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Film Gesellschaft

Ungesundes Merchandise

Ich habe es noch nicht geschafft, mir „High School Musi­cal 3“ anzu­se­hen (aber ich wer­de es, das ver­spre­che ich).

Ich möch­te Sie aber auf ein Inter­view auf­merk­sam machen, das NPR mit Ken­ny Orte­ga, dem Regis­seur der „High School Musical“-Filme, geführt hat.

Auf die Fra­ge, was er eigent­lich von die­sem gan­zen Mer­chan­di­se (Ruck­sä­cke, Bett­wä­sche, Schlüs­sel­an­hän­ger, Unter­wä­sche, you name it …) zu „High School Musi­cal“ hal­te, reagier­te er zunächst ein­mal mit einem lan­gen, nach­denk­li­chen Seuf­zer und sag­te dann:

Well, you know, that’s a tough one for me, you know. Tho­se are the folks that give us the money to make the movies. And I would just say that it’s, you know, the par­ents just have to like … be the ones in char­ge. Disney’s gon­na put out wha­te­ver they can put out. There’s a hun­ger for the mer­chan­di­se, but I also think that, you know, at a cer­tain point, it would be unhe­alt­hy to allow too much of it into an individual’s life.

Ich den­ke, mit die­ser Ein­stel­lung wird er sowohl Dis­ney, als auch so man­che Eltern ver­är­gert haben, die ihren Kin­dern erklä­ren müs­sen, war­um sie nicht auch noch die HSM-But­ter­brot­do­se haben kön­nen. Aber ich fin­de sei­ne Ein­stel­lung erfri­schend ehr­lich.

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Leben

Gebt den Kindern das Kommando

Man kennt das aus vie­len, vie­len Hol­ly­wood-Komö­di­en: es klin­gelt an der Tür und – Zack! – hat ein Mann ein Kind am Hacken, von des­sen Exis­tenz er nichts geahnt hat und mit dem er sich erst gar nicht und dann super gut ver­steht. Mir ist ges­tern auch ein Kind zuge­lau­fen – aller­dings konn­te ich sicher sein, dass es nicht mein eige­nes war.

Ich ging gera­de auf die Roll­trep­pen in Bochums größ­tem Elek­tronik­kauf­haus zu, als ich ein klei­nes Mäd­chen erblick­te, das ein­sam zwi­schen Dampf­bü­gel­eisen und die­sen komi­schen auf­blas­ba­ren Hem­den­glatt­ma­chern stand, von denen nie­mand weiß, wie sie funk­tio­nie­ren und wer sie kauft.

„Ich muss da rauf“, sag­te das Mäd­chen mit einer Stim­me, die kei­nen Wider­spruch zuließ. „Mei­ne Mama ist da oben und muss noch was bezah­len!“
„Und dann bist Du allei­ne hier unten?“, frag­te ich ungläu­big.
„Ja, aber ich muss da wie­der rauf!“
„Und Dei­ne Mama ist oben?“
„Ja“, wie­der­hol­te die Klei­ne und nag­te ner­vös am Ohr ihrer Stoff­en­te her­um.
„Willst Du mit mir hoch­fah­ren?“, frag­te ich und – Zack! – hat­te ich ein Kind am Hacken.

Erstaun­lich selb­stän­dig fuhr das Mäd­chen mit mir die Roll­trep­pen hin­auf in den zwei­ten Stock. Blitz­schnell ver­schwand sie ((Ich schrei­be immer „das Mäd­chen“ und „sie“ – bio­lo­gi­sches Geschlecht geht mir vor gram­ma­ti­ka­li­schem.)) laut „Mama! Mama, bist Du hier?“ rufend zwi­schen den Rei­hen von CD-Rega­len. Ich woll­te mich gera­de den aktu­el­len Ange­bo­ten zuwen­den, als ihr Gesicht wie­der auf Höhe mei­ner Knie auf­tauch­te und mich ver­wirrt anschau­te. Mir fiel auf, dass die Stoff­en­te nur noch ein Ohr hat­te.

„Nicht da?“, frag­te ich das Offen­sicht­li­che.
„Die muss hier sein, aber ich fin­de sie nicht“, ent­geg­ne­te das Kind, nur mini­mal beun­ru­higt. Es ist das Pri­vi­leg von Kin­dern und Para­no­iden, sich die eige­ne Theo­rie nicht durch Fak­ten zer­stö­ren zu las­sen.

