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Musik Rundfunk Fernsehen

Raabenvater

01:42 Uhr in der Nacht von Donnerstag auf Freitag ist vielleicht nicht unbedingt der glamouröseste Zeitpunkt, um eine Pop-Karriere zu starten. So spät war es heute früh, als bei Stefan Raabs kleinem Talentwettbewerb die Siegerin feststand: die achtzehnjährige Stefanie Heinzmann aus Eyholz in der Schweiz. Die Sendung und vor allem die Kandidaten hätten einen weit besseren Sendeplatz verdient gehabt als den im Anschluss an Sonya Kraus’ Trash-Parade “Simply The Best”.

Doch worum ging es eigentlich? Im April des letzten Jahres stieg Max Buskohl freiwillig bei “Deutschland sucht den Superstar” aus, weil er lieber mit seiner Band Empty Trash musizieren wollte. Wegen bestehender Verträge durfte er aber zunächst nirgendwo mehr auftreten, auch nicht bei “TV Total”, wohin Stefan Raab ihn sofort eingeladen hatte. Raab zettelte erst einen “TV-Skandal” (“Bild”) an, indem er Buskohl als RTL-“Geisel” inszenierte, dann kündigte er einfach seine eigene Castingshow an: “Stefan sucht den Superstar, der singen soll was er möchte und gerne auch bei RTL auftreten darf” (“kurz”: SSDSDSSWEMUGABRTLAD).

Raab hatte Erfahrung mit Castingshows: Im Jahr 2004 hatte er mit “Stefan sucht den Super-Grand-Prix-Star” (“SSDSGPS”) den letzten ernst zunehmenden Versuch sabotiert, aus dem deutschen Vorentscheid zum Schlager-Grand-Prix doch noch eine zeitgemäße Veranstaltung zu machen. Dafür verhalf er dem Sänger Max Mutzke über Nacht zum Nummer-Eins-Hit, holte mit ihm in Istanbul den bis heute letzten deutschen Top-Ten-Platz beim Grand Prix und bekam für all das auch noch den Grimmepreis. Dann hatte Raab genug vom Grand Prix und rief den “Bundesvision Song Contest” ins Leben, der sich aus dem Stand heraus zu einer der wichtigsten Veranstaltungen der deutschen Musikszene entwickelte. Raab selbst mutmaßte in einem “Behind the scenes”-Special zum aktuellen Wettbewerb, es hätten sich deshalb so viele interessante Musiker beworben, die nie in eine reguläre Castingshow gegangen wären, weil sie sich bei ihm und seinem Team sicher sein konnten, ernst genommen zu werden und sie selbst bleiben zu dürfen.

Und in der Tat: Was da an Kandidaten in den ersten Entscheidungsshows auflief, hätte jeden RTL-“Superstar” in Grund und Boden singen können. Darunter jede Menge echte Typen, die man nicht nur wegen ihres Exoten-Faktors mit reingenommen hatte. Die von Anfang an hohe Qualität machte die Jury-Urteile von Raab, Buskohl-Papa Carl Carlton und wechselnden Gästen wie Ange Engelke, Sasha oder gestern Universal-A&R Jochen Schuster dann natürlich ein bisschen langweilig, wie Christoph Cadenbach bei “Spiegel Online” bemerkt:

Da wünschte man sich, so traurig das scheint, eine Lederhaut wie Dieter Bohlen herbei, der die Kandidaten mal so richtig vor den Kameras scharfrichtet.

Wer sich darüber wundert, dass ausgerechnet dem immer noch als “Großmaul” verschrienen Stefan Raab eine kuschlige Castingshow und damit die vermeintliche Quadratur des Kreises gelungen ist, hat die Entwicklung der letzten Jahre verpasst: Raab hat aus Schnapsideen Großereignisse wie die “Wok-WM” entwickelt, er hat mit “Schlag den Raab” die große (und ewig lange) Samstagabendshow wieder zum Leben erweckt und dürfte in der Retrospektive irgendwann als einer der wichtigsten Fernsehmacher der Nuller Jahre gesehen werden. Und wenn seine Autoren ihm nicht jedesmal, wenn das Thema Frauenfußball zur Sprache kommt, gänzlich unsägliche Lesbenwitze aus der untersten Schublade kramen würden, hätte er vielleicht auch einen allgemein besseren Ruf.

Doch zurück zum gestrigen Finale, bei dem vier mehr oder weniger unwahrscheinliche potentielle Popstars zur Wahl standen: Mario, ein zwanzigjähriger Cowboy, der ausschließlich Country-Songs gesungen und es damit immer wieder in die nächste Runde geschafft hatte; Steffi, eine sympathische Fränkin, die überall sonst das Label “Rockerbraut” verpasst bekommen hätte, wenn sie mit 32 überhaupt noch hätte teilnehmen dürfen; Gregor, der ab der zweiten Show mit selbst geschriebenen, deutschsprachigen Balladen angetreten war, und Stefanie, eine achtzehnjährige Schweizerin, die anspruchsvolle und mitunter abwegige Soul- und Funksongs schmetterte, als habe sie nie etwas anderes gemacht, und die sich selbst immer am meisten über ihr Weiterkommen zu wundern schien. Diese Kandidaten hatten bis gestern alle keine Nachnamen, keine Familie, die in Einspielfilmen erzählen musste, dass die Kinder ja noch “total auf dem Boden geblieben” seien, und kein Privatleben, das in der “Bild am Sonntag” ausgebreitet wurde. Die Kandidaten und ihre Songs reichten völlig aus, was im Gegenzug leider auch hieß, dass der Wettbewerb fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand – und ich hab ja auch bisher nie darüber geschrieben.

