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Politik

Wähl! Mich! Ab!

Dar­auf muss man erst mal kom­men: 26 Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­te der SPD haben dem umstrit­te­nen Gesetz zur Vor­rats­da­ten­spei­che­rung am ver­gan­ge­nen Frei­tag im Bun­des­tag zuge­stimmt und ver­öf­fent­lich­ten hin­ter­her eine Recht­fer­ti­gung (Anla­ge 4), in der sie sinn­ge­mäß schrei­ben, sie fän­den den Gesetz­ent­wurf schon irgend­wie doof, aber nicht so doof wie ande­re schlim­me Din­ge, und über­haupt wer­de das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt das Gesetz ja schon kas­sie­ren, wenn die­ses denn ver­fas­sungs­wid­rig sei.

Oder anders: Die Leu­te, die in Ihrem und mei­nem Namen Geset­ze erlas­sen sol­len (Legis­la­ti­ve), ver­las­sen sich lie­ber auf die Urteils­fä­hig­keit der Leu­te beim Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt (Judi­ka­ti­ve), wenn es dar­um geht, was die Leu­te bei Poli­zei und Geheim­dienst (Exe­ku­ti­ve) so über Sie und mich wis­sen sol­len.

Oder noch anders: 26 SPD-Abge­ord­ne­te haben ein sehr merk­wür­di­ges Ver­ständ­nis unse­res Grund­ge­set­zes und der dar­in ver­an­ker­ten Gewal­ten­tei­lung und geben das auch noch öffent­lich zu!

Das Ver­hal­ten die­ser 26 Män­ner und Frau­en1 ist so absurd, däm­lich, erschüt­ternd und wirr, dass ich lan­ge grü­beln muss­te, bis mir ein eini­ger­ma­ßen schie­fes Bild ein­fiel, um die­sen Irr­sinn in den All­tag zu trans­por­tie­ren. Stel­len Sie sich also vor, der Hand­wer­ker, den Sie mit der Anbrin­gung eines Trep­pen­ge­län­ders beauf­tragt hät­ten, sag­te Ihnen hin­ter­her: „Ja, das kam mir schon ein biss­chen wacke­lig vor, aber ich dach­te, die Bau­auf­sicht guckt sich das eh noch mal an.“ Und Sie lie­gen mit gebro­che­nem Rück­grat auf dem neu­en Kachel­fuß­bo­den und den­ken sich Din­ge, die ich hier nicht hin­schrei­ben möch­te. Nur dass Sie in die­sem Bild ohne Rück­grat sind – in der Rea­li­tät sind es natür­lich die Sozi-Psy­cho­pa­then.

Da ist mir ja Wolf­gang Schäub­le lie­ber, dem ich sogar abneh­me, dass er auf­rich­tig davon über­zeugt ist, alle Frei­hei­ten abschaf­fen zu müs­sen.

Und weil ich gera­de mer­ke, dass ich mich in eine unglaub­li­che Rage schrei­be, die noch dazu füh­ren könn­te, dass der prunk­vol­le Zinn­hum­pen, der auf mei­ner Fens­ter­bank steht, auf direk­tem Wege mein Zim­mer ver­lässt, und ich mir sicher bin, dass die SPD auch für die­sen Scha­den nicht auf­kom­men wür­de, ver­wei­se ich lie­ber auf ein paar inter­es­san­te Blog-Ein­trä­ge zu dem The­ma:

Frak­ti­ons­zwang hin oder her – jeder Abge­ord­ne­te hat in ers­ter Linie die Pflicht, sein Man­dat aus­zu­üben, das er durch die Stim­men der Wäh­ler in sei­nem Wahl­kreis erhal­ten hat. Ganz bestimmt darf er nicht offen­sicht­lich ver­fas­sungs­wid­ri­ge Geset­ze zum Wohl der eige­nen Kar­rie­re durch­win­ken und sich dabei dar­auf ver­las­sen, dass ein Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt den ange­rich­te­ten Scha­den schon wie­der gera­de­bü­geln wird.

(Nur mei­ne zwei Cent)

Woll­ten sich die armen Abge­ord­ne­ten erspa­ren, wegen ihrer Bauch­schmer­zen Stress mit den Frak­ti­ons- und Par­tei­chefs zu bekom­men? War das Risi­ko zu hoch, wegen einer Abwei­chung vom Frak­ti­ons­zwang den bis­he­ri­gen Lis­ten­platz zu ver­lie­ren?

(Dobschat.de)

Der Gesetz­ent­wurf trägt (…) nach unse­rer Auf­fas­sung nicht den Makel der offen­sicht­li­chen Ver­fas­sungs­wid­rig­keit auf der Stirn (…)

Ent­schul­di­gung, nen­nen Sie mich Klug­schei­ßer, Wort­klau­ber oder Schlim­me­res, aber ich kann nicht ernst­haft mit Men­schen dis­ku­tie­ren, die glau­ben, dass Gesetz­ent­wür­fe Stir­ne haben. Und die, anstatt das eige­ne Gewis­sen zu prü­fen oder sich schlau zu machen, nur eine ober­fläch­li­che Gesichts­kon­trol­le auf offen­sicht­li­che Kains­ma­le durch­füh­ren, bevor sie für Geset­ze stim­men, die ihrer Mei­nung nach gut und ger­ne ver­fas­sungs­wid­rig sein könn­ten.

(Ste­fan Nig­ge­mei­er)

Dem­nach hof­fen sie auf das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt, dass die ver­fas­sungs­wid­ri­gen Punk­te hof­fent­lich wie­der aus dem Gesetz raus­holt. Same Pro­ce­du­re wie so oft.

(netzpolitik.org)

Ich hät­te es für denk­bar gehal­ten, dass der eine oder ande­re Abge­ord­ne­te ver­fas­sungs­wid­ri­ge Geset­ze abnickt, weil er däm­lich ist. Und es nicht rafft, was er beschließt. Eben­so konn­te ich mir vor­stel­len, dass Abge­ord­ne­te faul sind und gar nicht lesen, wor­über sie abstim­men. […]

Aller­dings war es für mich bis­lang unvor­stell­bar, dass Abge­ord­ne­te ein Gesetz ver­ab­schie­den, das sie für ver­fas­sungs­wid­rig hal­ten. Aber das ist jetzt gesche­hen.

