhr­ge­biet führ­te, wo jede Stadt mit viel Lust ver­sucht, sich von ihren Nach­bar­städ­ten abzu­gren­zen – anstatt end­lich zu erken­nen, dass wir hier in einer der größ­ten Metro­po­len Euro­pas leben. Leben könn­ten, wenn wir nur alle woll­ten.

Konzertbesucher beim by:Larm

Über­haupt lau­te­te eine der zen­tra­len Erkennt­nis­se: Deutsch­land ist ein durch sei­ne Durch­bü­ro­kra­ti­sie­rung weit­ge­hend ent­kul­tu­ra­li­sier­tes Land. Wenn man hört, wie gut die Kul­tur­för­de­rung (die expli­zit Rock­mu­sik mit ein­be­zieht) in Skan­di­na­vi­en orga­ni­siert ist, kön­nen einem nur die Trä­nen kom­men. Ein Fes­ti­val wie das by:Larm wäre hier­zu­lan­de ver­mut­lich undenk­bar, auch wenn ich mir fast sicher bin, dass man in Deutsch­land (oder auch ger­ne im deutsch­spra­chi­gen Raum) genug gute Künst­ler zusam­men­trom­meln könn­te. Und selbst, wenn es ein Jahr funk­tio­nier­te und Musik­in­dus­trie, Regie­rung, Künst­ler und Spon­so­ren gemein­sam etwas auf die Bei­ne stell­ten: Danach wür­den sich wie­der alle hoff­nungs­los zer­strei­ten und dann käme Die­ter Gor­ny vor­bei, um nach dem Musik­fern­se­hen, der Pop­komm und dem Ruhr­ge­biet das nächs­te gro­ße Ding zu rui­nie­ren.

Was es mit dem Oslo-Trip auf sich hat­te, steht hier.

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Musik Digital

Programmhinweis: by:Larm 2009

Auf Ein­la­dung des by:Larm-Festivals und der nor­we­gi­schen Bot­schaft wer­de ich mor­gen nach Oslo rei­sen, um mir das by:Larm vor Ort anzu­se­hen.

Dabei han­delt es sich um eine Kon­fe­renz zum The­ma Musik (also pri­mär Musik­in­dus­trie und deren Zukunft), sowie um zahl­rei­che Kon­zer­te in so ziem­lich allen Clubs der Stadt. Wenn man so will, ist es also das skan­di­na­vi­sche Gegen­stück zum South By Sou­thwest – nur, dass nicht gleich ein paar Tau­send Bands auf­tre­ten, son­dern nur ein paar Hun­dert.

Ich wer­de mich bemü­hen, jeden Tag ein biss­chen was über das by:Larm und Oslo zu schrei­ben. Alle Ein­trä­ge zum The­ma wer­den mit dem Tag „bylarm“ ver­se­hen, damit Sie die­se ent­we­der schnell fin­den oder igno­rie­ren kön­nen.

Wenn Sie sich jetzt bit­te erhe­ben wür­den für die Natio­nal­hym­ne von Nor­we­gen!

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Musik

Chinese Delivery

Vor zehn Tagen ist „Chi­ne­se Demo­cra­cy“ von Guns N‘ Roses erschie­nen, ein Album der Super­la­ti­ve: 14 Jah­re in der Mache, Gesamt­kos­ten von geschätzt 13 bis 15 Mil­lio­nen Dol­lar, min­des­tens sechs ver­schie­de­ne Gitar­ris­ten.

Wäh­rend angeb­lich bis zum Früh­jahr die­ses Jah­res an „Chi­ne­se Demo­cra­cy“ gear­bei­tet wur­de (was man ange­sichts des sat­ten Neun­zi­ger-Sounds kaum glau­ben mag), lag ein ande­res Album ein­fach neun Jah­re lang auf Hal­de:

Am 26. Okto­ber 1999 soll­te „Por­ta­ble Life“ erschei­nen, das zwei­te Album von Dani­elle Bri­se­bo­is. Deren Debüt­al­bum „Arri­ve All Over You“ von 1994 hat­te sich trotz elf wun­der­ba­rer Power­pop-Songs kaum ver­kauft und die New Radi­cals, deren Band­mit­glied Bri­se­bo­is neben ihrem Song­wri­tin­g­part­ner und Pro­du­zen­ten Gregg Alex­an­der war, hat­ten sich nach ihrem welt­wei­ten Mega­hit sofort wie­der auf­ge­löst. Das Ver­hält­nis zwi­schen den Plat­ten­fir­men und allem, wo Brisebois/​Alexander drauf stand, war also ein eher gespann­tes. War­um RCA Records aber „Por­ta­ble Life“ nicht ver­öf­fent­lich­te, nach­dem man schon Pro­mo-Kopien an Musik­jour­na­lis­ten ver­sandt und die Sin­gle „I’ve Had It“ nebst Video fer­tig­ge­stellt hat­te, lässt sich bis heu­te nicht genau rekon­stru­ie­ren.

So blieb das Album irgend­wo lie­gen, wäh­rend RCA als Teil von BMG zu SonyBMG fusio­nier­te und Dani­elle Bri­se­bo­is Hit­sin­gles für Nata­sha Beding­field und Kel­ly Clark­son schrieb. Bis zum 30. Sep­tem­ber die­ses Jah­res wuss­te nie­mand etwas genaue­res über den Ver­bleib der zwölf Songs, zu denen auch „Ever­y­thing My Heart Desi­res“ (aus dem Sound­track zu „Bes­ser geht’s nicht“) und eine neue Ver­si­on des „Arri­ve All Over You“-Songs „Just Missed The Train“ gehör­ten – dann tauch­te das Album plötz­lich im iTu­nes Musics­to­re und als Down­load bei Amazon.com auf.

