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Austisten unter sich

Stefan Aust wird ab 1. Januar 2009 nicht mehr Chefredakteur des Hamburger Nachrichtenmagazins “Der Spiegel” sein, das wurde am Donnerstag bekannt.

Kaum war die Meldung raus, freuten sich vor allem die Blogger, dass der umstrittene, als Machtmensch verschriene Aust gehen muss und verliehen ihrer Freude vor allem durch Namenswitze Ausdruck. Coffee And TV stellt die schönsten Wortspiel-Überschriften vor:

Nachtrag 17:35 Uhr: Bulo von Clap hat mich noch auf die passende Illustration, die allerdings schon fünf Monate alt ist, hingewiesen.

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Literatur Politik

Licht aus, Spott an

Wie kann man heutzutage in Deutschland eigentlich noch wirklich provozieren? In Zeiten, in denen schon jeder und alles mit irgendwelchen Nazi-Sachen verglichen wurde, muss man sich was neues einfallen lassen: den Kohl-Vergleich.

Erfunden hat ihn Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse in der “Leipziger Volkszeitung”. Zumindest zitiert diese ihn wie folgt:

Müntefering geht, weil ihm Privates in einer entscheidenden Lebensphase wichtiger als alles andere ist. Ein Einschnitt?

Es ist eine unpolitische Entscheidung, dass Franz Müntefering seine Frau in der letzten Phase ihres Lebens direkt begleiten will. Seine Frau im Dunkeln in Ludwigshafen sitzen zu lassen, wie es Helmut Kohl gemacht hat, ist kein Ideal. Ohne dass das vergleichbar wäre. Die Politik ist nicht das Allerwichtigste. Man sollte sich in solchen Phasen das Recht nehmen, auch einmal still zu halten. Es ist nicht so, dass man ein Schwächling ist, wenn man nicht immer sofort in diesen unmenschlichen Entscheidungsdruck verfällt.

Zitat: lvz-online.de

Zur Erinnerung: Hannelore Kohl, die Frau von Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl, litt schon während dessen Amtszeit an einer schweren Lichtallergie, die sie zuletzt dazu zwang, in einem völlig abgedunkelten Haus zu leben, und nahm sich im Juli 2001 das Leben (vgl. dazu auch dieses geschmackvolle “Spiegel”-Titelbild).

So, wie Thierse von der “Leipziger Volkszeitung” zitiert wird, wäre das natürlich eine etwas unglückliche, vielleicht auch schlichtweg geschmacklose Äußerung. Thierse sah seine Ausführungen zunächst einmal als “falsch und verkürzt” wiedergegeben und schrieb dem Altkanzler einen persönlichen Brief, in dem er bedauerte, dass “ein falscher Eindruck entstanden sei”. (Man beachte dabei den alten PR-Trick und bedauere nicht seine Äußerungen, sondern den Eindruck, der durch sie entstanden sein könnte.)

Unterdessen schrien Politiker aller Parteien schon Zeter und Mordio und versuchten, die Nummer zu einem Riesenskandal hochzujubeln, in dessen Windschatten die heutige Diätenerhöhung medial untergehen könnte.

Wer verstehen will, wie Politik und Medien heutzutage funktionieren, muss nur diesen Artikel bei n-tv.de lesen:

“Die Äußerungen von Herrn Thierse sind für mich menschlich zutiefst unverständlich. Sie grenzen für mich an Niedertracht”, sagte Merkel der “Bild”.

[…]

Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) sprach von einem “Tiefpunkt im Umgang” unter Kollegen. CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer sagte, ein Bedauern reiche “hinten und vorne nicht”. “Das ist des Deutschen Bundestags nicht würdig. FDP-Chef Guido Westerwelle hat recht, wenn er sagt, er kann sich durch einen solchen Vizepräsidenten nicht repräsentiert fühlen.” Westerwelle sprach im “Kölner Stadt-Anzeiger” von “unterirdischen” Äußerungen.

Sie sehen schon: Die reden alle übereinander und mit der Presse, aber in keinem Fall miteinander – und das Volk sitzt daneben wie das Kind geschiedener Eltern, die nur noch über ihre Anwälte miteinander kommunizieren.