(Law Blog)

SIE HABEN KEINE EIER, UM DAS DEUTSCHE VOLK ZU REPRÄSENTIEREN!

(Indis­kre­ti­on Ehren­sa­che)

Apro­pos Gewal­ten­tei­lung: Was sagt die vier­te Gewalt denn dazu? Oh.

1 Chris­toph Sträs­ser, Niels Annen, Axel Berg, Lothar Bin­ding, Mar­co Bülow, Sieg­mund Ehr­mann, Gabrie­le Fre­chen, Mar­tin Gers­ter, Rena­te Gra­distanac, Ange­li­ka Graf, Gabrie­le Grone­berg, Gabrie­le Hil­ler-Ohm, Chris­tel Hum­me, Josip Jura­to­vic, Anet­te Kram­me, Ernst Kranz, Jür­gen Kuch­ar­c­zyk, Kat­ja Mast, Mat­thi­as Miersch, Rolf Müt­zenich, Andrea Nah­les, Ernst Die­ter Ross­mann, Bernd Schee­len, Ewald Schu­rer, Wolf­gang Spa­ni­er und Dit­mar Staf­felt.

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Rundfunk Radio

Wenn Campusradios ihre Tage haben

Am Sams­tag wur­de CT das radio, das ältes­te Cam­pus­ra­dio Nord­rhein-West­fa­lens, zehn Jah­re alt. Gefei­ert wur­de mit einer end­lo­sen (ca. 16 Stun­den dau­ern­den) Live-Sen­dung mit bei­na­he allen High- und Low­lights der Sen­der­ge­schich­te, mit einer gro­ßen Par­ty im Men­sa­foy­er und mit einem offi­zi­el­len Teil, dem Cam­pus-Radio-Tag1 der Lan­des­an­stalt für Medi­en NRW (LfM).

Letz­te­res war eine Art Kon­fe­renz, auf der sich Cam­pus­ra­dio-Macher aus ganz Deutsch­land tref­fen und aus­tau­schen soll­ten. Ich war als ehe­ma­li­ger Mit­ar­bei­ter und Chef­re­dak­teur von CT zum ers­ten Mal bei einer sol­chen Ver­an­stal­tung und mein Inter­es­se an einer Wie­der­ho­lung schwand mit jeder Minu­te der „Work­shop“ genann­ten Podi­ums­dis­kus­sio­nen. Ein wenig erin­ner­ten die „Panels“, also die Men­schen, die da vor­ne zum Dis­ku­tie­ren saßen, näm­lich ein biss­chen an das, was die Kol­le­gen so immer von den Tref­fen haupt­be­ruf­li­cher Jour­na­lis­ten berich­ten.

Nein, das war jetzt unge­recht. Aber es gibt schon Par­al­le­len: Wie in den gro­ßen Sen­de­an­stal­ten und Zei­tungs­re­dak­tio­nen, so gibt es auch bei den Cam­pus­ra­di­os Leu­te, die mit viel Herz­blut und Ener­gie (und in den meis­ten Fäl­len auch noch ohne Bezah­lung) am Pro­gramm arbei­ten, und Leu­te, die sich hin­stel­len und schön daher­re­den.

Lei­der (oder glück­li­cher­wei­se) boten die ein­zel­nen „Work­shops“ kei­ne Mög­lich­kei­ten zu Dis­kus­sio­nen, geschwei­ge denn zu kon­tro­ver­sen. Zwar glau­be ich nicht, dass auch nur einer der Dis­ku­tan­ten ange­fan­gen hät­te, Inter­net­me­di­en als „Müll“ oder „Scheiß­häu­ser“ zu bezeich­nen (für sol­che Aus­fäl­le wären sie wohl auch nicht alt oder ver­bit­tert genug), aber irgend­was span­nen­des hät­te durch­aus mal pas­sie­ren kön­nen.

In der Dis­kus­si­ons­run­de „Per­so­nal­ma­nage­ment im Cam­pus-Radio“ (s.a. das Live­blog von Domi­nik Oster­holt bei Radio Q) ging es um die in der Tat bri­san­te Fra­ge, wie man in Zei­ten ver­schul­ter Stu­di­en­gän­ge und Stu­di­en­ge­büh­ren über­haupt noch Mit­ar­bei­ter mit Tages­frei­zeit fin­den kön­ne. Nur Ant­wor­ten gab es lei­der kei­ne. „Wie­der mal“, muss man sagen, denn das The­ma ist natür­lich min­des­tens eben­so alt wie die Bache­lor-/Mas­ter-Stu­di­en­gän­ge.

Ech­te Lösungs­vor­schlä­ge hät­te ich auch kei­ne, aber die Fra­ge, war­um man als Mit­glied einer Fach­schaft (und man­che Stu­di­en­gän­ge haben fast so vie­le Fach­schafts-Mit­glie­der wie Stu­den­ten) die Stu­di­en­ge­büh­ren erlas­sen kriegt, nicht aber als Mit­ar­bei­ter eines Cam­pus­ra­di­os, das die Uni ja auch weit nach außen hin reprä­sen­tiert. Viel­leicht stellt die ja noch mal jemand sei­ner Uni-Ver­wal­tung.

Erfreu­lich hin­ge­gen ist, dass sich vie­le Radi­os im Moment nicht über feh­len­de Mit­ar­bei­ter bekla­gen. In Bochum kann man sein Radio-Prak­ti­kum aber zum Bei­spiel für die cre­dit points des Bache­lor-Stu­di­ums anrech­nen las­sen – wie vie­le Prak­ti­kan­ten hin­ter­her wei­ter­ma­chen, lässt sich nie vor­her­sa­gen. Wolf­gang Sabisch vom Mün­che­ner Aus­bil­dungs­ra­dio M94.5 sag­te des­halb den inter­es­san­ten Satz, man müs­se sich von dem Gedan­ken ver­ab­schie­den, dass man als Cam­pus- oder Aus­bil­dungs­ra­dio immer eine gleich­blei­ben­de Qua­li­tät lie­fern kön­ne. Ich sehe das durch­aus ähn­lich, hät­te ihm aber noch deut­li­cher zuge­stimmt, wenn er statt Qua­li­tät von Quan­ti­tät gespro­chen hät­te. Denn das Schö­ne an Cam­pus­ra­di­os (zumin­dest in NRW) ist ja, dass man nur zu zwei Stun­den Liv­e­pro­gramm pro Werk­tag ver­pflich­tet ist und man nicht wie öffent­lich-recht­li­che oder Pri­vat­sen­der gezwun­gen ist, sei­ne Musik­schlei­fe immer wie­der mit schlech­ten Bei­trä­gen oder ner­vi­gen Gewinn­spie­len zu unter­bre­chen.

