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Cinema And Beer: „World War Z“

Zom­bies! Ali­ens! Vam­pi­re! Dino­sau­ri­er! Aus dem Kata­log klas­si­scher Bedro­hungs­sze­na­ri­en in Som­mer­block­bus­tern hat sich Brad Pitt die Zom­bies aus­ge­sucht. Der von ihm pro­du­zier­te „World War Z“ ent­zweit unse­re Pod­cas­ter Tom The­len und Lukas Hein­ser fast – aber nur fast.

World War Z (Offizielles Filmplakat)

Cine­ma And Beer: „World War Z“
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Holger, der Kampf geht weiter

Andre­as Baa­der wird in der Erin­ne­rung der Men­schen immer der Mann sein, der im Gerichts­saal von Stutt­gart-Stamm­heim den vor­sit­zen­den Rich­ter anbrüll­te und Frau­en, wenn er mit ihnen rede­te, als „Fot­zen“ bezeich­ne­te. Dar­an wird sich auch durch den zwan­zig-Mil­lio­nen-Euro-Film „Der Baa­der Mein­hof Kom­plex“ nichts ändern – die Leu­te wer­den den gebür­ti­gen Mün­che­ner Baa­der höchs­tens mit einem nor­di­schen Ein­schlag im Ohr haben, weil Moritz Bleib­treu im Sprech­un­ter­richt an der Schau­spiel­schu­le gepennt hat.

Es gibt ja kaum einen Super­la­tiv, kaum einen Satz, der im Vor­feld nicht über den Film geschrie­ben wor­den war. Jeder, der damals dabei war oder jeman­den kann­te, der die Geschich­te der RAF am Fern­se­her mit­er­lebt hat­te, durf­te sich in irgend­ei­nem Medi­um dar­über äußern, durf­te dis­ku­tie­ren, ob man aus so einer Geschich­te einen kom­mer­zi­el­len Spiel­film machen dür­fe, oder durf­te sonst irgend­et­was sagen. Der Film wur­de vor­ab so mit Bedeu­tung auf­ge­la­den, dass man sich schon fragt, ob man ihn über­haupt noch als Film sehen und beur­tei­len kann.

Ja, man kann. „Der Baa­der Mein­hof Kom­plex“ ist sti­lis­tisch soli­de, mit­un­ter bril­lant, was inso­fern über­rascht, als Regis­seur Uli Edel („Chris­tia­ne F. – Wir Kin­der vom Bahn­hof Zoo“, „Letz­te Aus­fahrt Brook­lyn“) seit unge­fähr zwan­zig Jah­ren nichts Rele­van­tes mehr gedreht hat. Es ist ein detail­ver­lieb­ter Zwei­ein­halb­stün­der, des­sen Span­nungs­bo­gen ein biss­chen dar­un­ter lei­det, dass zehn Jah­re (und 650 Sei­ten Buch­vor­la­ge) abge­han­delt wer­den müs­sen, bis das pas­siert, was man eh schon tau­send­mal gese­hen hat: Die „Lands­hut“ wird in Moga­di­schu gestürmt, in Stamm­heim wer­den drei Lei­chen gefun­den. Bis dahin ist es nie lang­wei­lig gewor­den, aber auch nur sel­ten kon­kret oder gar über­sicht­lich. Ich weiß nicht, ob es hilf­rei­cher ist, gar nichts über die Geschich­te der RAF zu wis­sen, weil man sich dann wenigs­tens nicht stän­dig fragt, wer wer ist.

„Der Baa­der Mein­hof Kom­plex“ oder kurz „BMK“ ist kei­ne Doku­men­ta­ti­on und kei­ne Ver­tie­fung von irgend­was, er ist eine ober­fläch­li­che Ein­füh­rung in ein Kapi­tel deut­scher Geschich­te, des­sen Auf­ar­bei­tung rech­ne­risch noch zehn bis zwan­zig Jah­re brau­chen wird. Wir Spät­ge­bo­re­nen sit­zen da und wun­dern uns über Mas­sen­de­mons­tra­tio­nen, Rau­cher aller­or­ten, rie­si­ge Stu­den­ten­ver­samm­lun­gen und Men­schen, die umständ­lich mit Voka­beln wie „Impe­ria­lis­mus“, „Genos­sen“ und „Bour­geoi­sie“ han­tie­ren. Wir wun­dern uns, dass sol­che Leu­te, die man bei jeder Stu­den­ten­par­ty ste­hen las­sen wür­de, wenn sie einen anla­ber­ten, damals die Mas­sen bewegt haben (die Kon­ser­va­ti­ven haben sich frei­lich schon damals gewun­dert). Wenn ein voll­be­setz­ter Hör­saal auf Geheiß von Rudi Dutsch­ke (erschre­ckend nah am Ori­gi­nal: Sebas­ti­an Blom­berg) „Ho, Ho, Ho Chi Minh“ anstimmt, sind das für uns ähn­lich frem­de und beun­ru­hi­gen­de Bil­der wie die vom Reichs­par­tei­tags­ge­län­de in Nürn­berg.

