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Politik Gesellschaft

Geld verbrennen leicht gemacht

Ich hatte es letzte Woche schon mal erwähnt: Der Allgemeine Studierenden-Ausschuss (kurz: AStA) ((Hat eigentlich schon mal jemand darüber philosophiert, dass besonders linke Studentengruppen, die sich gerne Studierendengruppen nennen, einen ähnlich grotesken Hang zu Abkürzungen haben wie die Nazis mit ihren StuKas und GröFazen?)) der Ruhr-Uni Bochum hat eine große Party veranstaltet, um mal richtig Geld zu verbrennen. Jetzt hat Niels darüber geschrieben und da dachte ich mir: “Wenn man sich schon in Kiel über ‘unseren’ AStA auslässt, muss ich da auch noch mal nachtreten …”

Vor langer, langer Zeit, als ich noch nicht Student der Ruhr-Universität war, fanden angeblich “legendäre” Parties in der damals noch unrenovierten Mensa statt, die einen enormen Ruf hatten und wohl – ähnlich wie die Fachschaftsparties heute noch – hauptsächlich als Geldquelle für die Arbeit des AStA dienten. Insofern hätte man schon mehr als gewarnt sein müssen, als der aktuelle AStA-Vorsitzende Fabian Ferber noch vor der diesjährigen Neuauflage in den “Ruhr Nachrichten” sagte:

“Wir haben von Anfang an nicht damit gerechnet, Gewinn einzufahren.” Jahr für Jahr hätten die Vorgänger-ASten Überschüsse erwirtschaftet, “wir haben Rücklagen von 170.000 Euro.” Da hält Ferber es für legitim, den Studierenden eine große Show zum kleinen Preis zu bieten – selbst wenn sie am Ende Verluste bringt. 35 Euro (ermäßigt 28 Euro) kostet der Eintritt zur Party.

Und, in deed: Das Line-Up konnte sich sehen lassen. Auf Schulhöfen oder bei der “MTV Campus Invasion”, zu der ja vermutlich auch mehr Schüler als Studenten kommen, hätte man mit Juli, 2raumwohnung, Culcha Candela oder Joy Denalane sicher große Erfolge feiern können. Wenn die nicht sowieso ständig an jeder Ecke spielen würden.

200.000 Euro hat die Veranstaltung ungefähr gekostet, was schon erstaunlich ist, wenn man bedenkt, dass ein “großes Open-Air-Rockfestival” mit mehreren Bühnen, an die hundert Bands, Dixie-Klos und Campingplätzen angeblich “nur” sechs Millionen kosten soll. Dort kalkuliert man freilich auch mit mehr als 5.000 Besuchern, von denen dann noch nicht mal die Hälfte kommt.

Ich gebe zu, mich immer ebenso wenig für Hochschulpolitik interessiert zu haben wie 85% meiner Kommilitonen. Die Studentenvertreter, das waren eben immer diese Freaks, die man in jeder SPD-Ortsgruppe ausgelacht hätte. Die ganz linken Gruppen, die in ihren Flugblättern die Hälfte des Platzes für politisch korrekte Postenumschreibungen (“die VertreterInnen des AusländerInnenreferats”) und seit vierzig Jahren veraltete Klassenkampfparolen verwendeten, konnte man noch weniger ernst nehmen. Aber was sollten die auch groß (falsch) machen? Hilflose Aktionen gegen Studiengebühren unternehmen und dafür sorgen, dass die Nazi-Parolen auf den Klowänden alle paar Monate überpinselt werden, vielleicht. Es konnte ja keiner ahnen, dass die im Stillen an der Verpulverung meines Geldes arbeiten. ((Interessant: Um das im Studentenausweis enthaltene Semesterticket kann man sich mit etwas Mühe drücken, falls man auf dem Unigelände wohnt und nie Zug fahren will. Den AStA muss jeder Student unterstützen, ob er das will oder nicht.))

Nun ist die Organisation von Großveranstaltungen eine durchaus komplexe, verantwortungsvolle Aufgabe, die man alleine schon deshalb Profis überlassen sollte, weil man dabei so viel falsch machen kann. Der AStA der Ruhr-Uni Bochum ((Der RCDS, eigentlich auch AStA-Mitglied, nennt das Ganze einen “Listen-egoistischen Alleingang der Juso-Rubrosen”)) entschied sich offenbar dazu, so ziemlich jeden Fehler selbst zu machen. Das reichte von der Bandauswahl, die sicherlich zu einem gewissen Teil auch Geschmackssache ist, über den Umfang der Veranstaltung (statt acht Bands und zehn Stunden Livemusik von mittags bis abends hätte es vielleicht auch eine Nummer kleiner getan), bis hin zu einem umfangreichen PR-Desaster: Das Uni-eigene Campusradio, von so ziemlich jedem bisherigen AStA geschnitten, wurde im Vorfeld außen vor gelassen und das Eingeständnis des finanziellen GAUs geriet zu dem, was man in der Politik (oder eben bei Vattenfall) eine “Salami-Taktik” nennt. Der AStA-Vorsitzende Fabian Ferber von den “RUB-Rosen” ((Die ganz linken Gruppen würden jetzt noch schreiben, dass es sich dabei um eine “SPD-nahe Studentengruppe” handelt, was einerseits eine hilfreiche Information ist, bei den Ganzlinken aber nur heißen soll: “Iiiih, bah, Politik mit möglichen Fernzielen!”)) empfahl sich dabei auch gleich für die große Politik, indem er bei seinem Rücktritt die “volle Verantwortung” übernahm. “Volle Verantwortung” heißt natürlich nicht, dass er jetzt den Fehlbetrag ausgleichen würde – ja, es soll noch nicht mal heißen, dass er wirklich für das Desaster verantwortlich ist, wie die “RUB-Rosen” klarstellen wollen:

Wenn man selbst von den eigenen Fehltritten ablenken will, dann sucht man sich halt einen Sündenbock und der heißt in diesem Monat Fabian Ferber. Wie einfach, wie billig und wie schmutzig!

Es ist der klassische Fall, wo ich alle doof finde: Bekerner und Herman, Schell und Mehdorn, AStA, RCDS und Ganzlinke.

Nachtrag 19. Dezember: Jetzt erst gesehen: Sogar die “Süddeutsche Zeitung” hat schon über den Fall berichtet.

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Musik Politik

Rock around the Bundestag

Wie ich gerade sueddeutsche.de entnehme, wird sich der Deutsche Bundestag am heutigen Mittwoch mit dem Antrag “Populäre Musik als wichtigen Bestandteil des kulturellen Lebens stärken” befassen. Darin fordern die Fraktionen von CDU/CSU und SPD eine zaghafte Förderung von heimischem Rock, Pop und Jazz.

Nun muss man bei der sogenannten Kulturpolitik immer ganz vorsichtig sein, besonders, wenn es um Popmusik geht. Erinnerungen an die grauenhafte Forderung nach einer “Radioquote” werden sofort wieder wach (und daran, wie Wiglaf Droste Antje Vollmer und Hartmut Engler fertig machte).

Und, indeed: Smells Like Deutschquote light.

Das Internet als besonders leicht zugängliches und preiswertes Medium hat sich in den letzten Jahren zu einer der wichtigsten Plattformen für Künstlerinnen und Künstler aller Bereiche entwickelt. Neben der Verfügbarkeit großer und übergreifender Plattformen ist im Internet auch eine eigenständige und selbstbestimmte Präsentation und Vermarktung möglich, die durchaus sinnvoll sein kann. Weitaus höher sind die Zugangsbarrieren jedoch bei den wichtigen medialen Plattformen Hörfunk und Fernsehen. Hier spiegelt sich der bestehende Erfolg der in Deutschland produzierten Rock- und Popmusik nicht wider.

Allein die Vorstellung, beim Einschalten des Radios noch öfter Juli, Silbermond oder gar Revolverheld hören zu müssen, treibt mir den Angstschweiß ins Gesicht.

Zwischenruf: “Und was ist mit Tomte, Kante, Kilians?”
Antwort: “Ja, das ist eben Qualität. Ich habe immer noch die naive Vorstellung, dass die sich langfristig durchsetzen wird. Das ist jedenfalls wahrscheinlicher, als dass eine größere Anzahl Radiokonsumenten plötzlich losrennt und Kante-Alben kauft, nur weil die im Radio liefen. Kante würden aber eh nicht im Radio laufen, sondern die oben genannten.”

Die Bundesregierung wird aufgefordert, bestehende Förderungen für deutsche Popmusik besser abzustimmen, “private Mittel ergänzend zur staatlichen Förderung einzuwerben” und sich bei den Rundfunkanstalten für “angemessene Plattformen einzusetzen”. Es ist ein zahmer Antrag, zusammen mit zwei Eingaben zur Kulturwirtschaft ist jedoch immerhin eine Stunde zur Beratung vorgesehen. Die veranschlagten Kosten im Haushalt liegen bei je einer Million Euro für 2007 und 2008.

Das kann eine Menge heißen. Natürlich habe auch ich Angst vor Rockbeamten und Popbeauftragten. In Ländern wie Schweden, Finnland, Norwegen, Frankreich, Großbritannien und Kanada, gibt es teilweise seit Jahren “Musikexportbüros”, die sich um eine Förderung der heimischen Musik im Ausland bemühen.

Nun kann man argumentieren, dass Bands wie Abba, a-ha oder die … Beatles durchaus auch ohne derartige Kampagnen Erfolg hatten. Man Ich weiß nicht, inwieweit die aktuelle “Swedish Invasion” von Mando Diao, Moneybrother und Sugarplum Fairy planbar gewesen sein soll. Und es bleibt natürlich immer ein fader Beigeschmack bei staatlich “verordneter” Kultur.