Um die Pro­gramm­in­hal­te ging es dann im nächs­ten Work­shop (s.a. das Radio-Q-Live­blog), genau­er: um neue Pro­gramm­ideen. Das hat­te dem Kol­le­gen von Radio Hertz aus Bie­le­feld lei­der nie­mand gesagt, so dass der erst ein­mal zehn Minu­ten sei­ne Per­son und die all­ge­mei­ne Pro­gramm­struk­tur sei­nes Sen­ders vor­stell­te. Als in sei­ner Power­point-Prä­sen­ta­ti­on dann die Schrift ins Bild zu flie­gen begann, muss­te ich den Saal ver­las­sen, um mich an der fri­schen Luft zu beru­hi­gen.

Zuvor hat­te ich aber immer­hin noch zwei inter­es­san­te Sen­de­kon­zep­te ken­nen­ler­nen dür­fen: das Aus­lands­ma­ga­zin „Hin & Weg“ von Radio Sirup aus Sie­gen und die eng­lisch­spra­chi­ge „Mil­ler & John­son Show“ beim Cam­pus­Ra­dio Bonn. Denn auch das ist ja das Schö­ne an Cam­pus­ra­di­os: Man kann ohne Quo­ten­druck und Gre­mi­en-Ter­ror neue Ideen aus­pro­bie­ren. Hin­ter­her enden ja eh alle Mode­ra­to­ren bei Eins­li­ve und Das Ding.

Inter­es­sant und sogar unter­halt­sam wur­de es erst in der letz­ten Dis­kus­si­ons­run­de. Das inter­es­san­te war das The­ma „Cam­pus­ra­di­os auf dem Weg von der ana­lo­gen in die digi­ta­le Welt“ (Live­blog), das unter­halt­sa­me war unter ande­rem die Mode­ra­ti­on von Radio-Q-Urge­stein Dani­el Fie­ne. Wäh­rend das „Impuls­re­fe­rat“ von Mat­thi­as Felling die Idee des „digi­ta­len“ noch sehr weit fass­te (Digi­tal­ra­dio, Inter­net, Pod­casts, mobi­le End­ge­rä­te), ging es anschlie­ßend lei­der fast nur noch um das The­ma Digi­tal­ra­dio, von dem alle immer wie­der beton­ten, dass das noch Zukunfts­mu­sik sei. Vom Dach­ver­band Cam­pus­Ra­di­os NRW (ange­sichts der Tat­sa­che, dass dort nicht alle Cam­pus­ra­di­os NRWs ver­tre­ten sind, soll­te man viel­leicht bes­ser von einem „Vor­dach­ver­band“ spre­chen) gab es noch zu hören, dass es ihn seit zwei Jah­ren gibt, was sich im Wesent­li­chen mit mei­nen Erfah­run­gen in die­sem Ver­ein deck­te. Denn so gut und wich­tig die Idee ist, eine gemein­sa­me Ver­tre­tung zu haben: Die Idee, meh­re­re unab­hän­gi­ge Sen­der irgend­wie koope­rie­ren zu las­sen, äußert sich auf einer höhe­ren Ebe­ne ja vor allem durch Gre­mi­en-Ter­ror.

So ende­te der Cam­pus-Radio-Tag (sieht das Wort nicht herr­lich albern aus mit den gan­zen Bin­de­stri­chen?) lei­der ohne einen nen­nens­wer­ten Erkennt­nis­ge­winn für mich. Noch vor dem Gespräch mit NRW-„Innovationsminister“ Andre­as Pink­wart, der Ver­lei­hung des Cam­pus­ra­dio-Prei­ses und dem gemein­sa­men Abend­essen ver­ließ ich die Ver­an­stal­tung. Ich muss­te unbe­dingt Bay­ern Mün­chen ver­lie­ren sehen.

P.S.: Ich dan­ke Schandmaennchen.de für die Inspi­ra­ti­on für die Über­schrift.

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Digital Rundfunk

Neues aus der Anstalt

Es gibt The­men, mit denen will ich mich aus Rück­sicht auf mei­ne eige­ne Gesund­heit gar nicht mehr beschäf­ti­gen.

Lesen Sie also selbst zwei Mel­dun­gen über den öffent­lich-recht­li­chen Qua­li­täts­jour­na­lis­mus und des­sen Geld­ein­trei­ber:

Zum einen einen Arti­kel aus der „Bild“-Zeitung. Die­ser ist natür­lich mit beson­de­rer Vor­sicht zu genie­ßen, aber der geschil­der­te Fall hät­te auch über­all sonst ste­hen kön­nen und lässt – auch wenn er natür­lich auf­ge­bauscht wird – tief bli­cken.

Der ande­re Text steht bei Finblog.de und ist ein beein­dru­cken­des Bei­spiel dafür, wie weit man gehen kann, um unab­hän­gi­ge Bericht­erstat­tung und freie Mei­nungs­äu­ße­rung zu … äh: ver­tei­di­gen?

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Musik Print

„My Rice“: Travis werfen Sack um

Haben Sie sich je gefragt, wie eigent­lich die­se idio­ti­schen Mel­dun­gen „Pro­mi X hat Y gesagt“ auf der „Vermischtes“-Seite Ihrer Tages­zei­tung und auf der Start­sei­te von „Spie­gel Online“ ent­ste­hen?

