Was hab ich jetzt wieder angestellt?
Andererseits könnte es natürlich auch sein, dass ich nach meinen Sympathiebekundungen für Semino Rossi (und meinem Loblied auf Bata Illic) einfach zur Zielgruppe gehöre.
Was hab ich jetzt wieder angestellt?
Andererseits könnte es natürlich auch sein, dass ich nach meinen Sympathiebekundungen für Semino Rossi (und meinem Loblied auf Bata Illic) einfach zur Zielgruppe gehöre.
Zu einer Zeit, in der normale Menschen schlafen, habe ich mich mit Unterstützung von Stefan in Klatschblogs (auch bekannt als Kloaken des Internets) herumgetrieben, habe amerikanische Gerichtsakten für Geld heruntergeladen und hatte hinterher einen Artikel darüber, wie ein Verrückter Gerichte beschäftigt und Onlinemedien um den Verstand bringt.
Sie finden die Ergebnisse unserer Recherchen im BILDblog und in englischer Fassung in unserer English Edition.
Deutschland hat – Sie werden das mitbekommen haben – seit ein paar Tagen endlich eine Kanzlerkandidatin. Helga Zepp-LaRouche, bis zum Aufstieg von Gabriele Pauli Gesamtführende in der Kategorie “Frauen mit den meisten Parteimitgliedschaften”, hat in der vergangenen Woche ihre Kandidatur für die “Bürgerrechtsbewegung Solidarität” (BüSo) bekanntgegeben.
Diese Nachricht ist vielleicht psychologisch spannender als politisch: Was mag in einem Menschen vorgehen, dessen Partei bei der letzten Bundestagswahl 0,1% erreichte (und die bei der Europawahl im Mai die zweitniedrigste Stimmenzahl von allen 32 Parteien bekommen hat), und der es daraufhin für eine gute Idee hält zu sagen: “Hey, da nenn’ ich mich mal nicht Spitzenkandidatin, sondern Kanzlerkandidatin”? Zumal ihre erste Kanzlerkandidatur (damals noch für die “Europäische Arbeiterpartei”) nun auch schon wieder 33 Jahre zurückliegt und damals überraschenderweise nicht so erfolgreich wie erhofft verlief. (Für die Jüngeren: Bundeskanzler blieb damals ein Mann namens Helmut Schmidt.)
Frau Zepp-LaRouche erklärt in 67.595 Zeichen, warum sie als Kanzlerkandidatin kandidiere (zum Vergleich: das ist mehr als der achtfache Umfang der Unabhängigkeitserklärung der USA), und lässt doch die entscheidende Frage unbeantwortet:
Des öfteren werde ich gefragt, wieso es kommt, daß ich mich seit nunmehr 37 Jahren für eine neue gerechte Weltwirtschaftsordnung und ein neues Bretton-Woods-System einsetze, obwohl Wahlerfolge in der Vergangenheit ausgeblieben seien.
Der Fairness halber muss man sagen, dass Zepp-LaRouche, ihr Mann, der “mehrfache Präsidentschaftskandidat” Lyndon LaRouche und die “Bürgerrechtsbewegung Solidarität” schon länger vor dem Zusammenbruch der Weltwirtschaft gewarnt hatten — genau genommen so lange, dass man nicht genau sagen kann, ob es nun eine präzise oder nicht eher eine zufälligerweise zutreffende Vorhersage war. Und selbst vor diesem Hintergrund bleibt es fraglich, ob man seine Stimme deshalb gleich einer umstrittenen “Polit-Sekte” (“Frankfurter Allgemeine Zeitung”, 26. September 1994) geben muss.
Viel sagt Helga Zepp-LaRouche in ihrem Wahlprogramm übrigens nicht. Es ließe sich mit “Alles doof, so wie es ist” ganz gut zusammenfassen.
Deshalb müssen wir auch zurück ins Zeitalter der großen “Dichter und Denker”:
Woher soll die Veränderung kommen, wenn die Politiker untertänig, die Manager korrupt, die „Künstler” der Gegenwartskultur voller Drogen und die Massen verwildert sind?
Es folgen längliche Ausführungen, denen man anmerken kann, mit welcher … äh: Kreativität die Autorin das Wort “entartet” zu Umschiffen versuchte:
Was heute meist unter Kreativität verstanden wird, gleicht eher im besten Falle jenen zufällig vom Künstler an die Wand geworfenen Arabesken, von denen Kant irrtümlicherweise meinte, sie hätten einen höheren künstlerischen Wert als das Werk, in dem man die Absicht des Autors erkennen könne.
(Es gehört natürlich eine gewisse Nonchalance dazu, Kant mal so eben in einem Nebensatz abzubügeln. Man hat ja wichtigeres zu tun, als sich mit so einem angestaubten Denker rumzuschlagen.)
