Ich muss ja zugeben: Für einen Moment dachte ich: “Da hat die ‘Rheinische Post’ aber mal ein schönes Synonym für ‘Karneval’ gefunden!”
Es ging dann aber doch um ganz was anderes …
Ich muss ja zugeben: Für einen Moment dachte ich: “Da hat die ‘Rheinische Post’ aber mal ein schönes Synonym für ‘Karneval’ gefunden!”
Es ging dann aber doch um ganz was anderes …
Die peinliche Absage der Loveparade, die dieses Jahr eigentlich in Bochum stattfinden sollte, bestimmt in den letzten Tagen die Lokalpresse:
Nein, von einem Imageschaden könne keine Rede sein, gab Stadtrat Paul Aschenbrenner (SPD) zu Protokoll. „Weil wir eine verantwortungsbewusste Entscheidung getroffen haben.“
Gut, dass Bochum kein Image hat, was zu Schaden kommen könnte. Und wen interessieren schon junge Menschen, die Krach hören und Rauschgift konsumieren?
Die SPD jedenfalls nicht:
So hatte etwa der SPD-Ortsverein Bochum-Hamme, der schon Wolfgang Clement politisch weitgehend über die Klinge springen ließ, einen Antrag für den Rat vorbereitet, wegen drohender Vermüllung der Anliegerstraßen vom Raver-Tanzvergnügen ganz abzulassen.
In dem Antrag vom 31. Juli 2008 heißt es wörtlich: „Der SPD-Ortsverein Bochum-Hamme sieht in der Ausrichtung der Loveparade 2009 in Bochum keinen kulturellen bzw. nachhaltigen Beitrag zur Verbesserung des Images des Ruhrgebietes bzw. für das Kulturhauptstadtjahr 2010. Die im Rahmen der Organisation entstehenden Kosten und Nachfolgeschäden stehen in keinem Verhältnis zum Nutzen dieser Veranstaltung und sind öffentlich nicht vertretbar.” Bochum solle deshalb die Veranstaltung zurückgeben.
(“WAZ”)
Aber die sehr endliche Kompetenz der SPD manifestiert sich bis ins kleinste Detail:
Im Sommer 2008 verabschiedete der Ortsverein den Antrag an den Rat, die Loveparade in Bochum abzublasen, wegen Gefahr der Vermüllung und anderer Schäden. Zwar wurde der Antrag nie abgeschickt, doch in den SPD-Gremien wie Ratsfraktion und Unterbezirksparteitag sickerte die Ablehnung gleichwohl durch.
(Noch mal die “WAZ”)
Entsprechend gut lässt sich dieser Eiertanz kommentieren:
Wie eine Nachgeburt kommen nun Einschätzungen zu Tage, die darauf hinweisen, dass die Macher der Bochumer Politik mit der Loveparade wenig am Hut hatten. Stattdessen ging die Sorge um, das Thema spalte und könne im Superwahljahr 2009 Wählerstimmen kosten.
Das allerdings ist nicht von der Hand zu weisen. Zu auffällig, wie eindrucksvoll und wortmächtig sich Bochumer Politiker über Konzerthausbau, Cross-Border-Deal und Gott und die Welt verbreitet haben, das Thema Loveparade aber fast gänzlich mieden. […]
Und dann die Kosten: 130 000 Euro allein durch den Einsatz der Feuerwehr und Rettungsdienste. Ganz zu schweigen von hunder-ten Extrabussen. Und der befürchteten Vermüllung. Das wirkt doch sehr wie ein rundes bestelltes Gutachten. Von Leuten, die nicht wirklich wollen.
(Kommentar in der “WAZ”)
Insgeheim dürften spätestens seit dem Erfolg der Loveparade in Essen klar gewesen sein: Bochum ist dem nicht gewachsen. Da das niemand sagen will, fehlte nur ein Grund für die Absage.
Zum Glück gibt es die Gleisbauarbeiten der Bahn.
(Kommentar in den “Ruhr Nachrichten”)
Der publizistische Todesstoß kam allerdings aus der alten Heimat der Loveparade. Ein Provinzporträt in zweieinhalb Sätzen:
Herbert Grönemeyer hat Bochum groß gemacht, aber nicht groß genug. Die Loveparade – Ältere werden sich erinnern – kann dort in diesem Jahr mangels Kapazität nicht stattfinden: Bahnhof zu klein, Miettoiletten ausgebucht, zu wenig Papierkörbe, so etwa.
