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Der Klammeraffenbumerang

Über die Internetkompetenz von Politikern ist gerade in den letzten Tagen viel gespottet worden und tatsächlich habe ich manchmal den Eindruck, dass meine 76-jährige Großmutter besser mit dem Computer umzugehen weiß als so mancher Bundesminister. (Vermutlich auch besser als einige 25-Jährige, aber darum soll es nicht gehen.)

Manchmal allerdings ist es um die Internetkompetenz von Politikern (oder ihren Mitarbeitern) dann vielleicht doch nicht so schlecht bestellt, wie mancher Beobachter das gerne hätte. Das sieht dann zum Beispiel so aus wie in der Kolumne “Unsere Woche” in der Jörg Werner, der Dinslakener Lokalchef der “Rheinischen Post”, am vergangenen Samstag schrieb:

Und zum Schluss noch dies: Dinslakens SPD-Bürgermeisterkandidat Dr. Michael Heidinger hat das Wahlvolk in dieser Woche mit seinem Internet-Auftritt beglückt. Nun wollen wir gar nicht darüber rechten, wie altbacken das von ihm vorgestellte Wahllogo ist. Das ist schließlich Geschmackssache. Eines allerdings gibt uns zu denken. Wer dem Kandidaten eine Mail mailen möchte, sollte dies, so stand es jedenfalls noch gestern nachmittag im Impressum der Seite, unter buergermeister-fuer-dinslaken(ät)arcor.de tun. Mensch, lieber Dr. Heidinger, groß herausposaunen, dass man jetzt einen tollen Internet-Auftritt hat und dann das @-Zeichen nicht finden ... Ist das professionell? Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende.

Ich schrieb meinem früheren Chef am Sonntagabend, dass Heidinger diese obskure Schreibweise vermutlich gewählt habe, damit die E-Mail-Adresse nicht so leicht von Spambots gefunden werde, die das Internet durchforsten. (Das dürfte zwar heutzutage kaum noch wirkungsvoll sein, aber die Website sieht ja auch nicht gerade aus, als stamme sie aus dem Jahr 2009.)

Jörg Werner reagierte prompt und vorbildlich, indem er am Dienstag auf der ersten Seite des Lokalteils schrieb:

Professionelles (ät): Auf ein Wort in eigener Sache: Redaktionsleiter, wer hätte das gedacht, sind nicht unfehlbar. Sie sind, ich habe kein Problem, das zuzugeben, nicht allwissend. Aber sie lernen täglich dazu. Warum ich das erzähle? Na ganz einfach, ich hab was dazu gelernt. Da hab ich doch am Samstag die Frage gestellt, ob der Internetauftritt des SPD-Bürgermeisterkandidaten Dr. Michael Heidinger tatsächlich professionell ist, weil das gewohnte @-Zeichen dort durch ein (ät) ersetzt worden ist. Die Antwort auf diese Frage ist: Ja. Denn dieses (ät) gilt, wie ich mich inzwischen habe belehren lassen, als Mittel, sich vor automatischen Programmen auf der Suche nach Adressen für Spam-Mails zu schützen. Nun gut, das kannte ich bislang nur in der Version (at), ob's tatsächlich effektiv hilft, ist auch nicht unumstritten und über die Frage, ob der Trick nicht eher dazu dient, die Erreichbarkeit des Kandidaten für Otto-Normalcomputerbenutzer zu behindern, ließe sich auch philosophieren Aber hier ist nicht der Platz zum Haare spalten. Also, Asche auf mein Haupt, Herr Dr. Heidinger. Die nächste kritische Anmerkung, ich versprech's, trifft aber wieder mitten ins Schwarze. Jörg Werner.

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“New York Times”: Wir korrigieren jeden Fehler

Während es deutsche Medien mit der Korrektur von Fehlern nicht ganz so genau nehmen …

Entschuldigung, ich erfahre gerade vom Coffee-And-TV-Euphemismusbeauftragten, dass das viel zu freundlich ausgedrückt war.

