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Drawn This Way

Lady Gaga lässt auf ihrer aktuellen Deutschlandtour keine Pressefotografen zu. Aber das wissen Sie ja schon.

Man kann in so einer Situation Zeter und Mordeo Zensur und Pressefreiheit schreien, man kann aber auch aus der Not eine Tugend machen.

So wie die “Hannoversche Allgemeine Zeitung”, die statt der offiziell abgesegneten PR-Fotos (“aus Sofia, aufgenommen im August”) einfach das zeigt, was ihr Gerichtszeichner während des Konzerts so produziert hat:

Mit Dank an Helge.

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Caught in a bad romance

Geht weiter: Nach dem DJV NRW beschwert sich jetzt die “Deutsche Journalistinnen und Journalisten Union” (dju) über die Art, wie das Management von Leonard Cohen mit Journalisten umgeht.

Und Einslive beklagt sich völlig zu Recht über die Repressionen, denen die Berichterstatter bei den gestrigen Konzerten von Coldplay und Lady Gaga in Köln ausgesetzt waren:

Am Dienstagabend (04. September) haben in Köln gleich zwei Konzert-Highlights stattgefunden. Lady Gaga und Coldplay – präsentiert von 1LIVE. Normalerweise würdet ihr an dieser Stelle eine Bildergalerie mit Fotos von den Konzerten finden. Doch durch Fotoverträge wird die Berichterstattung über Konzerte zunehmend erschwert.

Tja. Da präsentiert Einslive die Konzerte und kann dann nicht mal eine Bildergalerie anbieten. Aus unterschiedlichen Gründen: Coldplay wollten alle Rechte an den geschossenen Fotos haben (was, um das noch mal zu betonen, eine größenwahnsinnige und mit dem deutschen Urheberrecht schwer zu vereinbarende Forderung ist), und Lady Gaga ließ gar keine Pressefotografen rein.

Es dürfen nur die Bilder veröffentlicht werden, die ihr eigens engagierter Tourfotograf geschossen hat. Für Bildjournalist Peter Wafzig geht das zu weit: “Sie produziert ein Bild von sich selbst, das sie gerne in der Öffentlichkeit sehen möchte und sorgt dafür, dass die Presse ganz massiv beeinflusst wird.”

Dass Lady Gaga ein Bild von sich selbst produziert, dürfte niemanden ernsthaft überraschen. Ich frage mich aber, was sich an dieser Inszenierung geändert hätte, wenn neben dem offiziellen auch andere Fotografen Bilder hätten machen können. Wenn Frau Gaga nicht gerade auf der Bühne stolpert und einem Pressefotografen ein besonders unvorteilhaftes Bild gelingt, werden sich die Bilder im Großen und Ganzen ähneln. In den allermeisten Fällen kann die Presse eh nur die Inszenierung weiter transportieren, die sie vorgesetzt bekommt. Ein Konzert ist ja in der Regel kein Fußballspiel, wo sich in den Fanblöcken immer wieder Szenen abspielen, die der Verband lieber nicht in der Zeitung sehen würde — und selbst da müsste man ja noch mal länger überlegen, ob es die Idioten nicht eher anspornt, wenn ihre menschenverachtenden Banner hinterher im Fernsehen zu sehen sind, egal, wie erhoben der Zeigefinger der Reporter dabei ist.

Aber zurück zu Lady Gaga: Die bräuchte die Medien womöglich gar nicht mehr. Auf Twitter kann sie zu 29 Millionen (überwiegend wahnsinnig loyalen) Followern direkt sprechen — nicht mal ein Auftritt bei “Wetten dass..?” oder eine Titelseite in der “Bild”-Zeitung kann da mithalten. Der Hebel, an dem die klassischen Medien (zu denen auch die Website eines Radiosenders gehört), ist nicht nur kürzer geworden, er ist komplett verschwunden.

