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Listenpanik: Songs 2007

Niemand weiß so recht, warum man sich ausgerechnet immer den doch recht beliebigen Zeitraum eines Kalenderjahres aussucht, um Listen zu erstellen von den Dingen, die da waren und über die Highlights abstimmen zu lassen. Aber es ist nun mal seit längerem so, dass im Dezember zurückgeblickt, unvergleichliches verglichen und unbeschreibliches beschrieben wird. Und diesem heidnischen Brauch schließe ich mich gerne an und eröffne mit der Liste meiner Songs Hymnen des Jahres:

1. Shout Out Louds – Tonight I Have To Leave It
Der “Ach, das sind gar nicht The Cure?”-Song des Jahres. Die Hymne des Haldern Pop Festivals. Das Lied des Jahres.

2. Kaiser Chiefs – Ruby
Wie lang ist die Mindesthaltbarkeit für Mitgrölhymnen? Erstaunlicherweise doch schon fast ein ganzes Jahr. Wenn man das Lied auch nach hundert Mal hören und im nüchternen Zustand noch gut findet, ist das schon die Silbermedaille wert.

3. Kilians – When Will I Ever Get Home
Let me introduce you to some friends of mine. Gute Freunde zu haben, die tolle Musik machen, und sich mit ihnen über ihren Erfolg zu freuen, ist das eine. Das andere ist, immer noch aufrichtig begeistert zu sein von einer mörderguten Stadionrock-Hymne wie die Kilians diese hier aus dem Ärmel geschüttelt haben.

4. Wir Sind Helden – The Geek (Shall Inherit)
Nicht, dass ich Wir Sind Helden nicht generell für eine tolle Band halten würde, deren Aufstieg ich seit beinahe dem ersten Tag mit Freuden verfolge. Aber dass sie auf jedem ihrer guten bis sehr guten Alben immer noch einen Song drauf haben, der alle anderen um Meilen überragt, macht sie noch ein bisschen toller. Nach “Denkmal” und “Wenn es passiert” jetzt also “The Geek (Shall Inherit)”, die Außenseiter-Hymne des Jahrzehnts.

5. Justice – D.A.N.C.E.
Vielleicht der Konsens-Song des Jahres: Ob Rocker, Hip-Hopper oder Elektriker – auf “D.A.N.C.E.” konnten sich (fast) alle einigen. Ein Tanzbodenfüller sondergleichen und vermutlich eine der Nummern, die man unseren Kindern in dreißig Jahren auf einem Sampler der “größten Hymnen der Nuller Jahre” im Teleshop (bzw. dessen Nachnachfolger) verkaufen wird.

6. Just Jack – Starz In Their Eyes
Hip-Hop? Disco? Ein unglaublich gut gemachter Song mit einem sehr klugen Text und immensem Mitwippfaktor. Und jetzt lassen Sie mich endlich als Werbetexter arbeiten!

7. Modest Mouse – Dashboard
Nach 14 Jahren Bandgeschichte gelang Modest Mouse mit der ersten Single aus ihrem fünften Album doch noch so etwas wie ein Durchbruch. Mit dieser Indiepop-Perle, einem Ex-Schmitz an der Gitarre und dem völlig überdrehten Piraten-Video.

8. Bloc Party – I Still Remember
Bloc Party haben mich mit ihrem Zweitwerk “A Weekend In The City” so sehr überzeugt, dass sie – so viel sei schon verraten – zum zweiten Mal mein persönliches Album des Jahres stellen. “I Still Remember” ist unter den allesamt großen Songs der Platte der größte, weil er trotz des eher traurigen Textes eine Euphorie verbreitet, die einen für 3:50 Minuten alles vergessen lässt.

9. Travis- Selfish Jean
Wer hätte gedacht, dass Travis zehn Jahre nach ihrem Debüt doch noch mal den Rock für sich entdecken würden? Mit dem charmantesten “Lust For Life”-Ripoff seit … äh: “Lust For Life” tanzen sich die sympathischsten Schotten im Musikgeschäft in die Top 10.

