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An einem anderen Tag gestorben

Natür­lich fehlt in den Pres­se­be­rich­ten jetzt wie­der jed­we­der Hin­weis dar­auf, dass James Bond in Wat­ten­scheid gebo­ren wur­de. So steht es in der „auto­ri­sier­te Bio­gra­fie von 007“, die John Pear­son, der ehe­ma­li­ge Assis­tent von James-Bond-Erfin­der Ian Fle­ming, 1973 ver­öf­fent­licht hat, und weil die Wattenscheider*innen immer noch nicht dar­über hin­weg sind, dass ihre Stadt seit 1975 zu Bochum gehört, kon­zen­triert sich ihr Stolz eben auf die­sen Fakt. Das Stadt­mar­ke­ting wei­det die­sen Umstand mit einer Hin­ga­be aus, die schon in Essen und Gel­sen­kir­chen (of all places) eher pein­lich berührt zur Kennt­nis genom­men wird: Zum 100. Geburts­tag der Figur im Novem­ber 2020 gab es eine Pla­kat­ak­ti­on, Zei­tungs­an­zei­gen, eine Post­kar­ten-Edi­ti­on und die Bie­re „James Blond“ und „James Dun­kel­blond“ in der Tou­rist­info zu erwer­ben. Eine geplan­te Foto­ak­ti­on mit einem Dani­el-Craig-Dou­ble muss­te pan­de­mie­be­dingt eben­so abge­sagt wer­den wie eine Aus­stel­lung.

Gestor­ben ist der legen­dä­re Geheim­agent, da sind sich die meis­ten Fans sicher, nicht in den letz­ten Sze­nen von „Kei­ne Zeit zu ster­ben“, jenem vom Pech ver­folg­ten letz­ten Dani­el-Craig-Film, des­sen Film­start erst wegen des Abgangs des ursprüng­lich geplan­ten Regis­seurs Dan­ny Boyle („Train­spot­ting“, „28 Days Later“, „Slum­dog Mil­lionaire“) und dann wegen der begin­nen­den COVID-19-Pan­de­mie ins­ge­samt fünf Mal ver­scho­ben wur­de, son­dern am gest­ri­gen Don­ners­tag auf irgend­ei­nem Schreib­tisch, als die bis­he­ri­gen Produzent*innen Bar­ba­ra Broc­co­li und Micha­el G. Wil­son bekannt gaben, die krea­ti­ve Kon­trol­le an der Film­rei­he an Ama­zon MGM Stu­di­os abge­ge­ben zu haben.

Union Jack

Eben­so wie rich­ti­ge Geheim­dienst­ar­beit in der Regel aus der Lek­tü­re und Nie­der­schrift von Berich­ten besteht, ist die Geschich­te der James-Bond-Fil­me min­des­tens genau­so eine von Rech­ten (juris­ti­sche, nicht Nazis) wie von exo­ti­schen Dreh­or­ten und rie­si­gen Sets: Der kana­di­sche Film­pro­du­zent Har­ry Saltz­man und sein US-ame­ri­ka­ni­scher Kol­le­ge Albert R. Broc­co­li hat­ten 1961 die Fir­ma Eon Pro­duc­tions gegrün­det, nach­dem Saltz­man die Film­rech­te der Roman­rei­he von Ian Fle­ming erwor­ben hat­te. Eon ist eine Toch­ter­ge­sell­schaft der Dan­jaq, LLC, die eben­falls von Saltz­man und Broc­co­li gegrün­det wur­de (und nach den dama­li­gen Ehe­frau­en der bei­den benannt ist) und die die Rech­te an der Mar­ke „James Bond“ hält — was etwas ande­res ist als die Urhe­ber­rech­te der Fil­me und die der Bücher. 1975 ver­kauf­te Saltz­man sei­nen Anteil an die Film­fir­ma United Artists, die wie­der­um 1980 von MGM (die mit dem Löwen) über­nom­men wur­de.

Weil der Regis­seur und Pro­du­zent Kevin McClo­ry wegen eines kom­pli­zier­ten Urhe­ber­rechts­streits die Rech­te an Ian Fle­mings James-Bond-Roman „Thun­der­ball“ und der dort vor­kom­men­den Vebre­cher­or­ga­ni­sa­ti­on SPECTRE besaß, konn­te er 1983 unab­hän­gig von den Eon-Fil­men „Sag nie­mals nie“ dre­hen, ein fak­ti­sches Remake der „Thunderball“-Verfilmung „Feu­er­ball“, in dem Sean Con­nery im Alter von 53 Jah­ren zum aller­letz­ten Mal James Bond spielt. Albert R. Broc­co­li wie­der­um über­trug sei­nen Teil der Fir­ma vor sei­nem Tod 1996 an sei­ne Toch­ter Bar­ba­ra Broc­co­li und sei­nen Stief­sohn Micha­el G. Wil­son, die seit „Gol­de­nEye“ (1995) alle Bond-Fil­me pro­du­zier­ten. (Wil­son hat auch in unge­fähr jedem Film einen Mini-Gast­auf­tritt, was einem nur dann pene­trant erscheint, wenn man viel zu tief drin ist in der Mate­rie.) 2005 wur­den United Artists und MGM von Sony über­nom­men, wo sich die finan­zi­el­le Lage des Stu­di­os bald als so dra­ma­tisch erwies, dass die Pro­duk­ti­on des 23. Bond-Films, der spä­ter „Sky­fall“ wer­den soll­te, zunächst auf Eis lag. Nach einer  erfolg­rei­chen Chap­ter-11-Insol­venz (die gan­ze Num­mer mit den Bond-Ver­leih­rech­ten bei 20th Cen­tu­ry Fox, heu­te Dis­ney, und Uni­ver­sal erspa­re ich uns allen, denn es ist ja jetzt schon kom­pli­zier­ter als jeder John-le-Car­ré-Roman) fusio­nier­te MGM im Jahr 2022 mit Ama­zon Stu­di­os.