Wenn es Einslive drauf anlegen würde, könnten sie einfach keine Songs von Coldplay und Lady Gaga mehr spielen. Das wäre mal ein Statement, könnte aber auch nach hinten losgehen (Stichwort: 29 Millionen Follower). Und dann würde vollends offensichtlich, dass sich die Medien nach Belieben von der Unterhaltungsindustrie, die doch eigentlich schon tot war, am Nasenring durch die Manege ziehen lassen. Die Musikmanagementfirmen sind kein Mineralölkonzern, der Imageschäden und Umsatzeinbußen befürchten muss, wenn er eine Ölplattform in der Nordsee versenken will. Bleibt also nur noch: Protestieren.

Frehn Hawel arbeitet bei einer Veranstaltungsagentur und kennt das Problem. Er versucht, zwischen Management und Fotografen zu vermitteln: “Es ist eigentlich nicht im Sinne des Künstlers. Es ist für die Promotion oder die Pressearbeit für eine Tournee eher hinderlich, wenn man diese Verträge aufsetzt, weil dadurch einfach Berichte wegfallen, die man vielleicht auch braucht, um den Vorverkauf anzukurbeln.”

Das mit dem Vorverkauf scheint ganz gut geklappt zu haben: Coldplay haben das Kölner Stadion ausverkauft, Lady Gaga für heute die Kölnarena (das gestrige Zusatzkonzert war nicht ganz ausverkauft) — mit freundlicher Unterstützung von Einslive, wo bis zuletzt Karten verlost wurden. Künstler und Sender waren Geschäftspartner und einer von beiden hat den anderen über den Tisch gezogen. Konsequent wäre, auf die Präsentation solch “schwieriger” Künstler künftig zu verzichten.

Ich kann die Empörung über diese Fotografenverträge völlig nachvollziehen: Sie sind moralisch und juristisch hochgradig fragwürdig. Aber es fällt mir schon schwer, diese Art von Empörung ernst zu nehmen:

Es ist ein Spannungsfeld zwischen Management, Veranstaltern und Fotografen. Über Facebook und andere soziale Netzwerke bildet sich zunehmend Widerstand gegen die Fotoverträge. Auch Journalistenverbände warnen vor Eingriffen in die Pressefreiheit. Es ist auf der einen Seite durchaus verständlich, dass Bands wissen wollen, wo ihre Bilder veröffentlicht werden. Es muss aber die Frage geklärt werden: Wo hört ein gewisses Maß an Kontrolle auf und wo geht Zensur los?

“Pressefreiheit”! “Zensur”! Natürlich!

Das geht nicht mehr als “Wehret den Anfängen” durch, das ist eine völlige Fehleinschätzung der Situation: Die Managements machen Angebote und ich fürchte, die Medien können nicht mehr tun, als sich nicht darauf einzulassen. Die Selbstinszenierungsmaschinerie wird das natürlich nicht stoppen. Die hat gewonnen.

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Songs des Jahres 2011

Bevor 2012 richtig Fahrt aufnimmt oder ich meine Liste komplett verworfen habe, hier noch schnell meine Songs des Jahres 2011 (die Alben gibt’s hier):

25. Andreas Bourani – Nur in meinem Kopf
Na, da überrasch ich mich doch mal selbst und fang mit einem deutschsprachigen Singer/Songwriter an! “Nur in meinem Kopf” hab ich geliebt, als ich es das erste Mal im Radio gehört habe, und auch massive Rotationen konnten dem Lied nicht viel anhaben. Es wirkt aber zugegebenermaßen auch wie für mich am Reißbrett entworfen: Pianointro, Four-To-The-Floor-Beat, galoppierende Beats, gerade so viel U2-Anleihen, wie ich ertrage, und dann noch die großartige Zeile von wegen “alles kaputthauen”. Schöne Stimme übrigens und sehr schönes Video, auch!