Im “Bild”-Artikel kommen noch ein paar weitere Hochkaräter zu Wort:

Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) empört: „Schäbig und geschmacklos!“ Junge-Union-Chef Philipp Mißfelder: „Parteichef Kurt Beck muss Thierse sofort zur Ordnung rufen.“

Und weil die Luft langsam dünn wurde, schaltete Thierse einen Gang höher und entschuldigte sich heute morgen per Brief “in aller Form” bei Helmut Kohl. Richtiger noch: Er bat um Entschuldigung, was ja heutzutage auch eine sprachliche Seltenheit ist.

Wie reagiert eigentlich Kohl auf den Brief seines alten Freundes und das ganze Theater drum herum? Mit der ihm üblichen staatsmännischen Größe und Gelassenheit:

“Ich nehme diese Entschuldigung an. Zum Vorgang selbst will ich sonst nichts sagen.”

Ich weiß schon, warum der Mann auf ewig “mein” Kanzler bleiben wird.

Nachtrag 17. November: Gerade erst festgestellt, dass diese erste öffentliche Erwähnung des Namens Helmut Kohl seit Monaten zufälligerweise mit der Präsentation des dritten Bands von Kohls Autobiografie zusammenfiel …

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Digital

Filmen gegen die Todesstrafe

Mein Video “Charlotte Roche liest BILDblog” ist auch bei Sevenload zu sehen, was soweit nicht ungewöhnlich ist, da ich es selbst dort hochgeladen habe.

Etwas irritiert bin ich aber über die letzte Zeile der Statistik “Websites, die auf dieses Video verweisen”:

1 mal angesehen auf tagesschau.de
Screenshot: Sevenload.com

Nun finde ich auf http://www.tagesschau.de/ausland/todesstrafe6.html eine ganze Menge, aber nichts, was auch nur ansatzweise auf einen Zusammenhang mit meinem Video hindeuten könnte.

Hat irgendjemand, der sich mit diesem Internetz besser auskennt als ich, vielleicht eine Idee?

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Digital

Charlotte Roche las BILDblog

Die Maßeinheit für verspätet vorgetragene Zeitgeistthemen heißt “Polylux”. Entsprechend unangenehm ist es mir, meinen eigenen kleinen Film mit ein paar Impressionen der BILDblog-Lesung erst jetzt, nach vollen sieben Tagen, präsentieren zu können. Er hing so lange hinter den sieben Hardenbergen, bei den sieben Hardenzwergen fest. Oder auf deutsch: Es gab erhebliche technische Schwierigkeiten, die zu 85% auf meiner geringen Weitsicht beruhten.

Aber jetzt ist er ja endlich da und Sie sollen ohne weitere zu Gesicht bekommen, wie es war, als Charlotte Roche, die in Wirklichkeit noch charmanter, aber auch noch ein bisschen kleiner ist als im Fernsehen, BILDblog las:

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Gesellschaft Rundfunk Digital

Wo die Maus die Locken hat

Ich bin der Meinung, wir hatten diese Woche noch nicht genug Pubertäts- und Nackedeicontent. Das lässt sich aber ganz schnell ändern:

Letzten Freitag veröffentlichte “Spiegel Online” einen Artikel unter der Überschrift “Wirbel um Vanessa Hudgens: Die Teeniestars und das sehr private Foto”. Wirbel um mir persönlich völlig unbekannte Menschen finde ich immer interessant und so erfuhr ich, dass Vanessa Hudgens in dem popkulturellen Ereignis unserer Zeit mitgespielt hat, das völlig an mir vorbeigegangen ist: “High School Musical”. Der “Wirbel” um das “sehr private Foto” bestand darin, dass im Internet ein Foto aufgetaucht war, das die 18jährige Schauspielerin unbekleidet zeigt. Eine Situation, die einer nicht gerade geringen Zahl ihrer (nicht prominenten) Altersgenossinnen ebenfalls drohen könnte.