Dass Stefanie schließlich vor Gregor und Steffi das Finale gewinnen würde (Mario war bereits nach dem ersten von zwei Songs ausgeschieden), zeichnete sich schon an den Zuschauerreaktionen ab: das Studiopublikum hörte kaum noch auf zu toben, nachdem sie “Only So Much Oil In The Ground” von Tower Of Power zum Besten gegeben hatte. Leider ist “My Man Is A Mean Man”, das ihr die schwedischen Autoren Markus Sepehrmanesh, Tommy Tysper und Gustav Jonsson geschrieben haben, nicht so spannend geraten – schon gar nicht in der Studioversion.

Denn bereits heute kann man eine Single kaufen, auf der praktischerweise alle vier Finalisten mit ihren neuen Songs vertreten sind – bei iTunes zum Beispiel schon seit Ende der Sendung. Und da wollen wir doch noch mal ganz kurz reinhören:

Stefanie Heinzmann – My Man Is A Mean Man (Livevideo aus der Sendung)
Eine gefällige Soulpop-Nummer, die ein wenig an Joss Stone, die neueren Christina-Aguilera-Sachen oder die Supremes erinnert. Nett, aber bei der Stimme wäre viel mehr drin gewesen.

Gregor Meyle – Niemand (Livevideo)
Gregor ist der Einzige der Finalisten, der seinen Song selbst geschrieben hat. “Niemand” hatte er schon während der Entscheidungsshows im Dezember gespielt und es ist fürwahr ein erstaunlich guter Song. Zwar ist das Gerede von Carlton und Raab, man habe den besten deutschsprachigen Songwriter seit Jahren entdeckt, schon ziemlich übertrieben, anderseits stellt man sich natürlich auch die Frage, welche neuen deutschsprachigen Songwriter es in den letzten Jahren denn wohl überhaupt so gab – zumindest keinen, der derart lyrisch und dennoch unpeinlich über die ganz großen Gefühle gesungen hätte. Mit der U2-Instrumentierung ist das dann schon recht großer Sport. Nach den anderen Eigenkompositionen, die der Mann in der Show gespielt hat, kann man da ein erstaunliches Album erwarten.

Steffi List – Break The Silence (Livevideo)
Das Lied, das in der Studioversion am sattesten geraten ist. Die klangliche Nähe zu K’s Choice liegt vor allem daran, dass Steffis Stimme ordentlich nach der von Sarah Bettens klingt. Der Song könnte sonst aber auch von Heather Nova, Sophie B. Hawkins oder Sheryl Crow sein – was ich jetzt merkwürdigerweise als Kompliment meine.

Mario Strohschänk – Don’t Feel Sorry For Me (Livevideo)
Na, das höre ich ja schon bei WDR2 rauf und runter laufen. Klingt wie die Songs, die Gregg Alexander für Ronan Keating geschrieben hat, oder das Comeback-Album von Take That: Schon ein wenig arg glatt und mainstreamig, aber doch grad noch so, dass man es eher als “eingängig” denn als “cheesy” bezeichnen würde. Raab hat schon recht, wenn er meint, dass man Mario den Südstaaten-Amerikaner glatt abnehmen würde.

Kurzum: Die Single ist Pop im besten Sinne. Ob Stefan Raab bei seiner Suche nun wirklich einen “Superstar” gefunden hat, wird sich (wie bei jeder Castingshow) noch zeigen. Die Voraussetzungen (Talent und eine Zielgruppe, die möglicherweise loyaler ist als die Horden kreischender Teenies, die jedes Jahr für ein anderes One-Hit-Wonder jubeln) sind jedenfalls gut. Man sollte RTL sehr dankbar sein, dass sie Max Buskohl unter Verschluss gehalten haben.

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Musik Print

Zitatenstrauß: Fran Healy

Coffee-And-TV-Vorsatz für 2008: Ein paar neue Rubriken einführen und sie auch wirklich durchziehen. Nicht nach einer oder zwei Episoden einfach auslaufen lassen.

Im aktuellen “Musikexpress” (Januar 2008) ist ein “Blind Date” mit Travis. Das Konzept ist so einfach wie (meist) gut: Man spielt Musikern ein paar Songs vor und schreibt auf, ob und wann sie das Lied erkennen und was sie dazu sagen. Im konkreten Fall bekam Fran Healy “Weird Fishes/Arpeggi” von Radiohead vorgespielt. Und für einen Moment antwortete nicht mehr der Schwiegermutter-Darling Franny, sondern ein genervter Hörer:

FRAN: Ist das die neue Radiohead?
Ja. Wie findest Du Sie?
FRAN: Ich finde, dass Nigel Godrich wie üblich einen fantastischen Job gemacht hat. Sein Sound, seine Produktion ist fantastisch, ohne Nigel würde es Radiohead nicht geben. Aber ich sehe nicht den Sinn, Alben zu machen, die ausgedehnte Jams sind, über die er (Thom Yorke, Anm. d. R.) dann drübermurmelt. Es solle sich endlich jemand ein Herz fassen und ihm sagen, bitte schreib einen verdammten Song! Du bist nämlich ein toller Songwriter. Und ein toller Sänger. Aber das hier ist für mich einfach … (äfft Yorkes leiernden Gesang nach) “Woozywooziwoo …” Fuck off! Ich hab’s satt.
Warst Du früher Fan?
FRAN: Ich war riesiger Radiohead-Fan. Weil sie großartige Songs schrieben und er SANG. Heute ist es ihm offenbar peinlich, eine gute Melodie zu schreiben. Er macht lieber diese kleinen Soundcollagen. Den Leuten gefällt’s, klar, weil Radiohead zu mögen eine Lifestyle-Entscheidung ist: “Ich mag Radiohead”, “Ich lese dieses und jenes Magazin”, “Ich trage diese und jene Kleidung”, “Ich bin diese und jene Art Mensch”.
Wann ging die Enttäuschung los? Mit KID A?
FRAN: Nein, KID A war toll, damals. Aber dann fingen sie an, diese gleiche Platte immer wieder zu machen.

