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Mixtape 10/​24

Leu­te, ich sag’s Euch, wie’s ist: Es gibt Zei­ten, die sind ein­fach so voll mit Din­gen, schö­nen wie unschö­nen, dass alles nur so vor­bei rauscht. Und dann ist plötz­lich der Abend des 31. Okto­ber, Kin­der klin­geln an der Tür und rufen „Süßes oder Sau­res!“ und die Begleit­tex­te zum Okto­ber-Mix­tape sind immer noch nicht zur Hälf­te fer­tig.

Aber ich mach das hier alles in mei­ner Frei­zeit und unbe­zahlt (Wenn Ihr mei­ne Arbeit finan­zi­ell unter­stüt­zen wollt, könnt Ihr mei­nen News­let­ter abon­nie­ren und dafür Geld bezah­len!) und mir ist wich­ti­ger, dass Ihr gute Musik hört, als dass ich mir da jetzt noch ein paar Dut­zend Absät­ze aus den Fin­gern sau­ge, von denen ich gar nicht so genau weiß, ob Ihr sie über­haupt lest. *hust*

Jeden­falls: Hier sind 22 Songs, die ich die­sen Monat gehört habe. Ich wün­sche Euch viel Spaß damit!

Meet Me @ The Altar – You’ve Got A Fri­end In Me

Wer auch immer bei Dis­ney auf die Idee gekom­men ist, ein Album zu ver­öf­fent­li­chen, auf dem Pop-Punk-Bands eini­ge der belieb­tes­ten Songs aus den eige­nen Ani­ma­ti­ons­fil­men covern (ein*e Mil­len­ni­al, ver­mut­lich), hat hof­fent­lich eine fet­te Gehalts­er­hö­hung. Dabei sing New Found Glo­ry, Simp­le Plan, Yel­low­card, Plain White T’s, Bow­ling For Soup, Tokio Hotel (!), aber auch Meet Me @ The Altar, die jetzt seit ein paar Jah­ren zu mei­nen „neu­en“ (also: nicht seit Jahr­zehn­ten mit mir rum­ge­schlepp­ten) Lieb­lings­bands gehö­ren.

Die que­er POC all-girl band aus Flo­ri­da covert Ran­dy New­mans „You’ve Got A Fri­end In Me“ aus „Toy Sto­ry“ und drückt damit bei mir sehr vie­le Knöp­fe.

MJ Len­der­man – She’s Lea­ving You

Manch­mal gibt es ja so Namen und Alben, von denen man so oft in ver­schie­de­nen Zusam­men­hän­gen liest, dass man sie ein­fach hören muss: MJ Len­der­mans „Man­ning Fire­works“ ist so ein Album und es ist sogar sogar noch bes­ser, als alle sagen. Die Songs klin­gen, als wür­de ich es schon mein hal­bes Leben ken­nen. Oder, anders: So, wie wenn The Get Up Kids und The Wea­k­erthans sich vor 20, 25 Jah­ren in einer Scheu­ne in Mon­ta­na, in der zufäl­lig noch ein paar Folk-Musi­ker sit­zen, gegen­sei­tig geco­vert hät­ten. (MJ Len­der­man wur­de vor 25 Jah­ren gebo­ren.)

„You can put your clo­thes back on /​ She’s lea­ving you“ ist kein ganz schlech­ter Anfang, es wird danach aber noch bes­ser: Ein Song, der auch Ryan Adams gut zu Gesicht gestan­den hät­te, wenn wir noch Ryan Adams hören wür­den.

Rae Mor­ris – Some­thing Good

Wenn man sich die Nach­rich­ten, die soge­nann­ten Sozia­len Medi­en und oft genug auch den eige­nen All­tag anschaut, könn­te sich der Ein­druck ver­stär­ken, alles, aber auch wirk­lich alles, sei abso­lut furcht­bar. Aber ist es nicht immer am Dun­kels­ten, kurz bevor die Son­ne auf­geht?

