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Glamorous Indie Rock’n’Roll

Als The Kil­lers, die ers­te Rock­band, die es je aus Las Vegas lebend her­aus­ge­schafft hat, vor drei Jah­ren ihr Debüt „Hot Fuss“ ver­öf­fent­lich­ten, sag­ten alle: „Boar geil, die­ser Eight­ies Sound und die­se Tex­te und die­se gan­ze Iro­nie.“ Als The Kil­lers im ver­gan­ge­nen Jahr ihr Zweit­werk „Sam’s Town“ ver­öf­fent­lich­ten, sag­ten alle: „Oh weh, das klingt ja, als sei Bruce Springsteen unter dem Joshua Tree gebo­ren wor­den. Der Sän­ger trägt einen Schnauz­bart und der Gitar­rist sieht aus wie jemand von Euro­pe – oder wenigs­tens wie Bri­an May. Was machen wir denn, wenn das gar kei­ne Iro­nie ist?“

Wer es ernst meint, hat es noch wie vor schwer im Rock­busi­ness. Schwe­rer hat es nur der­je­ni­ge, bei dem man nicht weiß, ob er es ernst meint. Da rüpelt Sän­ger Bran­don Flowers durch die Musik­pres­se, ver­passt The Bra­very, Panic! At The Dis­co und Green Day ein paar ver­ba­le Abrei­bun­gen und ver­kün­det, das eige­ne Album sei eines der bes­ten der letz­ten zwan­zig Jah­re, nur um dann ein paar Wochen spä­ter wie ein belie­bi­ger Bun­des­po­li­ti­ker wie­der zurück­zu­ru­dern mit dem Hin­weis, das alles nicht so gemeint zu haben. Also wie­der nichts gewor­den mit der Hoff­nung, irgend­je­mand könn­te die Gal­lag­hers doch noch als Groß­kot­ze des inter­na­tio­na­len Rock’n’Roll-Cir­cus beer­ben. Flowers, so war zuletzt im Musik­ex­press zu lesen, hal­te sich selbst für nicht son­der­lich elo­quent und sage dann manch­mal Sachen, die er hin­ter­her bereue. Am liebs­ten sage er aber nichts.

So ist es nicht wei­ter ver­wun­der­lich, dass sich die Anzahl der Zwi­schen­mo­de­ra­tio­nen beim gest­ri­gen Kil­lers-Kon­zert im aus­ver­kauf­ten Köl­ner Pal­la­di­um auf ein Mini­mum beschränk­ten. Die Band war auch mit wich­ti­ge­rem beschäf­tigt: nach der ganz famo­sen bri­ti­schen Vor­grup­pe Mumm-Ra und nach einem Mul­ti­me­dia-Intro, das sich gewa­schen hat, stan­den The Kil­lers plötz­lich im Glit­ter­re­gen (rot-weiß-blau, of cour­se, und sil­ber) auf der Büh­ne, spiel­ten die ers­ten drei Stü­cke von „Sam’s Town“ durch und star­te­ten damit eine Par­ty, bei der in knapp 80 Minu­ten mehr los war als im Borus­sia­park zu Mön­chen­glad­bach in einer gan­zen Sai­son. Ohne Rück­sicht auf Ver­lus­te und ohne den sonst so ver­brei­te­ten Drang, die ganz gro­ßen Hits alle erst in der Zuga­be zu ver­bra­ten, reih­ten The Kil­lers ihre Sin­gles wie die Per­len einer etwas über­trie­ben glit­zern­den Ket­te anein­an­der: „Bones“, „Some­bo­dy Told Me“, „Jen­ny Was A Fri­end Of Mine“ und „Smi­le Like You Mean It“ als Num­mern Vier bis Sie­ben im Set, so hin­ter­ein­an­der weg.