Ich erklär Ihnen das mal gera­de anhand eines Bei­spiels: Der „Mann­hei­mer Mor­gen“ hat anläss­lich des anste­hen­den Tra­vis-Kon­zerts in Mann­heim ein Inter­view mit Tra­vis-Sän­ger Fran Hea­ly geführt. Dar­in kam auch der fol­gen­de Dia­log vor:

Sie sind mit einer Deut­schen ver­hei­ra­tet. Besu­chen Sie Deutsch­land auch pri­vat?

HEALY: Sie wer­den lachen: Nächs­tes Jahr zie­hen wir nach Ber­lin. Unser Sohn ist in einem Alter, wo Müt­ter gern zuhau­se sein wol­len. Der Boss hat also gespro­chen. Wir fol­gen.

Ber­lin war ja ein span­nen­des Pflas­ter für bri­ti­sche Musi­ker. Man den­ke an David Bowie oder U2 …

HEALY: Ja, wir wer­den uns die Han­sa Stu­di­os auch mal anschau­en. Über­haupt zie­hen jetzt vie­le Künst­ler nach Ber­lin. Mein Freund Anton Cor­bi­jn, mein Lon­do­ner Stu­dio-Nach­bar Her­bert Grö­ne­mey­er und sein Pro­du­zent Alex Sil­wa. Das ver­än­dert eine Stadt. Bis jetzt spü­re ich immer viel Trau­rig­keit in Ber­lin, da kann die Injek­ti­on von Krea­ti­vi­tät viel­leicht Abhil­fe schaf­fen. Viel­leicht wird Ber­lin – wie in der Ver­gan­gen­heit schon mal – das New York von Euro­pa.

Die Redak­ti­on des „Mann­hei­mer Mor­gens“ fand die­se Aus­sa­ge wohl eini­ger­ma­ßen span­nend und gab über dpa eine Pres­se­mit­tei­lung her­aus, in der im wesent­li­chen genau die­se Zita­te drin ste­hen.

Nun kann man sol­che Mel­dun­gen als Grund­la­ge nut­zen, selbst noch ein biss­chen recher­chie­ren und schon hat man einen infor­ma­ti­ven klei­nen Text, den man z.B. im „Tages­spie­gel“ ver­öf­fent­li­chen kann. Man kann aber auch ein­fach die Mel­dung mehr oder weni­ger modi­fi­ziert dafür nut­zen, sei­ne Zei­tung zu fül­len oder sei­ne Zugriffs­zah­len zu erhö­hen. Und dann fra­gen sich hin­ter­her alle, war­um die­ser ein­ge­bil­de­te Rock­star sei­ne per­sön­li­chen Umzugs­plä­ne für so wich­tig hält, dass er sie in jeder Zei­tung her­aus­po­sau­nen muss.

Es geht aber noch unspek­ta­ku­lä­rer: Fran Hea­ly hat in einem Inter­view mit dem Radio­sen­der XFM „zuge­ge­ben“, dass die Akkor­de zu „Wri­ting To Reach You“ vom ’99er Tra­vis-Album „The Man Who“ von Oasis‘ „Won­der­wall“ abge­schrie­ben sei­en. Und – Zack! – ist auch das eine Mel­dung wert.

Das wäre wohl kaum jeman­dem auf­ge­fal­len. Außer den Lesern von Q Magazine’s 1001 Grea­test Songs (Novem­ber 2003), den Hörern von Dean Grays „Bou­le­vard Of Bro­ken Songs“ (Okto­ber 2004), den Nut­zern der Indiepe­dia (Okto­ber 2005) und irgend­wel­chen Men­schen, die kei­nen Broc­co­li in den Ohren haben.

P.S.: Völ­lig rat­los sit­ze ich noch vor die­ser Über­schrift: „Tra­vis: „Mei­ne Augen“ nun auch drau­ßen“

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Thank God it’s fake!

Was pas­siert, wenn Gra­fi­ker die rich­ti­gen Dro­gen neh­men, zeigt das US-Maga­zin „Radar“ mit sei­nem aktu­el­len Titel­bild:

“Radar”-Titelbild November 2007

Wie bei jeder Par­odie gilt natür­lich auch hier: Es hilft, das Ori­gi­nal zu ken­nen …

[via The Fil­ter]

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Designern gibt’s der Herr im Schlaf

Was ist denn hier beim „Spie­gel“ los?

“Der Spiegel” KW 42/2007

  • „Reichs­tags­brand!“ Jetzt dreht Her­man völ­lig frei!
  • Nach Atta­cke auf Köh­ler: Ber­lin-Tou­ris­ten abge­schos­sen
  • „Tag der Deut­schen Ein­heit“ – Ers­te Bil­der von Flo­ri­an Hen­ckel von Don­ners­marcks neu­es­tem Film
  • Nina Hagen geht in die Poli­tik
  • End­lich: Schäub­le kehrt heim!

Die Wahr­heit ist – wie so oft – noch alber­ner

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Über den Wolken

Will­kom­men zurück an der Cof­fee-And-TV-Jour­na­lis­ten­schu­le!

Nach­dem wir beim letz­ten Mal gelernt haben, wie man eine Gerichts­re­por­ta­ge ver­fasst, wol­len wir uns heu­te dem Bereich des Musik­jour­na­lis­mus zuwen­den. Beson­ders beliebt auf die­sem Gebiet sind seit län­ge­rem Repor­ta­gen, die einen Künst­ler oder eine gan­ze Band in einem hei­mat­li­chen Umfeld zei­gen. Dafür brau­chen wir zunächst ein­mal eine Band, was nicht ganz so schwer ist: Wir neh­men ein­fach unse­re Cof­fee-And-TV-Haus­ka­pel­le.

Als ers­tes brau­chen wir jetzt (wie bei jedem Arti­kel) einen grif­fi­gen Ein­stieg. Oder aber einen, der so wirr ist, dass man schon aus Neu­gier­de, wie sich der Autor wohl dar­aus befrei­en will, wei­ter­liest:

Ent­we­der hast du als Teen­ager die Gele­gen­heit, vor dem Venue auf dei­nen Lieb­lings­act zu war­ten und dir Auto­gram­me geben zu las­sen – oder du hast sie nicht. Ent­we­der du kennst die Bands nur aus TV, Radio und Inter­net – oder du triffst sie im Plat­ten­la­den. Die Kili­ans kom­men aus Dins­la­ken und tra­fen bis­her nie­man­den. Sie sind eine auf­stre­ben­de Rock­band. Die Fra­ge ist: Trotz­dem oder gera­de des­we­gen?