Aber der Film macht klar, was die Stu­den­ten 1967 beweg­te, und wenn man die dama­li­gen Mel­dun­gen aus Viet­nam mit denen aus dem Irak heu­te ver­gleicht, ist einem das gleich gar nicht mehr so fremd und man wun­dert sich statt­des­sen, war­um die heu­ti­gen Krie­ge eigent­lich so egal sind. Auch die Bil­der vom 2. Juni, als sich die Span­nung zwi­schen Demons­tran­ten und Poli­zis­ten schließ­lich in roher Gewalt ent­lädt, hat man so ähn­lich in letz­ter Zeit schon mal im Fern­se­hen gese­hen – aller­dings längst nicht so bru­tal und ohne die „Jubel­per­ser“, die mit Lat­ten auf die Demons­tran­ten ein­schla­gen.

Die­se Par­al­le­len machen den Film für jün­ge­re Zuschau­er inter­es­sant, aber wie aus dem Pro­test gegen Viet­nam­krieg und Schah plötz­lich die RAF wer­den konn­te, geht im Film völ­lig unter. Die Frank­fur­ter Kauf­haus­brand­stif­tung, für die Baa­der und Gud­run Ens­slin (Johan­na Woka­lek) erst­ma­lig vor Gericht ste­hen, und die in der Buch­vor­la­ge aus­führ­lich anmo­de­riert wird, pas­siert ein­fach so. Damit feh­len dem Unter­neh­men RAF im Grun­de genom­men wei­te Tei­le des Über­baus und alles, was man sieht, sind ver­wöhn­te Bür­ger­kin­der, die (wie schon in „Die fet­ten Jah­re sind vor­bei“) ein biss­chen Ter­ro­ris­ten spie­len wol­len. Ent­spre­chend däm­lich stel­len sie sich mit­un­ter an, ent­spre­chend komisch sind die Sze­nen in den paläs­ti­nen­si­schen Aus­bil­dungs­camps.

Micha­el Buback hat „BMK“ als „Täter­film“ beschrie­ben, was sicher­lich nicht falsch ist. Schon das Buch kon­zen­triert sich haupt­säch­lich auf die Bio­gra­phien der Ter­ro­ris­ten, der Film ver­knappt da wei­ter. Anders als in Hein­richt Bre­loers bril­lan­tem Fern­seh-Zwei­tei­ler „Todes­spiel“ bekommt Schley­er hier nur weni­ge Augen­bli­cke Auf­merk­sam­keit, alle ande­ren Opfer sind sowie­so rei­nes Kano­nen­fut­ter. Poli­zis­ten, US Army, Sprin­ger-Hoch­haus, Stock­holm, „Deut­scher Herbst“, zwi­schen­durch sogar Mün­chen 1972 – die Schau­plät­ze und Ver­bre­chen wer­den abge­he­chelt, der Body­count läuft stumm mit.

Aller­dings ist der Film trotz­dem kei­ne Bon­nie-und-Cly­de-Num­mer, kei­ne mehr­fach pop­kul­tu­rell codier­te Hel­den­bal­la­de wie Chris­to­pher Roths „Baa­der“. Solan­ge die Ter­ro­ris­ten reden, sind sie uner­träg­lich: Mao, Lenin, und die gan­zen fran­zö­si­schen Phi­lo­so­phen sind nicht spur­los an ihnen vor­bei gegan­gen, ihre Auf­ru­fe schwan­ken zwi­schen bla­sier­tem Pathos und ver­blen­de­tem Zynis­mus. Man­che Dia­lo­ge, wie die zwi­schen Ens­slin und ihren Eltern, wir­ken furcht­bar höl­zern und pla­ka­tiv, aber man muss anneh­men, dass „Dis­kurs“ damals eben so klang. Sobald die Ter­ro­ris­ten dann schie­ßen, sind sie kalt­blü­tig und bru­tal, und außer Susan­ne Albrecht, die als Lock­vo­gel bei der Ermor­dung Jür­gen Pon­tos, dem Paten­on­kel ihrer Schwes­ter, dabei war, zeigt nie­mand eine Gefühls­re­gung für die Opfer.