Hätte von mir sein können …

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Fernsehen Digital

Aufguss 2007 – Die Coffee-And-TV-Leserwahl

Haben Sie sich auch schon mal gefragt, wer eigentlich immer mit Scheinwerfern hinter großen Ereignissen geht, damit die ihre Schatten vorauswerfen können?

Nein? Oh, schade.

Jedenfalls: Das Jahr neigt sich dem Ende und überall werden Elf-Monats-Rückblicke ausgestrahlt, peinliche “Award-Zeremonien” abgehalten und Leser, Zuschauer oder Hörer zum Zurückblicken aufgerufen. Da will Coffee And TV natürlich nicht hinten anstehen:

Aufguss 2007 - Die Coffee-And-TV-Leserwahl

Sie haben gleich die Gelegenheit, in 19 Kategorien die besten Irgendwasse des Jahres 2007 zu bestimmen – Songs und Alben sogar in Hornby’schen Top-Five-Listen. Vorher muss ich aber noch kurz den Frank Elstner geben und die Spielregeln erläutern:

Jeder Leser darf einmal abstimmen. Überlegen Sie sich also vorher gut, wen und was Sie zu wählen gedenken.

Die Kategorien sollten eigentlich selbsterklärend sein. Die Bezeichnung “… des Jahres” legt nahe, dass es sich bei Ihrer Wahl um Veröffentlichung und Ereignisse handeln sollte, die zwischen dem 1. Januar und dem 31. Dezember 2007 stattgefunden haben. Dabei bin ich mal so tollkühn und beschränke das nicht auf den deutschen Markt. Bei Büchern und Filmen, die in Deutschland erschienen sind, sollte trotzdem der deutsche Titel notiert werden, bei hierzulande unveröffentlichten Kulturprodukten der jeweilige Originaltitel. Wir werden sehen, wo das endet …

Da ich zu faul war, mich um eine elektronische Auswertung zu kümmern, muss ich die Ergebnisse per Hand und Papier zählen. Ich hoffe auf ein bisschen Mitleid und bitte um Verständnis, falls die Auswertung bei überwältigender Teilnahme etwas dauern sollte. Irgendwann muss ich schließlich auch noch schlafen.

[Nachtrag 23:56 Uhr: Nachdem ich gerade mit der Auswertung begonnen habe, möchte ich Sie bitten, der Einfachheit, Übersichtlichkeit und Bequemlichkeit halber bei den Alben, Songs, Videos und Büchern nach dem Prinzip “$Künstler – $Titel” zu verfahren. Vielen Dank!]

Zu gewinnen gibt es auch was:

1. Preise

GHvC-Fanpaket

Je ein Grand-Hotel-van-Cleef-Fanpaket, bestehend aus einem Fest-van-Cleef-Shirt und den Singles “Ich sang die ganze Zeit von Dir” (Tomte), “Baby Melancholie” (Hansen Band) und “Deiche” (kettcar). Einmal für Damen (Girlie-Shirt in M) und einmal für Herren (T-Shirt in M).

Diese Preise wurden freundlicherweise vom Grand Hotel van Cleef zur Verfügung gestellt.

2. Preis
Eine Kassettenmädchenkassette mit den besten Songs 2007. Zusammengestellt vom legendärsten Kassettenmädchenkassettenkompilierer, den das Dinslakener Theodor-Heuss-Gymnasium je gesehen hat.

3. Preis
Die streng limitierte Single “Young Boy” von Occident.

Ich glaube, jetzt sind alle Klarheiten beseitigt und Sie können zur Tat schreiten:

I now declare this bazaar open!

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Musik

Coffee And TV empfiehlt: Layabout auf Tour

Manchmal wird man über merkwürdige Umwege auf Nachwuchsbands aufmerksam. Zum Beispiel, weil man mal Musikredakteur bei einem Campusradio war und einen die Musiker per E-Mail fragen, ob man nicht ihre Musik spielen wolle. Edward “Tex” Miller aus Los Angeles schrieb mich an (interessanterweise auf deutsch) und stellte mir seine Band Layabout vor.

Die aktuelle Musikredaktion nahm einen Song auf Rotation und die CD fand ihren Weg in mein CD-Regal. Layabout machen Pop mit deutlichen Jazz-Einflüssen, der an Steely Dan, Lambchop und Jamie Cullum erinnert. Man könnte auch sagen: Musik, die sich spitzenmäßig verkaufen würde, wenn nur mal jemand einen “Von ‘Brigitte’ empfohlen”-Aufkleber auf die Hülle pappen würde. Bisher macht sich vor allem Arnd Zeigler in seiner Bremen-Vier-Sendung “Zeiglers wunderbare Welt des Pop” um die Band verdient.

Damit das mit der Karriere in Deutschland auch was wird, wird Tex nächste Woche drei Solokonzerte spielen:

14. Dezember, 22:00 Uhr: Berlin (Acud Kantina)
17. Dezember, 21:00 Uhr: Dortmund (Q-Bar)
19. Dezember, 21:00 Uhr: Bremen (No-OK)

Hoffentlich kommen viele Leute vorbei, vor allem die “Brigitte”-Musikredakteure.