10. Little Man Tate – European Lover
Wenn es die Kilians nicht gäbe, hätten Little Man Tate gute Chancen auf meinen Titel “Newcomer des Jahres”. “European Lover” ist dabei der eingängigste, charmanteste Song ihres Debütalbums “About What You Know”.

11. Beatsteaks – Cut Off The Top
Zu den Beatsteaks muss man nicht mehr viel sagen, die haben immer schon fast alles richtig gemacht und mit “Limbo Messiah” ist ihnen wieder ein Top-Album gelungen. “Cut Off The Top” besticht durch seinen treibenden Beat und den phantastischen Mitgröl-Refrain: “Damage, damage!”

12. Muff Potter – Die Guten
Warum gibt es eigentlich so viele gute deutschsprachige Songs über Beziehungsenden? Vielleicht, weil es so viele deutschsprachige Songs über Beziehungsenden gibt und wenn man den ganzen Müll von Revolverheld, Juli oder Silbermond weglässt, bleiben eben die guten über. Oder, haha: “Die Guten”. Mit gewohnt tollem Text und schönen Jimmy-Eat-World-Gitarren erreichen Muff Potter ihre inzwischen schon traditionelle Erwähnung auf meinen Bestenlisten.

13. Rihanna feat. Jay-Z – Umbrella
Wenn ich an Kategorien wie “Peinlichstes Lieblingslied” glauben würde, stünde dieses Lied dieses Jahr unangefochten auf Platz 1. Aber warum sollten einem Lieder, die man toll findet, peinlich sein? Deshalb: “Umbrella” ist ein toller Song, der auch dann noch gut wäre, wenn Rihanna eine dicke, alte Frau wäre. Punkt.

14. Babyshambles – Delivery
Wer Pete Doherty nur als Ex-Freund und Drogenopfer aus der Boulevardpresse kennt, ist doof mag erstaunt sein, dass der Mann auch Musik macht – und zwar richtig gute. Mit der besten Post-Libertines-Single ever hat der Mann wieder ein bisschen an seinem Denkmal gebaut, an dessen Demontage er sonst so eifrig arbeitet.

15. The Blood Arm – Suspicious Character
Der Refrain des Jahres: “I like all the girls and all the girls like me”, so lange wiederholt, bis es der Dümmste glaubt. Oder der Sänger selbst. Wenn man solche Rocksongs dann auch noch mit Klavieren aufhübscht, kann man sich meiner Begeisterung sicher sein.

16. Kate Nash – Foundations
Irgendwie scheine ich eine Schwäche für Frauen mit außergewöhnlichem britischen Akzent zu haben. Was letztes Jahr Lily Allen war, ist dieses Jahr Kate Nash. “Foundations” hat darüber hinaus einen charmanten Text, ein Klavier (s.o.) und ist sowieso ein rundherum toller Song.

17. The Wombats – Let’s Dance To Joy Division
Erstaunlich, dass es immer noch Bands gibt, die im Prinzip genau die gleiche Musik wie alle anderen machen und trotzdem viel, viel toller sind. The Wombats sind so ein Fall einer mich überraschenderweise begeisternden Kapelle, “Let’s Dance To Joy Division” eine äußerst gelungene Single.

18. Lady Sovereign – Love Me Or Hate Me
Dass dieser Song in Deutschland kein Hit wurde und Lady Sovereign kein Star, hat mich dann doch überrascht. Vielleicht ist weiblich, britisch und rappen dann doch keine Kombination für “Bravo”-Leser. Schade eigentlich, denn “Love Me Or Hate Me” ist mein Hip-Hop-Song des Jahres.

19. Stars – The Night Starts Here
Und hier die bei Coffee And TV am sträflichsten vernachlässigte Band des Jahres: Stars. “In Our Bedroom After The War” ist eine wahnsinnig gute Platte, die uns in der Liste der besten Alben noch einmal recht weit vorne begegnen wird; “The Night Stars Here” ist bester orchestraler Indiepop.

