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Scheint die Sonne auch für Nazis?

Auf Demons­tra­tio­nen ist es nicht groß anders als im Fuß­ball­sta­di­on oder auf Rock­kon­zer­ten: man ist umge­ben von Men­schen, mit denen man ganz offen­sicht­lich gemein­sa­me Inter­es­sen teilt, aber wenn man sie sich so ansieht und anhört, kann man sich beim bes­ten Wil­len nicht mehr vor­stel­len, mit ihnen irgend­et­was gemein zu haben.

Die NPD hat für heu­te in Bochum zu einer Demons­tra­ti­on gegen „Über­frem­dung“, „Isla­mi­sie­rung“ und „Aus­län­der­kri­mi­na­li­tät“ auf­ge­ru­fen und die Bochu­mer Öffent­lich­keit reagier­te mit Gegen­ver­an­stal­tun­gen. Die Haupt­kund­ge­bung, auf die ich auch hier in der Side­bar hin­ge­wie­sen hat­te, stand unter dem Mot­to „Wir sind Bochum – Nazis sind es nicht!“, was ein­mal mehr ein beein­dru­ckend merk­wür­di­ger Slo­gan ist. Denn zum einen soll­te es ja genau dar­um gehen, dass gewis­se rechts­extre­me Posi­tio­nen inzwi­schen mit­ten in der Gesell­schaft ange­kom­men und also sehr wohl auch Teil die­ser Stadt sind (ob man will oder nicht), zum ande­ren: Was sind Nazis dann? Wan­ne-Eickel?

Trotz­dem ging ich heu­te Mit­tag natür­lich zum Dr.-Ruer-Platz, wo sich etwa 2.000 Men­schen ver­sam­melt hat­ten. Das ist im Ver­gleich zu den etwa 150 mar­schie­ren­den Nazis zwar beein­dru­ckend (Red­ner: „Wir sind mehr wie die Gegen­sei­te.“ – Publi­kum: „Als!“), ande­rer­seits aber gera­de mal 0,5% der Ein­woh­ner der Stadt. Aber irgend­wie konn­te ich, nach­dem ich fünf Minu­ten den Red­nern gelauscht hat­te, nur zu gut ver­ste­hen, wenn man mit die­ser Ver­an­stal­tung nichts zu tun haben woll­te: Da wur­de das Schei­tern der Kon­fe­renz von „Pro Köln“ als leuch­ten­des Bei­spiel für zivi­len Wider­stand dar­ge­stellt und mit kei­nem Wort erwähnt, dass prü­geln­de und Stei­ne wer­fen­de Auto­no­me das Bild des fried­li­chen Pro­tests erheb­lich gestört hat­ten. Immer­hin zu Gewalt­lo­sig­keit wur­de auf­ge­ru­fen, wor­an sich die vie­len älte­ren Leu­te und Kin­der auf dem Platz ver­mut­lich auch von sich aus gehal­ten hät­ten. Die Anti­fa, denen man das hin­ter die Löf­fel hät­te schrei­ben müs­sen, hat­te eine eige­ne Ver­an­stal­tung, ein paar hun­dert Meter wei­ter.

Wirk­lich zu viel wur­de es mir dann, als ein DGB-Mann ans Mikro­fon trat und los­brüll­te. Bei gei­fern­den Men­schen ist es mir egal, wel­che Posi­ti­on sie ver­tre­ten und wie sie hei­ßen: ich kann das Geschrei nicht ertra­gen und es ist mir völ­lig schlei­er­haft, wie sie damit über­haupt ein Publi­kum errei­chen kön­nen. Aber viel­leicht lenkt sowas ein­fach ab, wenn man nichts zu sagen hat (Hit­ler- und/​oder Lafon­taine-Ver­glei­che bit­te selbst ein­set­zen).

Von allen Red­nern blieb mir nur ein jun­ger Musi­ker im Gedächt­nis, des­sen Anspra­che über „Nazis gehö­ren hier nicht hin!“ und „Ver­bie­tet end­lich die NPD!“ hin­aus­ging. Er gei­ßel­te die all­ge­mei­ne Isla­mo­pho­bie, die auch vor „Main­stream­m­e­di­en“ wie „ ‚Spie­gel‘, ‚Stern‘ und ‚Focus‘ “ nicht Halt mache. Die­ser Hauch von inhalt­li­cher Aus­ein­an­der­set­zung kam bei den Zuhö­rern aber nicht so gut an wie das Gebrüll des DGB. Kurz dar­auf war die Kund­ge­bung vor­bei.