Nun ist es ja sowieso schon mal ein interessanter Ansatz, über einen “US-Shootingstar” zu berichten, der 98% der eigenen Zielgruppe völlig unbekannt sein dürfte. Noch cleverer ist natürlich, im Internet über Nacktfotos im Internet zu berichten – man muss die Bilder ja nicht mal zeigen oder verlinken, die Leser werden sie schon von ganz alleine finden. Und siehe da: Jo, es gibt ein Nacktfoto, man kann es an vielen Orten finden und es ist, um es vorsichtig auszudrücken: unspektakulär. In Deutschland findet man das in jedem Biologiebuch der achten Klasse und jede Woche in der “Bravo”, in den USA halt eher nur auf den Festplatten von Teenagern und irgendwann dann halt im Internet.1

Man kann den sonst ausschlachtungswütigen US-Medien noch nicht mal vorwerfen, sie hätten sonderlich aufbrausend über den Fall berichtet. Miss Hudgens entschuldigte sich für den Vorfall (bzw. dafür, die Bilder je angefertigt zu haben) und auch als das Gerücht die Runde machte, sie habe diese oder ähnliche Bilder vor ein paar Jahren per E-Mail an den (in Deutschland nun völlig unbekannten) Nickelodeon-Star Drake Bell geschickt, sagt der Disney Channel in einer Erklärung nur:

“Vanessa has apologized for what was obviously a lapse in judgment. We hope she’s learned a valuable lesson.”

“Spiegel Online”, denen die Geschichte wirklich am … äh: Herzen liegen muss, schrieb gestern dann:

Sollte Hudgens ihre Rolle weiter spielen dürfen, könnte das Saubermann-Image des Konzerns Schaden nehmen. Schließlich könnten, so spekuliert das Blatt, weitere ähnliche Bilder auftauchen. Die Alternative wäre, die Aktrice aus der Show zu werfen. Doch dann müssten Millionen Eltern in ganz Amerika ihren Kindern erklären, warum ihr Liebling nicht mehr im dritten Film mitspielt – und das könnte für Disney ein noch größeres Desaster werden.

Es scheint also zumindest so, dass Disney die Zugkraft von Vanessa Hudgens für das franchise höher einschätzt als die “verstörende Wirkung” der Bilder. Das findet nicht nur der Blogger McCafferty bemerkenswert:

With that, an enormous scandal simply evaporated. Disney responded in a mature and adult manner, and the rest of Hollywood said, “Oh…”

I just do not get it! Hollywood executives behaving in a completely civilized way. What is our world coming to?

If this type of behavior were to continue, who knows what else might happen or might have happened? Imagine George Bush in 2002-2003 telling the nation that he really wanted to invade Iraq, but his inspectors were not able to find weapons of mass destruction. Would George really have said, “Let’s avoid a blood bath and spend our time fighting the real war on terror.”

Nun kann man hinter der ganzen Aktion natürlich einen geschickten PR-Schachzug vermuten, denn immerhin kennen Sie und ich nun Vanessa Hudgens (möglicherweise sogar besser, als uns lieb ist). Andererseits dürfte der derzeitige Ausgang der Geschichte so kaum zu erwarten und das Risiko deshalb enorm gewesen sein.

Die Elternverbände, die jetzt vielleicht noch ein bisschen randalieren werden, fallen unter die Rubrik “Brauchtum” und ihre Mitglieder wären besser beraten, ihren eigenen Kindern ein paar Grundregeln in Sachen E-Mail-Versand von Fotos beizubringen.

Und falls Disney sie doch noch rausschmeißt: Vanessa Hudgens soll ein Angebot über 500.000$ von “Girls Gone Wild” vorliegen.

1 Das Phänomen einer wachsenden Zahl junger Leute, die Halbnackt- oder Nacktbilder von sich selbst ins Internet stellen, werde ich zu einem späteren Zeitpunkt zu behandeln versuchen.

Nachtrag 14. September: “Spiegel Online” hat an dem Thema wirklich einen Nackten Narren gefressen und bringt heute schon die dritte Meldung über Vanessa Hudgens: Sie habe ihren Auftritt in der Tonight Show mit Jay Leno abgesagt.

Der Text kulminiert in diesem Absatz:

Hudgens ist bereits die zweite Jungschauspielerin, die in der jüngsten Vergangenheit dem TV-Talker Jay Leno einen Korb gegeben hat. Erst im Juli hatte sich Lindsay Lohan nach einer Trunkenheitsfahrt geweigert,
bei Leno aufzutreten (mehr…).

Der arme Jay Leno …

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Rundfunk Gesellschaft

Das Ende der Herman-Schlacht

Manchmal bin ich doch überrascht von der Schnelligkeit eines öffentlich-rechtlichen Senders.