Und dann gewährt uns Helga Zepp-LaRouche noch einen tieferen Einblick in ihr Kunstverständnis:
Als Bundeskanzlerin wäre die klassische Kultur nicht der reichen Oberschicht vorbehalten, die sich die Eintrittskarten bei den Festivals leisten kann, sie würde allen Bürgern zugänglich gemacht. […] Die öffentlichen Medien würden beauftragt, der Bevölkerung klassische Kunst zu präsentieren, die nicht vom Regie-Theater und ähnlichen Bearbeitungen ruiniert wäre, selbst wenn man dafür zwischenzeitlich auf historische Aufführungen zurückgreifen müßte.
Da werden sich die “öffentlichen Medien” aber freuen, wenn die Bundeskanzlerin ihnen vorschreibt, was sie zu senden haben. Und die Bürger erst: Sie werden nicht mehr klamottige Dauerwerbesendungen schauen, sondern Videoaufzeichnungen von Inszenierungen August Kotzebues im Weimarer Nationaltheater.
Und über all das dürfen sie auch noch selbst entscheiden. Die 0,1% stehen.
Für den Fall, dass Sie immer schon mal einen Einblick in mein Unterbewusstsein haben wollten:
Kurz bevor ich heute erwachte, stand ich auf der Besucheretage des Berliner Reichstags, wollte aber dringend nach unten zum Eingang. Also drängelte ich mich in einen der großen gläsernen Fahrstühle, in dem plötzlich Frank-Walter Steinmeier neben mir erschien und in Jeans und Pullover einer offenbar befreundeten Reisegruppe etwas erklärte.
Der Fahrstuhl fuhr hinab und hielt an und Steinmeier musste seine Ausführungen unterbrechen, weil gerade das neueste Kunstwerk im Reichstagsgebäude eingeweiht wurde: ein riesiges hölzernes Treppenhaus. Im Fahrstuhl! Es sprach eine Stimme, die sich darüber freute, mit einem Hauskauf die ganze Republik gefoppt zu haben, und die erstaunlich an den österreichischen Gesundheitsonkel Hademar Bankhofer erinnerte. Angesprochen wurde sie vom Moderator des Events aber mit “Herr Fritzl, der größte Künstler unserer Zeit.”
Bitte entschuldigen Sie, falls ich heute noch ein bisschen verwirrter sein sollte als sonst schon.
Mal angenommen, Sie müssten ein Foto betexten, in dem unter anderem dieses Detail vorkommt:
Würden Sie es nicht exakt so machen wie der Kollege von “einestages”?
Mit Dank an Nico K.
Waschen Sie sich den rechten Arm, pieksen Sie kleine Reichskriegsfähnchen in den Käse und hängen Sie die Hakenkreuzgirlande auf: Wir haben einen neuen Nazi-Vergleich!
Die katholischen Traditionalisten der Priesterbruderschaft St. Pius X. hat sich im Vorfeld des Stuttgarter Christopher Street Days zu einer bemerkenswerten Aussage hinreißen lassen, wie “Spiegel Online” berichtet:
“Wie stolz sind wir, wenn wir in einem Geschichtsbuch lesen, dass es im Dritten Reich mutige Katholiken gab, die sagten: ‘Wir machen diesen Wahnsinn nicht mit!’. Ebenso muss es heute wieder mutige Katholiken geben!” heißt es in dem Text. Die Bruderschaft stellt den CSD als “eine Menge von sich wild und obszön gebärdenden Menschen” dar, die durch die Straßen Stuttgarts ziehen und suggerieren wollten, “Homosexualität ist das Normalste der Welt”.
Dieser Vergleich ist in zweierlei Hinsicht beeindruckend: Erstens war der Widerstand der Katholiken im Dritten Reich, vorsichtig gesagt, nicht sonderlich erfolgreich. Es dürfte also feststehen, dass nur noch eine Allianz aus den USA, Großbritannien, Frankreich und der Sowjetunion Deutschland von der Homosexualität befreien könnte. Und zweitens war der Nationalsozialismus laut Piusbruderschaft ja gar nicht so schlimm.
Hier berufen sich also Leute stolz auf den erfolglosen Widerstand gegen ein – ihrer Meinung nach – nur mittelmäßiges Verbrechen. Normale menschliche Gehirne wären wegen Überhitzung längst auf Not-Aus gegangen.
Auch “Bild” berichtet über die “Kampfansage” der Piusbrüder — natürlich nicht, ohne vorher noch ein bisschen Papst-Klitterung zu betreiben:
Nachdem Anfang des Jahres Pius-Bischof Williamsons den Holocaust leugnete und daraus ein Streit zwischen Pius-Bruderschaft und Vatikan entbrannte, folgt nun der nächste Hammer.
(Für die Jüngeren: Führende Piusbrüder hatten den Holocaust schon öfter geleugnet. Die öffentliche Diskussion entzündete sich daran, dass Papst Benedikt XVI. die Exkommunikation von vier Bischöfen der Bruderschaft aufgehoben hatte.)