Offizielle Bandwebsite
Bandseite bei MySpace

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Musik Kultur

Ohne Ecken und Kanten

Ich mag Musik, wirklich. Ich mag Musik so sehr, dass ich jedes Jahr ein Heidengeld für Tonträger und Konzerte ausgebe. Gerne würde ich den Musikern das Geld, das sie meiner Meinung nach dafür verdient haben, dass sie schöne wie traurige Momente meines Lebens untermalen, selbst in die Hand drücken. Aber zwischen die Musiker und mich hat irgendjemand die Musikindustrie gesetzt.

Die Musikindustrie mag die Menschen, von denen sie ihr Geld bekommt und die man anderswo “Kunden” nennt, nicht so sehr. Sie kriminalisiert sie, sie will sie ausspionieren und sie will ihre Wohnungen verschandeln.

CD-Hülle (hinten), merkwürdiges Teil (vorne)

Im vergangenen Jahr kamen EMI und Universal in Europa auf die absurde Idee, Tonträger nicht mehr wie bisher in diesen eckigen Plastikhüllen, den sogenannten Jewel Cases, auszuliefern, sondern dafür Hüllen mit abgerundeten Ecken zu nehmen, die Super Jewel Boxes. Diese sollen angeblich stabiler sein, haben aber den Nachteil, dass man nicht vernünftig an das Booklet herankommt, dass man die Hüllen nicht so leicht ersetzen kann, wenn sie doch mal kaputt gehen, und dass sie vor allem ziemlich dämlich aussehen.

Im Regal wird die durchgehende Kante, die alle nebeneinander stehenden CD-Hüllen sonst bildeten, plötzlich unschön unterbrochen von den neuen Hüllen, die mit ihren Rundungen aussehen wie Kinderspielzeug für Dreijährige.

Das war mir bisher alles relativ egal, denn bei CD Wow kann man die internationalen Versionen der CDs kaufen. Zu Zeiten des sogenannten Kopierschutzes, der auf meinen Geräten immer ein Abspielschutz war, bekam man dort echte CDs, die man sogar hören konnte, später dann weiterhin CDs in eckigen Hüllen. “Bekam”, denn heute kam die erste Lieferung von CD Wow mit runden Ecken.

Oasis 1997 (eckig, hinten), Rihanna 2007 (abgerundet, vorne)

Wo Sie grad “Don’t judge a book by its cover” sagen: Auch auf dem Buchmarkt gibt es schlechte Nachrichten. Nachdem man uns jahrelang mit extrem edlen, matten Taschenbuchcovern beglückt hatte, schwenken nun die ersten Verlage wieder zu den extrem billig aussehenden, Fingerabdruckfreundlichen Einbänden in Hochglanzoptik zurück.

In was für einer Welt leben wir eigentlich, wo schon die Mitarbeiter der Kulturindustrie jedwedes ästhetisches Gespür vermissen lassen?????ß

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Musik Gesellschaft

Die Vergangenheit der Musikindustrie

Die wenigsten Jugendlichen, die heute Musik hören (und das sind laut neuesten Umfragen 98% der Europäer), werden wissen, welches Jubiläum dieser Tage begangen wird: Vor 25 Jahren schloss SonyUniversal, die letzte Plattenfirma der Welt, ihre Pforten. Ein Rückblick.

Es war ein wichtiger Tag für Deutschland, als der Bundestag der Musikindustrie im Jahr 2009 das Recht einräumte, sogenannte “Terrorkopierer” (die Älteren werden sich vielleicht auch noch an den archaischen Begriff “Raubkopierer” erinnern) selbst zu verfolgen und bestrafen. Als unmittelbare Folge mussten neue Gefängnisse gebaut werden, da die alten staatlichen Zuchthäuser dem Ansturm neuer Insassen nicht Herr werden konnten. Dies war die Geburtsstunde der Prisonia AG, dem Konsortium von Bau- und Musikindustrie und heute wichtigstem Unternehmen im EuAX. Die Wiedereinführung der Todesstrafe scheiterte im Jahr darauf nur am Veto von Bundespräsident Fischer – die große Koalition aus FDP, Linkspartei und Grünen hatte das Gesetz gegen die Stimmen der Piratenpartei, damals einzige Oppositionspartei im Bundestag, verabschiedet.

Im Jahr 2011 fuhr der frisch fusionierte Major WarnerEMI den höchsten Gewinn ein, den je ein Unterhaltungskonzern erwirtschaftet hatte. Kritiker wiesen schon damals darauf hin, dass dies vor allem auf die völlige Abschaffung von Steuern für die Musikindustrie und die Tatsache zurückzuführen sei, dass die sogenannten “Klingeltöne”, kleine Musikfragmente auf den damals so beliebten “Mobiltelefonen”, für jede Wiedergabe extra bezahlt werden mussten – eine Praxis, die WarnerEMI zwei Jahre später auch für seine MP5-Dateien einführte.

Die Anzeichen für einen Stimmungsumschwung verdichteten sich, wurden aber von den Unternehmen ignoriert: Der erfolgreichste Solo-Künstler jener Tage, Justin Timberlake, veröffentlichte seine Alben ab 2010 ausschließlich als kostenlose Downloads im Internet und als Deluxe-Vinyl-Versionen im “Apple Retro Store”. Heute fast vergessene Musiker wie Madonna, Robbie Williams oder die Band Coldplay folgten seinem Vorbild. Hohn und Spott gab es in allen Medien für den damaligen CEO von WarnerEMI, als der in einem Interview mit dem Blog “FAZ.net” hatte zugeben müssen, die Beatles nicht zu kennen.