Da schreibt das “Hamburger Abendblatt” am Freitag als einzige anwesende Zeitung darüber, dass Eva Herman bei der Präsentation ihres neuen Buches “Das Prinzip Arche Noah” die “Wertschätzung der Mutter” im Nationalsozialismus als “sehr gut” bezeichnet habe (mehr zur “relativ eingeschränkten” Wertschätzung der Mutter bei den Nazis gibt’s bei wirres.net) und schon am Sonntag vermeldet “Welt Online” Vollzug:

Volker Herres, NDR-Programmdirektor Fernsehen, sagte: „Frau Hermans schriftstellerische Tätigkeit ist aus unserer Sicht nicht länger vereinbar mit ihrer Rolle als Fernsehmoderatorin und Talk-Gastgeberin. Dies ist nach ihren Äußerungen anlässlich einer Buchpräsentation in der vergangenen Woche deutlich geworden.“

Im Gegensatz zu 3,7 Millionen anderen Arbeitslosen in Deutschland wird Frau Herman auch ohne ihren Posten als freie NDR-Mitarbeiterin gut verdienen, denn vermutlich wird gerade diese Geschichte den Erfolg ihres Buches noch weiter vorantreiben.1 Trotzdem finde ich es beruhigend, dass Personen, die derart unreflektiert über die Zeit des Nationalsozialismus sprechen, nicht weiter durch Fernsehgebühren finanziert werden.

[via Pottblog]

1 Auch wenn ich glaube, dass ihre Bücher mehr gekauft und weniger gelesen werden.

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Rundfunk Leben

Nach dem Ende des Tunnels

Jetzt isse also auch schon zehn Jahre tot, die Prinzessin. Noch immer wollen viele Leserinnen von Wartezimmerauslegeware nicht glauben, dass das glamouröse Leben von “et Daiänna” endete, weil ihr betrunkener Fahrer einen Mercedes mit überhöhter Geschwindigkeit gegen einen Betonpfeiler jagte.

Wie später bei den Anschlägen des 11. September oder vorher bei der Ermordung John F. Kennedys (die deutlich Älteren werden sich erinnern …) weiß heut noch jeder, wo er an diesem schönen Sonntagmorgen war, als er “davon” erfuhr. Alternativ hat sich das Unterbewusstsein aus der Wirklichkeit und den Milliarden Berichten, die man seitdem über diese Ereignisse gesehen hat, eine eigene, vielleicht spannendere Version dieses Moments zurechtgebogen.

Ich taperte an diesem 31. August 1997 – von einer ein paar Tage zurückliegenden Operation noch leicht gehbehindert – durch die elterliche Wohnung und vernahm auf WDR2 (es ist immer WDR2, wenn irgendwas schlimmes passiert) einen Nachrichtensprecher, der folgenden Satz vorlas: “Bundespräsident Herzog hat in einem Telegramm den Prinzen William und Harry sein Mitgefühl ausgedrückt.”

“Was ist da los?”, dachte ich, fragte ich und bekam ich berichtet. Und obwohl mir Prinzessin Diana bis zu diesme Moment nun wirklich sowas von egal gewesen war, war ich doch … Nein, nicht geschockt oder berührt oder so: verwirrt. Ich nahm die Nachricht zur Kenntnis und widmete mich dem, was ich schon seit Ewigkeiten mache, wenn irgendetwas schlimmes passiert ist: Ich versuchte, alle Informationen über das Ereignis aufzusaugen.

Ich erinnere mich daran, dass ich es irgenwie unpassend fand, dass WDR2 “Mmmm, Mmmm, Mmmm, Mmmm” von den Crash Test Dummies spielte (“Once there was this kid who got into an accident and couldn’t come to school”), dass wir am Nachmittag in “Mr. Bean – Der Film” waren, und dass am Abend nichts anderes im Fernsehen kam als die tote Prinzessin. Alle Menschen sprachen nur noch davon, Milliarden sahen die Beerdigung im Fernsehen und ich schnitt mir den neuen Text von Elton Johns “Candle In The Wind” aus der Zeitung aus und versuchte, das Lied auf dem Klavier nachzuspielen. Nach anderthalb Wochen war mir das englische Königshaus wieder völlig egal.

Und wenn dieser Tage wieder überall über die Prinzessin berichtet wird und der Satz “Sie wird nie vergessen werden” fällt, dann ist das eine self-fulfilling prophecy.