Eines der Opfer die­ser gan­zen „Succession“-mäßigen Unter­hal­tungs­in­dus­trie-Wir­run­gen ist James Bond: Nach „Kei­ne Zeit zu ster­ben“, dem letz­ten Film mit Dani­el Craig als Titel­held, soll­te eigent­lich ein neu­er Haupt­dar­stel­ler gefun­den wer­den. Krea­ti­ve Ent­schei­dun­gen hät­ten gefällt wer­den müs­sen: Macht man, wie schon bei Craigs ers­tem Auf­tritt in „Casi­no Roya­le“ einen erneu­ten reboot, also einen Neu­an­fang, der die bis­he­ri­gen Fil­me der Rei­he ver­wirft bzw. in ein Par­al­lel­uni­ver­sum ver­weist? Lässt man die neu­en Fil­me, wie Ian Fle­mings Roman­vor­la­gen, in den 1950er und 60er Jah­ren und damit im Kal­ten Krieg spie­len? Wird James Bond viel­leicht doch eine Frau? Für die­se Ent­schei­dun­gen waren eigent­lich immer Bar­ba­ra Broc­co­li und Micha­el G. Wil­son zustän­dig, bei Ama­zon fan­den sie aber offen­bar kei­ne Ansprechpartner*innen mehr, von denen sie sich aus­rei­chend wert­ge­schätzt fühl­ten: Im ver­gan­ge­nen Dezem­ber berich­te­te das „Wall Street Jour­nal“, dass Wil­son nur Gesprächspartner*innen in unte­ren Hier­ar­chie­rän­gen bekä­me und Broc­co­li die Ama­zon-Leu­te im pri­va­ten Rah­men als „fuck­ing idi­ots“ bezeich­net habe. Vor die­sem Hin­ter­grund liest sich die gest­ri­ge Ankün­di­gung nur zwei Mona­te spä­ter als Kapi­tu­la­ti­on der Denkmalpfleger*innen.

Broc­co­li und Wil­son hat­ten es mehr­fach geschafft, James Bond zu moder­ni­sie­ren: Mit­te der 1990er Jah­re, als Pier­ce Brosn­ans Bond-Lauf­bahn begann, konn­te ihn sei­ne Che­fin M (Judi Dench) als „sexis­ti­schen Dino­sau­ri­er“ und „Relikt des Kal­ten Krie­ges“ ver­spot­ten und den (aus heu­ti­ger Sicht wirk­lich ver­stö­ren­den) Sexis­mus der alten Fil­me so wenigs­tens werk­im­ma­nent kom­men­tie­ren. 2006, als es mit Dani­el Craig tat­säch­lich zurück auf Anfang ging (irri­tie­ren­der­wei­se immer noch mit Judi Dench als M, aber wer wür­de die­ser Cas­ting-Ent­schei­dung wider­spre­chen wol­len?), ori­en­tier­ten sich die Fil­me an der schrof­fen Ästhe­tik der damals sehr erfolg­rei­chen Jason-Bourne-Fil­me mit Matt Damon. Das wären einer­seits gute Argu­men­te, das Duo wie­der mit einer Neu­erfin­dung der Rei­he zu beauf­tra­gen. Ande­rer­seits ist Wil­son inzwi­schen 83 und bei Ama­zon sit­zen Men­schen, die weni­ger als halb so alt sind, das Ekel­wort „con­tent“ benut­zen und auf­grund von sekun­den­ge­nau­en Aus­wer­tun­gen des eige­nen Strea­ming-Ange­bots genau zu wis­sen glau­ben, was die Leu­te inter­es­siert und was nicht. Das ist ein üble­res Auf­ein­an­der­tref­fen zwei­er Wel­ten als in der Sze­ne mit Bros­nan und Dench.

Außer­dem hat­te die Rei­he nach „Sky­fall“ auch arg ihr Mojo ver­lo­ren: In „SPECTRE“ und „Kei­ne Zeit zu ster­ben“ konn­ten die nach wie vor beein­dru­cken­den set pie­ces von den Dreh­bü­chern nur noch bedingt zusam­men­ge­hal­ten wer­den. Zu drin­gend woll­ten die Macher die Vebre­cher­or­ga­ni­sa­ti­on SPECTRE, deren Rech­te sie gera­de nach den oben ange­deu­te­ten jahr­zehn­te­lan­gen Rechts­strei­tig­kei­ten end­lich erwor­ben hat­ten, in die bereits bestehen­de Geschich­te ein­flech­ten, wes­halb die gan­ze Moti­va­ti­on und der gan­ze Hand­lungs­bo­gen des „Skyfall“-Bösewichts Sil­va (Javier Bar­dem) nach­träg­lich unter den Bus bzw. den ent­gleis­ten U‑Bahn-Wag­gon gewor­fen wur­de. Chris­toph Waltz über­schritt als unge­fähr sieb­te Ite­ra­ti­on des Super­schur­ken Ernst Stav­ro Blo­feld die Gren­zen zur Selbst­par­odie, nur um dann in „Kei­ne Zeit zu ster­ben“ nach einem Kli­schee-Mono­log urplötz­lich abge­murkst zu wer­den. Die Film­rei­he war – wie zuletzt im berüch­tig­ten letz­ten Pier­ce-Bros­nan-Auf­tritt „Stirb an einem ande­ren Tag“ – ein­mal mehr aus der Kur­ve getra­gen wor­den.

Tower Bridge, Frontalansicht

Mei­ne per­sön­li­che Bond-Sozia­li­sa­ti­on begann 1995 in der Licht­burg in Dins­la­ken an der Sei­te mei­nes Vaters mit besag­tem „Gol­de­nEye“. Ich war gera­de zwölf und ent­sprach damit der Alters­frei­ga­be (die Vor­stel­lung, den Film in andert­halb Jah­ren mit mei­nem Sohn zu schau­en, irri­tiert mich gera­de aller­dings sehr), es war mein ers­ter „Erwachsenen“-Film, der Titel­song kam von Tina Tur­ner und der Cha­rak­ter der Xenia Ona­topp (Fam­ke Jans­sen), einer Schur­kin, die Män­ner beim Geschlechts­akt mit ihren Schen­keln ermor­det, sorg­te für ein irri­tier­tes ers­tes sexu­el­les Erwa­chen. Woll­te ich wie James Bond sein? Wohl kaum. Aber ich woll­te sol­che Fil­me machen, wes­halb die meis­ten Heim­vi­de­os, die ich als Teen­ager mit mei­nen Freun­den und Geschwis­tern dreh­te, auch James-Bond-Par­odien rund um unse­rem eige­nen Geheim­agen­ten Johann Bünett waren („James und Johann sind bei­des But­ler-Namen und statt ‚blond‘ ohne L halt ‚brü­nett‘ ohne R“, wie mein Schul­freund Ben­ja­min tod­si­cher aus­ge­führt hat­te).

Mit einer Ener­gie, die nur Nerd-Kin­der ohne Com­pu­ter an den Tag legen kön­nen, ver­schlang ich alle gedruck­ten Infor­ma­tio­nen über die damals schon mehr als 30 Jah­re lau­fen­de Film­rei­he, so dass ich Euch die oben auf­ge­führ­ten juris­ti­schen Pro­ble­me schon mit 13, 14 hät­te refe­rie­ren kön­nen. Da mein Schlag­zeug­leh­rer eben­so gro­ßer Fan war und alle Fil­me auf VHS besaß, war ich nicht zwin­gend auf die Aus­strah­lun­gen im linea­ren Fern­se­hen ange­wie­sen — obwohl „Lizenz zum Töten“ für mich heu­te immer noch ein Weih­nachts-Vor­abend-Film ist, nur weil er zufäl­li­ger­wei­se am 23. Dezem­ber 1997 im Ers­ten gelau­fen war, als mei­ne Eltern im Wohn­zim­mer den Baum schmück­ten und ich den Film des­halb in Papas Arbeits­zim­mer gucken durf­te.

