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Musik Digital

Die Messe Berlin und das allgemein zugängliche Internet

Frü­her war alles bes­ser: die Pop­komm war ein rau­schen­des Fest einer flo­rie­ren­den Bran­che, das all­jähr­lich in Köln statt­fand – und ihr wich­tigs­ter Ort war der Mexi­ka­ner am Prime Club. Heu­te liegt die Musik­in­dus­trie röchelnd am Boden, die wich­ti­gen Musik­mes­sen hei­ßen c/​o Pop und Pop Up, die Pop­komm ist (wie jeder ande­re Krea­ti­ve) nach Ber­lin gezo­gen und der Mexi­ka­ner am Prime Club ist schon lan­ge zu. ((Gerüch­ten zufol­ge ste­hen Pop­komm-Umzug und Nie­der­gang des Mexi­ka­ners in direk­tem Zusam­men­hang – nach Schät­zun­gen ins Blaue wur­de dort am Pop­komm-Wochen­en­de der hal­be Jah­res­um­satz erwirt­schaf­tet.))

Es gibt kei­nen wirk­li­chen Grund, noch zur Pop­komm fah­ren zu wol­len – außer, um dort Kon­tak­te zu knüp­fen, sie zu pfle­gen, die Mischung aus Zweck­op­ti­mis­mus, Welt­frem­de und Ver­zweif­lung in sich auf­zu­sau­gen und viel­leicht das eine oder ande­re Kon­zert mit­zu­neh­men. Aller­dings ist Ber­lin vom Ruhr­ge­biet deut­lich wei­ter ent­fernt als Köln, so dass sich Tages­trips eher nicht anbie­ten.

Ich woll­te mich also als Pres­se­ver­tre­ter für die Pop­komm akkre­di­tie­ren las­sen und ging auf die ent­spre­chen­de Web­site. Dass es nicht ganz so ein­fach wer­den wür­de wie in Köln, wo man ein­fach mit dem aus­ge­druck­ten Impres­sum eines Musik-E-Zines rein­kam, in dem der eige­ne Name stand, hat­te ich mir wohl gedacht – dass es schlicht unmög­lich wer­den wür­de, nicht. Ich füll­te brav und wahr­heits­ge­mäß ein For­mu­lar aus, foto­gra­fier­te mei­nen Jugend­pres­se­aus­weis (den ich in fünf Jah­ren damit zum drit­ten Mal her­vor­ho­len muss­te) und schick­te alles ab.

Am nächs­ten Tag erhielt ich eine E‑Mail von der Mes­se Ber­lin, wonach mei­ne Unter­la­gen unvoll­stän­dig sei­en. Man gab mir den freund­li­chen Hin­weis, dass ich als „Ver­tre­ter von Jugend­pres­se­or­ga­ni­sa­tio­nen“ „gegen Vor­la­ge aktu­el­ler Bele­ge“ „ein­ma­lig eine Tages­kar­te an den Akkre­di­tie­rungs­coun­tern des Mes­se­ge­län­des“ erhal­ten wür­de. Da ein Tag Mes­se die Anrei­se nicht lohnt, schrieb ich zurück, dass ich ger­ne län­ger hin­wol­le und schließ­lich ein Blog zu den The­men­kom­ple­xen Pop­kul­tur und Medi­en betrie­be.

Die Ant­wort lau­te­te:

Guten Tag,
Blog­ger und deren Betrei­ber wer­den, wie ande­re Ver­tre­ter von all­ge­mein zugäng­li­chen Online-Publi­ka­tio­nen aus­schließ­lich gegen Vor­la­ge eines gül­ti­gen Pres­se­aus­wei­ses (für haupt­be­ruf­lich täti­ge Jour­na­lis­ten) akkre­di­tiert.

Das deckt sich mit den Akkre­di­tie­rungs­richt­li­ni­en, die bei der Mes­se Ber­lin offen­bar für jede Ver­an­stal­tung gel­ten:

Mit­glie­der von Inter­net-Redak­tio­nen wer­den auf­grund der all­ge­mei­nen Zugäng­lich­keit des Inter­nets und der damit ver­bun­de­nen man­geln­den Über­prüf­bar­keit der eige­nen jour­na­lis­ti­schen Leis­tung nur gegen Vor­la­ge eines aner­kann­ten Pres­se­aus­wei­ses akkre­di­tiert. Aus­nah­me: Inter­net-Redak­tio­nen, die zu Voll­re­dak­tio­nen oder Ver­la­gen gehö­ren, z.B. Focus Online usw.