24. Death Cab For Cutie – You Are A Tourist
“Codes And Keys”, das letztjährige Album von Death Cab For Cutie, hat mich nie so richtig packen können. Kein schlechtes Album, gewiss, aber die Band hatte schon bessere und mein Indie-Müdigkeit macht sich einmal mehr bemerkbar. Die spektakulärste Meldung im Bezug auf die Band im vergangenen Jahr war die Nachricht, dass sich Sänger Ben Gibbard und Zooey Deschanel scheiden lassen (und ich mich nicht entscheiden kann, wen von beiden ich lieber heiraten würde). ANYWAY: “You Are A Tourist” ist ein schöner Song mit einem sehr spannenden Groove, der auf der Tanzfläche noch bedeutend mitreißender ist, als vor dem heimischen Plattenspieler.

23. Lady GaGa – The Edge Of Glory
Wenn man in ein-, zweihundert Jahren ein Buch über die Geschichte des Pop schreiben wird, wird man an Lady Gaga nicht vorbeikommen. Die Frau schafft es meisterhaft, sowohl den intellektuellen Hintergrund des Begriffs “Pop” auszufüllen, als auch Songs am Fließband rauszuhauen, die genau das sind: Pop. Wenn “Spex”-Leser und Schützenfestbesucher zur gleichen Musik tanzen können, ist das eine Leistung, die zumindest die Nominierung für den Friedensnobelpreis nach sich ziehen sollte. Weiteres Argument für “The Edge Of Glory”: Es ist die letzte veröffentlichte Aufnahme von E-Street-Band-Saxophonist Clarence Clemons vor dessen Tod. Gerade noch rechtzeitig, damit eine ganz neue Generation von Musikfans den “Big Man” ins Herz schließen konnte.

22. James Blake – The Wilhelm Scream
“Songs” sind die wenigsten Tracks auf James Blakes phantastischem Debütalbum, Radio-Singles gibt es eigentlich keine. Aber wenn überhaupt, dann ist “The Wilhelm Scream” das poppigste und zugänglichste Stück. Am ausschließlich in musikjournalistischen Texten verwendeten Verb “pluckern” führt kaum ein Weg vorbei, aber es dröhnt, rauscht, zirpt und echot auch ganz gewaltig unter und über Blakes Falsettgesang. Musik wie ein verstörender, aber doch sehr erholsamer Traum.

21. Jupiter Jones – Still
Das Einmal-zu-oft-gehört-Phänomen im neuen Gewand: Wenn “Still” im Radio anfängt, bin ich ein bisschen genervt. Wenn ich den Song selber auflege ist es aber immer noch wie im ersten Moment: Wow! Allein diese Bassline, die gleichermaßen Schlag in die Magengrube wie Schulterklopfen ist! Jupiter Jones hatten vielleicht schon bessere, wütendere oder verzweifeltere Trennungslieder, aber “Still” ist auf seine Art schon sehr besonders — und besonders wahr. Die schönste Version ist natürlich die mit Ina Müller.

20. Rihanna feat. Calvin Harris – We Found Love
Für Rihanna gilt ähnliches wie das, was ich gerade über Lady GaGa geschrieben habe. Sie arbeitet zwar nicht so aktiv selbst an ihrem Gesamtkunstwerk mit, aber sie ist einer der bestimmenden Superstars unserer Zeit. Allein die Liste ihrer Kollaborationen deckt die gegenwärtige Popmusik sehr gut ab: Jay-Z, Kanye West, David Guetta, Eminem, will.i.am, Justin Timberlake, Ne-Yo und Coldplay stehen da zum Beispiel drauf. Diesmal also mit Calvin Harris, der ein House-Feuerwerk abbrennt, während Rihanna einen Song von erhabener Schönheit singt. Ja: “We Found Love” ist nicht nur cool/geil/whatever, sondern auch schön und sollte jedem einsamen Menschen “in a hopeless place” zwischen Dinslaken und Bitterfeld Hoffnung machen.