Man merkt dem Album sei­ne lan­ge Lager­zeit nicht unbe­dingt an: Es sind gute Pop­songs, die mal mehr, mal weni­ger druck­voll, mal mehr, mal weni­ger melan­cho­lisch klin­gen. Man­che haben groß­ar­ti­ge Titel wie „Stop It Hurts You’­re Kil­ling Me Don’t Stop“ oder „If I Died Tonight You’d Have To Think Of Me“ und ins­ge­samt fragt man sich, war­um Dido oder Kel­ly Clark­son eigent­lich so einen rie­si­gen Erfolg haben und Dani­elle Bri­se­bo­is nicht.

Danielle Brisebois - Portable Life (Albumcover)
Dani­elle Bri­se­bo­is – Por­ta­ble Life

VÖ: 30. Sep­tem­ber 2008 /​ 26. Okto­ber 1999
Label: RCA Records
Ver­trieb: SonyBMG (digi­tal) /​ BMG Enter­tain­ment

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Musik

Statt Rente

Wo wir gera­de noch von Paul McCart­ney spra­chen: Der Mann wird trotz sei­ner 66 Jah­re (Udo-Jür­gens-Gedächt­nis-Zitat bit­te hier ein­set­zen) nicht müde, musi­ka­lisch alles mit­zu­neh­men, was geht.

Sein letzt­jäh­ri­ges (eher schwa­ches) Solo­al­bum „Memo­ry Almost Full“ erschien auf dem Star­bucks-Label „Hear Music“ (womit McCart­ney die mehr als 40jährige Zusam­men­ar­beit mit EMI been­de­te), in die­sem Jahr macht er noch mal was ande­res – wenn auch nicht unbe­dingt völ­lig neu­es.

Am 17. Novem­ber wird das neue Album von The Fire­man erschei­nen, einem Pro­jekt, das McCart­ney vor 15 Jah­ren mit Youth gegrün­det und das bis­her zwei Alben ver­öf­fent­licht hat.

Das neue Album (das ers­te seit zehn Jah­ren) wird „Elec­tric Argu­ments“ hei­ßen (was mög­li­cher­wei­se schon die musi­ka­li­sche Marsch­rich­tung sehr schön vor­gibt) und bei One Litt­le Indi­an erschei­nen, dem extrem kre­di­bi­len Hei­mat­la­bel von u.a. Skunk Anan­sie, Björk und Chum­ba­wam­ba. Auf­ge­nom­men wur­de es „with no record com­pa­ny res­traints or a set release date to work to“.

Ob die Musik ähn­lich span­nend wird wie die Ankün­di­gung, bleibt abzu­war­ten. Immer­hin soll es dies­mal Gesang geben:

The album’s ope­ner Not­hing Too Much Just Out Of Sight is clas­sic rock and an instant atten­ti­on grab­ber. A hea­vy gui­tar riff with loud drums and sou­ring vocals, it’s like not­hing The Fire­man have ever done befo­re.

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Musik Digital

Die Messe Berlin und das allgemein zugängliche Internet

Frü­her war alles bes­ser: die Pop­komm war ein rau­schen­des Fest einer flo­rie­ren­den Bran­che, das all­jähr­lich in Köln statt­fand – und ihr wich­tigs­ter Ort war der Mexi­ka­ner am Prime Club. Heu­te liegt die Musik­in­dus­trie röchelnd am Boden, die wich­ti­gen Musik­mes­sen hei­ßen c/​o Pop und Pop Up, die Pop­komm ist (wie jeder ande­re Krea­ti­ve) nach Ber­lin gezo­gen und der Mexi­ka­ner am Prime Club ist schon lan­ge zu. ((Gerüch­ten zufol­ge ste­hen Pop­komm-Umzug und Nie­der­gang des Mexi­ka­ners in direk­tem Zusam­men­hang – nach Schät­zun­gen ins Blaue wur­de dort am Pop­komm-Wochen­en­de der hal­be Jah­res­um­satz erwirt­schaf­tet.))

Es gibt kei­nen wirk­li­chen Grund, noch zur Pop­komm fah­ren zu wol­len – außer, um dort Kon­tak­te zu knüp­fen, sie zu pfle­gen, die Mischung aus Zweck­op­ti­mis­mus, Welt­frem­de und Ver­zweif­lung in sich auf­zu­sau­gen und viel­leicht das eine oder ande­re Kon­zert mit­zu­neh­men. Aller­dings ist Ber­lin vom Ruhr­ge­biet deut­lich wei­ter ent­fernt als Köln, so dass sich Tages­trips eher nicht anbie­ten.

Ich woll­te mich also als Pres­se­ver­tre­ter für die Pop­komm akkre­di­tie­ren las­sen und ging auf die ent­spre­chen­de Web­site. Dass es nicht ganz so ein­fach wer­den wür­de wie in Köln, wo man ein­fach mit dem aus­ge­druck­ten Impres­sum eines Musik-E-Zines rein­kam, in dem der eige­ne Name stand, hat­te ich mir wohl gedacht – dass es schlicht unmög­lich wer­den wür­de, nicht. Ich füll­te brav und wahr­heits­ge­mäß ein For­mu­lar aus, foto­gra­fier­te mei­nen Jugend­pres­se­aus­weis (den ich in fünf Jah­ren damit zum drit­ten Mal her­vor­ho­len muss­te) und schick­te alles ab.