Rae Mor­ris, die als bis­her ein­zi­ger Act zwei Mal (2012 und 2018) mei­nen ganz per­sön­li­chen Song des Jah­res ver­öf­fent­licht hat, hat das Gefühl, dass etwas Gutes pas­sie­ren wird, und singt davon in die­sem leicht zap­pe­li­gen Elek­tro­pop-Song. Hof­fen wir alle, dass sie recht hat.

Wil­lie Nel­son – Do You Rea­li­ze??

Wil­lie Nel­son ist jetzt 91 Jah­re alt, hat 101 Stu­dio­al­ben ver­öf­fent­licht, war neben John­ny Cash, Way­lon Jen­nings und dem kürz­lich ver­stor­be­nen Kris Kris­toff­er­son Mit­glied der High­way­men, und wird – trotz sei­nes jahr­zehn­te­lan­gen Mari­hua­na-Kon­sums – ein­fach nicht müde.

Jetzt hat er sich „Do You Rea­li­ze??“ von The Fla­ming Lips vor­ge­nom­men, einen Song von ihrem 2002er Album „Yoshi­mi Batt­les The Pink Robots“, zu des­sen Hin­ter­grund es eine sehr schö­ne Fol­ge „Song Explo­der“ gibt und in dem die Band mit „You rea­li­ze the sun does­n’t go down /​ It’s just an illu­si­on cau­sed by the world spin­ning round“ die Vor­la­ge für Tom­tes „Das ist nicht die Son­ne, die unter­geht /​ Son­dern die Erde, die sich dreht“ („Die Schön­heit der Chan­ce“) lie­fer­te.

Long sto­ry short: „Do You Rea­li­ze??“ ist schon im Ori­gi­nal ein wun­der­schö­ner Song und Wil­lie Nel­son arbei­tet das Lob der zer­brech­li­chen Schön­heit noch ein­mal ganz beson­ders her­aus. Auch Way­ne Coy­ne und Ste­ven Drozd von The Fla­ming Lips sind sicht­lich ange­tan.

Mag­gie Rogers – In The Living Room

Mag­gie Rogers hat­te eigent­lich erst im April ihr drit­tes Album „Don’t For­get Me“ ver­öf­fent­licht, jetzt gibt es schon wie­der neue Musik: „In The Living Room“ klingt wie Aimee Mann — und das ist ja nun wirk­lich nicht das Schlech­tes­te, was man über einen Song sagen kann.

Ceci­ly – Rich

„Im Ceci­ly. Im a young sin­ger /​ song­wri­ter in Nash­ville just try­ing to bring authen­tic lyrics and feel good melo­dies into moments that cap­tu­re who l am and what I belie­ve, while also crea­ting space for you to find out what it means for you too.“ schreibt Ceci­ly über sich selbst.

„Rich“ ist eine Folk­bal­la­de, des­sen Text erst von Sozia­ler Unge­rech­tig­keit han­delt, dann von Pri­vi­le­gi­en, ehe sich alles zu einem hym­ni­schen Lie­bes­lied öff­net.

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Neue Musik von Pet Shop Boys, Crowded House, Maggie Rogers, Kacey Musgraves

Spo­ti­fy setzt uns im Juni vor die Tür. Das ist doof, aber nicht über­ra­schend.

Lukas for­dert erst zum Sturz der Tech-Kon­zer­ne auf und macht dann trotz­dem das Bes­te draus, indem er neue Songs von sei­nen Lieb­lings­bands Pet Shop Boys und Crow­ded House spielt, von Mag­gie Rogers und Kacey Mus­gra­ves und vie­len ande­ren Acts.

Alle Songs:

  • Pet Shop Boys – Loneli­ne­ss
  • Mor­gan Har­per-Jones – Boom­box
  • Vil­la­gers – That Gol­den Time
  • Mag­gie Rogers – Don’t For­get Me
  • Le Shiv – Reg­rets And Hap­pi­ness
  • Kacey Mus­gra­ves – Deeper Well
  • Litt­le Simz – Mood Swings
  • Crow­ded House – Oh Hi
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Musik

Songs des Jahres 2019

Machen wir’s schnell: Hier sind also 25 Songs, die ich ges­tern Abend um 21:57:26 in exakt die­ser Rei­hen­fol­ge für die bes­ten des zurück­lie­gen­den Jah­res hielt!