19. Noah And The Whale – Tonight’s The Kind Of Night
“Last Night On Earth”, das aktuelle Album von Noah And The Whale, hatte ich schon bei den Alben gelobt. “Tonight’s The Kind Of Night” ist ein perfektes Beispiel für diesen Technicolor-Pop mit seinen treibenden Rhythmen und euphorisierenden Chören. Und sagt man sich nicht jeden Abend “Tonight’s the kind of night where everything could change”? Eben! Muss ja nicht, aber könnte!

18. Foster The People – Pumped Up Kicks
Einmal Indiepop-Sommerhit zum Mitnehmen, bitte! “Pumped Up Kicks” hat einen schlichten Sog, dem man sich nur schwer entziehen kann. Der Song lief merkwürdigerweise nie in der Werbung eines Mobilfunkanbieters (was eigentlich sein natürlicher Lebensraum gewesen wäre), hat eine Saison länger zum Hit gebraucht als angenommen und hat darüber hinaus noch einen milde gewaltverherrlichenden Text, der dem amerikanischen MTV zu viel war — aber davon ab ist es auch einfach ein sehr schöner Song.

17. Jack’s Mannequin – My Racing Thoughts
Hatte ich schon mal erwähnt, dass keine Band in den letzten fünf Jahren eine so große Bedeutung für mich hatte wie Jack’s Mannequin? Gut. So richtig genau kann ich nämlich auch nicht erklären, warum mir “My Racing Thoughts” so gut gefällt, beim ersten Hören fand ich es nämlich regelrecht cheesy. Jetzt aber mag ich es, weil es ein harmloser, erbaulicher Popsong ist. Und dieser “she can read my, she can read my”-Part ist toll!

16. Rival Schools – Wring It Out
Nein, ein zweites “Used For Glue” ist auf dem zweiten Rival-Schools-Album nicht enthalten. Aber fast. “I wanna wring it out / Every ounce / I wanna do the right thing, when the right thing counts” sind doch genau die Zeilen, die man zum Beginn eines Jahres hören möchte. Und dann einfach rein ins Leben, die richtigen Dinge tun, die falschen Dinge tun, aber in jedem Fall jede Unze rausquetschen. Was für eine Hymne!

15. Maritime – Paraphernalia
Das vierte Maritime-Album “Human Hearts” ist irgendwie komplett an mir vorbeigegangen, aber die Vorab-Single, die hat mich das ganze Jahr über begleitet. Indierock, der nicht nervt, weil er nicht ach so cool sein will, sondern beschwingt unterhält. So einfach ist das manchmal.

14. Adele – Rolling In The Deep
Die Geschichte mit der Echo-Verleihung hab ich ja blöderweise schon bei den Alben erzählt. Muss ich mir jetzt was neues ausdenken? Ach was! Großer Song, bleibt groß! Punkt.

13. Example – Stay Awake
Auf “Playing In The Shadows” sind fünf, sechs Songs, die alle in dieser Liste hätten auftauchen können. “Stay Awake” ist es letztlich geworden, weil die stampfenden House-Elemente (manche würden auch sagen: “die Kirmes-Elemente”) sonst ein wenig unterrepräsentiert gewesen wären. Und dann dieser Refrain: “If we don’t kill ourselves we’ll be the leaders of a messed-up generation / If we don’t kid ourselves will they believe us if we tell them the reasons why” und der Kontrast zwischen dem Four-To-The-Floor-Refrain und den zitternden Dubstep-Strophen! Hach, jetzt ‘n Autoscooter …

12. The Naked And Famous – Young Blood
Vielleicht hab ich mich vertan und es war gar nicht “Pumped Up Kicks” der Indiepop-Sommerhit, sondern “Young Blood”. Immerhin war der Song Jingle-Musik bei Viva und WDR 2 (!) und lief in gefühlt jeder TV-Sendung. Egal, sie können’s ja auch beide gewesen sein, wobei “Young Blood” ganz klar überdrehter und charmanter und … äh: lauter ist. Wegen maximaler Penetration kurz vor nervig, aber eben nur vor.