Am nächs­ten Tag erhielt ich eine E‑Mail von der Mes­se Ber­lin, wonach mei­ne Unter­la­gen unvoll­stän­dig sei­en. Man gab mir den freund­li­chen Hin­weis, dass ich als „Ver­tre­ter von Jugend­pres­se­or­ga­ni­sa­tio­nen“ „gegen Vor­la­ge aktu­el­ler Bele­ge“ „ein­ma­lig eine Tages­kar­te an den Akkre­di­tie­rungs­coun­tern des Mes­se­ge­län­des“ erhal­ten wür­de. Da ein Tag Mes­se die Anrei­se nicht lohnt, schrieb ich zurück, dass ich ger­ne län­ger hin­wol­le und schließ­lich ein Blog zu den The­men­kom­ple­xen Pop­kul­tur und Medi­en betrie­be.

Die Ant­wort lau­te­te:

Guten Tag,
Blog­ger und deren Betrei­ber wer­den, wie ande­re Ver­tre­ter von all­ge­mein zugäng­li­chen Online-Publi­ka­tio­nen aus­schließ­lich gegen Vor­la­ge eines gül­ti­gen Pres­se­aus­wei­ses (für haupt­be­ruf­lich täti­ge Jour­na­lis­ten) akkre­di­tiert.

Das deckt sich mit den Akkre­di­tie­rungs­richt­li­ni­en, die bei der Mes­se Ber­lin offen­bar für jede Ver­an­stal­tung gel­ten:

Mit­glie­der von Inter­net-Redak­tio­nen wer­den auf­grund der all­ge­mei­nen Zugäng­lich­keit des Inter­nets und der damit ver­bun­de­nen man­geln­den Über­prüf­bar­keit der eige­nen jour­na­lis­ti­schen Leis­tung nur gegen Vor­la­ge eines aner­kann­ten Pres­se­aus­wei­ses akkre­di­tiert. Aus­nah­me: Inter­net-Redak­tio­nen, die zu Voll­re­dak­tio­nen oder Ver­la­gen gehö­ren, z.B. Focus Online usw.

Da beißt sich die Kat­ze in den Schwanz: Als Blog­ger hat man bei den vie­len Ver­bän­den immer noch kei­ne Chan­ce, an einen Pres­se­aus­weis zu kom­men. Man braucht ihn aber auch (außer viel­leicht für pein­li­che Pres­se­ra­bat­te) eher sel­ten. Eine klei­ne Umfra­ge ergab: Von den Print‑, Radio- und TV-Jour­na­lis­ten in mei­nem Bekann­ten­kreis ist nie­mand im Besitz eines Pres­se­aus­wei­ses. Ein frü­he­rer Kol­le­ge (heu­te bei einem Pri­vat­sen­der aktiv) schrieb mir gar, er habe „nie!!!! wirk­lich nie!!!!“ mit einem Pres­se­aus­weis gear­bei­tet.

Nur um sicher­zu­ge­hen, dass ich das alles rich­tig ver­stan­den hat­te, frag­te ich bei der Mes­se Ber­lin noch ein­mal nach:

Gera­de im Bereich Musik­jour­na­lis­mus dürf­ten die wenigs­ten Kol­le­gen über einen Pres­se­aus­weis ver­fü­gen, vie­le betreu­en ihre Online­ma­ga­zi­ne und Blogs nicht haupt­be­ruf­lich, aber mit hoher Kom­pe­tenz und eben sol­chem Auf­wand. Sehe ich das rich­tig, dass sie alle kei­nen Anspruch auf eine Akkre­di­tie­rung bei einer Ver­an­stal­tung in der Mes­se Ber­lin haben?

Die Ant­wort über­rasch­te mich nicht mehr wirk­lich:

Guten Tag,
Sie sehen das völ­lig rich­tig. Ohne Nach­weis der haupt­be­ruf­li­chen jour­na­lis­ti­schen Tätig­keit gibt es kei­ne Akkre­di­tie­rung.
Ein Recht auf Akkre­di­tie­rung besteht nicht, es gilt das Haus­recht der Ver­an­stal­tungs­stät­te.

Und bit­te nicht vom Becken­rand sprin­gen, ja?

Aber noch ein­mal ganz lang­sam: die Mes­se Ber­lin, die unter ande­rem die Pop­komm, die Inter­na­tio­na­le Funk­aus­stel­lung und die Jugend­mes­se „You“ aus­rich­tet ((Alles Mes­sen, zu deren Inhal­ten Gerüch­ten zufol­ge auch die­ses ver­rück­te neue Medi­um „Inter­net“ und des­sen Mög­lich­kei­ten gehö­ren sol­len. Im ver­gan­ge­nen Jahr fand sogar die „Web 2.0 Expo“ in der Mes­se Ber­lin statt.)), akkre­di­tiert aus­schließ­lich „haupt­be­ruf­lich täti­ge Jour­na­lis­ten“.

In den Richt­li­ni­en für die „You“ steht sogar klipp und klar:

Nut­zer von Blogs (Blog­ger) unter­lie­gen den genann­ten Richt­li­ni­en von Inter­net-Redak­tio­nen. Ohne gül­ti­gen Pres­se­aus­weis gel­ten Blog­ger als Pri­vat­per­son und wer­den nicht akkre­di­tiert.

Ob ich zur Pop­komm fah­re oder nicht (natür­lich nicht) war mir inzwi­schen egal. Ich woll­te auch gar nicht mehr wis­sen, ob eine Pres­se­ak­kre­di­tie­rung kos­ten­los ist oder nicht. ((Die Drei-Tages-Pres­se­päs­se in Köln, die man gegen Vor­la­ge eines „Redak­ti­ons­nach­wei­ses“ erhielt, kos­te­ten etwa 100 DM, wie sich ein Kol­le­ge erin­nert.))

Dafür woll­te ich von der Mes­se Ber­lin wis­sen, wie das zusam­men­passt: das Aus­rich­ten von Medi­en­mes­sen auf der einen und das Aus­gren­zen von Blog­gern, E‑Zinern und Bür­ger­jour­na­lis­ten auf der ande­ren Sei­te. Und ob die „all­ge­mei­nen Zugäng­lich­keit des Inter­nets“ es wirk­lich der­art unmög­lich macht, eine Aus­wahl zu tref­fen, wen man rein­lässt und wen nicht.