Was ist mit denen, die nie vor einem „Venue“ stan­den und auf ihren „Lieb­lings­act“ war­te­ten? Wer hät­te in wel­chem Plat­ten­la­den jeman­den tref­fen sol­len? Wie­so ist man eine auf­stre­ben­de Rock­band, obwohl oder weil man nie­man­den in einem Plat­ten­la­den getrof­fen hat? Der Leser ist sofort gefan­gen von die­sen Sät­zen und könn­te sie immer wie­der lesen, ohne dass ihm die Deu­tungs­mög­lich­kei­ten aus­gin­gen.

Im zwei­ten Absatz soll­ten wir dem Leser, der die zu por­trä­tie­ren­de Band noch nicht kennt, kurz erklä­ren, von wem wir spre­chen. Zum Bei­spiel so:

The Kili­ans sind fünf Jungs und kom­men aus die­ser Stadt, und sie sind mitt­ler­wei­le im Blick­feld vie­ler, die sich für Rock­mu­sik inter­es­sie­ren. In Dins­la­ken sind sie allein dadurch schon Stars.

So weiß jeder, dass man in Dins­la­ken, par­don: Dins­la­ken allei­ne dadurch zum Star wird, dass man im Blick­feld vie­ler, die sich für Rock­mu­sik inter­es­sie­ren, ist. Sozio­lo­gen spre­chen sicher von second hand popu­la­ri­ty.

Wenn wir mer­ken, dass wir eigent­lich viel lie­ber über die Stadt schrei­ben möch­ten als über die Band, kön­nen wir jetzt immer noch die Kur­ve krat­zen und Ver­gleichs­grö­ßen her­an­zie­hen:

Um das zu ver­ste­hen, muss man sich klar­ma­chen, wie wenig Orte wie Dins­la­ken von der Distink­ti­on geprägt sind, die in Ham­burg oder Ber­lin all­ge­gen­wär­tig ist.

Eine kla­re Posi­ti­ons­be­stim­mung: Ham­bur­ger und Ber­li­ner wer­den sagen: „Klar, Distink­ti­on, Alter!“, alle Ande­ren wer­den erfurchts­voll nicken und es nicht wagen, nach den in die­sen Metro­po­len vor­herr­schen­den Distink­tio­nen zu fra­gen.

Jetzt haben wir dem Leser unser Bild von Dins… Dins­la­ken schon so genau gezeich­net, dass wir uns ein biss­chen wei­ter aus dem Fens­ter leh­nen und Fak­ten gekonnt igno­rie­ren kön­nen:

Hier schielt kaum jemand auf Düs­sel­dorf oder Köln, die nächs­ten grö­ße­ren Städ­te und die Codes der Indie-Schi­cke­ria bedeu­ten hier gar nichts.

Kei­ner unse­rer Leser wird auch nur ahnen, dass wir schon bei unse­rer Ankunft hal­be Armeen von röh­ren­be­hos­ten Rin­gel­pul­li­trä­gern mit Emo­fri­su­ren gese­hen haben, die gera­de auf dem Weg zu einem Rock­kon­zert in Köln waren. Sol­che Infor­ma­tio­nen wür­den ja auch nur das Bild zer­stö­ren, das wir mühe­voll vor den geis­ti­gen Augen unse­rer Rezi­pi­en­ten auf­zu­bau­en ver­su­chen. Die Mög­lich­keit, dass die der­art über­gan­ge­nen Indie-Kid­dies der Stadt per Leser­brief auf ihre Unter­schla­gung hin­wei­sen könn­ten, lösen wir mit einem klei­nen Logik­wölk­chen: Es gibt sie ja gar nicht, haben wir gera­de noch geschrie­ben.

Als die Kids die bei­den Band­mit­glie­der, beglei­tet von der Pres­se, auf sich zukom­men sehen, fah­ren sie ner­vös aus ihren läs­si­gen Posen auf.

Geschickt geret­tet: Die drei Leser, die sich jetzt wun­dern könn­ten, wo denn plötz­lich bemüht läs­si­ge „Kids“ (als Musik­jour­na­list soll­te man das Wör­ter­buch der Jugend­spra­che stets bei sich füh­ren, und wenn es die Aus­ga­be von 1991 ist) her­kom­men, müs­sen jetzt alle Hirn­mas­se auf die Vor­stel­lung ver­wen­den, wir selbst lie­fen wie in einem Hol­ly­wood­film der drei­ßi­ger Jah­re mit einem Papp­kärt­chen mit der Auf­schrift „Pres­se“ im Hut­band durch die Gegend.

Hat­ten wir über­haupt schon erwähnt, wo die­se lang­wei­li­ge Klein­stadt, die kein Schwein ken­nen muss, liegt? Nein? Dann ist jetzt die Gele­gen­heit, auf das Ruhr­ge­biet hin­zu­wei­sen und gleich eine wei­te­re LKW-Ladung Kli­schees über Text, Lesern und Land­schaft aus­zu­kip­pen:

Ganz ruhr­ge­biets­ty­pisch. Natür­lich ist die ört­li­che Zeche mitt­ler­wei­le nicht mehr in Betrieb. Natür­lich sind alle Arbei­ter ent­las­sen – bis auf ein paar, die mit dem Abbau der Maschi­nen beschäf­tigt sind. Von Momen­ten an sol­chen Orten weiß im Ruhr­ge­biet jeder etwas zu erzäh­len. Auch die Kili­ans. Zechen­ge­schich­ten sind in der Regel Nacht­ge­schich­ten, sie han­deln von Alko­hol und davon, irgend­wo drauf­zu­klet­tern und in den Ster­nen­him­mel zu schau­en.