Die Dani­el-Craig-Ära begann im Novem­ber 2006, als ich gera­de für drei Mona­te in San Fran­cis­co leb­te, und tat­säch­lich hab ich bis heu­te kei­nen ein­zi­gen Craig-Bond in deut­scher Syn­chron­fas­sung gese­hen, weil es ab „Ein Quan­tum Trost“ (2008) dann auch in Bochum Film­vor­füh­run­gen im eng­lisch­spra­chi­gen Ori­gi­nal gab. Aber seit 2015 haben die „Mis­si­on: Impossible“-Filme bei mir eh „James Bond“ als liebs­te Agen­ten­film-Rei­he abge­löst.

Und jetzt? Unken die Fans im Inter­net, dass es das natür­lich gewe­sen sei mit James Bond. Ama­zon wer­de das fran­chise aus­schlach­ten und eine Art Mar­vel Cine­ma­tic Uni­ver­se (MCU) dar­aus erschaf­fen mit spin-offs, Fern­seh­se­ri­en, ori­gin sto­ries und ähn­li­chem Schnick­schnack. Gera­de Bar­ba­ra Broc­co­li hat­te bis zuletzt dar­auf beharrt, Bond-Fil­me als sin­gu­lä­re Ereig­nis­se alle zwei bis fünf Jah­re ins Kino zu brin­gen. Ver­glei­che wer­den gezo­gen zum „Star Wars“-Universum, das seit dem Ver­kauf von Lucas­film an Dis­ney auch sei­nen Reiz ver­lo­ren habe. Und da muss man jetzt vor­sich­tig sein: Ich sit­ze den gan­zen „Star Wars“-Fernsehserien auch rat­los gegen­über und fin­de, dass „Der Auf­stieg Sky­wal­kers“, der letz­te „Star Wars“-Film der drit­ten Tri­lo­gie aus dem Jahr 2019 sei­nen unmit­tel­ba­ren Vor­gän­ger „Die letz­ten Jedi“ in ähn­li­cher Wei­se ver­ra­ten hat wie „SPECTRE“ es mit „Sky­fall“ getan hat­te. Anders als vie­le „Star Wars“-Fans, die zumin­dest geis­tig das Arbeits­zim­mer ihres Vaters oder den Kel­ler ihrer Mut­ter nie ver­las­sen zu haben schei­nen, sehe ich das Pro­blem aber nicht in star­ken Frau­en­rol­len oder einem diver­sen cast.

Das Elend moder­ner Erzähl­wei­sen liegt für mich viel­mehr in dem unend­li­chen Breit­tre­ten von Cha­rak­te­ren und Hand­lungs­bö­gen (Stich­wort „hori­zon­ta­les Erzäh­len“, Stich­wort MCU), weil das teu­er erwor­be­ne intellec­tu­al pro­per­ty so stark wie mög­lich aus­ge­presst wer­den muss — da bin ich dann ganz bei Bar­ba­ra Broc­co­li, ihren event movies und ihrer Ableh­nung des Begriffs „con­tent“. (Die Iro­nie, dass wir hier über Bewegt­bild-Adap­tio­nen von Comic­buch-Rei­hen bzw. geho­be­ne­ren Gro­schen­ro­ma­nen spre­chen, ist mir dabei durch­aus bewusst, dan­ke der Nach­fra­ge!)

Fans, die sich im Inter­net empö­ren, die krea­ti­ve Kon­trol­le über künst­le­ri­sche Pro­jek­te zu über­las­sen, hal­te ich aller­dings für min­des­tens eben­so bescheu­ert, wie die­se Auf­ga­ben an die con­trol­ler abzu­ge­ben, die einem dank irgend­wel­cher Erhe­bun­gen erklä­ren wol­len, wel­che „Inhal­te“ gut „funk­tio­nie­ren“ — die Ergeb­nis­se die­ser Vor­ge­hens­wei­se kann man in den meis­ten Social-Media-Auf­trit­ten ehe­mals seriö­ser deut­scher Medi­en­mar­ken besich­ti­gen. Es gibt immer zwei Sor­ten Nerds: Die, die Musik hören und dann das Bedürf­nis haben, eine Band grün­den (oder fern­se­hen und dann eine Kame­ra in die Hand neh­men), und die, die Ver­kaufs­zah­len oder Ein­schalt­quo­ten stu­die­ren und dann dar­aus ablei­ten zu kön­nen glau­ben, was für Songs oder Fil­me erfolg­reich sein könn­ten. Ich war immer ent­schie­den im ers­ten Team.

Den rau­chen­den, trin­ken­den, schie­ßen­den und durch­aus auch sexu­ell über­grif­fi­gen James Bond der Roma­ne und frü­hen Fil­me könn­te man heu­te allen­falls als peri­od pie­ce insze­nie­ren, auch das ver­mut­lich nur mit irgend­ei­ner Art ein­ord­nen­dem Kom­men­tar. In Zei­ten, wo Typen wie Andrew Tate, Mark Zucker­berg und Joe Rogan ihre eher ver­stö­ren­de, weil unend­lich trau­ri­ge, Vor­stel­lung von Männ­lich­keit unge­fil­tert auf Mil­lio­nen Jun­gen und jun­ge Män­ner los­las­sen kön­nen und gif­ti­ge Männ­lich­keit eher wie­der auf dem auf- als auf dem abstei­gen­den Ast scheint, wür­de einer Judi Dench, die mal ordent­lich auf den Tisch haut, ver­mut­lich „can­cel cul­tu­re“ vor­ge­wor­fen wer­den, aber sie wäre not­wen­dig.

Eine beson­de­re Iro­nie liegt natür­lich dar­in, dass die Zukunft des berühm­tes­ten Geheim­agen­ten jetzt in den Hän­den eines Kon­zerns liegt, des­sen Grün­der so ein­deu­tig eine Check­lis­te der wich­tigs­ten Bond-Böse­wich­te abge­ar­bei­tet zu haben scheint: Er baut Rake­ten wie Hugo Drax („Moon­ra­ker“), besitzt eine wich­ti­ge Zei­tung wie Elli­ot Car­ver („Der Mor­gen stirbt nie“) und ist kahl­köp­fig wie Ernst Stav­ro Blo­feld bei meh­re­ren Auf­trit­ten. Aber wer weiß, viel­leicht will Jeff Bezos den Ant­ago­nis­ten im nächs­ten Film auch ein­fach selbst spie­len.