Das ist jetzt eine Woche her und es ist wohl nur kon­se­quent zu nen­nen, dass ich noch kei­ne Ant­wort bekom­men habe.

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Musik

Best Imitation Of Himself

Ben Folds und Band live

Ben Folds hat­te immer schon einen beson­de­ren Humor: die ers­te EP sei­ner Band Majo­sha hieß „Par­ty Night: Five Songs About Jesus“ und beinhal­te­te vier Songs, von denen natür­lich kei­ner von Jesus han­del­te. Eigent­lich logisch, dass das Trio, mit dem er schließ­lich inter­na­tio­nal bekannt wur­de, Ben Folds Five hieß.

Sein neu­es Album, das Ende Sep­tem­ber erschei­nen soll, wird „Way To Nor­mal“ hei­ßen, was für Folds-Ver­hält­nis­se fast schon ein lang­wei­li­ges Wort­spiel ist. Wer das Album bereits jetzt ille­gal aus Tausch­bör­sen her­un­ter­la­den will, wird mit hoher Wahr­schein­lich­keit auf neun Songs sto­ßen, die nicht wirk­lich das neue Album sind – aber irgend­wie doch.

In einer Mischung aus Dieb­stahl­si­che­rung und Wahn­sinn hat­ten sich Folds, sein Bas­sist Jared Rey­nolds und sein Schlag­zeu­ger Sam Smith im Juli für acht Stun­den in einem iri­schen Stu­dio ein­ge­schlos­sen und sechs Fake-Songs auf­ge­nom­men. Sie haben (fast) die glei­chen Titel wie die Songs von „Way To Nor­mal“, sind aber kom­plett ande­re Lie­der. Ange­rei­chert wer­den sie mit den Sin­gles „Hiro­shi­ma“ und „You Don’t Know Me“ (gemein­sam mit Regi­na Spec­tor), sowie einer Alter­na­tiv-Ver­si­on von „Colo­gne“, einem Song, des­sen Ent­ste­hung ich und alle ande­ren Besu­cher von Folds‘ letzt­jäh­ri­gem Köl­ner Kon­zert bei­woh­nen durf­ten.

Die Tex­te sind mit­un­ter extrem albern, ent­stan­den sie doch bin­nen kür­zes­ter Zeit und ent­stam­men zum Teil der Feder des Schlag­zeu­gers (ein Vor­ge­hen, das bei Ben Folds Five damals immer­hin zum groß­ar­ti­gen „Song For The Dum­ped“ geführt hat­te), aber musi­ka­lisch ist Folds fast bes­ser als auf sei­nem letz­ten rich­ti­gen Album „Songs For Sil­ver­man“. Wenn die ech­ten Songs so gut wer­den wie die fal­schen, wird „Way To Nor­mal“ ein Fest.

Folds ist natür­lich nicht der Ers­te, der auf die Idee kam, ein gefälsch­tes Album über Tausch­bör­sen zu ver­tei­len: Olli Schulz, eben­falls für sei­nen Humor bekannt (gefürch­tet), hat­te etwas sehr ähn­li­ches bereits vor gut zwei Jah­ren gemacht.

Mehr zu den Hin­ter­grün­den des fal­schen „Way To Nor­mal“ und einen Track-by-Track-Ver­gleich gibt’s beim ame­ri­ka­ni­schen „Rol­ling Stone“.

Wer das geschenk­te, fal­sche Album her­un­ter­la­den will, ohne ver­se­hent­lich das rich­ti­ge zu klau­en, ist bei der Fan­site wokeupwaytoolate.com an der rich­ti­gen Adres­se.

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Musik Digital

Über das Saugen (Over The Rainbow)

Die MCPS-PRS Alli­ance, das bri­ti­sche Äqui­va­lent zur GEMA, hat gemein­sam mit dem ame­ri­ka­ni­schen Markt­for­schug­nsun­ter­neh­men Big­Cham­pa­gne eine Stu­die über das Down­load­ver­hal­ten der User beim letz­ten Radio­head-Album „In Rain­bows“ her­aus­ge­ge­ben. Und die kommt zu inter­es­san­ten Ergeb­nis­sen.

Wir erin­nern uns: Radio­head hat­ten im ver­gan­ge­nen Okto­ber ihr Album „In Rain­bows“ für zwei Mona­te zum Down­load ange­bo­ten und die Hörer konn­ten dafür so viel Geld bezah­len, wie sie woll­ten – auch nichts. Weil Radio­head sich immer noch aus­schwei­gen, wie vie­le Leu­te das Album auf der offi­zi­el­len Sei­te her­un­ter­ge­la­den haben, kann Big­Cham­pa­gne nur Zah­len zu den Tor­rent-Down­loads prä­sen­tie­ren: 2,3 Mil­lio­nen Mal wur­de das Album zwi­schen dem 10. Okto­ber und dem 3. Novem­ber 2007 dort (ille­gal) her­un­ter­ge­la­den, 400.000 Mal allein am ers­ten Tag. Ande­re Alben nam­haf­ter Künst­ler kom­men auf Wer­te von bis zu 150.000 pro Woche.

Bei der „taz“ hat man die Stu­die ent­we­der nicht ganz gele­sen oder falsch ver­stan­den, denn der Arti­kel zur Stu­die ist mit „Expe­ri­ment geschei­tert“ über­schrie­ben. Klar: Wenn die Leu­te das Album lie­ber Klau­en, als es geschenkt zu neh­men, könn­te man das so sehen.