Der SPD-Fraktionsvorsitzende im Bochumer Stadtrat wird von der “WAZ” übrigens wie folgt zitiert:
Es wurde der Eindruck erweckt, als wären nur Deppen am Werk.
Wie jetzt? “Eindruck”? “als”?
Hape Kerkelings neue Komödie “Ein Mann, ein Fjord” läuft am 21. Januar um 20:15 Uhr im ZDF. Für den Film hat der Komiker ein alte Rolle reaktiviert, die auch schon in “Kein Pardon” zu sehen war: die der Schlagersängerin Uschi Blum.
Weil man das eben heutzutage so macht, bekam Uschi Blum eine Art Viralkampagne spendiert. Das ist zwar bei einem kostümierten Prominenten ein wenig albern, aber mit eigenem MySpace-Profil, offizieller und Agentur-Website (vor dem Anklicken die Lautsprecher runterdrehen!) durchaus aufwendig und mit … äh: Liebe zum Detail gemacht.
Natürlich hat man auch an eine fiktive Biographie gedacht und die besagt, dass Uschi Blum als Hildegard Sterczinski in Dinslaken geboren wurde, sie 1978 4. bei der Wahl zur “Miss Dinslaken” war und sie einige Jahre das Hunde-Nagelstudio “Uschi’s Pfötchen-Salon” in der Dinkelgasse in Dinslaken betrieb.
Nun ist es offen gestanden nur so mittelabsurd, ein Schlagersternchen ausgerechnet aus Dinslaken kommen zu lassen, wenn doch schon der König des Popschlagers dort zuhause ist. Aber als inoffizieller Stadtblogger Dinslakens habe ich natürlich trotzdem versucht, über sein Management Kontakt mit Hape Kerkeling aufzunehmen. Dass der im Moment fleißig Promo macht und nicht auf die Anfragen jedes Feld-, Wald- und Wiesenbloggers reagiert, kann ich durchaus verstehen. Offenbar ist es aber auch den Kollegen in der Lokalredaktion der “Rheinischen Post” (für die ich früher geschrieben habe) nicht gelungen, eigene O-Töne des beliebten Komikers zu bekommen, weswegen man dort den Helbseiter, der wohl unbedingt in die Samstagsausgabe sollte, irgendwie anders füllen muss.
Sie können den Artikel gerne selbst mit der offiziellen “Biographie” und den weiteren Promotexten vergleichen, ich hab Ihnen aber die wichtigste Eigenkreation des Autors hier mal kurz rüberkopiert:
Die [Internetseite] von Uschi ist der Hammer.
Nun ist es vielleicht etwas anderes, ob man eine (fiktive) Künstlerbiographie in weiten Teilen für einen redaktionellen Text übernimmt, oder einfach Werbetexte für Unternehmen abschreibt (wie “RP Online” das ja schon mal macht).
Trotzdem hat der Artikel aus der “Rheinischen Post” in meinen Augen wenig mit Journalismus zu tun. Sein Autor Ralf Schreiner versäumt es, auch nur ein Mal auf die Presseinfo hinzuweisen. Nach einer Einleitung, in der Kerkelings Verkleidung erklärt, folgt über sechs Absätze der leicht modifizierte Promotext. Sowas kann man machen, wenn man Konzerte von Bergarbeiterchören oder Nachwuchsbands ankündigen will — aber nicht, wenn man aus eigenem Antrieb ein großes Porträt für die Samstagsausgabe schreibt.
Die “Neue Rhein Zeitung”, das andere Blatt mit Dinslakener Lokalredaktion, hat am Samstag ebenfalls einen großen Artikel über Uschi Blum gebracht — der allerdings im Super-Duper-Onlineportal Der Westen nicht zu finden ist. Dort steht im Wesentlichen das Selbe drin (Dinslaken, “Miss Dinslaken”, “Uschi’s Pfötchen-Salon”), aber wesentlich kürzer und sogar anmoderiert:
Außerdem hat Uschi im Internet ihren lesenswerten Lebenslauf veröffentlicht. Daraus:
Auch dass die “NRZ” bei der Kontaktaufnahme mit Kerkeling gescheitert ist, erfährt der Leser. Verpackt in einen Infokasten, der zumindest eine nähere Auseinandersetzung mit dem Gegenstand nahelegt:
Ich glaube, ich sollte mich bei Roger Willemsen entschuldigen …
Mit Dank auch an Michael M. für den Hinweis und an meine Mutter für den Scan!
