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Fernsehen Rundfunk

Here we are now, entertain us!

„TV Total“ ist nicht mehr so gut, wie es frü­her ein­mal war. Das wis­sen wir spä­tes­tens seit Peer Scha­ders Arti­kel für die FAS (und, äh: die WAZ). In der Tat taucht fast nichts mehr von dem, was die Sen­dung frü­her aus­mach­te (und ihr ihren Namen gab) in den heu­ti­gen Shows auf.

Auf der ande­ren Sei­te gilt: Ste­fan Raab ist bes­ser denn je. Bei­na­he unbe­merkt hat er bei Pro 7 all die Pos­ten besetzt, für die ande­re Sen­der eine hal­be Fuß­ball­mann­schaft, wenigs­tens aber Tho­mas Gott­schalk, Harald Schmidt, Die­ter Boh­len, Gün­ther Jauch, Ralph Sie­gel und, äh: Axel Schulz brau­chen. Er hat­te als Musi­ker bis­her acht Top-Ten-Hits, schick­te drei Acts (dar­un­ter sich selbst) zum Schla­ger-Grand-Prix, erfand her­nach aus Trotz über die erfolg­lo­sen Teil­nah­men den Bun­des­vi­si­on Song Con­test, ist Wok-Welt­meis­ter und Grim­me-Preis-Trä­ger, sowie mehr­fach wegen Ver­let­zung der Per­sön­lich­keits­rech­te ver­ur­teilt wor­den. Zuletzt sorg­te er für eine Renais­sance der Sams­tag­abend­show und wenn er dem­nächst sei­ne Cas­ting-Show „SSDSDSSWEMUGABRTLAD“ star­tet, kann man sicher sein, dass auch dies ein Erfolg und eine wich­ti­ge Unter­stüt­zung des Musik­nach­wuchs sein wird.

In der letz­ten Zeit legt Raab bei „TV Total“ das Ver­hal­ten an den Tag, das bei Harald Schmidt zu beob­ach­ten war, als der noch von allen (und vor allem: zu Recht) gut gefun­den wur­de: Er wirkt immer mehr, als inter­es­sie­re ihn die Sen­dung gar nicht mehr, und setzt dadurch neue Akzen­te. So ver­brach­te er vor eini­gen Mona­ten die Hälf­te der Sen­dung auf einem Seg­way ste­hend und wie wild durchs Stu­dio rol­lend – eine Akti­on, für die Schmidt gleich drei Grim­me­prei­se bekom­men hät­te.

Ges­tern zeig­te Ste­fan Raab mal wie­der eine neue Sei­te: Bei „TV Total“ war der Pia­nist Mar­tin Stadt­feld zu Gast, mit dem sich Raab ein zunächst etwas zickig wir­ken­des, dann aber höchst unter­halt­sa­mes Gespräch lie­fer­te. Je län­ger sich die Bei­den unter­hiel­ten, des­to offen­kun­di­ger wur­de Raabs Fas­zi­na­ti­on auch für die klas­si­sche Musik. Er warf mit Mozart und Bach um sich, schaff­te es aber anfangs noch gekonnt, den Gast als Fein­geist und sich selbst als alber­nen Halb-Intel­lek­tu­el­len zu insze­nie­ren. Als er sein Publi­kum im Saal und vor den Fern­seh­ge­rä­ten dann voll­ends ver­lo­ren hat­te, war er aber mit so viel Freu­de dabei, dass ein wei­te­rer ange­kün­dig­ter Gast schlicht­weg auf sei­nen Auf­tritt ver­zich­ten muss­te. Statt­des­sen gab es – wohl erst­ma­lig in der Geschich­te von Pro 7 – Bach (Johann Sebas­ti­an, nicht Dirk oder Bodo) auf dem Kon­zert­flü­gel.

Seit die­sem Auf­tritt (der Stadt­felds aktu­el­le CD in den Ama­zon-Ver­kaufs­rän­gen nach oben schie­ßen ließ), fra­ge ich mich, wie Raab wohl ohne sein Publi­kum wäre. Ohne den ewi­gen „Show­prak­ti­kan­ten“ Elton und ohne die puber­tä­ren Scher­ze, die die Zuschau­er erwar­ten. Was zum Bei­spiel pas­sier­te, wenn man ihm eine Sen­dung bei 3Sat gäbe (Absur­de Idee? Oli­ver Pocher wech­selt zur ARD!).

Man kann von Ste­fan Raab hal­ten, was man will, aber er ist wahr­schein­lich einer der fünf wich­tigs­ten Medi­en­men­schen in Deutsch­land. Was er macht, zieht er mit einem mit­un­ter beun­ru­hi­gen­den Ehr­geiz und Ernst durch. Und er schafft es heut­zu­ta­ge noch, medi­en­wirk­sa­me „Skan­da­le“ aus­zu­lö­sen, die nur indi­rekt etwas mit Talent­show-Jurys zu tun haben. Eigent­lich könn­te er „TV Total“ doch ein­fach ganz Elton über­las­sen …