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Positive Jam

Ich dach­te ja schon, es wäre die Krö­nung in Sachen Hel­den-Kol­la­bo­ra­ti­on, dass Ben Folds und Nick Horn­by gemein­sam an einem Album arbei­ten (Cof­fee And TV berich­te­te).

Jetzt lese ich, dass Craig Finn, der Sän­ger der von mir hoch­ver­ehr­ten The Hold Ste­ady, gemein­sam mit dem lang­jäh­ri­gen David-Let­ter­man-Autoren Tom Ruprecht an einer Kino­ad­ap­ti­on von Chuck Klos­ter­mans „Far­go Rock City“ arbei­tet.

Zwar kann ich mir im Moment noch nicht ganz vor­stel­len, wie aus einem Buch, das zu wei­ten Tei­len aus dem Theo­re­ti­sie­ren von Hea­vy Metal, Hair Metal und Hard Rock besteht, eine Film­ko­mö­die wer­den könn­te, aber ich ver­traue den bei­den Autoren, die den Film zusam­men mit Klos­ter­man pro­du­zie­ren, da voll. Außer­dem wer­den hier­zu­lan­de alber­ne Quatsch-Rat­ge­ber wie „War­um Män­ner nicht zuhö­ren und Frau­en schlecht ein­par­ken“ zu Kino­pro­duk­tio­nen geprü­gelt, da ist eine Coming-of-age-Geschich­te im länd­li­chen North Dako­ta mit ganz viel Musik sicher der nahe­lie­gen­de­re Stoff.

Aber was für pop­kul­tu­rel­le Mas­hups mit mei­nen per­sön­li­chen Hel­den fin­den als nächs­tes statt? Neh­men Thees Uhl­mann und Max Goldt ein gemein­sa­mes Album auf? Ver­tont Fran Hea­ly die „Cal­vin & Hobbes“-Comics von Bill Wat­ter­son? Nimmt sich Ben Gib­bard ein Buch von Jack Kerouac vor?

Oh.

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Der Buddenbrook-Komplex

Fami­li­en­sa­gen haben in Deutsch­land eine lan­ge Tra­di­ti­on: von den Nibe­lun­gen bis zu den Bei­mers führt ein direk­ter Weg (wenn auch ein ver­schlun­ge­ner) von Geschich­ten, die den Men­schen das Gefühl geben sol­len, ihre eige­ne Fami­lie sei dann viel­leicht doch gar nicht so kaputt. Den unbe­strit­te­nen Höhe­punkt bil­den wohl die „Bud­den­brooks“, jener „Jahr­hun­der­t­ro­man“, den Tho­mas Mann mit 25 Jah­ren ver­öf­fent­lich­te und der ihm Welt­ruhm und Lite­ra­tur­no­bel­preis sicher­te.

Hein­rich Bre­lo­er, der 2001 mit „Die Manns – Ein Jahr­hun­der­t­ro­man“ die nicht min­der span­nen­de Fami­li­en­ge­schich­te der Manns selbst doku­men­tiert hat­te, hat sich in sei­nem Spiel­film­de­büt nun den 750-Sei­ten-Klas­si­ker vor­ge­nom­men und auf kurz­wei­li­ge zwei­ein­halb Stun­den her­un­ter­ge­bro­chen. Der Ein­fach­heit hal­ber lässt Bre­lo­er min­des­tens eine Gene­ra­ti­on (die von Johann Bud­den­brook dem Älte­ren) und zwei Kin­der (Cla­ra Bud­den­brook und Eri­ka Grün­lich) außen vor und kon­zen­triert sich direkt auf Jean und Beth­sy Bud­den­brook und ihre (jetzt nur noch drei) Kin­der. Das redu­ziert das unüber­sicht­li­che Cha­rak­ter­en­sem­ble auf eine bei­na­he nach­voll­zieh­ba­re Grö­ße, führt aber auch dazu, dass Fami­li­en­tra­di­ti­on und ‑ehre nicht mehr direkt erzählt, son­dern maxi­mal berich­tet wer­den.