Gestern Nachmittag wurde in der Bochumer Innenstadt eine Zehn-Zentner-Bombe aus dem zweiten Weltkrieg entdeckt. Die Gegend (inklusive des Bermuda3ecks) wurde evakuiert, Straßen und Bahnstrecken gesperrt.
Gerade wollte ich mich mal informieren, ob die Entschärfung denn inzwischen wenigstens vorbei sei und alles gut geklappt hat:
“Der Westen”, das Portal der WAZ-Gruppe, das so gerne “RP Online” als führendes Regionalzeitungsportal ablösen würde, wartet im Bochumer Lokalteil mit einer undatierten Meldung von irgendwann gestern Nachmittag auf, außerdem gibt es eine ebenso undatierte Meldung mit Agenturmaterial auf der Startseite.
Ganz anders die Lokalseite der “Ruhr Nachrichten”:
Die hat einen Artikel von 23:23 Uhr, der es mit etwas Glück noch in die Print-Ausgabe schafft und in den ersten zwei Sätzen des Vorspanns alle wichtigen Informationen liefert:
Der Bombenalarm in der Bochumer Innenstadt ist aufgehoben. Experten des Kampfmittelräumdienstes haben die 500-Kilo-Bombe am Montagabend um 23 Uhr entschärft.
Ach, und auf der Startseite von ruhrnachrichten.de ist es im Moment die Top-Meldung.
Nachtrag, 08:14 Uhr: Den Artikel im überregionalen Teil hat “Der Westen” jetzt durch eine dpa-Meldung mit der geistreichen Überschrift “Bombenfund: 6000 Menschen in Bochum evakuiert” ersetzt.
Auf der Bochumer Seite sieht es immer noch so aus wie heute Nacht. Vermutlich ist die Lokalredaktion der “WAZ” einfach mitevakuiert worden und seitdem hat dort kein Mitarbeiter mehr einen Computer gefunden.
Sven Gösmann, Chefredakteur der “Rheinischen Post”, erklärt im Interview mit dem Düsseldorf Blog, warum seine Zeitung gerade neue Lokalredaktionen aufgemacht hat (was sonst eher selten passiert), und erklärt ganz nebenbei das Erfolgsgeheimnis des “mit Abstand erfolgreichsten nationalen Onlineportals einer deutschen Regionalzeitung” (gemeint ist “RP Online”):
Nur BILD, Süddeutsche und FAZ liegen mit ihren Online-Auftritten vor rp-online. Wie wollen Sie sich online behaupten bzw. Ihre Position noch verbessern und die Zahl der Page Impressions (PI’s) von derzeit 51 Mio. monatlich steigern?
Sven Gösmann: Durch gute Inhalte, eine kontinuierliche technische und journalistische Entwicklung, eine intelligente Bewerbung des Auftritts in der Zeitung (wie auf den neuen Lokalseiten). Online ist kein Konkurrent der Zeitung, sondern beide Kanäle ergänzen sich.
In welche Richtung die kontinuierliche Entwicklung gehen soll, hat er freilich nicht gesagt.
[via Medienlese]
In Dinslaken finden zur Zeit die “DIN-Tage” statt, das Stadtfest in Dinslaken. Da ich aus gutem Grund nicht in Dinslaken bin, ((Dort finden nämlich zur Zeit die “DIN-Tage” statt – außerdem bin ich da eh schon oft genug.)) wollte ich mich im Internet bzw. bei den beiden führenden Lokalzeitungsportale der Region, ach was: Deutschlands ((Der Welt!)) ein wenig darüber informieren, was im Weltzentrum der Selbstironie so “geht”. ((i.e. Wie viele Jugendliche wurden bereits mit Alkoholvergiftung in die örtlichen Krankenhäuser verbracht? Wer hat die traditionelle Teckelzuchtschau auf dem Schulhof meines früheren Gymnasiums gewonnen? Finde ich peinliche Fotos von jemandem, den ich kennen könnte/sollte?))
Die “Neue Rhein Zeitung” beantwortet diese Frage mit einer 79-teiligen Bildergalerie, die vor allem durch ihre unkonventionelle Sortierung und eine gewisse Lässigkeit besticht: Hardrock, Shanty- und Kinderchor wechseln sich auf verstörende Weise ab, ((Ich kann das leider nicht direkt verlinken, in dieser Beziehung liegt der “Westen” weit hinter “RP Online” zurück.)) die sowieso mehr als halbherzige Betextung reißt mittendrin einfach ganz ab.