Diese öffentliche Häme führte zu einem umfassenden Presseboykott der Musikkonzerne. Renommierte Musikmagazine in Deutschland und der ganzen Welt mussten schließen, Musikjournalisten, die nicht wie die Redakteure des deutschen “Rolling Stone” direkt in Rente – wie man es damals nannte – gehen konnten, gründeten eine Bürgerrechtsbewegung, die schnell verboten wurde. Die Lunte aber war entfacht.

Im Herbst 2012 kündigte Prof. Dieter Gorny, damals Vorsitzender der “Konsum-Agentur für Runde Tonträger, Elektrische Lieder und Lichtspiele” (K.A.R.T.E.L.L.), seine Kanzlerkandidatur an, worüber der damalige Bundeskanzler Guido Westerwelle alles andere als erfreut war. Er setzte neue Kommissionen für Medien- und Kulturindustrie ein und kündigte eine mögliche Zerschlagung der Musikkonzerne an. Diese fusionierten daraufhin in einer “freundlichen feindlichen Übernahme” am Europäischen Kartellamt vorbei zum Konzern SonyUniversalEMI und drohten mit einer Abwanderung in die Mongolei und damit dem Verlust der restlichen 300 Arbeitsplätze.

Aber weder Kanzler Westerwelle noch das deutsche Volk ließen sich erpressen: Zum 1. Januar 2013 musste MTViva den Sendebetrieb einstellen. Die neugegründete Bundesmedienaufsicht unter Führung des parteilosen Stefan Niggemeier hatte dem Fernsehsender, der als sogenannter Musikkanal galt, die Sendelizenz entzogen, da dieser weniger als die gesetzlich geforderten drei Musikvideos täglich gespielt hatte. Die Castingshow “Europa sucht den Superstar” erwies sich für SonyUniversalEMI als überraschender Mega-Flop, der Wert des Unternehmens brach um ein Drittel ein, das “EMI” verschwand aus dem Namen.

Im Berliner Untergrund gründete sich die Deutsche (heute: Europäische) Musicantengilde. Deren heutiger Ehrenvorsitzende Thees Uhlmann erinnert sich: “Es war ja damals schon so, dass die kleinen Bands ihr Geld ausschließlich über Konzerte machen konnten, die ja dann auch noch verboten werden sollten. Erst haben wir unsere CDs ja selbst rausgebracht, aber als die Musikkonzerne dann die Herstellung von CDs außerhalb ihrer Fabriken unter Strafe stellen ließen, mussten wir auf Kassetten ausweichen.” Heute kaum vorstellbar: Das Magnetband galt damals als so gut wie ausgestorben, nur die kleine Manufaktur “Telefunken” produzierte überhaupt noch Abspielgeräte, die entsprechend heiß begehrt waren.

Am 29. November 2013, heute vor 25 Jahren, war es dann soweit: Der Volkszorn entlud sich vor der SonyUniversal-Zentrale am Berliner Reichstagsufer. Das Medienmagazin “Coffee & TV” hatte kurz zuvor aufgedeckt, dass die Musikindustrie jahrelang hochrangige Mitarbeiter gedeckt hatte, die durch “Terrorkopieren” aufgefallen waren. Während der normale Bürger für solche Verbrechen bis zu sechs Jahre ins Gefängnis musste, waren die Manager und Promoter straffrei ausgegangen. Als nun die Mutter des dreijährigen Timmie zu einem halben Jahr Arbeitsdienst verurteilt werden sollte, weil sie ihrem Sohn ein Schlaflied vorgesungen hatte, ohne die dafür fälligen Lizenzgebühren von 1.800 Euro zahlen zu können, zogen die Bürger mit Fackeln und selbst gebastelten Galgen zum “Dieter-Bohlen-Haus” am Spreebogen.

Das Gebäude brannte bis auf die Grundmauern nieder, dann zog der Mob unter den Augen von Feuerwehr und Polizei weiter zur Zentrale der “GEMA” am Kurfürstendamm (der heutigen Toyota-Allee). Wie durch ein Wunder wurde an diesem Tag niemand ernstlich verletzt. Die meisten Führer der Musikindustrie konnten ins nordkoreanische Exil fliehen, den “kleinen Fischen” wurde Straffreiheit zugesichert, wenn sie ein Berufsverbot akzeptierten und einer dreijährigen Therapie zustimmten.

Drei Tage später fand im Berliner Tiergarten ein großes Konzert statt, die erste öffentliche Musikaufführung in Europa seit vier Jahren. Die Kilians, heute Rocklegenden, damals noch junge Männer, spielten vor zwei Millionen Zuhörern, während die Bilder von gestürzten Dieter-Gorny-Statuen um die Welt gingen.

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Rundfunk

Mehr Sauerstoff!

Bevor ich morgens das Haus verlasse, schaue ich gerne ein wenig unverfängliches Fernsehprogramm. Heute Morgen blieb ich bei “Volle Kanne” im ZDF hängen, wo das Volksmusikantenduo Marianne & Michael zu Gast war. In dieser gänzlich unvolkstümlichen Atmosphäre waren mir die beiden – er der Typ oberkorrekter Hotelier, sie die leicht überdrehte Mutter daneben – auf Anhieb sympathisch.

Nach kurzem Geplänkel über die Verleihung der “Goldenen Hennen” ging Moderatorin Andrea Ballschuh gleich zum trostlosen Tagesgeschehen über und bald entspann sich ein Gespräch voller Überraschungen und Weisheit über Sauerstoff, Klappmesser und den Überwachungsstaat.