Die Macher der Stu­die Stu­die aller­dings wol­len das längst nicht so ver­stan­den wis­sen:

[A]nyone who has made it to the end of this paper and assu­mes that the pro­ject was a fail­ure has missed two cri­ti­cal points: first­ly, lots of peo­p­le bought the album in any one of its three for­mats and lots of peo­p­le went to see the show – and the word ‚lots‘ is robust no mat­ter which com­pa­ra­ti­ve mea­su­re you use. Second­ly, the wider pur­po­se of this paper is in many ways echo­ing the tone of the recent artic­le in The Eco­no­mist: ‚Pira­cy is a bad thing. But some­ti­mes com­pa­nies can use it to their advan­ta­ge‘.

[Der „Vor­teil“ war unter ande­rem, dass die Band ein zusätz­li­ches Kon­zert im Lon­do­ner Vic­to­ria Park anset­zen muss­te, weil der Andrang der Fans so groß war.]

Als Grund, war­um die Leu­te das Album lie­ber per Tor­rent gezo­gen haben als von der offi­zi­el­len Sei­te, gibt die Stu­die neben den tech­ni­schen Pro­ble­men am ers­ten Tag (Ser­ver­aus­fall, etwas umständ­li­cher Bestell­vor­gang) vor allem einen wei­te­ren an: die Leu­te ken­nen ihre Tor­rent­tra­cker, weil sie sie täg­lich nut­zen, und kamen gar nicht auf die Idee, es woan­ders zu ver­su­chen (auch wenn bzw. gera­de weil es das Album auch auf offi­zi­el­lem Weg für umsonst gab).

It is even less popu­lar to use phra­ses like ‚brand repu­ta­ti­on‘ when tal­king about the same sites the music indus­try cha­rac­te­ri­ses as shady, fly-by-night, and out­right cri­mi­nal. Make no mista­ke: The Pira­te Bay is a powerful brand with a ster­ling repu­ta­ti­on in the minds of mil­li­ons of young music fans.

Die Autoren zie­hen dann die Nine Inch Nails hin­zu, die ihr letz­tes Album „The Slip“ eben­falls zum kos­ten­lo­sen Down­load ange­bo­ten hat­ten – aller­dings in bes­se­rer Qua­li­tät und mit einem viel ein­fa­che­ren Pro­ze­de­re als Radio­head. Und sie­he da: die Mehr­heit der Leu­te lud das Album von der offi­zi­el­len Sei­te her­un­ter, nicht als Tor­rent. Das heißt also: Wenn man mit den bekann­ten Sys­te­men kon­kur­rie­ren will, muss man vor allem leicht zu bedie­nen sein – was im Übri­gen für das Prin­zip iTu­nes sprä­che.

Der span­nends­te Absatz der Stu­die indes sagt noch etwas ganz ande­res aus:

Fre­quent­ly, music indus­try pro­fes­sio­nals sug­gest that an increase in legi­ti­ma­te sales must neces­s­a­ri­ly coin­ci­de with a com­men­su­ra­te reduc­tion in pira­cy, as if this were a fact. Yet, the com­pa­ny Big­Cham­pa­gne has made no such con­sis­tent obser­va­ti­on in near­ly a deca­de of ana­ly­sing the­se data. Rather, it finds that pira­cy rates fol­low awa­re­ness and inte­rest. In other words, if you do a good job cul­ti­vat­ing a legi­ti­ma­te sales sto­ry, you must also expect a simi­lar up-tick in grey mar­ket acti­vi­ty. The big­gest sel­ling albums and songs are near­ly always the most wide­ly-pira­ted, regard­less of all the ‚anti-pira­cy‘ tac­tics employ­ed by music com­pa­nies.

Gut, dafür hät­te es jetzt nicht unbe­dingt eine Stu­die gebraucht, aber dass die­se Fak­ten mal in einer Ver­öf­fent­li­chung ste­hen, die die MCPS-PRS Alli­ance unter „Inde­pen­dent Stu­dies“ ver­öf­fent­licht (und an der ihr Chef-Öko­nom Will Page mit­ge­schrie­ben hat), das ist doch mal zumin­dest ein biss­chen inter­es­sant.

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Musik Digital

Warum Fran Healy so gut schläft

Ich bin seit Jah­ren gro­ßer Fan von Tra­vis. Nicht nur, dass die Musik (bei­na­he) immer toll ist, Fran Hea­ly sagt auch von Zeit zu Zeit sehr klu­ge Sachen, von denen man sich wünscht, es wür­den die betref­fen­den Leu­te zuhö­ren.

Zum Bei­spiel aktu­ell zu einem Fall, den man bei torrentfreak.com nach­le­sen kann: Tra­vis hat­ten zur Ver­brei­tung des neu­en Songs „J. Smith“ per MP3 auf­ge­ru­fen – wie man das eben heut­zu­ta­ge so macht. Plötz­lich mel­de­te sich die IFPI, die Inter­na­tio­nal Fede­ra­ti­on of the Pho­no­gra­phic Indus­try, bei Kevin, der den Song in sei­nem Blog So Much Silence gehos­tet hat­te, und for­der­ten ihn zur Löschung auf. (Das heißt: genau genom­men for­der­ten sie ihn auf, einen Song von Her­cu­les And Love Affair zu löschen, weil sie sich da wohl irgend­wie mit der Zuord­nung ver­tan hat­ten.) Kevin schrieb Fran Hea­ly an, der prompt reagier­te und klar stell­te, dass der Song wei­ter ver­brei­tet wer­den soll. Die IFPI, die ja angeb­lich im Namen der Künst­ler gegen das Unrecht in der Welt kämpft, muss­te zuge­ben, von einer sol­chen Geneh­mi­gung nichts mit­be­kom­men zu haben.

