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Musik

Nichts mit Waterloo

Das Maß, in dem bri­ti­sche Nach­wuchs­bands häu­fig gehypt wer­den, ist für Deut­sche oft über­ra­schend. Aber in Groß­bri­tan­ni­en gibt es eben rele­van­te Musik­zeit­schrif­ten, die noch dazu teils wöchent­lich erschei­nen und des­halb viel mehr Künst­ler aufs Cover packen kön­nen, und man hat eh ein ande­res Ver­hält­nis zur Pop­kul­tur.

Oh, Napoleon live

Dass eine deut­sche Nach­wuchs­band schon renom­mier­te inter­na­tio­na­le Acts sup­port­en darf, bevor sie selbst auch nur irgend­was ver­öf­fent­licht hat, kommt dage­gen eher sel­ten vor. Oh, Napo­le­on ((Band­na­men, die Satz­zei­chen ent­hal­ten, stö­ren den Lese­fluss lei­der immer ein biss­chen (vgl. The­ra­py?, WHY?, Get Cape. Wear Cape. Fly, Por­tu­gal. The Man oder Loney, Dear) – aber schö­ner als der vor­he­ri­ge Band­na­me Your Dumb Inven­ti­on ist Oh, Napo­le­on auf alle Fäl­le. Außer­dem gibt es einen Song von The Acorn, der „Oh Napo­le­on“ heißt.)) haben schon mehr­fach vor Por­tu­gal. The Man und Star­sail­or (bei denen ich sie auch ent­deckt habe) gespielt, ihre ers­te EP ist aber erst vor elf Tagen erschie­nen.

Gut, man soll­te an die­ser Stel­le viel­leicht erwäh­nen, dass die Band von Marc Lieb­scher (Sport­freun­de Stil­ler) gema­nagt wird, einen Ver­trag mit Uni­ver­sal hat und auch sonst über eini­ge wich­ti­ge För­de­rer ver­fügt. Das macht die Sache mit den Sup­port-Slots viel­leicht ein­fa­cher, aber sol­che Hin­ter­grün­de nüt­zen auch nicht viel, wenn die Musik nicht stimmt.

Oh, Napoleon liveAber wie die Musik stimmt: Fand ich die Band live schon ziem­lich gut, ver­miss­te aber so ein biss­chen die Span­nung, hat mir die selbst­be­ti­tel­te Debüt-EP vom ers­ten Moment an die Schu­he aus­ge­zo­gen. Der Sound, für den Pro­du­zent Oli­ver Zülch (noch so ein gro­ßer Name: The Notwist, Slut, Die Ärz­te, Juli, …) ver­ant­wort­lich zeich­net, ist glas­klar. Die Gitar­ren, das Kla­vier und die Rhyth­mus­grup­pe bil­den eine sehr gute Grund­la­ge für die – Hil­fe, ich muss schon wie­der eine aus­ge­lutsch­te Musik­jour­na­lis­ten­vo­ka­bel benut­zen! – aus­drucks­star­ke Stim­me der Sän­ge­rin Kat­rin Bini­asch.

Die vier Songs erin­nern an Kath­le­en Edwards, ((Ja ja, zuge­ge­ben: Ich hab auch ewig gebraucht, um Regi­na Spek­tor zu ent­de­cken. Aber wie kann es denn sein, dass Kath­le­en Edwards hier­zu­lan­de der­art über­se­hen wird?)) die Car­di­gans in ihrer „Long Gone Befo­re Daylight“-Phase und diver­se ame­ri­ka­ni­sche Singer/​Songwriterinnen, die man vor allem aus dem Sound­track von „Dawson’s Creek“ kennt. Folk­pop im bes­ten Sin­ne, ide­al für den Herbst und sicher­lich auch voll radio­taug­lich.

Der Ope­ner „To Have (To Lose)“ ist schwung­voll, danach geht es ent­spannt zu. In den Tex­ten geht es um Bezie­hungs­en­den, Ein­sam­keit und Lie­be, „K“ ist mit sei­nem etwas repe­ti­ti­ven Refrain bei mir am nach­drück­lichs­ten hän­gen geblie­ben. Und wenn die Män­ner­stim­men in „A Book Ending“ nicht mehr nur form­voll­ende­te „Uuuuuh“-Chöre bil­den, son­dern mit eige­nem Text und Gesangs­li­nie in den Lead-Gesang rein­grät­schen, ((Na ja, viel­leicht schmie­gen sie sich auch eher an den Lead-Gesang an. Gegrätscht wird bei Oh, Napo­le­on nicht.)) ist das noch mal ein ganz gro­ßer Gän­se­haut­mo­ment.

Seit lan­gem (also: seit First Aid Kit im Febru­ar) hat mich kein New­co­mer so sehr begeis­tert wie Oh, Napo­le­on. War Kre­feld musi­ka­lisch bis­her nur durch Blind Guar­di­an und Andrea Berg auf­ge­fal­len, ((Par­al­le­len zu ande­ren nie­der­rhei­ni­schen Städ­ten mit berühm­ten Pop­schla­ger­in­ter­pre­ten und Nach­wuchs­bands deu­ten sich am Hori­zont an.)) könn­te sich das Dank die­ser fünf unver­schämt jun­gen Musi­ker schon bald ändern. Ich weiß nicht, ob es in Deutsch­land einen Markt für sol­che Musik gibt, ((Und ob man auf dem nicht ein ähn­li­ches Schick­sal erlei­den könn­te wie das One-Hit-Won­der Bell, Book And Cand­le.)) aber ich den­ke schon, dass Oh, Napo­le­on sehr schnell den Sta­tus des Geheim­tipps los­wer­den dürf­ten. Im Früh­jahr 2010 soll das Album erschei­nen – bis dahin wer­de ich die EP ver­mut­lich ein paar hun­dert Mal gehört haben.

Oh, Napoleon - Oh, Napoleon EP (Cover)
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Liv­e­fo­tos: © Mar­ti­na Dri­gnat.