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Musik Leben

In memoriam Tina Turner

Wie stark einen die Nach­richt vom Tod einer berühm­ten Per­son trifft, hängt von meh­re­ren Fak­to­ren ab: Zuerst ein­mal natür­lich von der Bedeu­tung die­ser Per­son und ihres Schaf­fens für das eige­ne Leben; dann von ihrem Alter und der … nun ja: Erwart­bar­keit des Todes, aber auch vom Zeit­punkt und dem Weg, wie man von ihrem Able­ben erfährt. Ich war ges­tern in einer recht auf­ge­räum­ten Fei­er­abend-und-nichts-Kon­kre­tes-vor-Stim­mung, als mir ein Freund und Kol­le­ge einen Screen­shot schick­te, dass Tina Tur­ner gestor­ben sei. Ent­spre­chend hat­te ich Zeit und Muße, sofort sehr aus­gie­big ihre Musik zu hören und mich in den im Minu­ten­takt auf Social Media vor­ge­brach­ten Hul­di­gun­gen zu ver­lie­ren.

Es gab eine Zeit, da gehör­te die Musik von Tina Tur­ner zu mei­nem Eltern­haus wie die Möbel des Pro­fil­sys­tems von Flöt­ot­to, das Bang-&-Olufsen-Festnetztelefon Beocom 2000 und das son­nen­gel­be Stein­gut­ge­schirr der Mar­ke Tho­mas. Ihre Hits der 1980er und frü­hen 1990er Jah­re waren wich­ti­ger Bestand­teil jener Mix­tapes, die mein Vater für soge­nann­te Feten zusam­men­ge­stellt hat­te und die dann, immer einen Tacken zu laut für durch­schnitt­li­che Gesprä­che, zunächst das gesell­schaft­li­che Bei­sam­men­sein und Essen unter­mal­ten, ehe es zum Äußers­ten kam und erwach­se­ne Men­schen in einer Art unge­len­kem Halft­i­me-Pogo über die im Wohn­zim­mer geschaf­fe­nen Frei­flä­chen tanz­ten. (Wei­te­re unab­ding­ba­re Songs für die­se Anläs­se: die Miles-Davis-Inter­pre­ta­ti­on von Micha­el Jack­sons „Human Natu­re“; „Ella, elle l’a“, die­ser Spät-Hit einer ande­ren Groß­künst­le­rin im drit­ten Akt: France Gall; irgend­was von Her­bert Grö­ne­mey­er, Patri­cia Kaas und Phil Coll­ins und – zu spä­ter Stun­de – das eben­so unver­meid­li­che wie unori­gi­nel­le „Smo­ke On The Water“ von Deep Pur­ple, zu dem dann auch schon mal auf Küchen­be­sen Nicht-mehr-nur-Luft-Gitar­re gespielt wur­de. Viel­leicht baue ich irgend­wann mal eine Spo­ti­fy-Play­list aus die­sen Par­ty-Hits – oder ich gehe noch mal in The­ra­pie.)

Songs wie „The Best“, „I Don’t Wan­na Lose You“, „What’s Love Got To Do With It“, „Why Must We Wait Until Tonight“, „Pri­va­te Dancer“ oder „Steamy Win­dows“ waren mir so selbst­ver­ständ­lich, dass sie natür­lich auch auf mei­nen ers­ten eige­nen Mix­tapes lan­de­ten, die – in Erman­ge­lung eige­ner CDs – natür­lich auch nur die Musik­samm­lung mei­ner Eltern wie­der­ga­ben. Ich habe ges­tern Abend beim Wie­der­hö­ren (teil­wei­se nach meh­re­ren Jahr­zehn­ten Pau­se) nur halb über­rascht fest­ge­stellt, wie sexu­ell vie­le die­ser Songs waren, was ich als Zehn­jäh­ri­ger natür­lich nicht begriff – aber ich bin mir sicher, dass z.B. „Steamy Win­dows“ („Coming from the body heat“) schon damals eine selt­sa­me Ver­hei­ßung mit sich brach­te, die eher nicht aus der Musik eines Phil Coll­ins sprach.

Wir ten­die­ren ja dazu, pop­kul­tu­rel­le Phä­no­me­ne – wie alles, mit dem wir auf­wach­sen – als buch­stäb­lich natür­lich zu betrach­ten. Inso­fern war Tina Tur­ner zur Wen­de-Zeit selbst­ver­ständ­lich einer der größ­ten leben­den Pop­stars und ich wuss­te nichts über ihr Davor, die erst pro­duk­ti­ve, dann kata­stro­pha­le Ehe mit Ike und ihr Come­back in den 1980er Jah­ren. Die­ses Wis­sen um ihren bio­gra­phi­schen Hin­ter­grund lässt ihr Schaf­fen im Nach­hin­ein natür­lich noch ein­mal um so grö­ßer erschei­nen, lässt jeden ein­zel­nen, auch nur halb-selbst­be­wuss­ten Song zum State­ment wer­den und sie als Künst­le­rin umso mehr zur Iko­ne. Dass sie bei Ver­öf­fent­li­chung von „The Best“ (ich ler­ne gera­de, dass die ursprüng­li­che Ver­si­on die­ses Songs von Bon­nie Tyler stammt) fast 50 Jah­re alt war – ein für dama­li­ge Ver­hält­nis­se unge­heu­er­li­ches Alter für einen weib­li­chen Pop­star – erscheint mir auch vor allem in der Rück­schau bemer­kens­wert – als Kind ist „Alter“ eine abso­lut unein­seh­ba­re Kate­go­rie und es gibt nur „alt wie Mama und Papa“, „alt wie Omi und Opi“ und „die älte­ren Geschwis­ter von Freund*innen“, was auch wirk­lich alles umfas­sen kann. Aber ich war glei­cher­ma­ßen ver­wirrt und stolz, als ich vor drei Jah­ren mit mei­nem Sohn bei uns im Wohn­zim­mer eine Wand far­big anstrei­chen woll­te, zu die­sem Zweck für mei­ne Ver­hält­nis­se unge­wöhn­lich volks­tü­melnd das For­mat­ra­dio auf­dreh­te und dort dann eine vom nor­we­gi­schen DJ Kygo nur mäßig über­ar­bei­te­te Ver­si­on von „What’s Love Got To Do With It“ lief, von der mein Sohn mir als­bald zu Ver­ste­hen gab, dass sie ihm geläu­fig sei. „Tina Tur­ner müss­te doch inzwi­schen wirk­lich alt sein“, dach­te ich und ließ grü­ne Wand­far­be auf den Fuß­bo­den trop­fen.