Ein Protokoll:

Ballschuh: “Eine Sache, über die heute jeder spricht, Sie haben’s sicher auch in den Nachrichten gehört: Die Polizei vereitelt ein Massaker an einer Kölner Schule. Und das ist ja nicht das erste gewesen: Am Donnerstag wurde aus Angst vor ‘nem Amoklauf ‘ne Schule in Mainz geschlossen, in Syke bei Bremen gab’s Drohungen an einer berufsbildenden Schule, wir denken alle auch noch an diesen schrecklichen Amoklauf in Finnland, wo ein achtzehnjähriger Schüler acht Menschen erschossen hat. Da greift man sich doch annen Kopf und fragt sich: Was ist hier mit dieser Jugend los, was passiert da? Ihr seid ja auch Eltern von zwei erwachsenen Söhnen …”
Michael: “Ja!”
Ballschuh: (seufzt)
Michael: “Man redet nicht mit denen.”
Ballschuh: “Ja, nee, das isses wohl?”
Michael: “Ich glaube, dass die sich unverstanden fühlen, dass vielleicht auch die andern in der Diskussion nicht die Ruhe haben um zuzuhören und das auseinander zu klabustern, was das tatsächlich ist, sondern man nimmt halt dann Alkohol.”
Marianne: “Oder sie wachsen in einer Welt auf, in Videodimensionen, sie sehen irgendetwas und haben dann noch dieses falsche Umfeld, falsche Freunde und … äh, ja, man, die Eltern, des ist einfach ‘ne schwierige Zeit, reden mit den Kindern net, verstehen sie auch nicht, ham gar kei’ Zeit womöglich und … öh …”
Michael: “Sie können sich auch nicht ausarbeiten.”
Marianne: “… da natürlich …”
Michael: “Also körperlich. Die Betätigung, die man körperlich normalerweise macht, …”
Marianne: “Sport fehlt jetzt auch!”
Michael: “In der Schule fehlt der Sport, in der Schule fehlt Gesang, Musik, was auch immer. ‘s ist ganz wichtig, weil das macht frei. Da kommt genügend Sauerstoff in die Zellen, das macht dann lockerer, leichter und vielleicht auch nicht so aggressiv.”
Ballschuh: “Wie seid Ihr mit Euern, ich mein Eure Söhne sind inzwischen erwachsen, ja …”
Marianne: “Es war auch ‘ne schwierige Zeit, eine ganz schwierige Zeit.”
Ballschuh: “Inwiefern?”
Marianne: “Ja, die war’n natürlich auch aufmüpfig gegen uns und … Na klar, und wir hatten auch unsere Sorgen und Nöte und waren froh, als sie wieder vernünftig wurden, dass sie diese Zeit einigermaßen unbeschadet überstanden haben. Äh, da kommt auch ‘n schlechter Einfluss von Freunden, da kannst Du dich gar net wehren, wenn die die wollen, wenn die mit diesen Leuten rumrennen, äh, und …”
Michael: “Ja und die Kinder sind ab Achtzehn volljährig, das heißt sie sind für alles selbst haftbar, das heißt sie können machen, was sie wollen. Obwohl sie …”
Ballschuh: “Aber Ihr seid zumindest noch durchs Reden an sie rangekommen?”
Michael: “Ja!”
Ballschuh: “Genau, darum geht’s: das Reden.”
Michael: “Das ist mir auch ganz, ganz wichtig!”
Marianne: “Ach, es ist ganz schwierig, also es ist ganz, ganz schwierig und ich kann mir auch vorstellen, die Situation jetzt in den Schulen, die werden ja alle überwacht, mir ham ja jetzt a’ schon Überwachungsstaat, …”
Michael: “Ja.”
Marianne: “… jetzt sind die Videokameras schon, Du musst ja schon Angst haben, was Du sagst!”
Michael: “Nein, nein, sondern man nimmt jetzt ja jeden Jugendlichen in irgendeiner Form ins Visier und sagt da, jeder ist a potentieller Geg… äh: Täter.”
Marianne: “Des ist a Katastrophe!”
Ballschuh: “Mmmm-hhhhh …”
Michael: “Des find ich auch a bissl, also total für mich übertrieben, also ich glaube, dass da scho’ was dran war, aber so, so, so Softpistolen oder sonst irgendwas, also da san die meisten Kinder und Jugendlichen, die dieses Ding dahoam ham, entweder kaufen’s die Eltern oder Oma und Opa, oder sie kaufen’s vom Taschengeld, also …”
Marianne: “Ich kann mi no’ erinnern, da ging’s um dieses komische Klappmesser.”
Michael: “Ja.”
Marianne: “Was ham wir mit unseren Buben damals in der Pubertät diskutiert, aber jeder wollte so ‘n deppertes Klappmesser haben, was da so raus …”
Michael: “Ja, alle hatten eins, also auch meine.”
Ballschuh: “Ja, heute hat man kein Klappmesser, heute hat man Pistolen, ja?”
Marianne: “Ja, furchtbar …”
Michael: “Ja ja, so ungefähr.”

Den ganzen Talk kann man sich auch noch einmal in der ZDF-Mediathek ansehen.

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Musik Politik

Rock around the Bundestag

Wie ich gerade sueddeutsche.de entnehme, wird sich der Deutsche Bundestag am heutigen Mittwoch mit dem Antrag “Populäre Musik als wichtigen Bestandteil des kulturellen Lebens stärken” befassen. Darin fordern die Fraktionen von CDU/CSU und SPD eine zaghafte Förderung von heimischem Rock, Pop und Jazz.

Nun muss man bei der sogenannten Kulturpolitik immer ganz vorsichtig sein, besonders, wenn es um Popmusik geht. Erinnerungen an die grauenhafte Forderung nach einer “Radioquote” werden sofort wieder wach (und daran, wie Wiglaf Droste Antje Vollmer und Hartmut Engler fertig machte).