11. Twin Atlantic – Make A Beast Of Myself
Dieser Break nach zwei Sekunden! Dieses Brett von Gitarrengeschrammel! Diese entspannt vor sich hin groovenden Strophen, die sich in diesen Orkan von Refrain entladen! Und, vor allem: Dieser niedliche schottische Akzent, vor allem beim Wort “universe”! Mein Punkrock-Song des Jahres!

10. Patrick Wolf – The City
Dieser Song hätte unter Umständen der britische Beitrag zum Eurovision Song Contest sein können — und wäre damit einer der besten in der Geschichte des Wettbewerbs gewesen. Nun ist es “nur” ein dezent überdrehter Indiepop-Song mit Handclaps, Saxophon, verzerrten Stimmen und hypnotischen Beats.

9. Coldplay – Every Teardrop Is A Waterfall
Sie haben’s schon bemerkt: Wir sind in dem Teil der Liste angekommen, wo ich die vorgeblich rationalen Argumente weggepackt habe und mehr mit hilflosen Emotionalitäten und “Hach”s um mich werfe. Hier toll: Das absurde Sample, die Rhythmusgitarre, die Leadgitarre, die grandiose Schlagzeugarbeit von Will Champion, der Text und der Moment nach drei Minuten, wenn sich alles aufeinander türmt. Hüpfen! Tanzen! Hach!

8. Jonathan Jeremiah – Happiness
Mein Jahr 2011 lässt sich in zwei Teile teilen: den vor Jonathan Jeremiah und den danach. Mit “Happiness” fühlt sich mein Leben an wie eine britische Komödie mit Hugh Grant. I’m going home where my people live.

7. Imaginary Cities – Hummingbird
Der Weakerthans-Livegitarrist Rusty Matyas hat mit Sängerin Marti Sarbit die Band Imaginary Cities gegründet, deren Debütalbum “Temporary Resident” im letzten Jahr auf Grand Hotel van Cleef erschienen ist. So viel zur Theorie. Die Praxis … ach, hören Sie einfach selbst! Was für ein Song!

6. Cold War Kids – Finally Begin
Früher, als ich noch mit dem Fahrrad durch die Stadt meiner Jugend gefahren bin, hab ich manchmal auf dem Heimweg die Arme ausgebreitet, die Augen zugemacht und bin zur Musik aus meinem Walkman quasi durch die Nacht geflogen. Glücklicherweise nie auf die Fresse, aber das ist schon recht gefährlich, Kinder. Jedenfalls: “Finally Begin” wäre ein Song für genau solche Flugmanöver. Diese Gitarren! Diese Harmonien, die offenbar direkt die Endorphinausschüttung im Hirn anwerfen können! Und dieser Text über überwundene Bindungsangst! Für eine Nacht noch mal 16 sein in Dinslaken, bitte!

5. The Mountain Goats – Never Quite Free
Wie gesagt: “Never Quite Free” wurde Anfang Dezember innerhalb von 48 Stunden zu einem der meist gehörten Songs des Jahres. Wer braucht schon das Strophe/Refrain-Schema? Wenn ich Ihre Aufmerksamkeit auf diese Stelle nach ziemlich exakt zwei Minuten lenken darf, wo das Schlagzeug richtig losscheppert und der Schellenkranz einsetzt: für solche Momente wird Musik gemacht und für solche Momente höre ich Musik.

4. The Pains Of Being Pure At Heart – Heart In Your Heartbreak
Gerade beim Tippen festgestellt: Wenn man für jedes “heart” in Bandnamen und Songtitel einen Schnaps trinken würde, wäre das ein schöner Start in den Abend. Schöner würde der natürlich, wenn der Song auch liefe, denn es ist ein herrlicher Song, der übrigens auch in der (ansonsten etwas freudlosen) fünften Staffel von “Skins” zu hören war. (Radio-)DJs hassen die beunruhigend lange Pause nach 2:42 Minuten, aber ansonsten kann man diesen Song natürlich nur lieben.