Beein­dru­cken­der als die­se klei­ne Mas­sen­ver­an­stal­tung, auf denen ich mich sowie­so nie beson­ders wohl füh­le, waren die vie­len Men­schen, die mit Auf­kle­bern und But­tons auf der Jacke durch die Stadt lie­fen und so ihre ganz eige­nen Zei­chen gegen die Nazis setz­ten. Nen­nen Sie mich pathe­tisch, aber eine alte Dame, die beim Wochen­end­ein­kauf „No Go für Nazis“ auf dem Pelz­man­tel kle­ben hat, ist ein viel stär­ke­res Bild als ein paar Tau­send Leu­te mit bemal­ten Bett­la­ken und SPD-Fah­nen.

Der Auf­marsch der NPD läuft zur Stun­de noch. Sie zie­hen vor­bei an Pla­ka­ten, auf denen „Nazis haben klei­ne Pim­mel“ steht, und an Kir­chen, deren Glo­cken Sturm läu­ten und so die Paro­len weit­ge­hend über­tö­nen.

Live­ti­cker dazu gibt es bei den Ruhr­ba­ro­nen, den Ruhr­nach­rich­ten und via twit­ter vom Wes­ten.

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Literatur Gesellschaft

Heiteres Berufungsraten

Udo Ulfkot­te war frü­her Redak­teur der „FAZ“ und betreibt heu­te „Akte Islam“, was man­che euphe­mis­tisch eine „islam­kri­ti­sche Web­sei­te“ nen­nen. Die taz bezeich­ne­te es als „trau­ri­ges Schau­spiel“ und Ulfkot­te, der sich mit „Bür­ger in Wut“ und „Pax Euro­pa“ auch als Poli­ti­ker ver­sucht, als „Irr­licht“.

Sein neu­es Buch heißt „SOS Abend­land“ und erscheint im Kopp-Ver­lag, der auch Titel wie „Die letz­ten Tage von Euro­pa“, „Ach­tung, Gut­men­schen!“, „Der Mul­ti­kul­ti-Irr­tum“, „Kopf hoch, Deutsch­land“ oder „Hei­li­ger Krieg in Euro­pa“ ver­legt. Zu Pro­mo­ti­ons­zwe­cken hat der Ver­lag ein „Mul­ti­kul­tu­rel­les Quiz“ ein­ge­rich­tet, bei dem man das Buch gewin­nen kann, und das seit eini­gen Tagen durchs Inter­net geis­tert. Auch hier im Blog war es als Spam-Kom­men­tar von einem angeb­li­chen Bernd Schrei­ber kurz­zei­tig in den Kom­men­ta­ren auf­ge­taucht – beein­dru­ckend unpas­send unter die­sem Ein­trag.

Damit Sie sich die Marsch­rich­tung des Qui­zes so unge­fähr vor­stel­len kön­nen, hier mal Fra­ge 1 von 25:

FRAGE 1: In wel­chem Land wird das öffent­li­che Zei­gen einer offi­zi­el­len Lan­des­flag­ge inzwi­schen als Dis­kri­mi­nie­rung mos­le­mi­scher Zuwan­de­rer gese­hen und kann von der Poli­zei mit einem Buß­geld belegt wer­den?

a. Schwe­den b. Schweiz c. Däne­mark d. Eng­land

Die­se Fra­ge ist kniff­lig, sie lässt sich nicht mal eben mit einer ein­fa­chen Goog­le-Suche beant­wor­ten – was ent­we­der für die Erfin­der des Qui­zes spricht, die es den Teil­neh­mern natür­lich nicht zu ein­fach machen woll­ten, oder dafür, dass an der Geschich­te so eini­ges nicht stimmt.