20. Maxïmo Park – Girls Who Play Guitars
Maxïmo Park waren neben Bloc Party die spannendste Band der Class of 2005 und wie Bloc Party haben auch sie dieses Jahr ein überzeugendes Zweitwerk herausgebracht. “Girls Who Play Guitars” ist dabei noch einen Tacken besser als die anderen Songs.

21. Bruce Springsteen – Radio Nowhere
Und hier der Alterspräsident meiner diesjährigen Bestenliste, der Mann, den sie “Boss” nennen. Wenn ich mit 56 noch Blogeinträge schreibe wie Bruce Springsteen Songs, werde ich mich sehr, sehr glücklich schätzen.

22. Mika – Grace Kelly
Wann fingen Mika und dieser Song eigentlich an zu nerven? Irgendwann im Sommer dürfte es gewesen sein, weswegen sich “Grace Kelly” in der kontinuierlich aktualisierten Bestenliste beständig nach unten kämpfte. Mit etwas Abstand betrachtet ist das Lied dann aber immer noch ganz gut. Das können wir ja in zehn Jahren noch mal überprüfen.

23. Crowded House – Don’t Stop Now
Wen interessieren Led Zeppelin, die vor 20 Millionen Zuschauern hätten spielen können? Das Comeback des Jahres gelang Crowded House, die genau da weitermachen, wo sie vor elf Jahren aufgehört haben: mit zeitlos-tollen Popsongs.

24. Tocotronic – Imitationen
Tocotronic darf man jetzt wohl auch ruhigen Gewissens auf die Liste der Bands setzen, die wohl nichts mehr falsch machen werden in ihrer Karriere. “Kapitulation” ist wieder ein herausragendes, sehr kluges Album geworden, “Imitationen” eines der Highlights. “Dein gut ist mein gut / Dein schön ist mein schön.”

25. Stereophonics – Daisy Lane
Selbst auf ihren schwächeren Alben hatten die Stereophonics immer mindestens einen Song, den ich noch gut fand. “Pull The Pin” ist aber noch nicht mal ein schwaches Album. Das hypnotische “Daisy Lane” ist dennoch das Highlight der Platte und perfekt geeignet, diese Liste zu beschließen.

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Listenpanik (2): Hier kommt Rock’n’Roll

Die letzte Bestandsaufnahme ist schon wieder fast zwei Monate her und so richtig sinnvoll will mir dieses unstrukturierte Vorgehen nicht erscheinen. Deswegen gibt es hier ab demnächst immer am Monatsende eine Liste der wichtigsten Platten und Singles. Jetzt aber erst mal die für Ende Februar bis Mitte April – natürlich wie immer streng subjektiv und garantiert unter versehentlichem Vergessen von hundert anderen Sachen, die auch toll sind.

Alben
1. Get Cape. Wear Cape. Fly – The Chronicles Of A Bohemian Teenager
Passender kann ein Albumtitel kaum sein: Ganz großes Gefühlskino mitten aus dem Leben, das von verspieltem Geplucker vor dem Sturz in den Emo-Strudel bewahrt wird. Sam Duckworth ist gerade mal 20 und damit ein mehr als würdiger Erbe für Connor Oberst, dessen Bright Eyes das Tal der Tränen langsam zu verlassen wollen scheinen.

2. Mika – Life In Cartoon Motion
Passender kann ein Albumtitel kaum sein: Höchst vergnüglicher Bubblegum-Pop, der immer kurz davor steht, ins Alberne abzuschweifen, sich aber immer wieder rettet. Dass der 23jährige Sänger (als Kind mit seiner Mutter aus dem Libanon geflohen, der Vater sieben Monate im Irak verschwunden, hat früher Telefonwarteschleifen besungen) bisher schon ein für heutige Verhältnisse erschreckend bewegtes Leben geführt hat, macht ihn auch als Interviewpartner interessant.