Tina Tur­ner war auch das per­fek­te Gegen­ar­gu­ment für die ja immer noch in Tei­len der Hob­by-Kul­tur­kri­tik vor­herr­schen­de Schwach­sinns-Posi­ti­on, „ech­te“ Musiker*innen müss­ten ihre Songs selbst schrei­ben. Mehr noch: Sie brauch­te für ihre Hits nicht mal die bes­ten Song­wri­ter ihrer Gene­ra­ti­on, son­dern vor­sich­tig gesagt irgend­wel­che. Ich per­sön­lich hal­te die Dire Straits für eine der egals­ten Pop-Kapel­len aller Zei­ten, deren Prä­senz in der Rota­ti­ons­lis­te jeden Sen­der Lügen straft, der behaup­tet, „das Bes­te“ der 1980er Jah­re im Reper­toire zu haben, aber „Pri­va­te Dancer“ ist – selbst in sei­ner 7:11-Minuten-Albumversion – ein so atmo­sphä­risch dich­ter, phan­tas­ti­scher Song, dass Mark Knopf­ler für des­sen Lauf­zeit wie ein genia­ler Song­wri­ter wirkt. Bono und The Edge schrie­ben mit „Gol­de­nEye“ das, was Tina Tur­ner dann zum frag­los bes­ten James-Bond-Song aller Zei­ten mach­te, und waren danach offen­bar so aus­ge­laugt, dass ihnen mit ihrer Band U2 nach 1995 nicht mehr viel von Bedeu­tung gelang. Wie­viel sie aus Songs raus­ge­holt hat, die bei ande­ren Men­schen jetzt nicht so zün­den wür­den – und das in den musi­ka­lisch oft frag­wür­di­gen 1980er Jah­ren: Da zeigt sich die gan­ze Stär­ke einer Aus­nah­me-Künst­le­rin.

Ent­spre­chend kamen kurz nach der Todes­nach­richt die Wür­di­gun­gen auch aus allen Ecken des kul­tu­rel­len Spek­trums: Mick Jag­ger, Shir­ley Bas­sey, Anton Cor­bi­jn, Debbie Har­ry von Blon­die und die Pet Shops Boys zogen eben­so den Hut wie Ange­la Bas­sett, die Tina Tur­ner 1993 im Film „What’s Love Got To Do With It“ ver­kör­pert hat­te – zu einer Zeit, als noch nicht jede zwei­te Lebens­ge­schich­te in einem Bio­pic ver­wurs­tet wur­de. Auf Twit­ter mach­te ein Video die Run­de, zu des­sen Beginn Tina Tur­ner erst einer schwar­zen Limou­si­ne ent­stieg, um dann auf beein­dru­cken­den Absät­zen 1:1 den Ein­marsch eines US-Prä­si­den­ten bei der Sta­te of the Uni­on Address zu exer­zie­ren (inkl. „Ladies and gen­tle­men: Miss Tina Tur­ner!“ aus dem Off), was alles in einer 120.000-Volt-Liveversion von „The Best“ kul­mi­niert. Pop­kul­tur: So und nicht anders! Tina Tur­ner ist ges­tern im Alter von 83 Jah­ren in ihrer neu­en Hei­mat, der Schweiz, gestor­ben.

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Film

Cinema And Beer: „Mission: Impossible — Fallout“

Mission: Impossible — Fallout (Offizielles Filmplakat)

Ihr Auf­trag, für den Fall, dass Sie ihn anneh­men: Gehen Sie ins Kino, schau­en Sie den neu­es­ten, sechs­ten, Film der „Mis­si­on: Impossible“-Reihe und sab­beln Sie anschlie­ßend bei einem küh­len Bier über Ihre Ein­drü­cke.

Wie hät­ten Tom The­len und Lukas Hein­ser die­se Mis­si­on ableh­nen kön­nen? Eben!

Cine­ma And Beer: „Mis­si­on: Impos­si­ble — Fall­out“

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Film

Cinema And Beer: „Spectre“

Drei Jah­re nach „Sky­fall“ ist James Bond (Dani­el Craig) wie­der da, doch anders als beim Start unse­rer klei­nen Pod­cast­rei­he vor drei Jah­ren sind wir dies­mal nicht wirk­lich begeis­tert.

Hören Sie also, was es mit schlech­ten Sex-Sze­nen, Chris­toph Waltz als Chris­toph Waltz und gro­ßen Weiß­flä­chen auf sich hat – aber hören Sie nicht, wenn Sie den Film noch sehen und dabei kom­plett über­rascht wer­den wol­len.

Spectre (Offizielles Filmplakat)

Cine­ma And Beer: „Spect­re“
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Film

Cinema And Beer: „Skyfall“

Heu­te beginnt unse­re neue Pod­cast-Rei­he Cine­ma And Beer. Das Kon­zept ist denk­bar ein­fach: Tom The­len und Lukas Hein­ser gehen zusam­men ins Kino und unter­hal­ten sich anschlie­ßend bei einem Bier etwa eine Vier­tel­stun­de lang über den Film.

The­ma der ers­ten Fol­ge ist – wenig über­ra­schend – „Sky­fall“, der neu­es­te James-Bond-Film, der am 1. Novem­ber in den deut­schen Kinos ange­lau­fen ist.

Skyfall (Offizielles Filmplakat)

Cine­ma And Beer: „Sky­fall“
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Musik Film

Die besten James-Bond-Songs aller Zeiten

Am Don­ners­tag läuft „Sky­fall“, der 23. und neu­es­te James-Bond-Film, in den deut­schen Kinos an. Da es die Rei­he die­ses Jahr seit 50 Jah­ren gibt, ich seit 17 Jah­ren Fan bin und mich ver­gan­ge­ne Woche auf ein Musik­quiz zum The­ma vor­be­rei­tet habe, hal­te ich es für einen guten Zeit­punkt, Ihnen mei­ne ganz per­sön­li­che Rang­lis­te der bes­ten James-Bond-Songs aller Zei­ten zu prä­sen­tie­ren.

Das ist nicht ganz ein­fach: Geschmä­cker ändern sich über die Jah­re, wir ver­glei­chen hier Songs aus der Zeit, als die Beat­les ihre Kar­rie­re began­nen, mit wel­chen aus dem Zeit­al­ter von Lady Gaga und Jus­tin Bie­ber. Aber letzt­end­lich geht es ja dar­um, was mir im Jahr 2012 gefällt und was nicht.

Bei der Aus­wahl habe ich mich auf die Songs der 23 offi­zi­el­len Fil­me von Eon Pro­duc­tions der Fami­lie Broc­co­li kon­zen­triert und die min­des­tens zwei inof­fi­zi­el­len Bond-Fil­me („Casi­no Roya­le“ von 1967 und „Sag nie­mals nie“ von 1983) außen vor gelas­sen. Dass die Lis­te trotz­dem 25 Songs umfasst, liegt dar­an, dass es eini­ge Fil­me mit je zwei Songs gab.