Und, indeed: Smells Like Deutschquote light.

Das Internet als besonders leicht zugängliches und preiswertes Medium hat sich in den letzten Jahren zu einer der wichtigsten Plattformen für Künstlerinnen und Künstler aller Bereiche entwickelt. Neben der Verfügbarkeit großer und übergreifender Plattformen ist im Internet auch eine eigenständige und selbstbestimmte Präsentation und Vermarktung möglich, die durchaus sinnvoll sein kann. Weitaus höher sind die Zugangsbarrieren jedoch bei den wichtigen medialen Plattformen Hörfunk und Fernsehen. Hier spiegelt sich der bestehende Erfolg der in Deutschland produzierten Rock- und Popmusik nicht wider.

Allein die Vorstellung, beim Einschalten des Radios noch öfter Juli, Silbermond oder gar Revolverheld hören zu müssen, treibt mir den Angstschweiß ins Gesicht.

Zwischenruf: “Und was ist mit Tomte, Kante, Kilians?”
Antwort: “Ja, das ist eben Qualität. Ich habe immer noch die naive Vorstellung, dass die sich langfristig durchsetzen wird. Das ist jedenfalls wahrscheinlicher, als dass eine größere Anzahl Radiokonsumenten plötzlich losrennt und Kante-Alben kauft, nur weil die im Radio liefen. Kante würden aber eh nicht im Radio laufen, sondern die oben genannten.”

Die Bundesregierung wird aufgefordert, bestehende Förderungen für deutsche Popmusik besser abzustimmen, “private Mittel ergänzend zur staatlichen Förderung einzuwerben” und sich bei den Rundfunkanstalten für “angemessene Plattformen einzusetzen”. Es ist ein zahmer Antrag, zusammen mit zwei Eingaben zur Kulturwirtschaft ist jedoch immerhin eine Stunde zur Beratung vorgesehen. Die veranschlagten Kosten im Haushalt liegen bei je einer Million Euro für 2007 und 2008.

Das kann eine Menge heißen. Natürlich habe auch ich Angst vor Rockbeamten und Popbeauftragten. In Ländern wie Schweden, Finnland, Norwegen, Frankreich, Großbritannien und Kanada, gibt es teilweise seit Jahren “Musikexportbüros”, die sich um eine Förderung der heimischen Musik im Ausland bemühen.

Nun kann man argumentieren, dass Bands wie Abba, a-ha oder die … Beatles durchaus auch ohne derartige Kampagnen Erfolg hatten. Man Ich weiß nicht, inwieweit die aktuelle “Swedish Invasion” von Mando Diao, Moneybrother und Sugarplum Fairy planbar gewesen sein soll. Und es bleibt natürlich immer ein fader Beigeschmack bei staatlich “verordneter” Kultur.

Ein deutsches Rockbüro ist für mich eine denkbar uncoole Vorstellung – und ich frage mich, wieso. Als ich auf vergangenen Popkommen von der skandinavischen Förderung hörte, fand ich die Idee wunderbar und fragte mich, wieso es sowas in meinem hinterwäldlerischen Heimatland nicht gibt. Kaum kümmern sich die Politiker mal um popkulturelle Themen, finde ich es auch wieder schrecklich. Einerseits könnte die hiesige Musikszene eine “einheitliche Struktur”, wie sie im Antrag gefordert wird, gut gebrauchen, andererseits zerstört das natürlich das Bild des chaotischen, unaufgeräumten Rock’n’Roll.

Eigentlich ist es nur gerecht: Theater werden gefördert, Museen, Bibliotheken und Denkmäler. Klassische Musik eh. Die deutsche Filmwirtschaft könnte ohne Filmförderung kaum überleben – und Zyniker würden fragen, in wie viel Prozent der Fälle das ein Verlust wäre. Von überwiegend privater Kulturförderung sind wir hierzulande noch weit entfernt und glaubt man den Verantwortlichen der Musikindustrie, wird ihr Wirtschaftssektor bald eh ein Fall fürs Amt.

Vielleicht sollten wir einfach mal abwarten. Die Erfahrung zeigt: Die Deutschen werden es schon falsch machen.

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Print Musik

“My Rice”: Travis werfen Sack um

Haben Sie sich je gefragt, wie eigentlich diese idiotischen Meldungen “Promi X hat Y gesagt” auf der “Vermischtes”-Seite Ihrer Tageszeitung und auf der Startseite von “Spiegel Online” entstehen?

Ich erklär Ihnen das mal gerade anhand eines Beispiels: Der “Mannheimer Morgen” hat anlässlich des anstehenden Travis-Konzerts in Mannheim ein Interview mit Travis-Sänger Fran Healy geführt. Darin kam auch der folgende Dialog vor:

Sie sind mit einer Deutschen verheiratet. Besuchen Sie Deutschland auch privat?

HEALY: Sie werden lachen: Nächstes Jahr ziehen wir nach Berlin. Unser Sohn ist in einem Alter, wo Mütter gern zuhause sein wollen. Der Boss hat also gesprochen. Wir folgen.

Berlin war ja ein spannendes Pflaster für britische Musiker. Man denke an David Bowie oder U2 . . .

HEALY: Ja, wir werden uns die Hansa Studios auch mal anschauen. Überhaupt ziehen jetzt viele Künstler nach Berlin. Mein Freund Anton Corbijn, mein Londoner Studio-Nachbar Herbert Grönemeyer und sein Produzent Alex Silwa. Das verändert eine Stadt. Bis jetzt spüre ich immer viel Traurigkeit in Berlin, da kann die Injektion von Kreativität vielleicht Abhilfe schaffen. Vielleicht wird Berlin – wie in der Vergangenheit schon mal – das New York von Europa.