Moritz Bleib­treu schafft es nur in weni­gen Momen­ten, hin­ter der Rol­le zu ver­schwin­den. Die meis­te Zeit ist sein Baa­der irgend­ei­ne wei­te­re Bleib­treu-Rol­le: ein biss­chen ver­schla­gen, ein biss­chen sym­pa­thisch (weil eben Bleib­treu), ein biss­chen wahn­sin­nig. Mar­ti­na Gedeck spielt Ulri­ke Mein­hof als eine zöger­li­che Sprü­che­klop­fe­rin, die sich völ­lig in der Situa­ti­on ver­hed­dert und am Ende zwi­schen Lethar­gie und Hys­te­rie schwankt, bis sie ein­fach tot ist. Johan­na Woka­lek ist unglaub­lich gut, man hasst ihre Gud­run Ens­slin qua­si ab dem ers­ten Moment und ist doch immer mal wie­der fas­zi­niert von die­ser ent­rück­ten Frau. Und dann gibt es da noch mehr als hun­dert wei­te­re Schau­spie­ler – fast jeder, der in Deutsch­land in den letz­ten zehn Jah­ren mal vor einer Kame­ra stand, ist (mit Aus­nah­me von Til Schwei­ger, Fran­ka Poten­te und Iris Ber­ben) auch dies­mal mit dabei, was den Film so ein biss­chen nach einem deut­schen „Ocean’s Ele­ven“ aus­se­hen lässt. Sogar Hei­no Ferch und Jan Josef Lie­fers hat man unter­brin­gen kön­nen.

Bru­no Ganz aller­dings hat­te Pech: Als BKA-Chef Horst Herold ern­te­te er stän­dig unfrei­wil­li­ge Lacher. Viel­leicht, weil die Leu­te Adolf Hit­ler vor Augen bzw. im Ohr hat­ten (s. „Der Unter­gang“), viel­leicht, weil die Rol­le so dünn und kari­kiert ange­legt ist. Herold ist durch und durch Beam­ter, der irgend­wie immer allei­ne ist (von den mehr als 100.000 Poli­zis­ten, BKA-Leu­ten und den gan­zen Com­pu­tern, die mit der Ras­ter­fahn­dung beschäf­tigt waren, mal ab) – sowohl räum­lich, als auch als ein­zi­ge Stim­me der Ver­nunft in einem Heer von Wahn­sin­ni­gen auf bei­den Sei­ten. Denn bru­tal sind sie alle, in die­ser Spi­ra­le der Gewalt, die als self-ful­fil­ling pro­phe­cy schließ­lich zu dem Poli­zei­staat führt, den die Ter­ro­ris­ten von Anfang an bekämp­fen woll­ten: Die einen bei der Ent­füh­rung Hanns Mar­tin Schley­ers, bei der sei­ne Beglei­ter ein­fach nie­der­ge­mäht wer­den, die ande­ren nach der Ver­haf­tung von Hol­ger Meins, bei dem jeder Poli­zei­be­am­te aus Rache für die getö­te­ten Kol­le­gen ein­mal zutre­ten darf. Die einen kämp­fen gegen sinn­lo­se Gewalt, die ande­ren für den Rechts­staat.

Man konn­te nicht viel falsch machen mit dem „Baa­der Mein­hof Kom­plex“: Die Buch­vor­la­ge ist eine gut recher­chier­te Zusam­men­fas­sung einer Geschich­te, die auch einer anti­ken Sage oder einem Shakespear’schen Dra­ma ent­stam­men könn­te. Da dre­hen sich Gut und Böse im Kreis, endet die vor­geb­lich auf­ge­klär­te Kri­tik am ame­ri­ka­ni­schen „Impe­ria­lis­mus“ im men­schen­ver­ach­ten­den Töten vom „Schwein in Uni­form“, und der angeb­lich so gefes­tig­ten Bun­des­re­pu­blik droht plötz­lich eine kru­de Mischung aus Poli­zei­staat und Anar­chie. Und über allem schwebt die Defi­ni­ti­on von Ulri­ke Mein­hof, was Pro­test, und was Wider­stand sei.