Es ist egal, wenn dem Absatz nichts vor­aus­ging, wor­auf sich das „ruhr­ge­biets­ty­pisch“ bezie­hen könn­te, denn wir nähern uns dem Höhe­punkt:

Alles, was von sol­chen erhöh­ten Stand­or­ten zu sehen ist, wenn man etwas tie­fer blickt, ist: Koh­le, Stahl und graue Wol­ken. All das impli­ziert in die­ser Gegend zwangs­läu­fig immer auch eines: das Schei­tern. Für eine Rock­band sind das lehr­rei­che Erfah­run­gen. Bewusst oder auch nicht, die Kili­ans haben ihre Schlüs­se dar­aus gezo­gen.

Jaaaaa, die­se vier Sät­ze sind von unend­li­cher Weis­heit und Tie­fe. Zunächst ein­mal wis­sen die Leser anschlie­ßend, dass die (natür­lich immer „grau­en“) Wol­ken im Ruhr­ge­biet nied­ri­ger hän­gen als irgend­wel­che Sachen (Abraum­hal­den, För­der­tür­me, Musik­jour­na­lis­ten­egos), auf die man „drauf­klet­tern“ kann, hoch sind. Dann ler­nen sie, dass Koh­le, Stahl und eben jene grau­en Wol­ken nichts ande­res sind als Meta­phern für „das Schei­tern“ und nicht etwa indus­tri­el­le Roh­stof­fe (die ers­ten bei­den) und Wet­ter­phä­no­me­ne (letz­te­res).

Aber wei­ter im Text: Schei­tern, Koh­le, Stahl und Wol­ken – all das sind „lehr­rei­che Erfah­run­gen“, aus denen die jetzt doch mal wie­der nament­lich zu erwäh­nen­de Band ihre Schlüs­se gezo­gen hat. Spä­tes­tens hier wer­den sich selbst Distink­ti­ons­er­fah­re­ne Leser aus Ham­burg und Ber­lin, Düs­sel­dorf oder Köln von Min­der­wer­tig­keits­kom­ple­xen geplagt auf dem Boden wäl­zen und rufen: „Gro­ßer Musik­jour­na­list, ich bin unwür­dig, Dei­nen Aus­füh­run­gen zu fol­gen, aber sprich wei­ter und ver­giss auch die Fremd­wör­ter nicht, die Du Dir im ‚Ador­no für Anfänger‘-Seminar auf der Rück­sei­te Dei­nes Col­lege­blocks notiert hast!“

Damit haben wir sie im Sack und kön­nen noch ein paar Zita­te der Band­mit­glie­der ein­streu­en. Die inter­es­sie­ren zwar weder uns, noch die Leser, aber eine Band­re­por­ta­ge ohne Band wirkt halt immer etwas schwach. Dafür kön­nen wir sie mit gehäs­si­gen, klei­nen Par­ti­keln anmo­de­rie­ren, die trans­por­tie­ren, dass immer nur der doo­fe Sän­ger gere­det hat:

Wie­der­um Simon: „Wir glau­ben, dass die Leu­te hier auf so was war­ten. Sie wol­len, dass hier nicht nur loka­le Acts spie­len, son­dern auch wel­che, die sie aus dem Radio ken­nen. Die Büh­ne soll auf der Wie­se ste­hen, und das Feu­er­wehr­haus dort hin­ten wird der Back­stage­be­reich.“

Jetzt fehlt nur noch ein Schluss­satz, der das bis­her Gelern­te zusam­men­fasst:

So sieht DIY aus, wenn er nicht aus Washing­ton oder Olym­pia, son­dern aus Dins­la­ken kommt.

Es wird schon nie­mand fra­gen, war­um wir von einem Bun­des­staat oder einer Stadt reden, von der außer uns noch 23 Per­so­nen wis­sen, dass sie als Neben-Hoch­burg des ame­ri­ka­ni­schen Indie­rocks gilt. Wenn sich über­haupt noch jemand etwas fragt, dann, wie wohl DIY aus­se­hen könn­te, bei dem man nicht alles sel­ber macht.

Wenn wir die­se ein­fa­chen Regeln befol­gen, wer­den wir bald schon alle fan­tas­ti­sche Band­por­träts schrei­ben kön­nen, die das Zen­tral­or­gan des deut­schen Qua­li­täts­mu­sik­jour­na­lis­mus, der/​die/​das Intro sicher ger­ne abdruckt.

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Digital

Desperate Housewife

Kaum ist Eva Her­man beim NDR raus­ge­flo­gen, macht sich die media­le Häme über­all breit. Obwohl ver­ba­le Ent­glei­sun­gen der Aus­lö­ser der gan­zen Geschich­te waren, scheu­en sich diver­se Kom­men­tar­wichs­ma­schi­nen nicht, den anru­fen­den Pres­se­ver­tre­tern noch wei­te­ren Schmonz in ihre Blö­cke zu dik­tie­ren, wo ein ein­fa­ches „Ich habe den Raus­wurf von Frau Her­man mit Erleichterung/​Wohlwollen/​stiller Freu­de zur Kennt­nis genom­men und möch­te die wei­te­re Ana­ly­se gern den betei­lig­ten Par­tei­en und Arbeits­recht­lern über­las­sen“, auch getan hät­te.

Gemei­ner sind nur noch die Bild­re­dak­tio­nen der Online-Medi­en:

Eva Herman (links) und Britney Spears (rechts) bei “Spiegel Online”
Screen­shot: „Spie­gel Online“

Ich hat­te schon bei­na­he einen Herz­still­stand erlit­ten, als ich fest­stell­te, dass die halb­nack­te blon­de Frau bei „Spie­gel Online“ nicht Eva Her­man war, son­dern Brit­ney Spears. Aller­dings dürf­te inzwi­schen für bei­de Damen das gro­ße Bil­ly-Wil­der-Zitat gel­ten, wonach eine Kar­rie­re am Bes­ten in einem Wort zusam­men­ge­fasst wer­den kön­ne: „Vor­bei!“

Es geht aber noch besser/​böser, denn es gibt ja noch „Bild.de“. Oder glau­ben Sie wirk­lich, die­se äußerst unglück­li­che Kom­bi­na­ti­on von Foto und Bild­un­ter­schrift, die puber­tä­res Geki­cher anzieht wie sonst nur Jah­res­ta­ge TV-Doku­men­ta­tio­nen, sei ein Pro­dukt des Zufalls?