Und auf Anfra­ge von torrentfreak.com leg­te Fran dann rich­tig los:

With a view to music, the inter­net is like radio. The only major dif­fe­rence is that, at the moment, I don’t get a PRS pay­ment ever­y­ti­me my song is lis­ten­ed to.

The pro­blem is, the busi­ness is try­ing to fit old rules on a new model. Like try­ing to fit the squa­re peg in the round hole. I think someone has to sit down and re-wri­te the rules for the new model.

[…]

As far as ille­gal file­sha­ring goes. The­re are peo­p­le who will buy albums and peo­p­le who will record them off fri­ends. If you took away the Inter­net this would still hap­pen so I don’t lose any sleep. Good­night.

Jetzt müss­te er das nur noch irgend­wie sei­nen Plat­ten­bos­sen ver­kli­ckern.

Ach, und run­ter­la­den kön­nen Sie „J. Smith“ jetzt hier – ganz legal und mit Ein­wil­li­gung des Künst­lers. (Das Album „Ode To J. Smith“ kön­nen Sie sich bei Gefal­len dann ab dem 26. Sep­tem­ber kau­fen.)

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Digital

Klickbefehl (10)

Die Künst­ler haben ihre Rech­te doch schon längst abge­ge­ben. Das heißt die Ver­wer­ter nut­zen nur die abge­tre­te­nen Rech­te. Des­halb habe ich auch den sehr pla­ka­ti­ven Begriff des Haus­skla­ven ver­wen­det. Die tar­nen sich also als Krea­ti­ve, das ist unse­ri­ös – auch für eine offe­ne Dis­kus­si­on, die in dem Brief ja gefor­dert wird.

Alles, was ich immer in unge­len­ken Wor­ten und mit gefähr­li­chem Halb­wis­sen an der Musik­in­dus­trie kri­ti­siert habe, fasst der Mul­ti­me­dia­recht­ler Prof. Tho­mas Hoe­ren in einem Inter­view mit jetzt.de und einem Blog-Ein­trag noch ein­mal wesent­lich fun­dier­ter zusam­men.

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Angie, they can’t say we never tried

Kön­nen Sie sich die Ver­zweif­lung vor­stel­len, die in Men­schen vor­herr­schen muss, damit sie sich in ihrer Not aus­ge­rech­net an Ange­la Mer­kel wen­den? Dann ahnen Sie, was in Leu­ten wie Götz Als­mann, Hein­rich Bre­lo­er, Till Brön­ner, Det­lev Buck, Roger Cice­ro, Samy Delu­xe, Hel­mut Dietl, DJ Ötzi, Klaus Dol­din­ger, Bernd Eichin­ger, Die­ter Falk, Ame­lie Fried, Hans W. Gei­ßen­dör­fer, Her­bert Grö­ne­mey­er, Max Her­re, Höh­ner, Juli, Udo Jür­gens, Klaus&Klaus, Alex­an­der Klaws, René Kol­lo, Mickie Krau­se, Joa­chim Król, LaFee, Udo Lin­den­berg, Annett Loui­san, Peter Maf­fay, Mar­quess, Rein­hard Mey, MIA, Micha­el Mit­ter­mey­er, Mon­ro­se, Oomph!, Frank Ramond, Revol­ver­held, Bar­ba­ra Schö­ne­ber­ger, Atze Schrö­der, Til Schwei­ger, Scoo­ter, Ralph Sie­gel, Tokio Hotel, Peter Wackel und Sön­ke Wort­mann (um nur eini­ge zu nen­nen) vor­ge­hen muss: die haben näm­lich der deut­schen Bun­des­kanz­le­rin einen offe­nen Brief geschrie­ben, der ges­tern als ganz­sei­ti­ge Anzei­ge in der Süd­deut­schen Zei­tung (59.900 Euro), der FAZ (37.590 Euro) und der taz (8.064 Euro) erschie­nen ist.

In die­sem Stoß­ge­bet an St. Ange­la heißt es unter ande­rem:

Vor allem im Inter­net wer­den Musik, Fil­me oder Hör­bü­cher mil­lio­nen­fach unrecht­mä­ßig ange­bo­ten und her­un­ter­ge­la­den, ohne dass die Krea­ti­ven, die hin­ter die­sen Pro­duk­ten ste­hen, dafür eine fai­re Ent­loh­nung erhal­ten.

Klar, auch ich wür­de nicht wol­len, dass jemand mei­ne Tex­te aus dem Blog klaut und irgend­wo kos­ten­los anbie­tet … Moment, das Bild ist schief. Jeden­falls: Natür­lich kann man ver­ste­hen, dass der­je­ni­ge, der ein Lied schreibt, dafür genau­so ent­lohnt wer­den will, wie der­je­ni­ge, der einen Tisch baut. Dar­über soll­te auch all­ge­mei­ner Kon­sens herr­schen. Um das Pro­blem in den Griff zu krie­gen, braucht man aber offen­bar mehr als zwei­hun­dert Krea­ti­ve (oder zumin­dest ande­re Krea­ti­ve), denn kon­kre­te Ideen haben die Damen und Her­ren Kul­tur­schaf­fen­de nicht.

Dafür aber eine ordent­li­che Por­ti­on Ahnungs­lo­sig­keit und Arro­ganz:

Ohne Musik und Hör­bü­cher bräuch­ten wir kei­ne iPods, ohne Fil­me kei­ne Flach­bild­fern­se­her, ohne Breit­band­in­hal­te kei­ne schnel­len Inter­net­zu­gän­ge.