Aber das wer­den Sie ja jetzt sehen und hören:

25. Shee­na Eas­ton – For Your Eyes Only („In gehei­mer Mis­si­on“, 1981)
Los geht’s mit einem Song, der nicht „für einen James-Bond-Song schlecht“, son­dern auch all­ge­mein­gül­tig schlecht ist. Ein Schmacht­fet­zen, der sei­nen natür­li­chen Lebens­raum erst 1989 erreich­te, als er auf „Kuschel­rock 3“ ver­ewigt wur­de (als bis­her ein­zi­ger Bond-Song über­haupt), und der auch dann noch ster­bens­lang­wei­lig gewe­sen wäre, wenn die Inter­pre­tin eine Stim­me gehabt hät­te. Schnell wei­ter!

24. Rita Coo­lidge – All Time High („Octo­pus­sy“, 1983)
Es war, wie wir noch sehen wer­den, nicht alles schlecht unter Roger Moo­re, aber gut waren die Songs in der mitt­le­ren Pha­se jetzt auch nicht. Wobei „All Time High“ wenigs­tens Poten­ti­al hat­te, wie die Ver­si­on beweist, die David Arnold mit Pulp (die übri­gens erfolg­los am Ideen­wett­be­werb für „Tomor­row Never Dies“ teil­ge­nom­men hat­ten) auf­ge­nom­men hat.

23. Gla­dys Knight – Licence To Kill („Lizenz zum Töten“, 1989)
Und noch ein Schmalz­schla­ger vom Fließ­band, der – gemein­sam mit Pat­ti LaBel­les „If You Asked Me To“ – den Film zu einem musi­ka­li­schen Total­aus­fall wer­den lässt und fast alles ver­eint, was in den Acht­zi­ger Jah­ren musi­ka­lisch falsch gelau­fen ist. Der Song beweist gleich­zei­tig, dass sich nicht jeder Titel eines James-Bond-Films auch ohne wei­te­res in den Text eines Pop­songs ein­flech­ten lässt („I Got a licence to kill /​ And you know I’m going straight for your heart /​ Got a licence to kill /​ Anyo­ne who tri­es to tear us apart“?!?). Und dann ist es mit 5:15 Minu­ten auch noch der längs­te von allen …

22. Car­ly Simon – Nobo­dy Does It Bet­ter („Der Spi­on, der mich lieb­te“, 1977)
Ach Gott, ja. Nicht wirk­lich schlimm wie „For Your Eyes Only“, aber doch ein arg belang­lo­ser Song einer ansons­ten ver­dien­ten Sän­ge­rin. Man merkt, dass Abba damals die Welt beherrsch­ten. Wenn die Strei­cher und Blä­ser nicht so arg chee­sy wären, hät­te das „Baby, you’­re the best“-Finale durch­aus ein schö­ner Moment wer­den kön­nen.

21. Madon­na – Die Ano­ther Day („Stirb an einem ande­ren Tag“, 2002)
Zum 40. Geburts­tag der Rei­he und zum 20. Film woll­ten sich die Pro­du­zen­ten mal rich­tig was gön­nen: Oscar-Preis­trä­ge­rin Hal­le Ber­ry als Bond-Girl, ganz vie­le Quer­ver­wei­se auf die Vor­gän­ger und ein Titel­song von Madon­na soll­ten es sein. Das Posi­tivs­te, was man über den Titel­song sagen kann, ist, dass er „defi­ni­tiv mal was ande­res“ war – und auf eine Art „Toxic“ von Brit­ney Spears vor­weg­nahm. Der Film ist eine an sei­nen eige­nen Digi­tal­ef­fek­ten ersti­cken­de Kata­stro­phe, nach der sich Eon völ­lig zurecht zu einem kom­plet­ten Reboot der Serie ent­schloss. Die bes­te Stel­le ist, wenn Pier­ce Bros­nan zu den Klän­gen von „Lon­don Cal­ling“ von The Clash nach Eng­land fliegt.

20. Lulu – The Man With The Gol­den Gun („Der Mann mit dem gol­de­nen Colt“, 1974)
Eine auch 1974 schon rüh­rend alt­mo­di­sche Idee, die Geschich­te des Films qua­si im Song­text zu erzäh­len. Aber die Blä­ser sind durch­aus Bond-wür­dig. Fun fact: Lulu ist die ein­zi­ge Inter­pre­tin, die sowohl einen Bond-Titel­song gesun­gen als auch den Euro­vi­si­on Song Con­test gewon­nen hat.

19. Chris Cor­nell – You Know My Name („Casi­no Roya­le“, 2006)
Wuss­ten Sie, dass Ali­ce Coo­per („The Man With The Gol­den Gun“) und Blon­die („For Your Eyes Only“) eige­ne Bond-Songs geschrie­ben hat­ten, die dann nicht ver­wen­det wur­den? Ich schrei­be das, weil ich ger­ne was über ver­dien­te Rock­mu­si­ker erzäh­len möch­te, ohne mich die­sem Lied stel­len zu müs­sen. Chris Cor­nell, der pein­lichs­te Über­le­ben­de des Seat­tle-Grunge von vor 20 Jah­ren, mit einem wahn­sin­nig bana­len Song, den ein­zig das Riff mit einem James-Bond-Song ver­bin­det. Ja, es ist „anders“ und „irgend­wie modern“, ohne gleich das Madon­na-Desas­ter zu wie­der­ho­len, aber der Song (und der irgend­wie unrund wir­ken­de Vor­spann) ist der Tief­punkt des ansons­ten wahn­sin­nig guten ers­ten Dani­el-Craig-Films.

18. Sheryl Crow – Tomor­row Never Dies („Der Mor­gen stirbt nie“, 1997)
Als David Arnold Haus­kom­po­nist der Serie wur­de, gab es eine Art Aus­schrei­bung für den Titel­song zu Pier­ce Brosn­ans zwei­tem Bond-Film, an der sich unter ande­rem Pulp, Saint Eti­en­ne, Marc Almond, die Car­di­gans und Space betei­lig­ten. Dass es aus­ge­rech­net Sheryl Crow wur­de, ist ver­mut­lich ein­zig und allein ihrem Welt-Hit „All I Wan­na Do“ von 1994 geschul­det. Im Grun­de ver­eint der Song alles, was man für einen ordent­li­chen Bond-Titel­song braucht, aber er bleibt doch selt­sam blut­leer, fällt aber immer­hin nicht nega­tiv auf.

17. Lou­is Arm­strong – We Have All The Time In The World („Im Geheim­dienst Ihrer Majes­tät“, 1969)
Ja, Lou­is Arm­strong, der ers­te fahr­rad­fah­ren­de Trom­pe­ter auf dem Mond. Eine Legen­de. Und ein völ­lig okay­er Song, der streng genom­men nur die Num­mer 2 im Film ist. Und doch: Was soll denn das?