Natürlich nicht, ohne vorher noch die Grenzen des technisch Machbaren aufgezeigt zu haben:
Was Achim Ramona dort machte, kann der Leser leider nur erraten. Der Blumenstrauß auf dem dazugehörigen Foto legt allerdings nahe, dass es sich um einen Heiratsantrag gehandelt haben könnte.
Dann folgen wieder Trödel- und Mittelaltermarkt, Kirmes, angeheiterte Herrenrunden und Fragen Sie mich nicht, ich habe keine Ahnung, was das mit den Totenköpfen sein soll in munterer Reihenfolge. Das alles ist zwar etwas wüst und halbgar, ((“Nicht schön, aber selten”, wie meine Mutter sagen würde.)) aber diese 79 Bilder vom Samstag lassen keinen Zweifel: in Dinslaken herrscht das, was man “Volksfeststimmung” nennt.
Kommen wir nun zu “RP Online”, bzw. zur Lokalredaktion der “Rheinischen Post”: dort gibt es einen Artikel aus der gestrigen Print-Ausgabe, der auf den Freitag zurückschaut:
Mit dem fairen Kulturcafé und dem Kabarett-Duo „Thekentratsch“ im Burginnenhof sowie einem Senioren-Nachmittag mit Wiener Kaffeehausmusik im Dachstudio starteten gestern die 34. DIN-Tage.
Dazu gibt es einige Fotos ((Noch mal zur Erinnerung: Wir sprechen von “RP Online”!)), die ich hier gerne vollständig und in Originalgröße wiedergeben möchte:
Als wäre man selbst dabeigewesen, nech?
Andererseits will ich nicht meckern: auf der Dinslakener Startseite hat “RP Online” dann doch noch so einiges an Bildergalerien im Angebot. Zum Beispiel den nur acht Wochen alten Klassiker “Toter in Sack gefunden”.
Nachtrag, 23:28 Uhr: Naja. Zu früh gelobt, irgendwie:
Bochum ist mit dem gesamten Ruhrgebiet Teil der Kulturhauptstadt 2010. Eine kleine Gruppe von Sprachakrobaten möchte sich daran mit ihrem Literaturprojekt beteiligen, das sie “Überschriften” nennt.
Erste Kostproben ihres Könnens werden derzeit im Kunstmagazin “WAZ (Lokalteil Bochum)” abgedruckt und sollen auch hier angemessen gewürdigt werden:
Da gibt es informative Kurzprosa mit verstörenden Satzanfängen, die nur wenig länger ist als ein Artikel in der Regionalpresse zum selben Thema:
Es gibt humoristische Spielereien mit Präpositionen:
Und es gibt (über der Metahpern- und Vergleichereichen Parodie auf das journalistische Genre des Kommentars) Kleinode, die in der Tradition der japanischen Haikus stehen:
Halten Sie die Augen offen für weitere Arbeiten des Künstlerkollektivs “Lokalredaktion Bochum”. Unvorstellbar, was passieren würde, wenn diese kreativen Köpfe auch noch die Möglichkeiten des Internets für sich entdeckten!
[mehr Kunst im Alltag]
Ich wollte nicht mehr so viel über Dinslaken bloggen. Wirklich, ich wollte mich lösen. Roger Willemsen hatte ja eh alles gesagt.
Aber dann passierte das hier:
Bei einer Inventur stellte die Stadt vor Kurzem fest, dass ein riesiges Kunstwerk, das seit sieben Jahren im Stadtpark mitten in der Stadt hing, verschwunden war. Man ging an die Presse, befürchtete Diebstahl.
Gestern stellte sich heraus: Der Würfel aus Edelstahlrohren war vor grob einem halben Jahr bei einem Unwetter abgestürzt, von den Mitarbeitern der städtischen Entsorgungsbetriebe eingesammelt und sicher weggeschlossen worden. Sogar das Hinweisschild wurde abmontiert. Seit Februar oder März war niemandem das Fehlen des Objekts aufgefallen und auch bei den Entsorgern hatte niemand mehr daran gedacht. Der Moment, als der Chef des Betriebs in der Zeitung von dem verschwundenen Würfel las, muss ein großer gewesen sein.
(Und wie besonders anstrengender und ironischer Lokaljournalismus geht, zeigen Ihnen heute mal die Kollegen von der “NRZ”.)