Jetzt schießt kreuz.net, das inoffizielle Zentralorgan der Piusbruderschaft, zurück und beginnt seine Hasstirade völlig unverblümt:
Spätestens jetzt wird die Einrichtung von Gaskammern unvermeidlich – dieses Mal nicht für die von den Deutschen getöteten religiösen Juden, welche die Homo-Perversion genauso verabscheuten wie es heute die Altgläubigen tun.
Immer wieder überraschend, wie viele Haken so ein Kreuz schlagen kann.
Wer sich zaghaft der ganz eigenen Welt von Politikern annähern will, sollte folgende Worte ein paar Mal im Kopf hin- und herschieben:
Ich halte es für falsch und nicht machbar, im Internet unliebsame Inhalte durch Sperren oder das Kappen von Verbindungen zu unterdrücken.
Das hat nicht etwa irgendein Kritiker der vor einer Woche beschlossenen Internetsperren gegen Kinderpornographie gesagt, sondern Dr. Martina Krogmann, Verhandlungsführerin der CDU/CSU bei genau diesem Gesetz.
Allerdings jetzt und zu einem etwas anderen Thema.
Der Musicline.de-Newsletter schreibt über “MySpace Playlist Vol. 1”:
Auf dieser Doppel-CD sind alte Hasen wie Placebo und Incubus vertreten, aber auch heiße Newcomer wie Peaches, Death Cab for Cuties und Datarock haben sich einen Platz auf der Platte erspielt.
Ich hab extra noch mal nachgeguckt: Der Text scheint tatsächlich von 2009 zu sein.
Michael Wendler will umziehen — raus aus der durchs “perfekte Promidinner” berühmt gewordenen weißen Villa in Oberlohberg.
Das erklärte der König des Popschlagers und bekannteste Dinslakener der “Rheinischen Post”:
Ein neues Domizil braucht er, weil “die Wendler-Villa in Hiesfeld zur Pilgerstätte geworden ist”. Nachts führen Fans vor, hupten und riefen: “Wendler – komm raus!” Nicht dass ihn das störte, sturmerprobt durch Festzelte und Mallorca, aber er will Adeline schützen, seine siebenjährige Tochter. Die Nachbarn auch.
Und die schützt er vermutlich am Besten, indem er in der Zeitung verkündet, einen stadtbekannten Reiterhof (“das 2003 abgebrannte Gestüt an der Franzosenstraße”) aufkaufen und sich während der Renovierungsarbeiten vom Kamerateam einer Sat.1-Dokusoap filmen lassen zu wollen …
Finden Sie es nicht auch faszinierend, dass “RP Online” als einziges Medium weltweit mit einem Foto vom unterirdischen (!) Atomtest der Nordkoreaner aufwarten kann?
Ach so, das ist gar kein Atompilz:
Ach so, das Foto zeigt das “Symbol des nordkoreanischen Atomprogramms” bei seinem Abriss. Und der war eigentlich als Signal für die Aufgabe des nordkoreanischen Atomprogramms gewertet worden.
Nachtrag, 23:50 Uhr: “RP Online” hat das Foto entfernt — und durch einen Hinweis auf die Klickstrecke “Nordkoreas Raketen-Arsenal im Überblick” ersetzt.
Es gibt Sätze, die liest man, dann stockt man, liest sie noch mal und wundert sich. Solche Sätze gehören meist zu völlig irrelevanten Artikeln und stehen in gefühlt zwei Dritteln aller Fälle bei “RP Online”.
So auch dieser:
Statistiken belegen, dass 57 Prozent der Japanerinnen unter 34 unverheiratet sind.
Nun habe ich spontan keine dezidierte Statistik gefunden, wohl aber eine Bevölkerungspyramide. Deren Zahlen stammen zwar aus dem Jahr 2000 und beziehen sich jetzt auf die Japanerinnen unter 35, aber mit ein bisschen Grafikspielerei wird trotzdem deutlich, wie man sich “57 Prozent der Japanerinnen unter 34” ungefähr vorzustellen hat (grüne Linie):
Nachtrag für alle Rot-Grün-Blinden:
Da ich mal hoffe, dass die Quote der unverheirateten Japanerinnen unter 15 bei 100% liegt, und da diese Gruppe schon rund ein Drittel der Unter-35-Jährigen ausmacht, sollte klar sein, dass 57% aller Frauen unter 34 keine auffallend hohe Zahl für Unverheiratete wäre — eher im Gegenteil.
Das einzige, was ich in dieser Richtung an Statistiken gefunden habe, ist ein Satz aus einem “NZZ”-Artikel von 2007, der auch gleich zeigt, wie aus den Zahlen ein Brautschuh wird:
Heute sind in Japan rund sechzig Prozent aller Frauen im Alter von 30 Jahren unverheiratet, und bei den 34-Jährigen haben noch immer rund vierzig Prozent keinen Bund fürs Leben geschlossen.
Und wehe, Sie fragen jetzt, ob ich eigentlich nichts besseres zu tun habe!