Eva Herman bereut ihren Fehltritt bei “Bild.de”
Screen­shot: „Bild.de“

Nach­trag 20:09 Uhr: Okay, ich bin offen­bar der Ein­zi­ge, der das „Bild“-Foto irgend­wie lus­tig oder zwei­deu­tig fand. Viel­leicht soll­te ich doch mal dar­über nach­den­ken, erwach­sen zu wer­den.

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Das Ende der Herman-Schlacht

Manch­mal bin ich doch über­rascht von der Schnel­lig­keit eines öffent­lich-recht­li­chen Sen­ders.

Da schreibt das „Ham­bur­ger Abend­blatt“ am Frei­tag als ein­zi­ge anwe­sen­de Zei­tung dar­über, dass Eva Her­man bei der Prä­sen­ta­ti­on ihres neu­en Buches „Das Prin­zip Arche Noah“ die „Wert­schät­zung der Mut­ter“ im Natio­nal­so­zia­lis­mus als „sehr gut“ bezeich­net habe (mehr zur „rela­tiv ein­ge­schränk­ten“ Wert­schät­zung der Mut­ter bei den Nazis gibt’s bei wirres.net) und schon am Sonn­tag ver­mel­det „Welt Online“ Voll­zug:

Vol­ker Her­res, NDR-Pro­gramm­di­rek­tor Fern­se­hen, sag­te: „Frau Her­mans schrift­stel­le­ri­sche Tätig­keit ist aus unse­rer Sicht nicht län­ger ver­ein­bar mit ihrer Rol­le als Fern­seh­mo­de­ra­to­rin und Talk-Gast­ge­be­rin. Dies ist nach ihren Äuße­run­gen anläss­lich einer Buch­prä­sen­ta­ti­on in der ver­gan­ge­nen Woche deut­lich gewor­den.“

Im Gegen­satz zu 3,7 Mil­lio­nen ande­ren Arbeits­lo­sen in Deutsch­land wird Frau Her­man auch ohne ihren Pos­ten als freie NDR-Mit­ar­bei­te­rin gut ver­die­nen, denn ver­mut­lich wird gera­de die­se Geschich­te den Erfolg ihres Buches noch wei­ter vor­an­trei­ben.1 Trotz­dem fin­de ich es beru­hi­gend, dass Per­so­nen, die der­art unre­flek­tiert über die Zeit des Natio­nal­so­zia­lis­mus spre­chen, nicht wei­ter durch Fern­seh­ge­büh­ren finan­ziert wer­den.

[via Pott­blog]

1 Auch wenn ich glau­be, dass ihre Bücher mehr gekauft und weni­ger gele­sen wer­den.

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Rundfunk Print

Bartschattenboxen

Im ZDF-Nacht­stu­dio ging es ges­tern ums The­ma „Die Macht dahin­ter – Wer bestimmt die Medi­en?“ und man mag es sym­pto­ma­tisch fin­den oder nicht, aber die klügs­ten Sachen sag­ten Prof. Miri­am Meckel, die ein­zi­ge Frau in der Run­de, und der acht­zig­jäh­ri­ge Klaus Harp­p­recht. Auch Klu­ges sag­te Lutz Hach­meis­ter, der unter ande­rem bemän­gel­te, dass der Jour­na­lis­mus in Deutsch­land immer weni­ger von gro­ßen Jour­na­lis­ten mit kla­ren Stand­punk­ten geprägt wur­de.

Für die unklu­gen Sachen brauch­te man nur einen Gast, aber der rede­te auch unge­fähr so viel wie die drei ande­ren zusam­men: Mat­thi­as Matus­sek, Kul­tur­chef des „Spie­gel“.

Matus­sek hat neo­kon­ser­va­ti­ve Bücher geschrie­ben, die „Die vater­lo­se Gesell­schaft – Eine Pole­mik gegen die Abschaf­fung der Fami­lie“ hei­ßen oder „Wir Deut­schen – War­um die ande­ren uns gern haben kön­nen“, er ver­brei­tet sei­ne sehr per­sön­li­che, mit­un­ter auch sehr eigen­wil­li­ge Welt­sicht via „Spie­gel“ und per Video-Blog auf „Spie­gel Online“. Und wem Matus­sek wegen sei­ner Inhal­te noch nicht unsym­pa­thisch war, dem wur­de er es bestimmt ges­tern Abend im ZDF.

Matus­sek nuschelt aus­drucks­los vor sich hin, spricht über Anwe­sen­de in der drit­ten Per­son und guckt dann auch noch grund­sätz­lich an ihnen vor­bei auf den Boden. Egal, wor­über grad dis­ku­tiert wird: Matus­sek schafft es stets, auf sei­ne bis­he­ri­gen Ein­satz­or­te, sei­ne Titel­ge­schich­ten, im Wesent­li­chen: sich zu spre­chen zu kom­men. Eines sei­ner Bücher wur­de mit Hei­ne ver­gli­chen, aber damit wol­le er sich nicht schmü­cken; als er über sei­ne Zeit in Lon­don spricht (natür­lich, ohne dass es dafür einen Anknüp­fungs­punkt gege­ben hät­te), droppt er mal eben so vie­le Namen, dass kaum jemand über­prü­fen kann, ob es sich dabei wirk­lich um ange­se­he­ne Jour­na­lis­ten oder Cha­rak­te­re aus „Har­ry Pot­ter“ han­delt, und sei­ne Roman­tik-Geschich­te im aktu­el­len „Spie­gel“ erwähnt er gleich ein Halb­dut­zend Mal.