Weil ich als Kind mal bei einem Stadt­fest mei­ne Eltern ver­lo­ren hat­te ((Also, kei­ne Angst: Die Bei­den leben noch und erfreu­en sich bes­ter Gesund­heit, sie waren mir damals nur abhan­den gekom­men.)) und mit dem Gedan­ken, für den Rest mei­nes Lebens unter der Rot­bach­brü­cke an der katho­li­schen Kir­che schla­fen zu müs­sen, durch die Gegend getau­melt war, dach­te ich, dass es in die­ser Situa­ti­on doch sinn­vol­ler wäre, aktiv zu wer­den.
„Sol­len wir mal Dei­ne Mama aus­ru­fen las­sen?“, frag­te ich das Kind und mich einen Augen­blick spä­ter, ob „aus­ru­fen las­sen“ nicht viel­leicht doch eine etwas zu kom­ple­xe For­mu­lie­rung war. Über­haupt „aus­ru­fen“, was soll denn das Wort hei­ßen?

Die ers­te Infor­ma­ti­on war geschlos­sen, an der zwei­ten muss­ten wir eini­ge Zeit war­ten ((Im Nach­hin­ein muss ich zuge­ben, dass es tak­tisch unklug war, das Kind direkt vor einer ein Meter hohen The­ke und damit außer­halb der Sicht­wei­te der Ver­käu­fer abzu­stel­len.)), ehe wir die Auf­merk­sam­keit der Bediens­te­ten erre­gen konn­ten.
„Sie sucht ihre Mama“, erklär­te ich und unter­strich das eben Gesag­te mit einem Blick, von dem ich hoff­te, er wür­de „Seid so freund­lich und tut um Him­mels Wil­len irgend­was!“ aus­drü­cken.
Mit jeder Minu­te, die ver­strich, wur­den näm­lich die Bil­der eines Mobs von „Bild“-Lesern, die mit Mist­for­ken und Fackeln die­sen wahn­sin­ni­gen Stu­den­ten von der Ent­füh­rung des unschul­di­gen Kin­des abhal­ten woll­ten, vor mei­nem geis­ti­gen Auge schär­fer. Ich über­leg­te, ob ich die Num­mer mei­nes Anwalts im Han­dy ein­ge­spei­chert hat­te, und war aus­ge­spro­chen froh, nicht auch noch irgend­wie süd­län­disch aus­zu­schau­en. Sie hät­ten mich sonst sofort erschos­sen.

„Äh“, sag­te der Ver­käu­fer, was jetzt nicht ganz mei­nen in ihn gesetz­ten Hoff­nun­gen ent­sprach. „Am Bes­ten geht Ihr ins Erd­ge­schoss. An der Infor­ma­ti­on kön­nen die auch aus­ru­fen!“
„Ah, okay. Vie­len Dank“, sag­te ich und freu­te mich auf eine wei­ter Tour durchs hal­be Kauf­haus.

Ich wand­te mich wie­der der Klei­nen zu: „Wir müs­sen wie­der run­ter. Da kön­nen die dann Dei­ner Mama über Laut­spre­cher Bescheid sagen.“
Das Kind nick­te begeis­tert und wirk­te immer noch nicht son­der­lich beun­ru­higt. Gemein­sam gin­gen wir wie­der durch die kom­plet­te CD-Abtei­lung, wo sie noch ein­mal in jeden Gang guck­te, ob sich ihre Mut­ter dort auch nicht ver­steckt hät­te.

„Wol­len wir Fahr­stuhl fah­ren?“, frag­te ich, weil mir das irgend­wie unge­fähr­li­cher erschien als noch mal die Roll­trep­pe zu neh­men. Das Mäd­chen nick­te und lang­sam mach­te ich mir Sor­gen um das zwei­te Ohr der Ente.

Im Auf­zug nach unten frag­te ich sie, wie alt sie eigent­lich sei.
„Ich bin vier!“, ver­kün­de­te sie stolz und bejah­te auch mei­ne anschlie­ßen­de Fra­ge, ob sie denn mit vier auch schon allei­ne durchs Kauf­haus zie­hen dür­fe.

Die glä­ser­ne Kabi­ne schweb­te ins Erd­ge­schoss ein und ich wapp­ne­te mich gera­de für die Begeg­nung mit dem Lynch­mob, als das Kind erfreut „Ich kann mei­ne Mama sehen!“ aus­rief.
Die Türen öff­ne­ten sich und die Klei­ne stürm­te mit gut­ge­laun­tem „Mama, Mama!“-Gebrüll einer Frau in die Arme, die offen­sicht­lich bis zu die­sem Augen­blick in gro­ßer Sor­ge gewe­sen war.