25. Loyle Car­ner – Loo­se Ends
Ich kom­me ja gene­rell deut­lich bes­ser mit bri­ti­schem Hip Hop klar als mit ame­ri­ka­ni­schem (oder deut­schem, haha­ha), aber Loyle Car­ner ist wirk­lich beson­ders gut, weil sein Sound so unglaub­lich tight und orga­nisch groo­vend ist, wäh­rend er trau­ri­ge Geschich­ten erzählt.

24. J.S. Ondara – Ame­ri­can Dream
Über das Album hab ich schon bei mei­nen Alben des Jah­res geschrie­ben, hier also der Ope­ner. Was ist der ame­ri­ka­ni­sche Traum in Zei­ten, in denen man mit den USA vor allem einen wahn­sin­ni­gen Rea­li­ty-TV-Star ver­bin­det, der irgend­wie zum Prä­si­den­ten wur­de? Hier klingt es fast nach einem Fie­ber­traum:

23. Mag­gie Rogers – Light On
Die gro­ße Fra­ge bei Mag­gie Rogers Debüt­al­bum war natür­lich: Wür­de sie es schaf­fen, nach „Alas­ka“ wei­te­re gro­ße Songs zu schrei­ben? „Light On“ beant­wor­tet die­se Fra­ge ziem­lich ein­deu­tig mit „Ja!“ (Bin ich der Ein­zi­ge, der im Refrain einen Hauch von „Shut Up And Dance“ hört?!)

22. Bet­ter Obli­vi­on Com­mu­ni­ty Cen­ter – Dylan Tho­mas
Wenn Phoe­be Bridgers und Conor Oberst eine Indie-Folk-Super­group grün­den, ist das allei­ne natür­lich schon mal super. Wenn dabei auch noch sol­che Songs rum­kom­men: Umso bes­ser!

21. Bear’s Den – Only Son Of The Fal­ling Snow
Ich bin ja immer ver­gleichs­wei­se spät mit mei­nen Bes­ten­lis­ten: Vie­le Leu­te und Redak­tio­nen ver­öf­fent­li­chen ihre bereits Anfang Dezem­ber. Sie haben dann womög­lich die Drei-Song-Ep ver­passt, die Bear’s Den am Niko­laus­tag ver­öf­fent­licht haben – und damit die­sen wun­der­vol­len Folk­song!

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Musik

Alben des Jahres 2019

Alben spie­len bekannt­lich kei­ne Rol­le mehr – das Medi­um der Zukunft heißt Stream (oder eben halt Kas­set­te)! Ich gebe zu, dass ich letz­tes Jahr zwar wahn­sin­nig vie­le Alben gehört habe, um sie für das inzwi­schen lei­der ein­ge­stell­te „JWD“-Magazin zu bespre­chen (Guten Tag, suchen Sie zufäl­lig noch einen Musik­ko­lum­nis­ten?!), aber in die aller­meis­ten nicht mehr rein­ge­hört habe, nach­dem mei­ne Rezen­si­on fer­tig war.

Dafür habe ich ca. eine Mil­li­on Songs gehört (zu deren bes­ten wir dann als nächs­tes kom­men), aber auch jede Men­ge EPs, die irgend­wie streng genom­men kei­ne Alben sind, weil sie nur fünf bis sie­ben Songs ent­hal­ten, wobei man mit sie­ben Songs auch schon ein Album sein kann und … Puh.

Viel­leicht ist es also das letz­te Mal, dass ich mich im Janu­ar hin­set­ze, um eine Lis­te zusam­men­zu­stel­len, die in die­ser Form nur weni­ge Mil­li­se­kun­den gül­tig ist und hin­ter dem 2. Platz eigent­lich auch aus­ge­wür­felt sein könn­te. Aber heu­te war es noch mal soweit und hier sind sie nun: Mei­ne zehn liebs­ten Alben des Jah­res 2019!