3. Flowerpornoes – Wie oft musst du vor die Wand laufen, bis der Himmel sich auftut?
Passender … Nee, anders: Es mag Zufall sein, dass Tom Liwa seine Band in dem Jahr reaktivierte, in dem mit Blumfeld eine andere große deutschsprachige Indieband der ersten Stunde die Bühne verlässt. Strapazierte Liwa auf seinen letzten Soloplatten die Nerven seiner bodenständigeren Fans mitunter erheblich mit esoterischen Themen, steht er plötzlich wieder mitten im Leben. Die E-Gitarren bollern und er singt Geschichten von Zahnarzttöchtern, Apfelkernen und Rock’n’Roll. Und der ist bekanntlich größer als wir alle.

4. Maxïmo Park – Our Earthly Pleasures
Die neben Bloc Party vermutlich spannendste Band der British Class of 2005 legt ebenfalls nach. Wie es sich für einen guten Zweitling gehört, wirkt die Band gefestigter und scheint ihren Weg gefunden zu haben. Musikalisch großer Indiepop mit vollem Instrumentarium, textlich oft genug ganz tief drin in den menschlichen Abgründen.

5. Just Jack – Overtones
Hip Hop? Funk? Pop? Na ja, in irgendeine Schublade wird man das Album schon stopfen können. Besser aufgehoben ist es aber im Discman, während man auf der Wiese in der Sonne liegt. So laid back und sommerlich kann Musik klingen, ohne gleich süßlich duften zu müssen.

Singles
1. Manic Street Preachers – Your Love Alone Is Not Enough
Okay, okay: noch ist die Single nicht erschienen. Aber wenn die Manic Street Preachers durch die Soloausflüge von James Dean Bradfield und Nicky Wire zu alter Stärke zurückfinden und dann noch ein Duett mit Nina Persson von den Cardigans, der Frau in die jeder ordentliche Indiehörer und -musiker mindestens einmal verliebt war, veröffentlichen, ist das Releasedate ja wohl egal. Wenn Bradfield und Persson durch diese nach Petticoat und Tanztee klingende Nummer schunkeln und nebenbei noch ein paar Selbstzitate verbraten (“You stole the sun” – “Straight from my heart, from my heart, from my heart”), ist das eben ganz und gar großartig.

2. Travis – Closer
Auch noch nicht erschienen, aber ebenfalls bereits zu hören ist die Comeback-Single von Travis. “Closer” ist ein echter grower, der beim ersten Hören langweilig erscheint, und den man nach fünf Durchgängen schon ewig zu kennen glaubt. “Gänsehaut-Zeitlupen-Stadion-Pophymne” nennt das die Presseinfo und hat damit sogar irgendwie recht. Die Band tänzelt durchs Video und man würde es ihr gerne gleichtun. Das macht – zusammen mit den anderen Hörproben, die es bereits gab – ganz große Lust auf das neue Album.

3. Just Jack – Starz In Their Eyes
Night fever, night fever! In der sog. gerechten Welt wäre das der Tanzbodenfüller der Saison. So ist es eben nur der Funksong, mit dem man sich bis zum Erscheinen des nächsten Phoenix-Albums die Beine vertreten kann. Oder was man sonst mit Beinen so macht, wenn Musik läuft.

4. Kilians – Fight The Start
Ja ja, die klingen total wie die Strokes. Nur, dass ich mich nicht erinnern könnte, dass die Strokes je A Tribe Called Quest zitiert hätten. Außerdem können Menschen, die sich für besonders schöne Bassläufe interessieren, hier noch richtig was lernen. Und alle anderen auch. Gerechte Welt: Riesenhit. Kann man sogar nachhelfen.

5. The View – Wasted Little DJ’s
Bevor alle Welt New Rave feiert – was auch immer das genau sein soll – gibt es hier noch mal Indierock. Der Song dengelt zwischen Libertines und Beach Boys dahin und sollte dieses Jahr auf keinem Mixtape fehlen.