Der „Ver­fall einer Fami­lie“, so der Unter­ti­tel des Romans, wird in die­ser vier­ten Ver­fil­mung teils poin­tiert, teils hek­tisch abge­han­delt. So ziem­lich alles, was in Manns Roman über die Lübe­cker Kauf­manns­fa­mi­lie Bud­den­brook span­nend und außer­ge­wöhn­lich ist, ist bei Bre­lo­er banal gera­ten. Das liegt mög­li­cher­wei­se dar­an, dass der Regis­seur ein erklär­ter Fan des Romans und sei­nes Autors ist – sowas geht sel­ten gut und es funk­tio­niert auch hier nur bedingt. Wenn man die inne­ren Kämp­fe, die der Dreh­buch­au­tor und Regis­seur zwi­schen Werk­treue und behut­sa­mer Neu­in­ter­pre­ta­ti­on aus­ge­stan­den hat, hin­ter­her auf der Lein­wand sehen kann, ist etwas gewal­tig schief gelau­fen.

Den Schau­spie­lern kann man das nicht wirk­lich anlas­ten: Armin Muel­ler-Stahl könn­te man als Kon­sul Jean Bud­den­brook leicht mit sei­nem Tho­mas Mann in „Die Manns“ ver­wech­seln, aber Iris Ber­ben über­rascht als sei­ne Gat­tin Beth­sy dadurch, dass sie auch mal mehr sein kann als immer nur Iris Ber­ben. Mark Wasch­ke hat etwas damit zu kämp­fen, dass sei­ne Rol­le des Fir­men­er­ben Tho­mas Bud­den­brook nur in weni­gen Momen­ten zum Sym­pa­thie­trä­ger taugt, aber die Bür­de der fami­liä­ren Pflicht und die zuneh­men­den Anstren­gun­gen, die Fas­sa­de auf­recht zu erhal­ten, sind bei ihm stets glaub­wür­dig. Auch Jes­si­ca Schwarz, deren Tony Bud­den­brook als ein­zi­ge Per­son im Film über­haupt nicht zu altern scheint, steht die Zer­ris­sen­heit ins Gesicht geschrie­ben – zumin­dest solan­ge, bis sich die Todes­fäl­le in einem der­art alber­nen Rhyth­mus häu­fen, dass man die­ses Gesicht hin­ter dem schwar­zen Schlei­er sowie­so kaum noch zu sehen bekommt. Und August Diehl spielt den zuneh­mend wahn­sin­ni­ge­ren Chris­ti­an Bud­den­brook mit so viel Ver­ve, dass man am Ende lei­der von Bei­den genervt ist.

Die Aus­stat­tung ist durch­aus gelun­gen, mit gro­ßem Auf­wand wur­den Lübeck und Ams­ter­dam des 19. Jahr­hun­dert auf die Lein­wand gezau­bert. Dafür ist die Kame­ra­ar­beit von Ger­not Roll, der bereits die TV-Ver­si­on von 1979 foto­gra­fiert hat­te, bis auf weni­ge Aus­nah­men lang­wei­lig oder gar schlecht. Für die Weich­zeich­ner beim gro­ßen Ball zu Beginn des Films gehö­ren Kame­ra­mann und Regis­seur glei­cher­ma­ßen geschol­ten und mit­un­ter wird all­zu deut­lich, dass ein bestimm­ter Blick­win­kel nur gewählt wur­de, weil sonst irgend­et­was ana­chro­nis­ti­sches zu sehen gewe­sen wäre. Über die Musik wol­len wir an die­ser Stel­le den Man­tel des Schwei­gens brei­ten, der auch dem Kom­po­nis­ten Hans Peter Strö­er gut zu Gesicht gestan­den hät­te.

Im Gro­ßen und Gan­zen haben Bre­loers „Bud­den­brooks“ viel mit Uli Edels „Baa­der Mein­hof Kom­plex“ gemein, dem ande­ren gro­ßen deut­schen Film von 2008: mit beacht­li­chem Auf­wand, aber ohne eige­ne Hal­tung, wer­den die wich­tigs­ten Sta­tio­nen einer alt­be­kann­ten Vor­la­ge abge­he­chelt. Bei­de Male ist dabei soli­des Pop­corn­ki­no ent­stan­den, das sich als Ein­stieg in die jewei­li­ge Mate­rie eig­net.

Dass ein Film dem Roman gerecht wer­den könn­te, hat hof­fent­lich sowie­so nie jemand geglaubt.

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