10. Julia Jack­lin – Crus­hing (Spo­ti­fy, Apple Music)
Was bei Julia Jack­lins Zweit­werk vor allem auf­fällt: Wie viel Raum die gan­zen Indie-Folk-Songs hier haben! Die ruhi­gen, weil sie so spär­lich instru­men­tiert sind, die lau­te­ren, weil sie ihn sich ein­fach neh­men. Gleich­zei­tig sind sie einem als Hörer*in wahn­sin­nig nahe (aber nur so nahe, dass ich es auch noch ertra­gen kann). Ein Album, das sich die Auf­merk­sam­keit holt, die es ver­dient.

9. Ider – Emo­tio­nal Edu­ca­ti­on (Spo­ti­fy, Apple Music)
Am Ende geht es in den aller­meis­ten Lie­dern ja eini­ger­ma­ßen deckungs­gleich um fol­gen­de The­men: die eige­nen Gefüh­le, die Gefüh­le ande­rer, Bezie­hun­gen und war­um sie nicht funk­tio­niert haben, das Leben und was man dar­aus macht. So gese­hen erfin­den auch Ider das Rad nicht neu, aber wie Megan Mar­wick und Lily Somer­ville da in ihren Elek­tro-Indie-Pop-Songs über all die­se The­men sin­gen, das ist schon sehr, sehr gut!

8. Car­ly Rae Jep­sen – Dedi­ca­ted (Spo­ti­fy, Apple Music)
Seit sie 2012 for­der­te, man sol­le sie viel­leicht anru­fen, kommt Car­ly Rae Jep­sen alle paar Jah­re mit einer Hand­voll per­fek­ter Pop­songs um die Ecke, die wie für mich gemacht wir­ken. Auch auf ihrem vier­ten Album gibt es wie­der ein­gän­gi­ge Melo­dien und Groo­ves und Tex­te, mit denen sich Teen­ager und Thir­ty­so­me­things iden­ti­fi­zie­ren kön­nen (letz­te­re füh­len sich wegen die­ses 80er-Sounds, der manch­mal bei­na­he ein biss­chen Gefahr läuft, ein Tacken zu viel des Guten zu sein, auch woh­lig an die eige­ne Kind­heit erin­nert). Wie viel Spaß das alles macht, beweist die Queen of Rosé­wa­ve auch bei ihrem Auf­tritt hin­ter Bob Boi­lens Schreib­tisch beim Tiny Desk Con­cert.

7. Craig Finn – I Need A New War (Spo­ti­fy, Apple Music)
Inter­es­san­te Tak­tik: Im April ein Solo­al­bum raus­brin­gen, im August dann eines mit der Haupt­band (das wie­der­um zur Hälf­te aus Songs besteht, die man in den Jah­ren zuvor schon als Sin­gles raus­ge­bracht hat­te), im Okto­ber dann schon wie­der eine neue Solo-Sin­gle. Kei­ne Ahnung, ob wir uns Craig Finn als Work­aho­lic, als Getrie­be­nen oder als glück­li­chen Men­schen vor­stel­len müs­sen – 2019 war er immer­hin gut beschäf­tigt und hat neben dem bes­ten Hold-Ste­ady-Album seit „Stay Posi­ti­ve“ eben auch sein viel­leicht bis­her bes­tes Solo­al­bum ver­öf­fent­licht. Um wirk­lich zu ver­ste­hen, was hier text­lich pas­siert, hilft es, mit Craig Finns Gesamt­werk ver­traut zu sein, das meh­re­re Bands und Jahr­zehn­te umspannt und eher mit Fort­set­zungs­ro­ma­nen als mit Lyrik zu ver­glei­chen ist, aber man kann sich auch ein­fach von der Musik trei­ben las­sen und sei­nem Sprech­ge­sang als eine Art wei­te­res Instru­ment zuhö­ren.