Gemeint ist wohl eher so etwas wie „Ohne Musik, die über die Musik­in­dus­trie ver­trie­ben und über die GEMA abge­wi­ckelt wird, sowie ohne Hör­bü­cher von Autoren, die bei der VG Wort ange­mel­det sind, …“ – und das ist natür­lich Quark, denn selbst wenn sich mor­gen alle Wer­ke aller Unter­zeich­ner und ande­rer Rock­be­am­ten (War­um steht eigent­lich Heinz Rudolf Kun­ze nicht auf der Lis­te?) in Luft auf­lö­sen soll­ten, gäbe es ja immer noch genug Musik, Fil­me und Tex­te unter Crea­ti­ve-Com­mons-Lizenz, die so eine Breit­band­lei­tung ver­stop­fen könn­ten.

Es geht aber noch düm­mer:

Auf euro­päi­scher Ebe­ne erken­nen immer mehr Län­der, dass die mas­sen­haf­te indi­vi­du­el­le Rechts­ver­fol­gung im Inter­net nur eine Zwi­schen­lö­sung sein kann und tech­no­lo­gi­scher Fort­schritt und der Schutz geis­ti­gen Eigen­tums nicht im Wider­spruch zuein­an­der ste­hen dür­fen. Frank­reich und Eng­land gehen hier mit bei­spiel­haf­ten Initia­ti­ven vor­an. Dort sind Inter­net­pro­vi­der sowie die Musik- und Film­in­dus­trie auf­ge­for­dert, unter staat­li­cher Auf­sicht gemein­sam mit Ver­brau­cher- und Daten­schüt­zern Ver­fah­ren zum fai­ren Aus­gleich der Inter­es­sen aller Betei­lig­ten zu ent­wi­ckeln.

Die ver­meint­lich leuch­ten­den Bei­spie­le Frank­reich und Eng­land ste­hen für Plä­ne, nach denen Inter­net­pro­vi­der ihren Kun­den den Zugang abklem­men sol­len, wenn die­se drei Mal urhe­ber­recht­lich geschütz­tes Mate­ri­al ille­gal her­un­ter­ge­la­den haben. Mal davon ab, dass ich die tech­ni­sche Durch­führ­bar­keit die­ses Unter­fan­gens bezweif­le, ent­stam­men sol­che Plä­ne doch den sel­ben hilf­lo­sen Hir­nen, die schon kopier­ge­schütz­te CDs, das Digi­tal Rights Manage­ment und ähn­li­che … äh, ja, doch: Flops her­vor­ge­bracht haben.

Tim Ren­ner, dem ich bekannt­lich die Ret­tung der Musik­in­dus­trie im Allein­gang zutraue, schrieb schon letz­te Woche zu dem The­ma:

Ver­steht mich nicht falsch, ich fin­de über­aus legi­tim, dass Künst­ler und Indus­trie ver­lan­gen, in irgend­ei­ner wei­se vom Staat geschützt zu wer­den. Ich glau­be jedoch nicht, dass dabei pri­mär die Bestra­fung, son­dern die Beloh­nung im Vor­der­grund ste­hen soll­te. Der Staat soll­te hell­hö­rig wer­den, wenn die Indus­trie durch Flat­rates für Musik ver­sucht, ille­ga­le Pra­xis zu lega­li­sie­ren.

Wäh­rend also eini­ge ech­te Krea­ti­ve gera­de Kon­zep­te für ein kul­tu­rel­les „All you can eat“-Büffet ent­wi­ckeln, stel­len „rund 200 teil­wei­se pro­mi­nen­te Künst­ler“ (sen­sa­tio­nel­le For­mu­lie­rung von heise.de) an höchs­ter Stel­le einen Antrag auf Haus­ver­bot wegen Laden­dieb­stahls.

Noch mal: Die sol­len sowas ruhig for­dern. Die sol­len ruhig besorgt sein, wie der kul­tu­rel­le Nach­wuchs in die­sem Land an sein Geld für But­ter, Brot und Fleisch­wurst kommt (wobei das ein Pro­blem des gesam­ten Nach­wuch­ses wer­den könn­te). Aber: Gin­ge es nicht ’ne Num­mer klei­ner? Wie wäre es mit eige­nen Ideen? Und vor allem: Mit weni­ger Arro­ganz?

Lang­fris­tig wird so die kul­tu­rel­le und krea­ti­ve Viel­falt in unse­rem Land abneh­men und wir ver­spie­len eine unse­rer wich­tigs­ten Zukunfts­res­sour­cen.

Da kann man ja regel­recht froh sein, dass es zu Zei­ten von Goe­the und Beet­ho­ven noch kein böses, böses Inter­net gab. Das gab es erst bei DJ Ötzi, Mickie Krau­se, Atze Schrö­der und Peter Wackel.

Mehr zum The­ma bei Nerd­core, gulli.com, Netz­wer­tig, Myoon oder Ciga­ret­tes and Cof­fee.

Nach­trag 20:25 Uhr: Frau Mer­kel hat auf den pein­li­chen Bet­tel­brief reagiert.

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Musik Digital

Silberscheiben am Horizont

In mei­nem Zim­mer sta­pelt sich der Son­der­müll. Dafür muss­te ich weder ein Atom­kraft­werk über­fal­len noch Alt­öl abzap­fen, ich wur­de über Jah­re hin­weg bemus­tert, was im Klar­text heißt: Plat­ten­fir­men schi­cken einem eine gan­ze Men­ge CDs, von denen ein rela­tiv klei­ner Teil sehr, sehr gut ist, der Groß­teil aber egal bis schlimm.