FRAGE 5: In wel­chen Städ­ten gibt es zwar ein Rauch­ver­bot in Restau­rants, von dem aller­dings Besu­cher isla­mi­scher Restau­rants aus­ge­nom­men sind, die Was­ser­pfei­fe rau­chen?

a. Van­cou­ver b. Paris c. Rom d. Ber­lin

Van­cou­ver ist es schon mal nicht, auch wenn Ulfkot­te ver­mut­lich genau dar­auf hin­aus will. Zwar hat­ten die Besit­zer von Hoo­kah loun­ges (übri­gens eben­so wie die von pro­fa­nen Zigar­ren­clubs) zunächst eine Aus­nah­me­ge­neh­mi­gung erwir­ken kön­nen, die aber im Janu­ar, noch vor Ein­füh­rung des Rauch­ver­bots in Van­cou­ver, auf­ge­ho­ben wur­de.

„Ber­lin“, schlägt da das eben­falls isla­mo­pho­be Blog „PI-News“ vor. Eine wei­te­re vor­läu­fi­ge Aus­set­zung des in Deutsch­land (und vor allem in Ber­lin) völ­lig durch­lö­cher­ten Rauch­ver­bots aus Wett­be­werbs­grün­den halt. Ver­mut­lich wür­de aber nie jemand Eck­knei­pen als „christ­li­che Restau­rants“ bezeich­nen. In der isla­mi­schen Repu­blik Iran ist das Rau­chen von Was­ser­pfei­fen im öffent­li­chen Raum übri­gens seit ver­gan­ge­nem Jahr ver­bo­ten.

FRAGE 11: In wel­cher Stadt wur­de 2008 der ers­te Wohn­block für älte­re Mit­bür­ger eröff­net, in dem alle Toi­let­ten und auch die Bet­ten Islam-kon­form aus­ge­rich­tet sind?

a. Baden-Baden b. Brüg­ge c. Bris­tol d. Bar­ce­lo­na

Mal davon ab, dass Chris­ten, Juden, Hin­dus oder Hei­den kein Nach­teil dar­aus ent­steht, wenn in Bris­tol die Toi­let­ten in bestimm­te Him­mels­rich­tun­gen zei­gen, ist die Fra­ge („alle Toi­let­ten“) schon falsch gestellt:

The­re is a lar­ge Ban­gla­de­shi popu­la­ti­on in the area and 15 of the flats have been ori­en­ted to ensu­re that the lay­out of the bed­rooms and bath­rooms do not con­flict with the need to face Mec­ca during pray­ers.

15 von 55 Woh­nun­gen also.

Es sind die­se klei­nen Unge­nau­ig­kei­ten, die – kom­bi­niert mit Ver­zer­run­gen und Unter­stel­lun­gen – ein Gesamt­bild erge­ben, das weit von der Rea­li­tät ent­fernt ist.

FRAGE 21: In wel­chen euro­päi­schen Städ­ten wur­de 2007 das Neu­jahrs­feu­er­werk aus Angst vor ran­da­lie­ren­den Mus­li­men ver­bo­ten?

a. Paris b. Brüs­sel c. Ber­lin d. Lon­don

Auch hier liegt der Teu­fel im Detail: die (begrün­de­te, wie sich im Nach­hin­ein zei­gen soll­te) Angst vor Ran­da­len in Paris wird plötz­lich zur „Angst vor ran­da­lie­ren­den Mus­li­men“. Die kom­ple­xe Situa­ti­on von Kin­dern aus sozi­al schwa­chen Fami­li­en (oft­mals die Nach­fah­ren von Ein­wan­de­rern), die mit unzu­rei­chen­der Bil­dung und arbeits­los in zube­to­nier­ten Vor­städ­ten leben, und dort in eine Spi­ra­le der Gewalt und Aus­gren­zung gera­ten, wird so lan­ge ver­knappt, bis – wie so oft – nur noch der Islam übrig bleibt.