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Politik

Biegen und Brechen

NRW wird seit zwei Jahren von einer schwarz-gelben Landesregierung regiert, die es binnen kürzester Zeit geschafft hat, dass sich die Bevölkerung die zuletzt verhasste rot-grüne Vorgängerregierung zurückwünscht. Wer nach dem Machtwechsel geglaubt hatte, es könne ja eigentlich nur noch besser werden, wurde negativ überrascht. Redet man mit Menschen, die ein bisschen Einblick in das Innere dieser Landesregierung haben, möchte man das Land danach so schnell als möglich verlassen: Vom Ministerialrat bis zum Minister scheinen alle mindestens unfähig (aber wie und wo sollten die in 100 Jahren SPD-Regierung auch Erfahrung sammeln?) und von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers heißt es, er sei selbst zum Vorlesen vorgeschriebener Reden nicht zu gebrauchen.

Aber was ist schon eine desaströse Bildungs- oder Baupolitik gegen äußerst fragwürdige (und unterirdisch schlecht verschleierte) Taktierereien?

Die “WAZ” meldet heute, die Landesregierung wolle die Kommunalwahl 2009, die für den selben Tag wie die Bundestagswahl vorgesehen war, verschieben:

Nach Informationen der WAZ haben die Generalsekretäre von CDU und FDP den Verantwortlichen im NRW-Innenministerium aber bereits diktiert, dass “aus politischen Erwägungen” eine Kopplung von Kommunal- und Bundestagswahl unerwünscht sei.

Meinungsforscher rechnen bei einer Doppelwahl mit einer deutlich höheren Wahlbeteiligung, weil sie vor allem viele der wahlmüde gewordenen SPD-Anhänger zurück an die Urnen holt. Das gute Abschneiden von CDU und FDP bei der Kommunalwahl 2004 wurde auch mit der im Vergleich zur Bundestagswahl 2005 dramatisch niedrigeren Beteiligung (54,4% Komm./ 81,3% Bund) erklärt.

Nochmal: Die Generalsekretäre von CDU und FDP wollen keine gemeinsame Kommunal- und Bundestagswahl, weil dann mehr SPD-Anhänger zur Bundestagswahl gehen könnten und gleichzeitig ihrer Partei auch bei der Kommunalwahl ihre Stimme geben könnten. Und das soll das Innenministerium jetzt regeln.

Es geht aber nicht nur um dieses leicht fragwürdige politische Taktieren, es geht auch knallhart um etwa 42 Millionen Euro, die zwei entkoppelte Wahlen mehr kosten würden. Von dem zusätzlichen Aufwand für Wahlhelfer und Wahlkämpfer mal ganz zu schweigen.

[via Pottblog]

Nachtrag 21. August: Auch heute berichtet die “WAZ” wieder über das Thema und lässt u.a. Oppositionspolitiker zu Wort kommen, die die Idee naturgemäß nicht so doll finden. Auch der WDR hat unter Berufung auf die “WAZ” groß darüber berichtet, ein bisschen kleiner die “Ruhr Nachrichten”, der “Kölner Stadt-Anzeiger”, die “Westdeutsche Zeitung”, die “Kölnische Rundschau” und das “Westfalen-Blatt”.

Noch irgendwelche größeren NRW-Medien ohne Fahrschein? Ja: “Express”, “Bild” und die “Rheinische Post”.

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Digital Gesellschaft

Auf nach Nordkorea!

Kennen Sie die Firma Callactive? Callactive ist eine Endemol-Tochter, die Anrufspielshows produziert, die nachts im Fernsehen laufen.

Ich hätte (wie viele andere vermutlich auch) nie im Leben von Callactive gehört bzw. mir diesen Firmennamen nie gemerkt, wenn Callactive nicht den Betreiber des kritischen Webforums call-in-tv.de vor Gericht zitiert und es damit auch in ein Mainstream-Medium wie “Spiegel Online” geschafft hätte. Oder wenn Callactive nicht Stefan Niggemeier, einen der meistgelesenen deutschen Blogger, abgemahnt hätte (für Kommentare, die Leser abgegeben hatten), was dann sogar dem österreichischen “Standard” eine kurze Meldung wert war.