6. Mag­gie Rogers – Heard It In A Past Life (Spo­ti­fy, Apple Music)
Wenn Joni Mit­chell, Neneh Cher­ry, Suzan­ne Vega und Don­na Sum­mer gemein­sam ein Mäd­chen auf­ge­zo­gen hät­ten, wäre das zwar ein grif­fi­ges Bild für leicht hilf­lo­se Musik­jour­na­lis­ten, beschrie­be aber noch nicht annä­hernd, was hier, auf einem der sehn­lichst erwar­te­ten Debüt­al­ben des letz­ten Jah­res, eigent­lich genau los ist. Die Gren­zen zwi­schen „orga­nisch klar“ und „elek­tro­nisch ver­spielt“ ver­schwim­men eben­so wie die zwi­schen Melan­cho­lie und Eupho­rie, Folk und Dis­co, Tag und Nacht.

5. Loyle Car­ner — Not Waving, But Drow­ning (Spo­ti­fy, Apple Music)
Den Album­ti­tel ken­nen Men­schen mit pop cul­tu­re over­ex­po­sure natür­lich schon aus „Rea­dy For Drow­ning“ von den Manic Street Pre­a­chers, aber wer wuss­te schon, dass auch das nur eine Refe­renz auf ein Gedicht der Autorin Stevie Smith war? Eben! Bei Loyle Car­ner gibt’s das Gedicht im Titel­track zu hören, an ande­rer Stel­le spricht sei­ne Mut­ter und wer sich von so etwas nicht abschre­cken lässt, wird ein sen­sa­tio­nel­les Hip-Hop-Album ent­de­cken, wie gemacht für Men­schen, die behaup­ten, mit Hip Hop nichts anfan­gen zu kön­nen: Groo­ves wie auf 50 Jah­re alten Soul-Plat­ten, domi­nan­te Kla­vier- und Blä­ser­klän­ge, klu­ge und nach­denk­li­che Tex­te – wenn die Kids dem­nächst im Eng­lisch-Unter­richt Loyle Car­ner durch­neh­men, kann das nur für alle von Vor­teil sein!

4. Bon Iver – i,i (Spo­ti­fy, Apple Music)
Was mit Jus­tin Ver­non in einer ein­sa­men Wald­hüt­te begann, ist inzwi­schen ein gro­ßes Künstler*innen-Kollektiv mit Mul­ti­me­dia-Shows. Wie­der zugäng­li­cher als beim etwas rät­sel­haf­ten (und natür­lich trotz­dem sehr, sehr guten) letz­ten Album „22, A Mil­li­on“ kom­bi­nie­ren Bon Iver auf „i,i“ (klar, dass es auch dies­mal kein „nor­ma­ler“ Titel sein kann!) die Sounds der bis­he­ri­gen drei Alben zu einem dröh­nen­den, knar­zen­den, groo­ven­den, flir­ren­den, hym­ni­schen, dich­ten, atmen­den, umar­men­den Gesamt­werk, das man viel­leicht immer noch nicht ganz ver­steht, von dem man sich aber auf merk­wür­di­ge Art ver­stan­den fühlt.

3. J.S. Ondara – Tales Of Ame­ri­ca (Spo­ti­fy, Apple Music)
Ich fin­de ja, dass es nur sel­ten nötig ist, die Bio­gra­phie eines Künst­lers zu ken­nen, um sich sei­nem Werk zu nähern. Im Fall von J.S. Ondara soll­te man aber viel­leicht wis­sen, dass der jun­ge Mann in Kenia auf­wuchs, nach einer Dis­kus­si­on dar­über, ob „Kno­cking On Heaven’s Door“ von Guns ’n’ Roses oder jemand ande­rem sei, Bob Dylan für sich ent­deck­te und, nach­dem er des­sen Gesamt­werk in sich auf­ge­so­gen hat­te, beschloss, in des­sen Hei­mat Min­ne­so­ta aus­zu­wan­dern. Was für eine gran­dio­se Geschich­te (bei der es, neben­bei bemerkt, auch nicht ganz so wich­tig ist, ob er schon eine Tan­te in Min­ne­so­ta woh­nen hat­te, bei der er unter­kom­men konn­te – Pop­kul­tur ist kei­ne Poli­tik, sie ist der ein­zi­ge Ort, an dem Fak­ten eine unter­ge­ord­ne­te Rol­le spie­len dür­fen!), die aller­dings auch nicht viel wert wäre, wenn die Musik doof wäre. Das ist sie auf „Tales Of Ame­ri­ca“ aller­dings ganz und gar nicht: Es ist ein gran­dio­ses Folk-Album, dem man das Jahr 2019 jetzt nicht wirk­lich anhört!