Da beißt sich die Kat­ze in den Schwanz: Als Blog­ger hat man bei den vie­len Ver­bän­den immer noch kei­ne Chan­ce, an einen Pres­se­aus­weis zu kom­men. Man braucht ihn aber auch (außer viel­leicht für pein­li­che Pres­se­ra­bat­te) eher sel­ten. Eine klei­ne Umfra­ge ergab: Von den Print‑, Radio- und TV-Jour­na­lis­ten in mei­nem Bekann­ten­kreis ist nie­mand im Besitz eines Pres­se­aus­wei­ses. Ein frü­he­rer Kol­le­ge (heu­te bei einem Pri­vat­sen­der aktiv) schrieb mir gar, er habe „nie!!!! wirk­lich nie!!!!“ mit einem Pres­se­aus­weis gear­bei­tet.

Nur um sicher­zu­ge­hen, dass ich das alles rich­tig ver­stan­den hat­te, frag­te ich bei der Mes­se Ber­lin noch ein­mal nach:

Gera­de im Bereich Musik­jour­na­lis­mus dürf­ten die wenigs­ten Kol­le­gen über einen Pres­se­aus­weis ver­fü­gen, vie­le betreu­en ihre Online­ma­ga­zi­ne und Blogs nicht haupt­be­ruf­lich, aber mit hoher Kom­pe­tenz und eben sol­chem Auf­wand. Sehe ich das rich­tig, dass sie alle kei­nen Anspruch auf eine Akkre­di­tie­rung bei einer Ver­an­stal­tung in der Mes­se Ber­lin haben?

Die Ant­wort über­rasch­te mich nicht mehr wirk­lich:

Guten Tag,
Sie sehen das völ­lig rich­tig. Ohne Nach­weis der haupt­be­ruf­li­chen jour­na­lis­ti­schen Tätig­keit gibt es kei­ne Akkre­di­tie­rung.
Ein Recht auf Akkre­di­tie­rung besteht nicht, es gilt das Haus­recht der Ver­an­stal­tungs­stät­te.

Und bit­te nicht vom Becken­rand sprin­gen, ja?

Aber noch ein­mal ganz lang­sam: die Mes­se Ber­lin, die unter ande­rem die Pop­komm, die Inter­na­tio­na­le Funk­aus­stel­lung und die Jugend­mes­se „You“ aus­rich­tet ((Alles Mes­sen, zu deren Inhal­ten Gerüch­ten zufol­ge auch die­ses ver­rück­te neue Medi­um „Inter­net“ und des­sen Mög­lich­kei­ten gehö­ren sol­len. Im ver­gan­ge­nen Jahr fand sogar die „Web 2.0 Expo“ in der Mes­se Ber­lin statt.)), akkre­di­tiert aus­schließ­lich „haupt­be­ruf­lich täti­ge Jour­na­lis­ten“.

In den Richt­li­ni­en für die „You“ steht sogar klipp und klar:

Nut­zer von Blogs (Blog­ger) unter­lie­gen den genann­ten Richt­li­ni­en von Inter­net-Redak­tio­nen. Ohne gül­ti­gen Pres­se­aus­weis gel­ten Blog­ger als Pri­vat­per­son und wer­den nicht akkre­di­tiert.

Ob ich zur Pop­komm fah­re oder nicht (natür­lich nicht) war mir inzwi­schen egal. Ich woll­te auch gar nicht mehr wis­sen, ob eine Pres­se­ak­kre­di­tie­rung kos­ten­los ist oder nicht. ((Die Drei-Tages-Pres­se­päs­se in Köln, die man gegen Vor­la­ge eines „Redak­ti­ons­nach­wei­ses“ erhielt, kos­te­ten etwa 100 DM, wie sich ein Kol­le­ge erin­nert.))

Dafür woll­te ich von der Mes­se Ber­lin wis­sen, wie das zusam­men­passt: das Aus­rich­ten von Medi­en­mes­sen auf der einen und das Aus­gren­zen von Blog­gern, E‑Zinern und Bür­ger­jour­na­lis­ten auf der ande­ren Sei­te. Und ob die „all­ge­mei­nen Zugäng­lich­keit des Inter­nets“ es wirk­lich der­art unmög­lich macht, eine Aus­wahl zu tref­fen, wen man rein­lässt und wen nicht.

Das ist jetzt eine Woche her und es ist wohl nur kon­se­quent zu nen­nen, dass ich noch kei­ne Ant­wort bekom­men habe.