Während den meisten deutschen Medien die Korrektur ihrer Fehler scheißegal ist, hat sich die “New York Times” (die auch schon mal wortreich mitgeteilt hatte, die bulgarische Hauptstadt versehentlich “Sophia” und nicht “Sofia” genannt zu haben) gestern mit einer ganz besonderen Korrektur hervorgetan:

A listing of credits on April 28, 1960, with a theater review of “West Side Story” on its return to the Winter Garden theater, misstated the surname of the actor who played Action. He is George Liker, not Johnson. (Mr. Liker, who hopes to audition for a role in a Broadway revival of the show planned for February, brought the error to The Times’s attention last month. )

[via “Spiegel Online”, die ihre Fehler im Großen und Ganzen ganz gut korrigieren]

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Der Westen hält an Sex-Angeboten fest

Fehler macht wirklich jeder mal. Oft ist man auch noch zu betriebsblind, sie wahrzunehmen. Aber dafür gibt es ja immer wieder Menschen, die einen auf den Fehler hinweisen. Nicht, weil sie selber frei von Fehlern wären, sondern gerade weil sie wissen, wie ärgerlich Fehler sind und wie gerne und schnell man sie wiedergutmachen oder korrigieren möchte.

Soweit die Theorie. Kommen wir nun zum Onlinejournalismus: Vor etwa anderthalb Monaten hatte die “WAZ” über eine Pressekonferenz des Ryanair-Chefs Michael O’Leary berichtet und dabei einen Scherz nicht als solchen erkannt (die Älteren werden sich erinnern).

Nicht weiter schlimm, man erkannte den Fehler im Haus als solchen und Katharina Borchert, Chefredakteurin des “WAZ”-Onlineportals derwesten.de) schrieb mir direkt am nächsten Morgen:

Ich warte auf einen Rückruf von Herrn Pott, dann sollte es einen Beitrag im Korrekturblog geben, der auch unter dem Artikel verlinkt wird.

[Herr Pott war der Verfasser des fehlerhaften Artikels – er hatte auf meinen Kontaktversuch gar nicht erst reagiert.]

Das Ganze ist, wie gesagt, etwa anderthalb Monate her und passiert ist seitdem – Sie werden es angesichts des Vorspanns und des versuchten Spannungsaufbaus längst erraten haben – nichts. Der Artikel steht immer noch fröhlich in seiner ursprünglichen Form online und wer heute oder in ein paar Jahren per Suchmaschine oder im Westen-Archiv darauf stößt, wird nach wie vor glauben, eine Fluggesellschaft habe sexuelle Leistungen an Bord anbieten wollen.

Nun fragt man sich natürlich (zumindest tue ich das): Warum tut der Westen nicht, was seine Chefin angekündigt hat? Immerhin musste man ja damit rechnen, dass ich den Artikel im Auge behalte und hier wieder und wieder darauf herumreite.

Eine mögliche Lösung: Es ist ihnen egal. Und zwar nicht nur, was schlecht gelaunte Blogger über sie schreiben, sondern auch, was in ihrem eigenen Portal steht. Das wäre (vor allem der zweite Teil) aus journalistischer Hinsicht fatal. Besonders, wenn man sich extra ein Korrekturblog leistet und ankündigt einen Fehler korrigieren zu wollen.

Eine andere Lösung: Herr Pott hat nie zurückgerufen und deshalb konnte Frau Borchert das alles gar nicht korrigieren (lassen).

Was mich zu einer (irgendwie beunruhigenden) Frage brachte, die ich Katharina Borchert am 23. Juni und am 18. Juli zukommen ließ:

Gehört es zur Redaktionspolitik der “WAZ” bzw. von derwesten.de, Fehler nur im Einvernehmen mit dem Autor eines Artikels zu korrigieren (bzw. eben nicht zu korrigieren, wenn der Autor uneinsichtig ist)?

Ich habe bis heute keine Antwort erhalten.