Egal was die Gesprächs­part­ner sagen: Matus­sek fällt ihnen ins Wort oder tut ihre Aus­füh­run­gen als Blöd­sinn ab, meis­tens macht er ein­fach bei­des. Selbst wenn er nickt, wirkt das wie ein wei­te­rer Pos­ten aus sei­nem Kata­log der her­ab­las­sen­den Mie­nen und Ges­ten. Für sei­nen Bart­schat­ten, der ihn immer ein biss­chen unge­pflegt erschei­nen lässt, kann er viel­leicht nichts, für sei­nen Hemd­kra­gen, den er trägt wie ande­re Leu­te eine offe­ne Hose, aber sehr wohl. Über sein Video-Blog „Matus­seks Kul­tur­tipp“ sagt er, dort kön­ne er „Free­style“ machen. Kurz­um: Er benimmt sich, wie sich ein 53jähriger Mann auf kei­nen Fall beneh­men soll­te, wenn er nicht als total anbie­dernd und betont läs­sig gel­ten will.

Dabei bringt die­se Ran­schmei­ße an eine ver­meint­li­che Jugend­spra­che sowie­so nichts, denn schon im nächs­ten Atem­zug ver­tei­digt Matus­sek die geplan­ten Online­durch­su­chun­gen und den Papst und des­sen Islam-Kri­tik. Kurz dar­auf ver­sa­gen sei­ne Medi­ka­men­te und Matus­sek nennt das, was der „Spie­gel“ da all­wö­chent­lich noch unters Volk haut, „Welt­klas­se­jour­na­lis­mus“, der den Eng­län­dern und Ame­ri­ka­nern min­des­tens eben­bür­tig sei. Die Behaup­tung, in sei­nem Hau­se wer­de „gründ­lich“ recher­chiert, lässt sich frei­lich nicht sofort wider­le­gen, die fer­ti­gen Arti­kel legen aber den Schluss nahe, dass von die­ser gründ­li­chen Recher­che dann zumin­dest nicht viel im Heft lan­det.

In die­ser Situa­ti­on ver­kün­det Herr Harp­p­recht, Matus­sek zäh­le zu den bes­ten Schrei­bern Deutsch­lands und Ste­fan Aust sei ein klu­ger Mann. Ich rech­ne es die­sem alten Mann hoch an, dass ich nicht den Hauch einer Ahnung habe, ob das jetzt sein Ernst oder ganz wei­se Iro­nie war.

Wer ger­ne unsym­pa­thi­schen „Spiegel“-Redakteuren zuhört, kann sich heu­te Abend ab 19 Uhr den Pod­cast von Bas­ti­an Sick im WDR2-„Montalk“ geben. Das kom­plet­te Video des gest­ri­gen „Nacht­stu­di­os“ kann man sich hier anschau­en.

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Digital

Fernere Angaben

Manch­mal ist es aber auch bit­ter für Jour­na­lis­ten: Da erhält man eine sen­sa­tio­nel­le Mel­dung und dann ist die­se Mel­dung eben nur die Mel­dung, also qua­si die Über­schrift und sonst nichts.

So mel­de­te die „Ber­li­ner Mor­gen­post“ heu­te Mor­gen offen­bar (die Mel­dung ist nicht mehr online), dass der Schau­spie­ler Ben Becker bewusst­los in sei­ner Woh­nung auf­ge­fun­den, reani­miert und ins Kran­ken­haus ein­ge­lie­fert wor­den sei.

Die Nach­rich­ten­agen­tur ddp ticker­te dann am Mit­tag fol­gen­des:

Zei­tung: Schau­spie­ler Ben Becker in Woh­nung reani­miert Ber­lin – Der Ber­li­ner Schau­spie­ler und Sän­ger Ben Becker ist einem Zei­tungs­be­richt zufol­ge bei einem Not­fall­ein­satz reani­miert wor­den. Wie die «Ber­li­ner Mor­gen­post» heu­te auf ihrer Inter­net­sei­te schrieb, wur­de er am Mor­gen leb­los in sei­ner Woh­nung in Ber­lin-Mit­te gefun­den. Der 42-Jäh­ri­ge sei minu­ten­lang reani­miert wor­den und lie­ge jetzt in einem Kran­ken­haus, hieß es. Es sol­le auch ein Spritz­be­steck in der Woh­nung gefun­den wor­den sein. Zunächst hat­te die Zei­tung geschrie­ben, Becker rin­ge mit dem Tod. Gegen Mit­tag hieß es, der Schau­spie­ler sei wie­der ansprech­bar und sein Zustand habe sich sta­bi­li­siert.

Und wenn das die kom­plet­te Nach­rich­ten­la­ge zum The­ma ist, ist mit die­sen sechs Sät­zen eigent­lich alles gesagt. Man kann sie so wie­der­ge­ben und fer­tig.

Oder wie die „Net­zei­tung“ dpa schrei­ben lässt:

Nähe­re Anga­ben gab es nicht.

Nur wirkt es dann natür­lich ein biss­chen albern, wenn man die­se Mel­dung dann noch mit der­art vie­len bio­gra­phi­schen Fak­ten auf­bläst, bis sie auf drei­fa­che Grö­ße her­an­ge­wach­sen ist.

Und wenn man die Mel­dung von 11:01 Uhr um 13:04 Uhr aktua­li­siert hat, war­um muss man dann, wenn sich die Nach­rich­ten­la­ge um 16:53 Uhr ändert, plötz­lich eine neue Mel­dung auf­ma­chen? Damit der Leser der Ursprungs­mel­dung nicht erfährt, dass es Becker inzwi­schen offen­bar wie­der bes­ser geht?

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Heute anonym

In ihren emsi­gen Bestre­bun­gen, der „Bild“-Zeitung immer ähn­li­cher zu wer­den, ist die „Rhei­ni­sche Post“ einen gan­zen Schritt wei­ter­ge­kom­men.

Die Sams­tags­aus­ga­be sah so aus:

“Rheinische Post” vom 25. August 2007

Über das Foto der Deut­schen-Bank-Zen­tra­le ist ein Brief gelegt, den eine Düs­sel­dor­fer Anwalts­kanz­lei an die Deut­sche Bank geschickt hat. In der Gra­fik­ab­tei­lung der „RP“ gab man sich größ­te Mühe, die­sen Brief zu anony­mi­sie­ren – und dabei trotz­dem dem gro­ßen Vor­bild treu zu blei­ben:

Beinahe anonym in der “RP”
(Rote Far­be: „Rhei­ni­sche Post“, Schwar­ze Bal­ken: Cof­fee And TV)

Bei­na­he wie die Pro­fis