16. Shir­ley Bas­sey – Moon­ra­ker („Moon­ra­ker“, 1979)
Da ist sie end­lich: Shir­ley Bas­sey, die gro­ße (inzwi­schen) alte Dame des Bond-Titel­songs. Auf den Euro­vi­si­on Song Con­test umge­rech­net wäre sie so etwas wie Lys Assia, Vicky Lean­dros, Caro­la, Fri­da & Agne­tha und Lena zusam­men. Wer drei Bond-Songs gesun­gen hat (und bei min­des­tens zwei wei­te­ren Fil­men zumin­dest auf dem Zet­tel stand), muss aller­dings auch damit leben kön­nen, wenn einer davon auf Platz 16 lan­det, auch wenn es an ihm eigent­lich gar nichts aus­zu­set­zen gibt.

15. Ade­le – Sky­fall („Sky­fall“, 2012)
Das ist jetzt ein biss­chen unfair: Der Song ist neu, ich habe den Film noch nicht gese­hen und weiß nicht, wie das Lied im Vor­spann wirkt. Ade­le macht das durch­aus gut, obwohl ich mir ein biss­chen mehr von dem knal­li­gen „Rol­ling In The Deep“-Sound gewünscht hät­te, und der Song ist nach den bei­den rocki­gen Vor­gän­gern wie­der klas­si­scher Bond. Tat­säch­lich gibt es vor allem einen Grund dafür, dass er so weit hin­ten in die­ser Lis­te auf­taucht: die ande­ren Songs sind ein­fach bes­ser.

14. Matt Mon­ro – From Rus­sia With Love („Lie­bes­grü­ße aus Mos­kau“, 1963)
Der ers­te Bond-Song im eigent­li­chen Sin­ne, weil „Dr. No“ ja kei­nen gesun­ge­nen Titel­song hat­te. Mit 49 Jah­ren Abstand ist es schwer zu sagen, ob der Song damals cool und modern oder doch eher bie­der war. Der kal­te Krieg war damals auf sei­nem Höhe­punkt und Istan­bul, wo Tei­le des Films spie­len, war für die meis­ten Kino­gän­ger ein völ­lig exo­ti­scher Ort und kein Ziel für einen Wochen­end­trip. All das klingt durch bei Matt Mon­ro, der übri­gens ein Jahr spä­ter beim Euro­vi­si­on Song Con­test teil­nahm und Zwei­ter wur­de.

13. Gar­ba­ge – The World Is Not Enough („Die Welt ist nicht genug“, 1999)
Nach Sheryl Crow wag­ten die Pro­du­zen­ten Ende der Neun­zi­ger Jah­re ein biss­chen mehr und ver­pflich­te­ten Gar­ba­ge für den Titel­song, der dann letzt­lich doch erstaun­lich wenig Gar­ba­ge ent­hielt: Sän­ge­rin Shir­ley Man­son beklag­te sich Jah­re spä­ter, die Film­leu­te hät­ten ihnen stän­dig rein­ge­quatscht und am Ende sei qua­si nichts mehr von der Band im Song übrig geblie­ben. Das muss für die Musi­ker frus­trie­rend gewe­sen sein, tut dem Song aber kei­nen Abbruch.

12. Shir­ley Bas­sey – Dia­monds Are Fore­ver („Dia­man­ten­fie­ber“, 1971)
Shir­ley Bas­sey, die zwei­te. Nach­dem schon Sean Con­nery sein Come­back als James Bond fei­er­te und es aber­mals um wert­vol­le Boden­schät­ze ging, lag es wohl nahe, wie bei „Gold­fin­ger“ auf die Wali­se­rin zurück­zu­grei­fen. Sie mach­te das (wie üblich) per­fekt und der letz­te Refrain, wenn die Rhyth­mus­grup­pe rich­tig los­groovt, ist auch nach über vier­zig Jah­ren noch das, was man damals womög­lich als „schmis­sig“ bezeich­net hät­te.

11. a‑ha – The Living Day­lights („Der Hauch des Todes“, 1987)
Der ers­te Auf­tritt von Timo­thy Dal­ton als James Bond wird bis heu­te häu­fig unter­schätzt, dürf­te aber der bes­te Bond-Film der 1980er sein – und der mit dem zweit­bes­ten Titel­song die­ser Deka­de. Die Nor­we­ger von a‑ha sind bis heu­te die ein­zi­gen Nicht-Mut­ter­sprach­ler, die einen James-Bond-Titel­song sin­gen durf­ten. Auch wenn sie mit der Zusam­men­ar­beit mit Kom­po­nis­ten­le­gen­de John Bar­ry alles ande­re als zufrie­den waren, ist der Song eine wun­der­ba­re Kom­bi­na­ti­on aus zeit­ge­nös­si­scher Pop­mu­sik und klas­si­schem Bond-Sound.

10. Jack White & Ali­cia Keys – Ano­ther Way To Die („Ein Quan­tum Trost“, 2008)
Weil das mit dem Rock­sän­ger ja bei „Casi­no Roya­le“ so gut funk­tio­niert hat­te (*hust*), durf­te 2008 Jack White dran, des­sen Kar­rie­re als Sta­di­on- und Kir­mes­be­schal­ler damals noch in den Kin­der­schu­hen steck­te. Ihm zur Sei­te stand im ers­ten Duett der Bond-Geschich­te Ali­cia Keys, die es zwi­schen 2006 und 2009 geschafft hat, von Bob Dylan nament­lich in einem Lied erwähnt zu wer­den, einen James-Bond-Song zu sin­gen und mit Jay‑Z noch einen inter­na­tio­na­len Mega­hit zu haben. Die Kom­bi­na­ti­on der bei­den ist ein biss­chen gewollt außer­ge­wöhn­lich und man kann sich bes­ser zusam­men­pas­sen­de Stim­men vor­stel­len, aber so ein­drucks­voll wur­de seit den Sech­zi­gern kei­ne Gitar­re mehr bei Bond ein­ge­setzt. Der Vor­spann schafft das Kunst­stück, in einem Retro-Stil gehal­ten zu sein, der in sich selbst schon ver­al­tet aus­sieht und mit vier Jah­ren Abstand wirkt, als käme er nicht aus dem Jahr­zehnt, nach dem er aus­se­hen soll (mut­maß­lich 1960er), son­dern aus einem Acht­zi­ger-Jah­re-Com­pu­ter­spiel. Egal.

9. John Bar­ry Orches­tra – On Her Majesty’s Secret Ser­vice („Im Geheim­dienst Ihrer Majes­tät“, 1969)
Für den ers­ten (und ein­zi­gen) Bond-Film mit Geor­ge Lazen­by ver­zich­te­ten die Macher mal wie­der auf einen gesun­ge­nen Titel­song im Vor­spann und knall­ten den Zuschau­ern statt­des­sen die­ses orches­tra­le Brett vor den Latz, das auch nach 42 Jah­ren noch klingt, als sei es soeben von eini­gen fin­di­gen Retro-Pro­du­zen­ten erdacht wor­den. Tat­säch­lich hat­ten sich die Pro­pel­ler­heads das Werk 1997 für David Arnolds Bond-Song-Cover-Pro­jekt „Shaken And Stir­red“ vor­ge­nom­men, wo es zwar mit gei­len Big Beats auf­war­tet, in Sachen Wirk­mäch­tig­keit aber nicht ganz an John Bar­rys Ori­gi­nal her­an­kommt.

