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In Sachen Facebook

Bob Dylan hat vie­le ent­schei­den­de Fra­gen gestellt: Wie vie­le Stra­ßen muss ein Mann ent­lang­ge­hen, bis man ihn einen Mann hei­ßen darf? Wie vie­le Mee­re muss eine wei­ße Tau­be über­flie­gen, bevor sie im Sand schläft? Wie lang kann ein Berg exis­tie­ren, bis er ins Meer ero­diert ist? Und auch, wenn die Ant­wort eh irgend­wo im Wind weht, fehlt eine ent­schei­den­de Fra­ge (die 1963 frei­lich schwer pro­gres­siv bis völ­lig unver­ständ­lich gewe­sen wäre): Wie oft muss man eine Freund­schafts­an­fra­ge bei Face­book ableh­nen, bevor der Anfra­gen­de end­lich ver­steht?

Face­book ist ver­mut­lich jetzt schon das wich­tigs­te Ding seit Erfin­dung des World Wide Web. Es ersetzt das eige­ne Tele­fon­buch (oder über­nimmt es ein­fach), ist Kon­takt­ver­zeich­nis und ‑bör­se zugleich, dar­über hin­aus Rau­cher­ecke, Spiel­platz, Ver­an­stal­tungs­ka­len­der und was nicht noch alles. Außer­dem hat es eine besorg­nis­er­re­gen­de Macht und – wie jedes ordent­li­che Com­pu­ter­un­ter­neh­men – einen nicht weni­ger besorg­nis­er­re­gen­den Chef. (David Fin­cher hat gera­de einen Film über Mark Zucker­berg gedreht – das macht er sonst nur bei Seri­en­mör­dern, Psy­cho­pa­then und Men­schen, die immer jün­ger wer­den.)

Nichts­des­to­trotz ist Face­book auch ein wich­ti­ger Bestand­teil mei­nes Leben, wobei man nie ver­ges­sen darf, dass es nicht das Leben ist (zur Unter­schei­dung: Face­book ist das, wo man sich ein paar Stun­den Zeit las­sen kann, um schlag­fer­tig zu sein). Und wäh­rend man­che Leu­te das alte MySpace-Prin­zip (für die Jün­ge­ren: MySpace war 2006 halb so wich­tig wie Face­book heu­te) wei­ter­ver­fol­gen, das eigent­lich ein Pani­ni- oder Poke­mon-Prin­zip ist und „Krieg‘ sie alle!“ lau­tet, dürf­ten die Meis­ten Face­book doch eher als die Sum­me aller bis­her ange­häuf­ten Freun­des­krei­se nut­zen, ange­rei­chert um eini­ge lose Bekann­te und Ver­wand­te und um Leu­te, die einem noch mal wich­tig sein könn­ten.

Ich ach­te ziem­lich genau dar­auf, wen ich bei Face­book als „Freund“ hin­zu­fü­ge, und auch wenn ich mich wohl von mei­nem Plan ver­ab­schie­den muss, nie mehr als 222 Kon­tak­te zu haben, ist es doch ein eini­ger­ma­ßen eli­tä­rer Hau­fen. Alle paar Mona­te gehe ich mit der Hecken­sche­re durch mei­ne Kon­takt­lis­te und ent­rüm­pel sie von Kar­tei­lei­chen und Leu­ten, die schlicht­weg – Ver­zei­hung! – ner­ven. Ich hal­te es nur für höf­lich, bei Freund­schafts­an­fra­gen, die nicht völ­lig offen­sicht­lich sind („Luke, ich bin Dein Vater!“), kurz hin­zu­zu­fü­gen, woher man sich ken­nen könn­te bzw. soll­te. Men­schen, die mit einem ähn­lich selek­ti­ven Namens- und Gesichts­ge­dächt­nis geschla­gen sind wie ich, freu­en sich über der­lei Hin­wei­se. Ande­rer­seits gilt es auch zu akzep­tie­ren, wenn eine Freund­schafts­an­fra­ge igno­riert oder abschlä­gig beschie­den wird – womit wir wie­der bei Bob Dylan wären. Selbst die Funk­ti­on „I don’t even know this per­son“ scheint nicht zu ver­hin­dern, Minu­ten spä­ter schon wie­der von den glei­chen Mas­sen­be­freun­dern ange­fragt zu wer­den, deren Ver­hält­nis zu einem selbst sich auch nach minu­ten­lan­gem Goo­geln nicht erschließt.

Und dann ist da noch etwas: What hap­pens in Face­book stays in Face­book.

Men­schen, die via Twit­ter eine nicht näher defi­nier­te Ziel­grup­pe über Abend­pla­nung, Arbeit­ge­ber und Unter­leibs­be­schwer­den infor­mie­ren, mögen es unver­ständ­lich fin­den, aber bei Face­book spre­che ich zu einem klar umris­se­nen Publi­kum – für unein­ge­schränkt öffent­li­che Ver­laut­ba­run­gen habe ich ja immer noch die­ses Blog. In mei­nem Face­book-Account wird sich nichts fin­den, was streng pri­vat oder gar intim ist, aber es han­delt sich dabei den­noch um clas­si­fied infor­ma­ti­on. Das ist ein Ver­trau­ens­vor­schuss an mei­ne Face­book-Kon­tak­te und wer mein Ver­trau­en miss­braucht, wird hart bestraft. (Na ja: So hart, wie es das Gesetz gera­de noch zulässt. Ich hab ja auch kei­ne Lust, mich vor dem UNO-Tri­bu­nal zu ver­ant­wor­ten.)

Gab’s sonst noch was? Ach ja: Bit­te den­ken Sie ein paar Sekun­den nach, bevor Sie mich zu irgend­wel­chen Ver­an­stal­tun­gen oder in irgend­wel­che Grup­pen ein­la­den wol­len.

PS: Die Deutsch­land­fähn­chen auf den Benutz­er­bil­dern könn­ten dann auch mal lang­sam weg. Es ist vor­bei!