Das Publi­kum hat­te vom ers­ten Takt an die Hän­de in der Luft und mach­te Par­ty, Par­ty, Par­ty. Ich war nach zwan­zig Minu­ten kör­per­lich am Ende und frag­te mich, wie die gan­zen Duracell-Häs­chen um mich her­um ihr Pen­sum auf­recht­erhal­ten konn­ten. Und: Nein, nicht alle waren jün­ger. Ruhig wur­de es eigent­lich nie, ein­zig ein paar Intros und Zwi­schen­spie­le waren nicht so beat­ge­trie­ben wie der Rest der Show. Aber waber­ten gera­de mal sphä­ri­sche Key­board-Tep­pi­che durch das auf­ge­heiz­te Pal­la­di­um, war das Publi­kum sein eige­ner Anhei­zer und klatsch­te, was die Hän­de her­ga­ben (und wie es sich gehört, klatsch­te es natür­lich ohne einen Hauch von Rhyth­mus­ge­fühl, so dass man das Gefühl hat­te, Drum­mer Ron­nie Van­nuc­ci wür­de statt sei­ner Bass­drum lie­ber eini­gen Zuschau­ern den rich­ti­gen Beat ein­prü­geln). Es war ein Hüp­fen und Sprin­gen und Tan­zen und man muss­te sich wie­der fra­gen, war­um man eigent­lich nie mit den attrak­ti­ven Indie­mäd­chen zusam­men­stößt – „Don’t you wan­na feel my skin on your skin?“ -, son­dern einem immer nur die gesetz­te­ren Damen auf die Zehen hop­sen. (Preis­fra­ge am Ran­de: War­um hab ich mich mit 1,85 m nur so ver­dammt klein gefühlt und wie viel haben die wirk­lich klei­nen Indie­mäd­chen eigent­lich noch von dem auch nicht son­der­lich gro­ßen Bran­don Flowers sehen kön­nen?)

Noch vor der Zuga­be erklang „Mr. Brights­ide“, der viel­leicht größ­te Hit der Band bis­her, im Zuga­ben­block ver­beug­ten sich The Kil­lers mit einer Cover­ver­si­on von „Shadow­play“ vor Joy Divi­si­on (The Kil­lers benann­ten sich ja nach der Fan­ta­sieb­and glei­chen Namens im „Crystal“-Video der Joy-Divi­si­on-Nach­fol­ge­band New Order) und zum Abschluss gab es dann den „Sam’s Town“-Schlusstrack „Exit­lude“. Und hin­ten­dran noch mal einen Refra­in­durch­lauf von „When You Were Young“. Mehr Hits, mehr Stim­mung ging wirk­lich kaum, es wäre kör­per­lich kaum zu ver­kraf­ten gewe­sen. Das Glau­bens­be­kennt­nis der Band und der Fans war sowie­so schon mit­ten im Kon­zert erklun­gen: „Glamo­rous Indie rock’n’roll is what I want /​ It’s in my soul, it’s what I need“. Nicht mehr, aber nun wirk­lich auch nicht weni­ger.

Und für die Freun­de von Lis­ten, Sta­tis­ti­ken und Name­drop­ping gibt es hier noch die kom­plet­te Set­list:

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Live Is Beautiful

Es ist fast fünf Jah­re her, da ver­öf­fent­lich­te eine Band, die aus dem hal­ben Com­mon­wealth kam, ihr Debüt­al­bum. Die Musik­pres­se schrieb mal wie­der was vom Next Big Thing und das wären Vega4 sicher­lich gewor­den – wenn ihr Album „Satel­li­tes“ nur ein paar Jah­re spä­ter erschie­nen wäre. Ihre Mischung aus U2, Embrace und sehr frü­hen Radio­head rausch­te damals am Publi­kum vor­bei, das sich kurz dar­auf lie­ber auf Cold­play, Snow Pat­rol und Razor­light stürz­te. Lan­ge Zeit hör­te man gar nichts mehr von Vega4, dann gab es im letz­ten Früh­jahr mit „You And Me“ plötz­lich ein Lebens­zei­chen auf ihrer MySpace-Sei­te und im Herbst erschien dann „You And Others“ – aller­dings zunächst nur in Groß­bri­tan­ni­en, in Deutsch­land ist es erst im April soweit.

Die Band hat viel Ener­gie in die­ses Album gesteckt und ihre neu­en, elek­tro­ni­sche­ren Vor­bil­der wie The Pos­tal Ser­vice mal mehr („A Bil­li­on Tons Of Light“), mal weni­ger („Tearing Me Apart“) auf­fäl­lig zitiert. Mit dem Qua­si-Snow-Pat­rol-Cover „Life Is Beau­tiful“ (Pro­du­zent bei­der Bands ist Jack­ni­fe Lee, der auch schon für U2, Kas­a­bi­an und zuletzt Bloc Par­ty an den Reg­lern saß) und des­sen Ein­satz bei „Grey’s Ana­to­my“ kann eigent­lich nichts mehr schief gehen, jetzt fehlt nur noch das Publi­kum.