Uli Edel und Bernd Eichin­ger haben fil­misch ent­spre­chend ziel­si­cher eine span­nen­de Geschichts­stun­de hin­be­kom­men. Die Ver­qui­ckung von Archiv­ma­te­ri­al und Film in man­chen Sze­nen ist auch unter rein hand­werk­li­chen Aspek­ten inter­es­sant. Dass die Macher den media­len Over­kill, den ihr Film erzeugt hat, jetzt von den glei­chen Medi­en wech­sel­sei­tig um die Ohren gehau­en bekom­men, haben sie nicht ver­dient. Der Dis­kus­si­on, die der Film aus­ge­löst hat, hat er selbst aller­dings über­haupt nichts hin­zu­zu­fü­gen. Er ist, wie ich oben schon schrieb, eine Ein­füh­rung in ein kom­ple­xes Kapi­tel der Geschich­te, das bis heu­te nicht auf­ge­ar­bei­tet wur­de und das viel­leicht wirk­lich noch Zeit braucht.

Für vie­le jun­ge Men­schen wird „Der Baa­der Mein­hof Kom­plex“ die ers­te Begeg­nung mit der RAF sein – und auch wenn man­che Sze­nen wie ein Tri­umph­zug insze­niert sind, wird am Ende wohl kaum jemand die Ter­ro­ris­ten als Hel­den fei­ern wol­len. Der Film hat zu wenig Zeit, ihre Beweg­grün­de und Ent­schei­dun­gen wirk­lich zu ver­tie­fen, aber zumin­dest ein klei­ner Teil ihrer Tra­gik kommt rüber. Und letzt­lich däm­mert einem, dass das viel­leicht wirk­lich ganz ver­schie­de­ne Sachen sein könn­ten, die nur einen gemein­sa­men Aus­gangs­punkt haben: die ech­ten Ver­bre­cher, der Mythos RAF und sei­ne kul­tu­rel­le Auf­be­rei­tung.

Nur eins noch: Die Film­mu­sik ist wirk­lich grau­en­voll.

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Dies ist nicht Amerika

Ich habe gera­de etwa 20 Minu­ten von der Ver­lei­hung des deut­schen Film­prei­ses gese­hen. Genug, um zu wis­sen, war­um Babels­berg nie (mehr) Hol­ly­wood sein wird:

  • Das ZDF über­trug mal wie­der zeit­ver­setzt. Schon vor der Aus­zeich­nung des bes­ten Films konn­te man im Inter­net (und ver­mut­lich auch im ZDF-Video­text) lesen, dass „4 Minu­ten“ gewin­nen wür­de.
  • Die Oscar-erprob­te Idee, die Dan­kes­re­den musi­ka­lisch abzu­wür­gen, wur­de mit deut­scher Gründ­lich­keit auf die Spit­ze getrie­ben: auch die Preis­trä­ger für den bes­ten Film (also die letz­te Aus­zeich­nung des Abends) wur­den laut­stark und barsch von der Büh­ne gefegt.
  • Micha­el „Bul­ly“ Herbig ist nicht Bil­ly Crys­tal. Er ist noch nicht ein­mal Ellen DeGe­ne­res. Aber er ist alles, was wir haben, wenn nicht wie­der Jörg Pila­wa, Johan­nes B. Ker­ner oder Gün­ther Jauch mode­rie­ren sol­len.
  • Bernd Eichin­ger hat in der neu zu schaf­fen­den Kate­go­rie „ange­piss­te Dan­kes­re­de eines ver­meint­li­chen Favo­ri­ten“ eine Son­der­aus­zeich­nung ver­dient. „Na ja, ich dan­ke der Aka­de­mie“, dürf­te als Bon­mont in die an Anek­do­ten eher arme Geschich­te des deut­schen Film­prei­ses ein­ge­hen.

Aus dem lang­wei­li­gen Küss­chen-rechts-Küss­chen-links-Rah­men fiel ein­zig Moni­ka Bleib­treu, die ihren Preis als bes­te Haupt­dar­stel­le­rin ihrem Sohn Moritz wid­me­te. Dass die­ser sei­ne Rüh­rung und sei­nen Stolz gar nicht mehr ver­heh­len woll­te, war dann auch schon das Höchst­maß an Emo­tio­nen.