Ein deutsches Rockbüro ist für mich eine denkbar uncoole Vorstellung – und ich frage mich, wieso. Als ich auf vergangenen Popkommen von der skandinavischen Förderung hörte, fand ich die Idee wunderbar und fragte mich, wieso es sowas in meinem hinterwäldlerischen Heimatland nicht gibt. Kaum kümmern sich die Politiker mal um popkulturelle Themen, finde ich es auch wieder schrecklich. Einerseits könnte die hiesige Musikszene eine “einheitliche Struktur”, wie sie im Antrag gefordert wird, gut gebrauchen, andererseits zerstört das natürlich das Bild des chaotischen, unaufgeräumten Rock’n’Roll.

Eigentlich ist es nur gerecht: Theater werden gefördert, Museen, Bibliotheken und Denkmäler. Klassische Musik eh. Die deutsche Filmwirtschaft könnte ohne Filmförderung kaum überleben – und Zyniker würden fragen, in wie viel Prozent der Fälle das ein Verlust wäre. Von überwiegend privater Kulturförderung sind wir hierzulande noch weit entfernt und glaubt man den Verantwortlichen der Musikindustrie, wird ihr Wirtschaftssektor bald eh ein Fall fürs Amt.

Vielleicht sollten wir einfach mal abwarten. Die Erfahrung zeigt: Die Deutschen werden es schon falsch machen.

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Radio Musik

Von Blumen und Hunden, Euros und Quoten

“Fünf Jahre nach mir und drei Jahre nach Blumfeld / Kaufen sie alles ein, was deutsch singt” sang Tom Liwa, der in dieser Beziehung erschreckend visionäre Sänger der Flowerpornoes, 1993 in “Titelstory gegen ganzseitige Anzeige”. Jetzt, zwei Jahre nach Madsen und im Windschatten von Bands wie Silbermond, Juli und Revolverheld, scheint die Musikindustrie – ihrer seit Jahren anhaltenden schweren Krise zum Trotz – wirklich alles signen zu müssen, was jung ist, eine Gitarre halten kann und deutsch spricht bzw. singt. Was ja für sich betrachtet erst mal weder gut noch schlecht ist – die Nachwuchsförderung ist sogar aufs heftigste zu begrüßen.

Die neueste Sau, die derart durchs Dorf gejagt wird, heißt Karpatenhund. Ihre Single “Gegen den Rest” (die man bei MySpace hören kann), konnte in den Indie-orientierten CampusCharts genauso punkten (Platz 1 am 16. April wie in den deutschen Singlecharts (Neueinstieg auf Platz 43). Der Popkulturjunkie las im aktuellen Spiegel (Artikel online nicht verfügbar) unter anderem:

Für über 30 000 Euro wird Karpatenhund Präsenz auf MTV gesichert, dazu zählt, dass „Gegen den Rest“ im April 16-mal die Woche gespielt wird.

und

Bericht im ‘WOM-Magazin’ und Sonderplazierung bei WOM und Karstadt? Rund 15 000 Euro. Bei der süddeutschen Ladenkette Müller prominent auftauchen? 3000 Euro. Plazierung bei Amazon als Neuheit? 2500 Euro.

Mal davon ab, ob diese Zahlen so stimmen (die uns übrigens wieder zur Liwa’schen Titelstory bringen) und dass diese Praxis so neu und exotisch auch nicht ist, klingt die Musik auch noch. Und zwar so, wie deutschsprachige Indiebands, die auf ein studentisches Publikum zielen, eben so klingen. Die Braut Haut Ins Auge, die Lassie Singers oder die Moulinettes (mit deren Best Of die Karpatenhund-Single übrigens verblüffende Cover-Ähnlichkeiten hat) klangen so schon vor längerem.

“Gegen den Rest” ist ein netter Schubidu-Popsong, zu dem man in der Indiedisco tanzt und ihn auf dem Heimweg schon wieder vergessen hat – Hund Am Strand 2007 halt. Ich finde es nur immer ein bisschen schade, dass die kleineren, eigentlich spannenderen Acts wie Jona, Janka oder Zuhause, die nicht so eine große Promomaschine im Rücken haben wie Karpatenhund, Fotos oder Madsen, mal wieder irgendwie untergehen. Und dann blockiert auch noch die (übrigens fantastische) neue Single von Wir Sind Helden die Radiosender.

Es ist übrigens noch keine drei Jahre her, da forderten ein paar überwiegend ältere, hauptsächlich unspannende und auch sonst eher nervige Musiker (z.B. Heinz Rudolf Kunze) unter Mithilfe der damaligen Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer eine sog. Deutschquote. Die damals vereinzelt angeregten Alternativen würde ich heutzutage nur zu gerne mal dem Petitionsausschuss vorstellen …