Damit die Oasis-Reunion, die auch Wolfgang Nostradamus Doebeling (ich glaube, den zweiten Vornamen hat er sich ausgedacht) im aktuellen “Rolling Stone” prophezeit (und zwar für den 15. Mai 2011), kommen kann, muss die Band ja erst Mal aufgelöst werden.
Das hat Liam Gallagher jetzt dankenswerterweise in einem Interview mit der “Times” getan. Er wollte eigentlich nur über seine Modelinie “Pretty Green” sprechen, aber dann erklärt er die Band für beendet.
Luke Leitch gelingt es, in dem Artikel ein Bild von Liam Gallagher zu zeichnen, das sehr viel differenzierter ist als das meiste, was man bisher über den jetzt Ex-Oasis-Sänger gelesen hat. Am Ende spricht er sogar davon, außerhalb des Rock’n’Roll-Circus irgendwann seinen Frieden mit Noel zu machen. Eventuell.
Liam Gallagher: a semi-scary, tightly wound wind-up merchant — absolutely. But also serious, sensitive, impassioned and, from the look that flitted across his face at the end there, a man who misses his brother. Furthermore, a producer of rocking clobber for men. Who knew?
Mein Lieblings-Gallagher bleibt trotzdem Noel, so wie mein Lieblings-Beatle Paul McCartney und mein Lieblings-Libertine Carl Barât war. Aber das können Sie jetzt selbst tiefenpsychologisch auswerten.
Von mehreren Seiten wurde der Wunsch an mich herangetragen, ich möge mich in diesem Publikationsorgan doch bitte zum Ausstieg Noel Gallaghers bei Oasis äußern. Normalerweise wäre das ein guter Grund, gar nicht erst über einen Text nachzudenken, sondern den Bittstellern den Vogel und den Weg zur Tür zu zeigen. Aber Oasis sind ja nicht irgendeine Band und die Diskussionen der letzten Tage legen den Verdacht nahe, dass das Thema uns Popkulturgeschädigte mindestens so sehr beschäftigt wie der Tod von Michael Jackson.
Also, zunächst einmal: Ich glaube nicht, dass der Ausstieg von Dauer sein wird. Noel Gallagher ist zwar das letzte Bandmitglied, das vom Durchbruch bis vor kurzem dabei war (wir erinnern uns: auch Liam war ja zwischenzeitlich irgendwie mal ausgestiegen), insofern wiegt das vielleicht etwas schwerer, aber bei Licht besehen sind Oasis doch wie diese Pärchen im Freundeskreis, die sich immer wieder trennen und immer wieder zusammenfinden — beides zum Leidwesen aller Unbeteiligten. Ein Nachruf wird das hier also nicht werden.
Schon gar nicht auf eine Band, die selbst wunderbar in Worte packte, woran sich nie jemand gehalten hat:
Please don’t put your life in the hands
Of a rock ‘n’ roll band
Who’ll throw it all away
Alle Diskutanten haben einhellig die Meinung vertreten, dass der letzte richtig gute Oasis-Song schon länger her sei — nur über den genauen Zeitpunkt und Titel ist man sich uneins. Ich würde vor sieben Jahren ansetzen, auf “Heathen Chemistry” mit den letzten Über-Balladen “Stop Crying Your Heart Out” und “Little By Little” und dem Kleinod “She Is Love”. “Falling Down” auf dem letztjährigen “Dig Out Your Soul” war auch nicht schlecht, aber das darf man alles nicht mit den alten Sachen vergleichen.
Ich habe in den letzten Tagen einen Vergleich bemüht, von dem ich vergessen hatte, dass ich ihn schon beim großen Jahresrückblick verwendet hatte: Nämlich den, dass es mit Oasis sei wie mit einem alten Schulfreund — “das Wiedersehen ist herzlich, man denkt an alte Zeiten, trinkt zwei Bier und geht wieder getrennter Wege”.
Oasis waren ja ungefähr zwei Sommer lang so groß, wie die Ultras sie heute noch sehen. Auf dem Höhepunkt abzutreten haben nicht mal Nirvana geschafft. Danach kommt eben die Verwaltung der eigenen Errungenschaften und dafür kann man dann ruhig den Rolling-Stones-Weg einschlagen. Und denen ging es ja in den Achtzigern auch nicht besonders.
Ich kam (wie ungefähr jeder andere) über “Wonderwall” zu Oasis. Auf “Bravo Hits 12” und das ist ja Grund genug, den Song heute zu hassen. “Soloalbum” von Benjamin von Stuckrad-Barre – und Sie dachten, wir sprechen bei Oasis von einem Absturz in die Bedeutugnslosigkeit – hämmerte mir die Band ins Bewusstsein, danach wurden alle bisher erschienenen CDs gekauft und bei jeder Neuerscheinung das Geld brav in den Laden getragen.