8. Nan­cy Sina­tra – You Only Live Twice („Man lebt nur zwei­mal“, 1967)
Okay, in Sachen chee­sy and con­tem­po­ra­ry ste­hen die Strei­cher­ar­ran­ge­ments dem Elend aus den Acht­zi­gern ver­mut­lich in nichts nach, aber es gibt ja noch die galop­pie­ren­den Wes­tern-Ele­men­te und die alles zusam­men­hal­ten­de Stim­me von Nan­cy Sina­tra. Die Strei­cher fei­er­ten 31 Jah­re spä­ter ihre Wie­der­auf­er­ste­hung in Rob­bie Wil­liams‘ „Mill­en­ni­um“ und tra­gen seit­dem noch ein biss­chen wei­ter zu John Bar­rys Ein­nah­men bei.

7. k.d. lang – Sur­ren­der („Der Mor­gen stirbt nie“, 1997)
Noch ein Song, der beim Song Con­test für „Tomor­row Never Dies“ durch­ge­fal­len war, es aber immer­hin auf den Sound­track und in den Abspann schaff­te. „Sur­ren­der“ ist ganz klas­si­scher Bond und gegen ihn kann eigent­lich nur gespro­chen haben, dass k.d. lang eben nicht Sheryl Crow war. Zum Glück. Kom­po­nist ist David Arnold, der auch den Score für „Der Mor­gen stirbt nie“ (und vier wei­te­re Bonds) schrieb, wes­we­gen das Motiv aus „Sur­ren­der“ im Film stän­dig zu hören ist, das des nomi­nel­len Titel­songs hin­ge­gen nie.

6. Mon­ty Nor­man Orches­tra – James Bond The­me („James Bond jagt Dr. No“, 1962)
Das ver­mut­lich bekann­tes­te Motiv der Film­ge­schich­te, das lang­le­bigs­te sowie­so. Die­se unglaub­li­che Cool­ness der Surf-Gitar­re, die auch nach 50 Jah­ren oft kopiert, aber nie erreicht wur­de. Wor­te sind nicht in der Lage, die­se 108 Sekun­den zu beschrei­ben. Welt­kul­tur­er­be!

5. Tom Jones – Thun­der­ball („Thun­der­ball“, 1965)
Man könn­te es sich nicht aus­den­ken: Um den Pos­ten als Sän­ger bei „Thun­der­ball“ kon­kur­rier­ten die bei­den cools­ten Män­ner des Uni­ver­sums – Tom Jones und John­ny Cash. Cashs Song hät­te zwar einen ordent­li­chen Wes­tern-Sound­track abge­ge­ben, pass­te aber über­haupt nicht zu Bond. Aber dafür gab es ja den wali­si­schen Tiger, der – beglei­tet von den Blä­sern, die damals schon die Mau­ern von Jeri­cho zum Ein­sturz gebracht hat­ten – ein­fach alles rich­tig mach­te. Inklu­si­ve des (mut­maß­lich) längs­ten jemals gehal­te­nen Tons der Bond-Geschich­te.

4. Shir­ley Bas­sey – Gold­fin­ger („Gold­fin­ger“, 1964)
„Gold­fin­ger“ gilt als womög­lich bes­ter Bond-Film der Geschich­te, sein Titel­song ist defi­ni­tiv der bes­te der ers­ten Deka­de. Es ist schwer vor­stell­bar, dass auch nur irgend­ein Pop­song aus dem Jahr 2012 in 48 Jah­ren noch so dyna­misch, packend und zeit­los wir­ken wird. Hier passt ein­fach alles! Fun fact: Jim­my Page, spä­te­rer Gitar­rist von Led Zep­pe­lin, ist als Ses­si­on-Musi­ker zu hören.

3. Duran Duran – A View To A Kill („Im Ange­sicht des Todes“, 1985)
Es war, wie gesagt, nicht alles schlecht unter Roger Moo­re: Zum Ende sei­ner Bond-Kar­rie­re im Alter von gefühlt 182 Jah­ren bekam er noch ein­mal einen ordent­li­chen Titel­song in dem fast alles ver­eint ist, was in den Acht­zi­ger Jah­ren musi­ka­lisch rich­tig gelau­fen ist. Ein ech­ter Stamp­fer, zu dem man auf den damals so genann­ten Feten sicher gut schwo­fen konn­te, wie man damals sag­te.

2. Paul McCart­ney & The Wings – Live And Let Die („Leben und ster­ben las­sen“, 1973)
Was ist noch bes­ser, als einen James-Bond-Song gesun­gen und den Euro­vi­si­on Song Con­test gewon­nen zu haben? Klar: Einen James-Bond-Song gesun­gen und vor­her bei den Beat­les gespielt zu haben. Dann kann man in 3:15 Minu­ten auch pro­blem­los min­des­tens drei ver­schie­de­ne Songs anstim­men. „Live And Let Die“ ist immer noch fes­ter und sehr beein­dru­cken­der Pro­gramm­punkt in Paul McCart­neys Solo­kon­zer­ten, bei dem Pyro­tech­nik im Gegen­wert eines Klein­wa­gens zum Ein­satz kommt. (Er ist damit neben „The Living Day­lights“ und „Thun­der­ball“ auch einer von drei Bond-Songs, die ich schon live gehört habe.)

1. Tina Tur­ner – Gol­de­nEye („Gol­de­nEye“, 1995)
„Gol­de­nEye“ war der ers­te James-Bond-Film, den ich im Kino gese­hen habe (dann direkt zwei­mal) und viel­leicht sogar mein ers­ter über­haupt. Inso­fern bin ich viel­leicht ein wenig vor­ein­ge­nom­men, aber es ist doch ein ver­dammt bril­lan­ter Song. Geschrie­ben von Bono und The Edge von U2, die danach auch nicht mehr viel hin­ge­kriegt hät­ten, was bes­ser gewe­sen wäre, und vir­tu­os vor­ge­tra­gen von Tina Tur­ner, die damals im drit­ten oder vier­ten Früh­ling ihrer Kar­rie­re stand. In Kom­bi­na­ti­on mit dem Vor­spann und dem Film ins­ge­samt ist „Gol­de­nEye“ ein­deu­tig der bes­te Bond-Song ever.

Die gan­ze Lis­te (oder so was in der Art) kön­nen Sie auch bei Spo­ti­fy hören.