Vie­le die­ser CDs sind mit dem Hin­weis ver­se­hen, sie befän­den sich wei­ter­hin im Eigen­tum der aus­hän­di­gen­den Plat­ten­fir­ma oder Prom­o­agen­tur und dürf­ten unter kei­nen Umstän­den (die For­mu­lie­run­gen vari­ie­ren da etwas, legen aber dra­ko­ni­sche bis schmerz­haf­te Stra­fen nahe) ver­kauft, ver­schenkt oder sonst­wie ver­äu­ßert wer­den. Eini­ge Fir­men arbei­ten inzwi­schen mit digi­ta­len Was­ser­zei­chen, die angeb­lich eine prä­zi­se Rück­ver­fol­gung zulas­sen, wenn mal wie­der ein böser, böser Jour­na­list die CD ins Inter­net gestellt hat – und dann gna­de ihm Gott. (Insi­der gehen davon aus, dass unver­öf­fent­lich­te CDs fast immer von unter­be­zahl­ten Mit­ar­bei­tern in Press­wer­ken und an Pack­stra­ßen gerippt wer­den und fast nie von Jour­na­lis­ten oder DJs.)

Uni­ver­sal Music führt des­halb zur Zeit einen Rechts­streit gegen den eBay-Händ­ler Troy Augus­to, des­sen Aus­gang bizar­re Fol­gen haben könn­te, min­des­tens in den USA: Wenn näm­lich eine Fir­ma durch ein paar schlich­te Sät­ze ein­fach fest­le­gen kann, was der Kon­su­ment mit ihrem Pro­dukt machen darf und was nicht – wobei der Kon­su­ment im Extrem­fall ein zah­len­der Kun­de sein könn­te, der das Pro­dukt für viel Geld erwor­ben hat.

Der Fall zeigt wie­der ein­mal die Hilf- und Ahnungs­lo­sig­keit der Musik­in­dus­trie auf: Dabei geht es gar nicht so sehr um den kon­kre­ten Fall, in dem man die Wei­ter­ga­be von Wer­be­ge­schen­ken (und nichts ande­res sind Pro­mo-CDs ja in den meis­ten Fäl­len) unter­bin­den will. Der Fall zeigt viel­mehr, wie unbe­darft die gro­ßen Unter­hal­tungs­kon­zer­ne immer noch mit dem Inter­net umge­hen, denn jetzt ste­hen sie schon wie­der als kla­ge­wü­ti­ge, ansons­ten aber ideen­lo­se Fir­men da.

[Ähn­lich geschickt stell­te sich zuletzt übri­gens SonyBMG an.]

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Wagners Arie

Patrick Wag­ner war mal Sän­ger der mit­tel­gu­ten Band Sur­ro­gat, heu­te betreibt er das Label Louis­ville Records, bei dem eini­ge mit­tel­gu­te Bands sowie die gran­dio­sen Naked Lunch unter Ver­trag sind. Dort erscheint jetzt das Debüt­al­bum von Navel, die die­ses Jahr einen bereits siche­ren Sup­port­s­lot für die Smas­hing Pump­kins mit der Begrün­dung ablehn­ten, sie hät­ten es nicht nötig „mit so abge­half­ter­ten Rock­opas wie Smas­hing Pum­pins zu tou­ren“. Kurz vor Ver­öf­fent­li­chung hat sich Herr Wag­ner, der mit Franz Josef nicht nur den Nach­na­men, son­dern auch ein mit­un­ter bizar­res Selbst­ver­ständ­nis gemein hat, mal ein biss­chen aus­ge­kotzt über die­se gan­zen Blöd­män­ner im Musik­biz, die Navel nicht hin­rei­chend zu wür­di­gen wis­sen:

Gross­ar­tig auch Leu­te wie Chris­toph von MTV – “Bei Navel könn­te ich mir echt gut vor­stel­len, wenn das Video gut wird, dass wir da einen New­co­mer Deal anbie­ten könn­ten – ca 10 000€ spä­ter, ist das Video zwei mal gelau­fen und MTV lässt über Drit­te aus­rich­ten, dass man kei­nen Rock spie­le auf MTV – als hät­ten sie das nicht einen Moment frü­her gewusst. Bes­ser sind da schon die herr­li­chen Kol­le­gen von den Print­me­di­en – am bes­ten aus der Rock­haupt­stadt Mün­chen vom Musik­ex­press – zB. Oli­ver “das sind New­co­mer, oder ?- Ja dann musst du mit Chris­toph spre­chen: “ich weiss nicht ob ich da was brin­gen kann, es ist so viel los gera­de” die Wahr­heit ist, dass im März/​April aus­ser Nick Cave und Port­is­head kei­ne ein­zi­ge auch nur halb­wegs anhör­ba­re Plat­te raus­ge­kom­men ist, da nimmt man schon mal eine Künst­le­rin aufs Cover die gra­de nur Cover­ver­sio­nen ver­öf­fent­licht, wenn das nicht die Musik vor­an­treibt? Toll auch Mar­kus vom Radio Sen­der “Eldo­ra­dio” (Hörer­schnitt: 4/​Tag), der ganz ger­ne von einem erwar­tet, dass man für ihn und sei­nen beschis­se­nen Sen­der und sei­ne abso­lut irrele­van­ten Cam­puscharts einen Song umschreibt oder ne and­re Sin­gle aus­kop­pelt und im glei­chen Atem­zug sagt “Kett­car fin­den wir zwar auch scheis­se, müs­sen wir aber machen”. Da sind mir die Kol­le­gen von der Spex schon lie­ber, die ein­fach, sagen, “da machen wir nichts”, ‑genau­so hab ich mir nen Dis­kurs vor­ge­stellt.

Mal davon ab, dass die Cam­pus­ra­di­os zu den weni­gen Sen­dern gehö­ren dürf­ten, die Bands von Louis­ville Records spie­len: Jeder, der schon mal mit „Mar­kus vom Radio Sen­der ‚Eldo­ra­dio‘ “ zusam­men­ge­ar­bei­tet hat, wird Wag­ners Schmerz nach­emp­fin­den kön­nen.

[via taz Pop­b­log]