Als ahnungsloser, naiver Zuschauer (des Geschehens, nicht der Sendungen) sitze ich vor solchen Meldungen und frage mich, ob man es im Umfeld von Callactive wirklich für klüger hält, im Kontext der Prozesse von renommierten Medien als “der umstrittene Gewinnspieleveranstalter Callactive” bezeichnet zu werden, als die Kritik der Webkommentatoren (auch wenn diese mitunter etwas überspitzt formuliert sein mag) einfach zu ignorieren. Immerhin dürften call-in-tv.de und das Blog von Stefan Niggemeier (durchschnittlich 5.000 Besucher täglich) deutlich weniger Leser haben als die Anrufsendungen Zuschauer und die Schnittmenge beider Zielgruppen dürfte verschwindend gering sein.

Jedenfalls: Callactive hat Stefan Niggemeier ein weiteres Mal abgemahnt – wieder geht es um einen Leserkommentar:

Es geht um einen Kommentar, den ein Nutzer am vergangenen Sonntag um 3.37 Uhr früh unter diesem Eintrag abgegeben hat. Ich habe diesen Kommentar unmittelbar, nachdem ich ihn gesehen habe, gelöscht: Das war am Sonntag um 11.06 Uhr.

Zunächst einmal fällt auf, dass man Stefans Blog bei Callactive offenbar mit Argusaugen beobachtet – wem sonst wäre ein mitten in der Nacht geschriebener und am Sonntagvormittag gelöschter Kommentar zu einem Blogeintrag, der zuvor während Stefans Urlaub und meines Blogsittings zehn Tage lang für Kommentare gesperrt gewesen war, aufgefallen?

Dann fällt auf, dass da offenbar endlich Klarheit geschaffen werden soll auf dem Gebiet der immer noch recht schwammigen Forenhaftung. Eine Klarheit, die Stefan so sieht:

Hätte Callactive mit diesem Vorgehen Erfolg, wäre das meiner Meinung nach das Ende der offenen Diskussion in Foren und Blogs, in den Leserkommentaren von Online-Medien und im Internet überhaupt. Selbst Beiträge, die unmittelbar nach ihrem Erscheinen vom Seitenbetreiber gelöscht werden, könnten dann kostenpflichtige Abmahnungen nach sich ziehen; sämtliche Kommentare müssten vor ihrer Veröffentlichung überprüft werden.

Man möchte hinzufügen: Und selbst, wenn der Betreiber eines Forums oder Blogs alle Kommentare vor der Veröffentlichung überprüfen und nur die ihm unbedenklich erscheinenden freischalten würde, könnte er hinterher immer noch belangt werden, falls sich irgendeine abwegige Interpretation des Geschriebenen finden und vor Gericht durchdrücken ließe.

Mit dieser Angst müssten aber nicht nur Blogger leben, auch die Kommentar- und Diskussionsfunktionen namhafter Online-Medien wie “Spiegel Online”, “sueddeutsche.de” oder “FAZ.net” könnten allenfalls noch mit einem enormen Personalaufwand aufrechterhalten werden. Bewertungsportale wie Ciao, Qype, ja: selbst Amazon müssten ständig in Sorge sein über das, was ihre User und Kunden da an (gewünscht subjektiven) Einträgen verfassen.

Mit anderen Worten: Es ginge schnell nicht mehr “nur” um Meinungs- oder Pressefreiheit, es ginge auch ganz knallhart um wirtschaftliche Aspekte, denn kein Unternehmen begibt sich bereitwillig auf juristische Minenfelder. Es geht, liebe Politiker, auf lange Sicht um Steuergelder, das Bruttoinlandsprodukt und – *tataaaa* – Arbeitsplätze. Deutschland könnte irgendwann wie Nordkorea sein, nur ohne Kim Yong-Il. Das will sicher niemand, auch nicht die Politiker, die jeden Tag aufs Neue zu beweisen versuchen, dass sie von den sog. neuen Medien nicht den Hauch einer Ahnung haben.

Um vom Abstrakten wieder zum Konkreten zu kommen: Callactive dürfte es mit der jüngsten Aktion gelungen sein, das Blogosphären-Thema dieser Tage zu werden: Bei Spreeblick, einem der anderen vielgelesenen Blogs in Deutschland, ist man Thema, aber auch hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier. Eigentlich ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch die “klassischen” Medien das Thema für sich entdecken.