Stefan sagt mir regelmäßig, ich solle mich nicht so intensiv mit “RP Online” beschäftigen, das sei ungesund. Und dann schreibt er solche Einträge …
In den Kommentaren findet sich der Versuch einer Relativierung, der ich mich als ehemaliger freier RP-Lokalschreiber eigentlich gerne anschließen würde:
Was dort über das Geschehen in Kaarst-Büttgen, Erkrath oder Tiefenbroich bei RP-Online zu finden ist, hat sicher kein “New York Times”-Niveau, ist aber ganz normaler Lokaljournalismus.
Aber dann bin ich bei einem kurzen Besuch bei “RP Online” versehentlich über einen Lokal-Artikel aus Düsseldorf gestolpert. Es geht um die Traditionsgaststätte “Uel” in der ich auch schon gesessen und Bier etwas getrunken habe:
Dem bisherigen Wirt ist sein Vertrag nicht verlängert worden, er fürchtet, dass nach seinem Abgang die “Ballermann-Szene” in die traditionsreiche Ratinger Straße schwappen wird.
Andererseits:
Stand der Dinge ist also: der aktuelle Wirt muss raus und fürchtet um den Ruf des Traditionshauses, der Eigentümer sagt, es soll im Wesentlichen alles erhalten bleiben. Und Gäste “befürchten”, dass das Lokal ganz schließen könne.
Wie also, glauben Sie, wird dieser Sachverhalt in einer Überschrift zusammengefasst? Also, bei “RP Online” bzw. der “Rheinischen Post”?
Klaro:
Düsseldorfs Oberbürgermeister Joachim Erwin ist in der Nacht zum Dienstag verstorben und da er bereits seit längerem schwer krank war, lagen die Nachrufe natürlich schon fertig getippt in der Schublade.
Während die “Rheinische Post” in salbungsvollen Worten auf das Leben und Wirken zurückblickt, während sogar politische Gegner lobende Worte für den wirklich nicht unumstrittenen Verstorbenen finden, entschied sich die “Neue Rhein Zeitung” (“NRZ”) für einen ganz anderen, eher gewagten Weg: über dem Artikel des Düsseldorfer Redaktionsleiters Frank Preuss prangt zwar das Wort “Nachruf”, aber eigentlich handelt es sich um eine vermutlich lange geplante Abrechnung:
Wer, schwerstkrank und abgemagert, die Öffentlichkeit wissen lässt, dass er am Tag der Arbeit mit Verkehrsplanern in seinem Garten diskutiert, löst nicht Bewunderung aus, sondern Mitleid. Das gilt auch für den, der immer wieder verkündet, wie viele Urlaubstage er der Stadt doch schenke. Wenn es um Düsseldorf ging, dann ging es vor allem um ihn: Vorschläge, die andere machten, hatten kaum Überlebenschancen. Und Erwin genoss über seine gesamte Amtszeit die Mär, dass ohne ihn nichts funktionieren könne in dieser Stadt.
[…]
Erwin, Schnelldenker mit stoiberscher Aktenkenntnis, enormem Fleiß und unbremsbarer Entscheidungsfreude, aber auch unbeherrscht und ohne Korrektiv, war einer, der sich noch selbst vergötterte, wenn andere ihn längst gelobt hatten. Dem es nicht langte, Siege still und damit stilvoll zu genießen: „Ich schwimme auf einer Woge der Begeisterung”, diktierte er Journalisten Ende 2000. Seine Eigenwerbung nahm bald krankhafte Züge an. Sich selbst zu hinterfragen, lag nicht in seinem Universum, Kritiker bügelte er in oft kleinkarierter Form ab. Dass erst Souveränität Größe ausmacht, hat sich ihm nie offenbart.
Nie Fragen, nur Lektionen
Und als er Rudi Assauer, dem Manager des FC Schalke 04, beim Anblick der Gelsenkirchener Arena einen Vortrag darüber hielt, wie man so etwas besser bauen könne, teilte der staunend Belehrte das Schicksal aller Gesprächspartner Erwins: Der glaubte nicht nur alles besser zu wissen, er glaubte es auch besser zu können. Joachim Erwin stellte nie Fragen, er erteilte Lektionen.
Eine Charakterschwäche, die den Ruf der Landeshauptstadt in der Nachbarschaft als Heimstatt der Großspurigen zementierte und Versuche regionaler Zusammenarbeit oft im Keim erstickte. Niemand hatte Lust, sich vorführen zu lassen. „Wer nur geliebt werden will, kann nichts gestalten”, begründete Erwin und gewährte sich so Asyl.