3. Ed Sheeran – The A Team
“+”, das großartige Debüt-Album von Ed Sheeran, das Sie bald auch in Deutschland kaufen können (und sollten!), habe ich mir im September im Schottland-Urlaub gekauft, weil Plattenfirma und HMV mich mit ihrer Platzierungspolitik geradezu gewaltsam dazu gedrängt haben. Auf dem Weg zum Flughafen habe ich es zum ersten Mal gehört und ich war nicht direkt verzaubert, was aber auch an dem schottischen Landregen gelegen haben mag, mit dem ich auf meinem Fußmarsch noch zu kämpfen hatte. Beim zweiten Mal jedoch: Was für ein Album! Und was für ein Opener! Zärtlich, ohne weinerlich zu sein! Schmusig, ohne zu langweilen. Vergleiche mit deutschen Singer/Songwritern verbieten sich, aber vielleicht kommt ja auch mal ein Ed-Sheeran-Äquivalent daher.

2. Bon Iver – Calgary
Zugegeben: Das war beim ersten Hören schon etwas verwirrend mit diesen ganzen Keyboardflächen. Aber nur kurz! Justin Vernon könnte auch das Telefonbuch von Milwaukee singen (und manchmal habe ich ehrlich gesagt den Verdacht, er würde es zwischendurch zumindest mal versuchen) und ich würde immer noch eine Gänsehaut bekommen.

1. Bright Eyes – Shell Games
Anfang April schrieb ich, dass der Popsong des Jahres, wenn in den verbleibenden neun Monaten nicht noch ein Wunder geschehe, “Shell Games” sein würde, und ich sollte Recht behalten. Es wirkt ein bisschen, als habe sich Conor Oberst die Pop-Blaupause eines Gregg Alexander vorgenommen und nur noch ein paar persönliche Sonderheiten reingeworfen. Zur Bilder-des-Jahres-Montage in meinem Kopf läuft dieser Song, der auch das Liedzitat 2011 bereit hält: “My private life is an inside joke / No one will explain it to me”.

Hinweis: Bitte beachten Sie auch diesmal beim Kommentieren wieder die Regeln.

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Die Definition von Pop

Erinnern Sie sich noch an den schrecklichen dänischen Beitrag beim Eurovision Song Contest in Oslo?

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Herr Niggemeier und ich haben – während wir versuchten, uns diesen Ohrwurm gegenseitig aus dem Kopf zu prügeln – lange darüber nachgedacht, woran uns dieser Song alles erinnert. “Every Breath You Take” (oder, für die Jüngeren: “I’ll Be Missing You”) war natürlich dabei, mit ein bisschen fremder Hilfe kamen wir auch auf “The Best” von Tina Turner und einen Hauch von “Dancing Queen” kann man im Refrain auch erkennen.

Das alles ist aber harmlos gegen Lady Gaga, die das Prinzip Pop ausfüllt wie niemand sonst dieser Tage. Ihre aktuelle Single “Alejandro” verfügt nicht nur über ein beeindruckend irres Video, sie klingt auch wie hundert bereits bekannte Songs gleichzeitig:

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Lady Gaga — Alejandro – MyVideo

Maura Johnston und Jay Smooth haben sich bei NPR ausgiebig Gedanken darüber gemacht und erklären in dreieinhalb Minuten mal eben, wie Popmusik funktioniert.

Lady Gaga Vs. Ace Of Base bei npr.org

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Listenpanik: Reste 2009

Das Jahr ist bald zu Ende, Markus hat seine Bestenliste schon rausgehauen, aber ich muss ja für nächste Woche erst mal das Jahr 2008 abfrühstücken, ehe ich mich doppelt und dreifach dem Rückblick auf das aktuelle Jahr widmen kann.