Die Redaktion des “Mannheimer Morgens” fand diese Aussage wohl einigermaßen spannend und gab über dpa eine Pressemitteilung heraus, in der im wesentlichen genau diese Zitate drin stehen.

Nun kann man solche Meldungen als Grundlage nutzen, selbst noch ein bisschen recherchieren und schon hat man einen informativen kleinen Text, den man z.B. im “Tagesspiegel” veröffentlichen kann. Man kann aber auch einfach die Meldung mehr oder weniger modifiziert dafür nutzen, seine Zeitung zu füllen oder seine Zugriffszahlen zu erhöhen. Und dann fragen sich hinterher alle, warum dieser eingebildete Rockstar seine persönlichen Umzugspläne für so wichtig hält, dass er sie in jeder Zeitung herausposaunen muss.

Es geht aber noch unspektakulärer: Fran Healy hat in einem Interview mit dem Radiosender XFM “zugegeben”, dass die Akkorde zu “Writing To Reach You” vom ’99er Travis-Album “The Man Who” von Oasis’ “Wonderwall” abgeschrieben seien. Und – Zack! – ist auch das eine Meldung wert.

Das wäre wohl kaum jemandem aufgefallen. Außer den Lesern von Q Magazine’s 1001 Greatest Songs (November 2003), den Hörern von Dean Grays “Boulevard Of Broken Songs” (Oktober 2004), den Nutzern der Indiepedia (Oktober 2005) und irgendwelchen Menschen, die keinen Broccoli in den Ohren haben.

P.S.: Völlig ratlos sitze ich noch vor dieser Überschrift: “Travis: "Meine Augen" nun auch draußen”

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Die Schönheit des Scheiterns

Bei manchen Musikern sind die Interviews, die sie zur Veröffentlichung eines neuen Albums geben, spannender als die Musik selbst. Bei anderen Musikern ist die Musik so toll und einzigartig, dass sie gar nichts mehr zu sagen bräuchten – und manchmal auch gar nichts zu sagen haben.

Diese Erfahrung musste auch Luke Burbank von NPR machen, der Sigur Rós im Studio hatte. Zugegeben: Seine Fragen waren nicht unbedingt die besten (man lernt doch am ersten Tag, dass man keine Fragen stellen soll, auf die man mit “Ja” oder “Nein” antworten könnte), aber das, was sich aus diesem “Gespräch” entwickelt, ist schon ziemlich desaströs und somit unterhaltsam.

Anyway, last Friday the band showed up promptly at 11am (EDT) and commenced to give what is possibly the worst interview in the history of electronic media.

Seriously.

It was that bad.

Zwar bin ich mir nicht sicher, ob Burbanks Einschätzung richtig ist, aber “nicht sonderlich gut” war das Interview auf alle Fälle.

Und weil NPR so multimedial und zukunftsweisend ist, kann man sich das Radio-Interview nicht nur anhören, sondern auch ansehen. Und das alles hier.

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Im Schmelztiegel der Subkultur

Manche mögen der Meinung sein, ich hätte langsam mal genug über die Kilians, diese fantastische Nachwuchsband aus Dinslaken, deren großartiges Debütalbum letzte Woche erschienen ist, geschrieben. Das sehe ich inzwischen ähnlich – und habe schwups mal das Medium gewechselt.

Viel Spaß mit jede Menge Kilians und Dinslaken im ersten Teil unseres kleinen Interview-Specials mit Simon den Hartog:

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Finger brechen für Fortgeschrittene

Durch Zufall bin ich Anfang letzter Woche bei der FreakVideoplattform Youtube auf das Video Drifting von Andy McKee gestoßen. Andy McKee ist ein 28jähriger Fingerstyle-Gitarrist aus Kansas und was soll ich sagen? Er hat es einfach drauf.
Im Video sieht man einen etwas dicklichen, kahlen jungen Mann, der einen lustigen Vollbart trägt und Gitarre spielt. Irgendwie war mein erster Gedanke: “War der nicht mal bei “Das Model und der Freak”?

Aber dann ging es los und Andy McKee schlägt in die Saiten. Allerdings auf eine Art und Weise, die ich so noch nicht gesehen habe. Mir fiel die Kinnlade zu Boden und ich war hin und weg von den Klängen, die er aus seiner Andrew White guitar herausholt (Die gibt es übrigens hier zu kaufen. Ab 3700€).

Nachdem ich sein Video förmlich aufgesogen hatte, schaute ich mir noch die anderen Videos von ihm bei Youtube an und suchte parallel nach einem Album. Leider konnte ich es bei keinem deutschen Internetshop finden, also bestellte ich es kurzerhand bei Amazon (zusammen mit dem Album eines anderen begabten Gitarristen – demnächst vielleicht mehr). Am Dienstag lag die CD Art Of Motion” dann bei mir im Briefkasten. Ich freute mich wie ein kleines Kind…
Seitdem läuft die Platte bei mir auf hoher Rotation und ich bin echt verdammt begeistert. Keine Ahnung, wie viele diese Begeisterung mit mir teilen. Vielleicht muss man selbst Gitarre spielen, um zu merken wie schwer das ist, was dieser Kerl da so leicht und locker daherklimpert.

Empfehlen kann ich die CD allerdings jedem, der akustische Gitarrenklänge mag und auch mal auf andere Instrumente und Gesang verzichten kann. Denn auf der CD hört man ausschließlich Andy McKee und nur sein Gitarrenspiel.

Bei einigen Songs benutzt er übrigens eine Harp-Gitarre. Sehr witziges Ding!