Die Liste derer, die er menschenverachtend behandelte und beleidigte, ist lang. Letztes Opfer: die von ihm nicht erwünschte Umweltdezernentin. Mit Medikamenten vollgepumpt wurde er selbst im Angesicht des Todes nicht entspannter, nur im Ton sanfter. Man müsse auch „mal hören, dass man ein Arsch ist”, hat er bei einem Vortrag einst gesagt. Nur: Wer hätte sich das in einem Klima der Angst getraut?
In den Kommentaren entsponn sich sogleich eine ausgiebige Diskussion (so also kriegt DerWesten seine Community ans Laufen), ob man denn sowas machen könne: eintreten auf einen, dessen Leichnam noch nicht mal kalt ist.
Es gibt Lob für die mutige Entscheidung:
Es gibt und gab nicht viele Journalisten die sich trauen einen Teil der Wahrheit über Herrn Erwin zu schreiben. Einer davon war Herr Preuss.
Die meisten anderen haben geschwiegen.
Es gibt böse Kommentare, die sogar extra das Wort “Schreiberling” aus dem “Ratgeber für erzürnte Leserbriefschreiber” herausgesucht haben:
Der Mann, der da geschrieben hat ist ein völlig unerträglicher Mensch, der von normalen mitteleuropäischen Umgangsformen offensichtlich noch nie etwas gehört hat. Kein Aushängeschild für die Zeitung, sondern einfach nur ein erbärmlicher, mediokrer, kleiner Schreiberling, der an das Niveau eines Joachim Erwin niemals heranreichen wird.
An diesem sehr konkreten Beispiel kann man eine zentrale Frage diskutieren, die nicht nur für den Journalismus, sondern für unsere ganze Kultur wichtig ist: Wie geht man mit Verstorbenen um, über die man bedeutend mehr Schlechtes als Gutes sagen könnte? Streng genommen könnte man lobhudelnde Nachrufe als unjournalistische Lügengeschichten brandmarken und sich über die Aufrichtigkeit von “Schreiberlingen” wie Frank Preuss freuen. Andererseits fallen Sätze wie “eigentlich war er ja schon ‘n Arsch” für gewöhnlich frühestens beim dritten Schnaps nach dem Beerdigungskaffee und nicht unbedingt am offenen Grab.
Das Geheimnis dahinter heißt Pietät und sorgt unter anderem dafür, dass man die Frage “Wie sehe ich aus?” mitunter nicht ganz wahrheitsgemäß beantwortet. Wer das für Lügen hält, findet es vermutlich auch “aufrichtig”, wenn er von unfreundlichen Supermarktkassiererinnen angepflaumt wird.
Letztlich muss wohl jeder für sich selbst beantworten, was schlimmer ist: Ein Nachruf, der die Formulierung “den wären wir los” nur unter Anstrengung vermeidet, oder die Staatstrauer-Ambitionen von “RP Online” (nicht unter “Düsseldorf verliert sein Herz” zu haben), “Center TV” und WDR. Vielleicht auch einfach beides.
Bildergalerien sind nicht so meins, Karneval noch viel, viel weniger. Trotzdem will es mir als eine recht gute Idee erscheinen, ausgerechnet Karnevalszüge in einer Bildergalerie abzufeiern: Der Fotograf ist eh vor Ort und verknippst etliche Filme Speicherkarten und die Kostümierten freuen sich, wenn Sie am nächsten Tag im Internet zu sehen sind.
Gestern war Karnevalszug in Voerde und die Lokalredaktion der “Rheinischen Post” featured dieses Ereignis mit einem Artikel und einer dazugehörigen 27-teiligen Bildergalerie.
Die “Neue Rhein Zeitung”, Teil und Zulieferer des Internet-Regionalportals “DerWesten” hat ebenfalls einen Artikel und eine Bildergalerie. Das habe ich aber nur durch Zufall festgestellt: Der Artikel ist eher eine Meldung und fällt recht kurz aus. Die 31-teilige Bildergalerie ist dort weder erwähnt noch verlinkt und wird auch nicht im Feed verschickt, sie fand ich auf der Übersichtsseite von Dinslaken.
Dinslaken? Hatte ich nicht gerade noch von Voerde geschrieben? Natürlich, aber Dinslaken und Voerde teilen sich einen Lokalteil mit Hünxe. Auf der Übersichtsseite von Voerde fehlt der Zug.
Nachtrag 13:30 Uhr: Im Laufe des Vormittags wurde die Bildergalerie auf der Voerder Startseite hinzugefügt. Vermutlich war am Sonntagabend einfach niemand verfügbar. Die Meldung zum Zug fehlt dort aber immer noch.