Vorher sollen aber schon die Alben und Songs genannt werden, die dieses Jahr für mich mitbestimmt haben, aber bisher auf keiner Listenpanik-Liste genannt sind. Dass ich immer noch jede Menge übersehen habe, dürfte klar sein. Aber wenigstens das hier ist schon mal nicht vergessen:

Alben
Kid Cudi – Man On The Moon — The End Of Day
Wie gesagt: Ich höre mich gerade erst ein in dieses Genre, das sie Hip-Hop oder Rap nennen. Ich bin also noch nicht sehr gut im Zuordnen (worauf die Zeile “I got ninety-nine problems and they all bitches” anspielt, ist mir trotzdem aufgefallen), aber wer dieses Album hört, muss sofort erkennen, dass da jemand kluges Musik macht. Beats, Samples und Instrumente werden da zu anspruchsvollen Playbacks aufgetürmt, über die der 25-jährige Scott Ramon Seguro Mescudi dann rappt wie ein Mann, der schon alles gesehen hat. Die meisten Songs sind eher laid back und düster und insgesamt ist das Album, an dem auch Bands wie MGMT und Ratatat mitgewirkt haben, weit entfernt vom Arsch-und-Titten-Hip-Hop, den man sonst im Musikfernsehen sieht, falls gerade mal Videos laufen. Ach ja: Lady Gaga wird auch noch gesampelt.

Jay-Z – The Blueprint 3
Noch mal Hip-Hop, noch mal klug und anspruchsvoll. Genauer kann ich das gar nicht beschreiben, aber es fühlt sich gut an, dieses Album zu hören. Und wer sich “Forever Young” von Alphaville vornimmt, hat bei mir quasi immer gewonnen (vgl. Die Goldenen Zitronen, Youth Group, Bushido feat. Karel Gott).

White Lies – To Lose My Life
Irgendwann bin ich nicht mehr mitgekommen mit diesen Joy-Division-Bands. Sind White Lies überhaupt eine? Jedenfalls kombinieren sie treibende Rhythmen, Gitarrengeschrammel, Keyboardflächen und leidenschaftlichen Gesang. Und obwohl mir das in vier von fünf Fällen unglaublich auf die Ketten geht, gefällt es mir hier.

Tom Liwa – Eine Liebe ausschließlich
Nach Esoterik-Projekten und einer Flowerpornoes-Reunion hat Tom Liwa mal wieder ein richtiges Soloalbum aufgenommen: nur er und eine Gitarre. Eröffnet wird “Eine Liebe ausschließlich” von einer Gänsehaut-Version von “Chasing Cars” (ja, das von Snow Patrol), hinterher gibt’s auch noch mal Dylan (“Idiot Wind”), dazwischen ganz viel Liwa. Man kann nur ahnen, was für Dramen sich abgespielt haben müssen, sollten die Texte allesamt autobiographisch sein. Es ist Liwas beste Platte seit “St. Amour” vor neun Jahren und erinnert in ihrer Reduktion und Direktheit mitunter sogar an die “American Recordings” von Johnny Cash — die mitunter gewagten Übersteuerungen inklusive.

Songs
Kid Cudi – Up Up & Away
Da lobe ich ein Hip-Hop-Album und hebe dann den einen Song hervor, in dem vor allem Gitarren zu hören sind. Aber, Entschuldigung, “Up Up & Away” ist einfach ein Hammer von einem Song. Textlich eine wunderbare Unabhängigkeitserklärung, musikalisch eine der euphoriesteigerndsten Nummern des Jahres. Und dann dieser Slogan für T-Shirts und Unterarm-Tätowierungen: “They go judge me anyway, so: whatever?”