Nun pas­sier­ten meh­re­re Din­ge gleich­zei­tig: Die Mut­ter schloss ihr Kind in ihre Arme, begann zu wei­nen, frag­te „Wo warst Du denn?“ und sag­te „Mach das nie wie­der!“
Ich stand unschlüs­sig dane­ben und kam mir so fehl am Plat­ze vor, wie es Redak­teu­re von Rea­li­ty-For­ma­ten tun soll­ten, wenn sie ein biss­chen Anstand und Scham­ge­fühl hät­ten. Ein­fach gehen hät­te ich aber auch doof gefun­den, also sag­te ich „Sie hat Sie gesucht, wir woll­ten Sie gera­de aus­ru­fen las­sen!“ in den offe­nen Raum hin­ein, womit es mir immer­hin gelang, die Auf­merk­sam­keit der Mut­ter zu erre­gen, die sich mit feuch­ten Augen bedank­te.

„Okay, alles geklärt“, dach­te ich und ver­ließ auf dem schnells­ten Wege den Laden. „Wäre ich Pfad­fin­der gewe­sen, hät­te ich heu­te einen beson­ders gro­ßen Haken in mei­nen Kalen­der machen kön­nen.“

Von dem klei­nen Mäd­chen hat­te ich mich gar nicht mehr ver­ab­schie­det. Von der Stoff­en­te auch nicht.

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Print Gesellschaft

Das bizarre Massaker der Fehlorientierungen

Mei­ne ers­te „Bra­vo“ las ich im Deutsch­un­ter­richt der ach­ten Klas­se. Nicht heim­lich unter dem Tisch, son­dern auf Geheiß unse­res dama­li­gen Deutsch­leh­rers. Der hielt Deutsch­lands lang­le­bigs­te Jugend­zeit­schrift für ein Super-Bei­spiel, um uns den The­men­kom­plex „Zei­tung“ näher zu brin­gen. ((Gerüch­ten zufol­ge ließ der glei­che Leh­rer in sechs­ten Klas­sen Auf­sät­ze mit dem The­ma „Mein ers­tes Mal“ schrei­ben. Es ist den Anstren­gun­gen unse­res her­zens­gu­ten Klas­sen­leh­rers zu ver­dan­ken, dass wir nur zwei Jah­re mit die­sem Päd­ago­gen zu tun hat­ten, der wenig spä­ter die Schu­le wech­sel­te. Es beun­ru­higt mich ein biss­chen, dass er auch heu­te mit Ende Fünf­zig noch Schü­ler (und vor allem Schü­le­rin­nen) unter­rich­tet.))

Ich war damals drei­zehn Jah­re alt und den Inhal­ten der Zeit­schrift noch nicht wirk­lich gewach­sen. Die Unsi­cher­heit, wie man sich ange­sichts von Tex­ten über den vor­zei­ti­gen Samen­er­guss, Pet­ting und die neu­es­te Sin­gle von Worlds Apart ver­hal­ten soll­te, über­gin­gen mei­ne bes­ten Freun­de und ich, indem wir jede ein­zel­ne Sei­te mit viel Auf­wand künst­le­risch ver­schö­ner­ten. Beson­ders die Foto Love Sto­ry hat­te es uns ange­tan. ((Ich hof­fe, ich den­ke dar­an, den gröbs­ten Irr­sinn beim nächs­ten Eltern­be­such mal zu scan­nen.))

Nach der Klas­sen­ar­beit zu die­ser Unter­richts­ein­heit ((Auf­ga­ben­stel­lung: Wahl­wei­se „Schrei­be einen Brief ans Dr.-Sommer-Team aus der Per­spek­ti­ve des Mäd­chens, das in der Foto Love Sto­ry ver­ge­wal­tigt wur­de“ oder „Schrei­be eine Bio­gra­phie über Mel B.“)) war „Bra­vo“ für mich abge­hakt. Aus Spaß an der Freu­de kauf­ten wir uns aller­dings genau ein Jahr spä­ter eine wei­te­re Aus­ga­be, um auch die­se zu ver­schö­nern. Die Fest­stel­lung, dass sich die The­men im Abstand von exakt 52 Wochen wie­der­ho­len ((„Skan­dal­vi­deo von The Pro­di­gy“, Vor­zei­ti­ger Samen­er­guss, Mini­pos­ter von Jon Bon Jovi.)), war mei­ne ers­te Begeg­nung mit dem Medi­en­jour­na­lis­mus.