In einigen Blogs sind inzwischen sogar Kommentatoren aufgetaucht, die sich “Callactive” nennen und den angeblichen Satz, um den sich diesmal alles dreht, zitieren (er wurde inzwischen von den Blog-Betreibern unkenntlich gemacht). Sollte dieser Kommentar echt sein (was Callactive gegenüber dem Blogger Valentin Tomaschek zu bestätigt haben scheint), wäre das höchst interessant: Erstens wäre es recht offensichtlich, dass Callactive das Internet sehr genau auf mögliche Erwähnungen des Firmennamens überwacht (was natürlich ihr gutes Recht ist), und zweitens hätte Callactive den Satz, den zuvor niemand kannte und dessen weitere Verbreitung man mit der Abmahnung an Stefan verhindern wollte, damit lautstark in die Welt getragen. Außerdem verweist der Kommentar auf den einzigen halbwegs Niggemeier-kritischen Blogeintrag zum Thema bei F!XMBR, was wiederum Chris von F!XMBR dazu brachte, sich von der lobenden Erwähnung seines Blogs in den vermeintlichen Callactive-Kommentaren zu distanzieren.

Es könnte interessant sein, sich heute Abend doch mal Callactive-Sendungen (auf Viva, Nick und Comedy Central) anzusehen …

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Sport

Doping-Liveblog

17:55 Uhr: Auf das hier hingewiesen worden.
17:57 Uhr: Bei SpOn nachgeschaut:

Neuer Skandal bei der Tour de France: Alexander Winokurow ist bei einer Dopingprobe positiv getestet worden. Bei dem Astana-Fahrer wurde eine Fremdbluttransfusion nachgewiesen.

18:03 Uhr: Je ne parle pas français.
18:09 Uhr: Okay, damit wird Andreas Klöden auch nicht mehr ins Geschehen eingreifen können:

Wie die französische Sporttageszeitung “L’Equipe” berichtet, wird sich das Astana-Team nach der positiven Probe von Winokurow mit sofortiger Wirkung von der 94. Frankreichrundfahrt zurückziehen.

(Aktualisierte “Spiegel Online”-Meldung)
18:13 Uhr: team-astana.eu ist down. War ja irgendwie zu erwarten.
18:17 Uhr: Jetzt auch endlich Sport bei n-tv: dort gelten Doping und Astana-Rückzug als Fakt.

Ich geh jetzt zur pl0gbar und melde mich vielleicht von unterwegs noch mal. Sonst später am Abend.

25. Juli, 00:15 Uhr: Wieder da. Erstmal die ganzen Nachrichten im Feedreader durcharbeiten …

00:34 Uhr: Irgendwas ist da zwischen Mitschreiben, Übersetzen und Umstellen bei der Netzeitung schiefgegangen. Der folgende Absatz ergibt jedenfalls höchstens halbwegs Sinn:

Tour-Direktor Christian Prudhomme sprach von einem «Versagen des Systems», das das größte Radrennen der Welt nicht ausreichend schütze. Der Astana-Rückzug sei die einzig mögliche Reaktion gewesen, sagte Patrice Clair von der Amaury Sports Organisation, die die Tour vermarktet. Dies habe er dem Team deutlich gemacht. «Ich habe seit Jahren immer wieder gesagt, wir sind in einem gnadenlosen Kampf gegen Doping. Aber wir werden den Betrügern das Feld nicht überlassen.»

Schön bildhaft auch der Bericht bei sueddeutsche.de:

Prudhomme forderte zudem ein neues System für den Radsport, womit der Weltverband UCI mit seiner unzureichenden Kontrollarbeit gemeint war. “Ich habe jetzt keinen genauen Plan, aber wir brauchen eine Revolution”, rief er mit hochrotem Kopf. “Doch selbst in dieser Scheiße, in der wir sitzen, geben wir nicht auf – die Fahrer sollen sich fürchten und Angst haben.”

14:05 Uhr: Um 15 Uhr soll der Name eines weiteren Dopingsünders veröffentlicht werden. Wir sind gespannt.
14:43 Uhr: Was nehmen eigentlich Jansch und Migels?

Migels: Sag mal, reißen die Bären eigentlich auch Kühe, oder nur Schafe?

15:52 Uhr: Noch ist immer noch kein Name genannt. Die Hubschrauberkamera für die Eurosport-Bilder sorgt bei mir gerade für gesundheitliche Probleme.