Glasvegas – Geraldine
Glasvegas live zu sehen war eine schlechte Idee für den ersten Eindruck, denn ihr Auftritt hat mir die Band schon arg verleidet. So bedurfte es ausgerechnet einer Lagerfeuerversion von Thees Uhlmann und Simon den Hartog, damit ich erkannte, was für ein toller Song “Geraldine” ist. So ungefähr der einzige richtig tolle auf dem selbstbetitelten Debüt-Album der Schotten, aber dafür eben ein wirklich richtig toller. Als Linguist ist man erstaunt, wie viele Vokale in Zeilen wie “My name is Geraldine, I’m your social worker” offensichtlich überflüssig sind und ganz einfach weggelassen werden können.

Jay-Z – Empire State Of Mind
Er sei der neue Sinatra, rappt Jay-Z in seinem “New York”-Pendant. Und wahrscheinlich hat er damit nicht mal unrecht. Dazu Streicher, Klavier, Chöre und Alicia Keys. Einen Song dieser Größe hat die Stadt verdient (“und umgekehrt”, falls das Sinn ergibt), so wie Berlin “Schwarz zu Blau” von Peter Fox.

Tommy Finke – Halt’ alle Uhren an
Tommy Finke hat mir jetzt schon mehrfach zu erklären versucht, was das für ein Sound ist, der da das Riff spielt. Inzwischen habe ich die Hoffnung aufgegeben, es zu verstehen, aber es ist auch egal. Ein schöner Sound, ein eingängiges Riff und ein wunderbarer Song. Das Album kommt im Januar 2010, die Single ist jetzt schon draußen und weil ich gemeinsam mit den Jungs von Get Addicted mit dem Künstler eine Wette über Chartplatzierungen laufen habe, täten Sie uns allen einen Gefallen (sich selbst natürlich sowieso), wenn Sie das Lied käuflich erwürben.

Virginia Jetzt! – Dieses Ende wird ein Anfang sein
Virginia Jetzt! hatte ich irgendwann nach dem zweiten Album aus den Augen verloren. Kürzlich war ich bei einem ihrer Konzerte (eigentlich nur, um mir Oh, Napoleon im Vorprogramm anzusehen) und ich war wirklich schwer begeistert. So sehr, dass ich mir ihr aktuelles Album gekauft habe. Was live super funktionierte, ist auf Platte mitunter arg hart an der Grenze (wobei die Idee, Stefan Zauner von der Münchener Freiheit Background-Chöre singen zu lassen, natürlich schon gigantisch ist), aber “Dieses Ende wird ein Anfang sein”, diese charmante Up-Tempo-Nummer mit Bläsern, die ist schon sehr gut geworden.

White Lies – To Lose My Life
“Let’s grow old together and die at the same time” ist eigentlich auch nichts groß anderes als das, was John Lennon 1980 in “Grow Old With Me” ausdrücken wollte — und trotzdem natürlich irre romantisch. Dazu ein treibender Refrain mit einem Keyboard, das so sensationell nervig rein dröhnt, dass man sich die Ohren zuhalten müsste — wenn das beim Tanzen nicht total beknackt aussähe. Ein schöner Song.

Lady Gaga – Paparazzi
“Ernsthaft?” Ernsthaft! Was für coole Sounds, was für ein gelungener Refrain! Außerdem dachte ich am Anfang, als ich nur die Strophe gehört habe, das sei eine neuer Song von The Knife.

[Listenpanik, die Serie]

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Can’t read my baby face

Weezer, die Älteren werden sich erinnern, waren eine Band, die Mitte der 1990er Jahre mit den Alben “Weezer” und “Pinkerton” Rock-Geschichte schrieben. 2001 kamen sie mit “Weezer (The Green Album)” zurück und befinden sich seitdem auf dem absteigenden Ast.

Das heißt: Nicht ganz. Letztes Jahr schafften sie es überraschenderweise, das definitive YouTube-Video zu drehen und mit “Heart Songs” auch noch eine anrührende Heldenverehrung zu veröffentlichen.

Und jetzt? Covern sie live “Kids” von MGMT und “Poker Face” von Lady Gaga. Hört sich bekloppt an?

Hört sich so an:

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[Direktlink]

[via choochootheband]