War­um erzäh­le ich Ihnen den gan­zen Scheiß aus mei­ner noch nicht mal pick­li­gen Puber­tät? Ich bin im Inter­net ((Über eine Goog­le Ad bei bild.de.)) auf eine völ­lig bizar­re Sei­te gesto­ßen, die es in Sachen Wahn locker mit der „Bür­ger­rechts­be­we­gung Soli­da­ri­tät“ auf­neh­men kann: „Kin­der in Gefahr“ – eine Akti­on der Deut­sche Ver­ei­ni­gung für eine Christ­li­che Kul­tur (DVCK) e.V.

Neben einer Pro­test­ak­ti­on gegen die „stei­gen­de Anzahl von Ero­tik-Sen­dun­gen“ im ZDF, etli­chen homo­pho­ben Aus­fäl­len und diver­sen wei­te­ren For­de­run­gen, die man allen­falls von den bekannt-durch­ge­knall­ten Eltern­or­ga­ni­sa­tio­nen in den USA erwar­tet hät­te, gibt es dort auch eine Unter­schrif­ten­ak­ti­on zum Ver­bot der „Bra­vo“.

Die­ses „Mas­sa­ker an der Kind­heit“ äußert sich nach Ansicht der Deut­schen Ver­ei­ni­gung für eine Christ­li­che Kul­tur bei­spiels­wei­se in die­sen Aus­prä­gun­gen:

  • Jede Woche wer­den ein Jun­ge und ein Mäd­chen split­ter­nackt abge­bil­det, die dabei über ihre Sexu­al­aben­teu­er berich­ten. So gut, wie in jeder Aus­ga­be wer­den Jugend­li­che beim Geschlechts­ver­kehr gezeigt.
  • In jeder Aus­ga­be gibt es Berich­te über The­men wie „Kama­su­tra“, „Ero­ti­sche Aus­st­rah-lung“, „Oral­sex“ usw. usf., natür­lich mit den dazu­ge­hö­ri­gen Ero­tik- und Nackt­fo­tos, ab-gese­hen von sexu­el­len Per­ver­sio­nen, wie bei­spiels­wei­se Fes­seln und Sado­ma­so-chis­mus.
  • Bizar­res wird als „cool“ und „toll“ dar­ge­stellt, wie bei­spiels­wei­se die „Rock-Par­ty“ der Punk-Grup­pe „Tokio Hotel“, die zu einer Zer­stö­rungs­or­gie wurde.Die Lis­te sol­cher Bei­spie­le könn­te man belie­big erwei­tern.

In einem wei­te­ren Arti­kel erklärt der (für Goog­le qua­si kom­plett unbe­kann­te) Prof. Dr. Die­ter Dahl, war­um die Inter­net­sei­te der „Bra­vo“ zu „see­li­scher Zer­stö­rung, Halt­lo­sig­keit, Fehl­ori­en­tie­run­gen und Sucht“ führt:

Dort wo ein Sex­part­ner nicht zur Hand ist, wird von BRAVO der Solo­sex, d.h. die Selbst­be­frie­di­gung, bebil­dert ein­ge­übt und zwar nach Jun­gen und Mäd­chen getrennt. Natür­lich für jeden ein­seh­bar.

Wenn man sich vor­stellt, wie schwer dem guten Pro­fes­sor das Tip­pen des Wor­tes „Selbst­be­frie­di­gung“ gefal­len sein muss, lässt sich erah­nen, was in ihm vor­ging, als er fol­gen­de Pas­sa­ge schrieb:

Ich fra­ge mich: Kann man sich an ver­ant­wort­li­cher Stel­le nicht vor­stel­len, daß ein Jun­ge sich an die­sen Dar­stel­lun­gen auf­geilt, davon nicht los­kommt, zum Dau­er­kon­su­ment und schließ­lich sex­süch­tig wird? Es ent­ste­hen dann see­li­sche Zer­stö­rung, Halt­lo­sig­keit, Fehl­ori­en­tie­run­gen, nicht zuletzt ande­re Süch­te, vor allem Dro­gen­sucht.

Fra­gen Sie mal die Mut­ter von Pete Doh­erty!

PS: Und wie man dem Hein­rich-Bau­er-Ver­lag eine eige­ne neun Jah­re alte Pres­se­mit­tei­lung im Mund her­um­dreht, kön­nen Sie in einem wei­te­ren Arti­kel lesen.

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Politik Gesellschaft

Uschis Spy Kids

Lan­ge nichts mehr von der Bun­des­re­gie­rung gehört, was? Um dar­an zu erin­nern, dass es immer noch eine gibt, hat Bun­des­fa­mi­li­en­mi­nis­te­rin Ursu­la von der Ley­en der über­rasch­ten Welt­öf­fent­lich­keit einen neu­en Vor­schlag unter­brei­tet: Kin­der und Jugend­li­che soll­ten als „ver­deck­te Ermitt­ler“ in Geschäf­ten aus­pro­bie­ren, ob man ihnen Alko­hol, Ziga­ret­ten oder „Gewalt­vi­de­os“ ver­kau­fen wür­de.