2. Liz­zo – Cuz I Love You (Spo­ti­fy, Apple Music)
Der Ope­ner „Cuz I Love You“ ist noch kei­ne zehn Sekun­den alt, da hat man schon einen guten Ein­druck von dem bekom­men, wozu Liz­zo und ihre Musiker*innen in der Lage sind – es fol­gen aber noch jede Men­ge wei­te­re Gele­gen­hei­ten, sich von die­ser Frau und ihrem Album kom­plett umhau­en zu las­sen. Big-Band-Sound, Hip Hop, Funk, Rock: kann sie alles! „Cra­zy, sexy, cool, baby /​ With or wit­hout make­up /​ Got not­hing to pro­ve /​ But I’ma show you how I do“ singt sie und macht es dann „like a girl“ – was in die­sem Fall natür­lich bedeu­tet: mit har­ter Arbeit, einem biss­chen Wut im Bauch und ganz viel Spaß. Mei­ne Fres­se, was macht die­ses Album Bock!

1. Thees Uhl­mann – Jun­kies und Sci­en­to­lo­gen (Spo­ti­fy, Apple Music)
Ich hat­te ja ehr­lich gesagt nicht mehr mit viel gerech­net, als Thees Uhl­mann sein drit­tes Solo­al­bum ankün­dig­te: zu groß und alles über­strah­lend waren die Tom­te-Plat­ten „Hin­ter all die­sen Fens­tern“ und „Buch­sta­ben über der Stadt“ für mich gewe­sen, zu wenig hat­te ich mit den Solo-Sachen anzu­fan­gen gewusst. Und dann hör­te ich zum ers­ten Mal „Jun­kies und Sci­en­to­lo­gen“ und war völ­lig umge­hau­en: Dass die ers­ten vier Songs eines Albums durch­weg geni­al sind, kennt man ja viel­leicht von „Hot Fuss“ von den Kil­lers, fünf von „Cla­ri­ty“ von Jim­my Eat World, aber acht Mega­hits hin­ter­ein­an­der, das hat noch nicht mal „Lon­don Cal­ling“ von The Clash („Jim­my Jazz“, puuuuuh!)! Und auch danach sackt das Level nur mini­mal ab, um aber wie­der auf aller­höchs­tem Niveau zu enden – die bes­te Stel­le des Albums: Die­ses gebrüll­te „Ich fra­ge Dich“ in „Immer wenn ich an Dich den­ke, stirbt etwas in mir“, 80 Sekun­den vor Album-Ende! Was bis dahin alles pas­siert: Hym­nen auf Ste­phen King, Avic­ci, Katy Per­ry und Han­no­ver, Gedan­ken wie „Wie ein Sonn­tag­abend nach einer Land­tags­wahl“ oder „Ich bin der Fah­rer, der die Frau­en nach Hip­Hop Video­drehs nach Hau­se fährt“ und so viel mehr Zei­len, die man mit erho­be­ner Faust laut­stark mit­sin­gen will. Ein Album, das sich anfühlt wie nach Hau­se zu kom­men, wie drei Der­by­sie­ge in einer Woche, wie end­lich mit der Frau, die man seit zehn Jah­ren toll fand, zu knut­schen (ver­mu­te ich mal – ich hab ihre Num­mer an Sil­ves­ter end­lich gelöscht) – aber das habe ich ja im Sep­tem­ber schon auf­zu­schrei­ben ver­sucht. Geni­al!