Kategorien
Musik

Taschenspielertricks

Wenn sich ein exzen­tri­scher Pop­mu­sik­lieb­ha­ber mit zu viel Tages­frei­zeit dar­an mach­te, den dümms­ten Song­text (des Jahrzehnts/​seiner Generation/​aller Zei­ten) zu küren, wür­de er sei­ne Suche womög­lich bei der Volks­tüm­li­chen Musik begin­nen, sich durch den Schla­ger arbei­ten und es dann mal beim Kir­mes­tech­no ver­su­chen. Ver­mut­lich wür­de er bei „The Ven­ga­bus is coming /​ And everybody’s jum­ping /​ New York to San Fran­cis­co /​ An inter­ci­ty dis­co“ sei­ne Arbeit für been­det erklä­ren, die gewon­ne­nen Erkennt­nis­se ver­öf­fent­li­chen und sein Leben wei­ter­le­ben. Und auf dem Ster­be­bett, nach einem lan­gen, erfüll­ten Leben von mehr als 80 Jah­ren, wür­de er sich mit der fla­chen Hand vor die Stirn schla­gen, „Ver­dammt!“ brül­len und ver­schei­den. Und die Ange­hö­ri­gen, die mit fei­er­li­cher Mie­ne um ihn her­um­ste­hen, wür­den sich fra­gen, was das denn jetzt wie­der war, Exzen­trik hin oder her.

Unse­rem Mann wäre im letz­ten Moment „You And Me (In My Pocket)“ des bel­gi­schen Musi­kus Milow ein­ge­fal­len, das er im Jahr 2011 ein paar mal im Radio gehört hat­te. Ein net­ter, harm­lo­ser Pop­song mit Akus­tik­gi­tar­re und ein­gän­gi­ger Melo­die. Auf den Text hat frei­lich nie jemand geach­tet, was – um einen von Klaus Wowe­reit, an den sich beim Able­ben unse­res Pop­mu­sik­lieb­ha­bers nie­mand mehr erin­nern kann, gepräg­ten Aus­druck zu ver­wen­den – auch gut so war.

Der Text beginnt mit fol­gen­den Wor­ten:

I wish you smel­led a litt­le fun­ny
Not just fun­ny real­ly bad
We could roam the streets fore­ver
Just like cats but we’d never stray

Da wünscht sich also das Lyri­sche Ich die­ses Lie­des, die Ange­be­te­te röche „ein biss­chen komisch“, bes­ser aber gleich „rich­tig schlecht“, auf dass er mit ihr allein durch die Stra­ßen schlen­dern kön­ne. „Inter­es­san­ter Gedan­ke“, denkt man da. Außer­dem reimt sich das ja gar nicht.

Es ist ein Lie­bes­lied, das Herr Milow da ent­wor­fen hat – zumin­dest legt der Refrain die­sen Schluss nahe:

Oh you and me
It would be only you and me

Dann hebt er an, die nächs­te Stro­phe zu schmet­tern, in der er sich wünscht, die Adres­sa­tin sei „rich­tig fett“, damit sie nicht mehr durch Türen pas­se und den gan­zen Tag in sei­nem Bett blei­ben müs­se – ein Bett, das hof­fent­lich nicht von Ikea stammt, denn wie soll­te das eine der­art fett­lei­bi­ge Per­son tra­gen?

Außer­dem möge sie bit­te Federn haben, er wür­de sie dann in einem rie­si­gen Käfig hal­ten, den gan­zen Tag beglot­zen und – Höchst­stra­fe bei einem Kerl, der sol­che Lie­der schreibt – für sie sin­gen! „And that would be okay“, na sicher.

Wer bis hier­hin schon der Mei­nung war, der­art geis­tes­kran­ke Macht­phan­ta­sien könn­ten sich nur Öster­rei­cher aus­den­ken (also: Fal­co jetzt), der hat den Tag vor dem Abend, die Rech­nung ohne den Wirt, in jedem Fall aber den Song nicht zu Ende gehört:

I wish you were a litt­le slower
Not just slow but para­ly­zed
Then I could plug you into a socket
So you could never run away

Es kommt ent­ge­gen anders lau­ten­der Gerüch­te eher sel­ten vor, dass ich mein Radio anschreie. Aber als mein Gehirn dum­mer­wei­se im Emp­fangs­mo­dus war und die­se Zei­len rezi­pier­te, stand mei­ne Hals­schlag­ader kurz vor der Explo­si­on und ich erwog sehr ernst­haft einen Anruf bei WDR 2, jenem Sen­der der sei­nen Hörern das Wort „fuck“ nicht zumu­ten möch­te, aber offen­bar kei­ne Pro­ble­me hat, ihnen Tex­te vor­zu­spie­len, in denen sich ein Typ wünscht, eine Frau sei „gelähmt“ und an lebens­er­hal­ten­de Sys­te­me ange­schlos­sen, damit sie nicht weg­ren­nen kön­ne. Darf jemand, der sol­che Tex­te schreibt, in die Nähe von Kin­der­gär­ten, Grund­schu­len und Alten­hei­men? Dage­gen sind die Gewalt­phan­ta­sien von Ramm­stein ja der reins­te Kin­der­ge­burts­tag!

Schluss jetzt:

I real­ly wish that you were smal­ler
Not just small but real­ly real­ly short
So I could put you in my pocket
And car­ry you around all day

Mehr als hun­dert Jah­re Femi­nis­mus, damit so ein Schmu­se­bar­de daher­ge­schmust kommt und eine sehr klei­ne Frau in sei­ner Hosen­ta­sche ver­stau­en will?! Mein Erre­gungs­po­ten­ti­al ist nor­ma­ler­wei­se begrenzt, ich lache auch über Wit­ze von Jür­gen von der Lip­pe, aber was für eine sexis­ti­sche Schei­ße win­selt die­ser James Blunt für noch Ärme­re denn da unter dem Deck­män­tel­chen groß­flä­chi­ger Roman­tik? Hmmm?!

Noch beun­ru­hi­gen­der als die­ser Song ist ver­mut­lich nur die Vor­stel­lung, dass es ein­zel­ne Frau­en geben könn­te, die bei die­sem Min­ne­ge­sang dahin­schmel­zen und den Quatsch für „super-roman­tisch“ hal­ten.