Das Ziel der Akti­on ist klar und durch­aus begrü­ßens­wert: Es geht um die Ein­hal­tung des Jugend­schutz­ge­set­zes. Auch wenn ich per­sön­lich nichts gegen Alko­hol und Spiel­fil­me habe („Kil­ler­spie­le“ ste­hen sicher auch auf der Lis­te), so gibt es für all das doch bestimm­te Alters­gren­zen. Und auch wenn die­se oft belie­big erschei­nen („Mama, war­um darf ich heu­te noch kein Bier trin­ken, mor­gen aber schon?“ – „Weil der Alko­hol ab dem 16. Jah­res­tag Dei­ner Geburt weni­ger schäd­lich ist, mein Kind!“), ist ihre Ein­hal­tung schon eine okaye Sache. Mei­net­we­gen sol­len mich die Kas­sie­re­rin­nen auch mit 24 noch nach mei­nem Aus­weis fra­gen, wenn ich Bier kau­fen will – nur wenn die bär­ti­gen 15-Jäh­ri­gen nach mir ohne Pro­ble­me ihre Spi­ri­tuo­sen kau­fen kön­nen, wer­de ich etwas unge­hal­ten.

Von der Ley­ens Vor­schlag aber ist aus meh­re­ren Grün­den schwie­rig: Ers­tens wür­den die Kin­der die Händ­ler direkt zu einer Straf­tat anstif­ten, da sie ohne ech­te Kauf­ab­sicht an die Kas­se gehen. Klar, die Händ­ler dür­fen nicht an an zu jun­ge Per­so­nen ver­kau­fen, wenn sie es doch tun sind sie im Prin­zip „selbst schuld“. Aber ich sehe zumin­dest einen mora­li­schen Unter­schied zwi­schen einem Geset­zes­ver­stoß und einem pro­vo­zier­ten Geset­zes­ver­stoß. Das ist ja, als ob einen Zivil­po­li­zis­ten nachts auf einer ent­le­ge­nen Stra­ße ver­fol­gen, bedrän­gen und einen anschlie­ßend wegen Geschwin­dig­keits­über­schrei­tung anhal­ten.

Viel schwe­rer wiegt aber, dass der Vor­schlag bes­tens ins Gesamt­bild der Bun­des­re­gie­rung passt, im Land ein Kli­ma der Angst zu schü­ren. Über­all wird man von Video­ka­me­ras über­wacht, der Bun­des­in­nen­mi­nis­ter will wis­sen, wann man wie lan­ge mit wem tele­fo­niert hat, und bald soll man nicht mal mehr Kin­dern trau­en kön­nen? Die Voll­endung des Über­wa­chungs­staa­tes stün­de kurz bevor.

Und was, wenn Kin­der erst­mal erfolg­reich Ver­stö­ße gegen das Jugend­schutz­ge­setz auf­de­cken? Was, wenn dann der nächs­te Poli­ti­ker vor­schlägt, man könn­te Kin­der doch auch als „Lock­vö­gel“ im Kampf gegen Kin­der­por­no­gra­phie ein­set­zen? Das dien­te doch auch der „guten Sache“ …

Noch was:

Wer einem Min­der­jäh­ri­gen in Zukunft Schnaps, Ziga­ret­ten oder ein Gewalt­vi­deo ver­kauft, muss danach mit Geld­bu­ßen bis zu 50.000 Euro rech­nen.

(Quel­le: sueddeutsche.de)

Nun ist es gene­rell mög­lich, dass die For­mu­lie­rung „in Zukunft“ irgend­wie von den Agen­tu­ren in die Mel­dung rein­ge­dich­tet wor­den ist und nicht aus dem Fami­li­en­mi­nis­te­ri­um selbst stammt. Wir wol­len es hof­fen, denn im Jugend­schutz­ge­setz (Abschnitt 6: Ahn­dung von Ver­stö­ßen, § 28 Buß­geld­vor­schrif­ten) steht schon seit län­ge­rem:

(5) Die Ord­nungs­wid­rig­keit kann mit einer Geld­bu­ße bis zu fünf­zig­tau­send Euro geahn­det wer­den.

Nach­trag 21:59 Uhr: Jens weist in den Kom­men­ta­ren dar­auf hin, dass der Vor­schlag schon wie­der vom Tisch ist. Jetzt „regie­ren“ die schon schnel­ler als ich blog­gen kann …