Die Pflichtschuldigkeit, immer noch jedes neue Album kaufen und irgendwie mögen zu müssen, habe ich bei Oasis gelernt. Eine objektive Beurteilung von Künstlern, von denen ich mehr als drei Platten habe, ist mir bis heute unmöglich. (Einzige Ausnahme: “Intensive Care” von Robbie Williams. So eine Scheißplatte muss man wirklich erst mal machen.)
Im Gegensatz zu anderen Britpop-Fans glaube ich auch heute noch an den Glaubenskrieg Oasis vs. Blur. Ich war immer Oasis-Fan, von Blur habe ich nur das Best Of. Coffee And TV heißt natürlich trotzdem nach einem Blur-Song, auch wenn die Band wenig ausschlaggebend war für die Wahl. Und es ist natürlich die ganz besondere Ironie der Popkultur, dass ausgerechnet im Jahr 2009 – rund 15 Jahre nach den Golden Years of Brit-Pop – Blur plötzlich ein gefeiertes Comeback hinlegen und bei Oasis das Mastermind aussteigt. Besser tanzen konnte man freilich immer schon zu Blur.
Oasis werden wiederkommen, daran habe ich keinen Zweifel. Die Band hat in ihrer Karriere vermutlich mehr Konzerte abgesagt, als die Babyshambles je gespielt haben. Sich klammheimlich aus einem Festival-Line-Up zu stehlen, ist mies, denn das Geld kriegt man nicht wieder — auch nicht, wenn stattdessen Deep Purple spielen.
Und wenn Noel Gallagher nicht in ein, zwei Jahren wieder auf der Bühne steht, als sei nichts geschehen, dann gilt immer noch, was ein guter Freund und Ex-Oasis-Fan meinte: “Eine Band ist doch nicht weg, wenn sie sich auflöst. Die Platten wird es immer geben.”
In diesem Sinne: “You and I, we’re gonna live forever!”
Das Geständnis vorweg: Ich mag Elton John. Es muss am Klavier liegen, diesem Instrument, das mich sogar kurzzeitig glauben lässt, Songs von Orange Blue gut zu finden. Elton John hat aber auch einige großartige Songs geschrieben und spätestens seit “Almost Famous” (oder allerspätestens seit Ben Folds’ Interpretation) wissen wir, dass “Tiny Dancer” ein ganz, ganz großer Song ist.
Elton John hat auch einige schlimme Dinge getan: Drogen genommen, die erfolgreichste Single aller Zeiten veröffentlicht und Zeichentrick-Filme besungen. Letzteres ist aber (s. Phil Collins) verzeihlich, ersteres unter Umständen auch.
Jetzt hat Elton John dem britischen Boulevardblatt “Sun” einen kleinen Gesinnungsaufsatz in die letzte Mittwochsausgabe diktiert, in dem er fordert, das Internet zu schließen.
We’re talking about things that are going to change the world and change the way people listen to music and that’s not going to happen with people blogging on the internet.
Dieser seltsam konservative Satz dürfte in diesem Moment widerlegt sein, denn Ihre Art, Elton Johns Musik zu hören, hat sich doch sicher mit der Lektüre seines kleinen Textes geändert, oder etwa nicht?
I do think it would be an incredible experiment to shut down the whole internet for five years and see what sort of art is produced over that span.
Ob Mr John weiß, wie viele Bands mittlerweile ihre Songs und Arrangements via E-Mail erarbeiten, weil ihre Mitglieder beispielsweise ein paar Tausend Kilometer entfernt leben wie bei Maritime?
Dieser kleine Text ist aber auch geeignet, eine Frage auf den Tisch zu bringen, die ich mir am Samstag im Vorfeld des dann geknickten Jan-Delay-Auftritts gestellt habe: Welche Auswirkung hat eigentlich das, was man als Persönlichkeit eines Musikers wahrnimmt, auf die Rezeption der Musik?
Nun: Idealerweise gar keine. Hip-Hop-Künstler wirken fast durch die Bank irre, und auch mit Liam Gallagher oder Billy Corgan würde ich eher ungern zu Abend essen. Trotzdem gibt es nichts Idiotischeres, als seine private Plattensammlung zu dezimieren, wenn ein Künstler mal wieder irgendwie negativ aufgefallen ist. Das Geld ist eh schon futsch, da kann man die Platte auch ruhig im Regal lassen und wieder reinhören, wenn man nicht mehr weiß, warum man den Musiker zwischendurch mal so doof fand.
Sie werden deshalb auch nie erraten, wessen Musik ich gerade lausche …
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