Ob es eine so bril­lan­te Idee war, die Band noch vor der offi­zi­el­len Album­ver­öf­fent­li­chung (und damit gänz­lich ohne aktu­el­len Air­play) durch Deutsch­land tou­ren zu las­sen, ist eine Fra­ge, die in den Büros der Sony BMG sicher aus­gie­big dis­ku­tiert wur­de. Auch die Fra­ge, ob es denn aus­ge­rech­net das zwar sehr schmu­cke, aber auch recht abge­le­ge­ne Gebäu­de 9 sein muss­te, in dem die Band in Köln spie­len soll­te, kann man durch­aus stel­len. Im Nach­hin­ein kann man aber bei­de Fra­gen mit einer läs­si­gen Hand­be­we­gung abtun: es hat sich gelohnt.

86 Kar­ten sei­en im Vor­ver­kauf weg­ge­gan­gen, erzähl­te die Band hin­ter­her, da stan­den etwa 120 Leu­te vor der Büh­ne. Von Anfang an war mir das Publi­kum irgend­wie merk­wür­dig vor­ge­kom­men, kurz bevor die Vor­band (Fric­ta­ne aus Köln, soll­te man mal im Auge behal­ten) anfing, däm­mer­te mir dann auch, was genau da nicht stimm­te: ich war einer der jüngs­ten im gan­zen Club (wahr­schein­lich sogar der jüngs­te männ­li­che Kon­zert­be­su­cher), was einem mit 23 nicht mehr all­zu häu­fig pas­siert. Was ich als „älte­re Kon­zert­be­su­cher“ bezeich­nen möch­te, waren noch nicht ein­mal die Ü40-Sekre­tä­rin­nen, die die Band wohl vor fünf Jah­ren im Vor­pro­gramm von Bryan Adams für sich ent­deckt hat­ten, son­dern wirk­lich älte­re Men­schen bei­der­lei Geschlechts mit grau­en Haa­ren und Wind­brea­k­ern. Da denkt man bei einem Rock­kon­zert natür­lich erst mal „Uff, was wol­len die mir denn hier mei­ne Jugend­kul­tur weg­glot­zen?“ bis einem auf­fällt, dass „gene­ra­ti­ons­über­grei­fend“ ein Attri­but ist, das man außer Udo Jür­gens und den Rol­ling Stones nicht ganz so vie­len Musi­kern nach­sagt.

Neun Songs stan­den auf der Set­list, zehn spiel­te die Band am Ende (weil sich eine Kon­zert­be­su­che­rin „The Cater­pil­lar Song“ vom Debüt gewünscht und sicher­heits­hal­ber gleich den aus­ge­druck­ten Lied­text mit­ge­bracht hat­te), davon sie­ben vom neu­en Album. Für die­se zehn Songs brauch­te sie fast andert­halb Stun­den, so lang gerie­ten man­che Live­ver­sio­nen und so viel rede­ten, nein: alber­ten Sän­ger John McDaid und der neue Bas­sist zwi­schen den Lie­dern her­um. Besag­tes „Life Is Beau­tiful“, die aktu­el­le Sin­gle in UK, ging als nicht enden wol­len­der Sta­di­on­rock über die Büh­ne, inkl. einem Aus­flug McDaids ins Publi­kum und hals­bre­che­ri­schem Rum­tur­nen auf den Moni­tor­bo­xen. Sowas darf man aber auch nur machen, wenn man vor dem Lied den eige­nen Vater anru­fen lässt und sich über die Laut­spre­cher mit ihm unter­hält.

Es macht immer Spaß, einer Band mit gro­ßer Spiel­freu­de zuzu­schau­en, und es war schön anzu­se­hen, wie sehr sich die Vier über den war­men Emp­fang in Deutsch­land und beson­ders in Köln gefreut haben. Als ich John McDaid nach dem Kon­zert frag­te, war­um es nur so weni­ge alte Songs zu hören gab, erklär­te er mir, die neue Plat­te bedeu­te der Band sehr viel und sie woll­ten vor allem die­se neu­en Sachen spie­len: „We might play some of the old stuff again when we’­re doing two hour shows!“ Auf einer Sta­di­onbüh­ne wür­den Vega4 sicher eine gute Figur machen. Bleibt nur zu hof­fen, dass dann ein paar Leu­te mehr kom­men.