17:51 Uhr: Laut L’Equipe ist der neueste Dopingfall Cristian Moreni vom Cofidis-Team.

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Rundfunk Sport

Fahrrädchen im Wind

So ganz genau weiß man bei der ARD offenbar auch nicht, was man will, meint oder vorhat: Als letzten Mittwoch herauskam, dass eine Dopingprobe aus dem Training des T-Mobile-Fahrers Patrik Sinkewitz positiv war, stiegen ARD und ZDF angewidert aus der Live-Berichterstattung aus und inszenierten sich im eigenen Programm (für meinen Geschmack einen Tacken zu lautstark) als Gralshüter des guten Geschmacks und der öffentlichen Ordnung. Dann übernahm Sat.1 die Tour-Übertragung und neben einigen Politikern fand auch WDR-Chefin Monika Piel diese Entscheidung nicht gut.

Während Sat.1 mit grottenschlechter Live-Berichterstattung beeindruckte (die heute mit einem Jan-Ullrich-Interview einen neuen Tiefpunkt erreichte), berichtete die ARD weiterhin über die Tour – nur eben nicht live. Wo da der qualitative Unterschied liegen soll, weiß der Henker – es wird ja im Ersten niemand ernsthaft erwartet haben, da werde sich ein Radfahrer live eine Spritze in den Arm drücken, was man dann für die Zusammenfassung rausschneiden kann.

Heute meldet “Spiegel Online”, die ARD wolle ab morgen – morgen ist Ruhetag! – ein 25minütiges Tour-Magazin senden. Ein “Umdenken”, wie SpOn es nennt, ist das natürlich (s.o.) nicht, aber so wirklich glaubwürdig ist so langsam nichts mehr an dieser Tour: Nicht nur, dass der derzeit im gelben Trikot fahrende Däne Michael Rasmussen unter Dopingverdacht steht und der zweitplatzierte Alberto Contador auch eine etwas zweifelhafte Vergangenheit zu haben scheint – auch das Theater um die Berichterstattung spottet in diesem Jahr jeder Beschreibung.

Man kann davon ausgehen, dass den Leuten, die jetzt noch die Tour de France gucken, so ziemlich alles egal ist – die Fahrer könnten im Ziel Robbenbabies opfern und die (in Deutschland schwachen) Zuschauerzahlen würden kaum weiter abnehmen. Schaden können Tour und Umfeld jetzt nur noch den beteiligten Fernsehsendern: Sat.1 hat miserable Quoten, denen wohl auch die ab morgen einsetzende öffentliche Empörung über das Ullrich-Interview nicht mehr viel helfen können wird, und die ARD verheddert sich in einem Netz aus “Ja!”, “Nein!” und “Vielleicht!”.

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Rundfunk Politik Fernsehen

Acht- und Sachgeschichten

Ich glaub, ich verbring die nächsten Tage ausschließlich mit Phoenix-Gucken. Das Programm, das die aus Heiligendamm senden, muss man sich so vorstellen, wie wenn ARD und ZDF letztes Jahr rund um die Uhr von der Fußball-WM berichtet hätten, aber die Kameras nach den Nationalhymnen hätten abschalten müssen.

Dafür gibt es die ganze Zeit Gespräche mit Experten, die man sonst nie kennengelernt hätte – vorhin zum Beispiel mit dem Klimaforscher Mojib Latif. Zwischendurch wird an die Front geschaltet, wo Anwohner vorgestellt werden, die die Demonstranten mit Kaffee versorgen, dann werden direkt hinter dem Moderator Greenpeace-Boote aufgebracht. Wann bekommt man schon Weltpolitik, Lokalkollorit und Action gleichzeitig geboten?

Ich hätte mir allerdings gewünscht, dass bei den Übertragungen auch Lippenleser zur Verfügung stehen. Zu gern hätte ich erfahren, worüber Nicolas Sarkozy, Tony Blair, Wladimir Putin und George W. Bush mit Angela Merkel gescherzt haben. Überhaupt: Von Bush gab es heute Morgen eine sehr schöne Szene, wie er mal wieder die Bundeskanzlerin anflirtete.

Ich könnte mir dieses Geplänkel stundenlang angucken. Und solange die Staats- und Regierungschefs sich benehmen wie Teenager auf Klassenfahrt, können sie auch keine politischen Fehlentscheidungen treffen.