Aber Ulfkot­te wäre nicht Ulfkot­te, wenn sein Quiz ohne Spar­schwein aus­kä­me:

FRAGE 24: In wel­chem Land hat eine bekann­te Ban­ken­grup­pe die Spar­schwei­ne aus dem Ver­kehr gezo­gen, weil die­se angeb­lich nicht län­ger in eine mul­ti­kul­tu­rel­le Umge­bung pas­sen und jun­ge Mus­li­me belei­di­gen könn­ten?

a. Schweiz b. Nor­we­gen c. Nie­der­lan­de d. Deutsch­land

Spar­schwein­ge­schich­ten sind unter „Islam­kri­ti­kern“ beson­ders beliebt, aber sel­ten so ein­fach, wie sich das Leu­te wie Ulfkot­te oder Hen­ryk M. Bro­der wün­schen. Auch der Fall der nie­der­län­di­schen For­tis-Bank, die das Spar­schwein „Knor­bert“ nach sie­ben Jah­ren nicht neu auf­ge­legt hat, ist wohl wesent­lich kom­ple­xer. War­um z.B. ist der Arti­kel im „Tele­graaf“, von dem die Dis­kus­si­on aus­ging, aus dem Inter­net­an­ge­bot der Zei­tung ver­schwun­den? Hat es etwas damit zu tun, dass eine Spre­che­rin von For­tis den Arti­kel als „nicht kor­rekt“ bezeich­net hat? Ich weiß es nicht. Udo Ulfkot­te offen­bar schon.

Beun­ru­hi­gend ist neben der vira­len Ver­brei­tung die­ses Qui­zes vor allem eines: Ralph Giord­a­no, dem ich eigent­lich zuge­traut hät­te, dass er weiß, wel­che Fol­gen Halb­wahr­hei­ten und Ammen­mär­chen über bestimm­te Bevöl­ke­rungs­grup­pen haben kön­nen, lässt sich vor den Pro­mo-Kar­ren span­nen und wie folgt zitie­ren:

Der Inhalt die­ses Buches ist erschre­ckend! Einer der gro­ßen Bun­des­ge­nos­sen bei der Isla­mi­sie­rung Euro­pas ist die Unwis­sen­heit der Bevöl­ke­rung. Das Buch SOS Abend­land hilft bei der Auf­klä­rung. Die Fak­ten sind erdrü­ckend. Es ist kaum zu glau­ben, wie weit die Isla­mi­sie­rung in ein­zel­nen euro­päi­schen Län­dern bereits fort­ge­schrit­ten ist. Die meis­ten Bür­ger haben kei­ne Ahnung, was da wirk­lich vor sich geht.

Unge­le­sen glau­be ich ihm vor allem den ers­ten Satz.

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Klickbefehl (12)

Es ist ein trau­ri­ges Schau­spiel, das online zu beob­ach­ten ist. Titel: Wie nut­ze ich das Inter­net, um mei­ne Wut zu offen­ba­ren. In einer der Haupt­rol­len: Udo Ulfkot­te, pro­mi­nen­ter Ver­tre­ter der ver­netz­ten Islam­kri­ti­ker, ver­ant­wort­lich für die Sei­te „akte-islam“ und Grün­der der Bür­ger­be­we­gung pax-euro­pa samt dazu­ge­hö­ri­ger Home­page.

Die „taz“ (seit Mon­tag übri­gens mit RSS-Feed und daher inzwi­schen auch von mir regel­mä­ßig gele­sen) schaut sich in den isla­mo­pho­ben Hass­blogs von „Poli­ti­cal­ly Incor­rect“ bis „Akte Islam“ um und ver­linkt sogar eini­ge davon.

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Autor Leif ver­tei­digt sich. Zu SPIEGEL ONLINE sagt er: „Ich wür­de ent­schie­den bestrei­ten, the­sen­ori­en­tiert zu arbei­ten.“ Schließ­lich sei­en in sei­nem Film auch der Chef des Bun­des der Zei­tungs­ver­le­ger in Deutsch­land und ande­re Ver­le­ger zu Wort gekom­men.

„Spie­gel Online“ berich­tet, dass sich der Fern­seh­aus­schuss des SWR-Rund­funk­rats mit Beschwer­den über Tho­mas Leifs unfass­bar pein­li­chen Pro­pa­gan­da­film „Quo­ten, Klicks und Koh­le“ befas­sen muss.

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As more and more Ame­ri­cans weigh can­ce­ling their sum­mer vaca­ti­on becau­se of the hig­hest gaso­li­ne pri­ces sin­ce the dino­saurs gave their lives to form the stuff, while airlines–charging to check a bag, inter­minable delays, pla­nes as packed as the Tokyo subway–seem deter­mi­ned to make get­ting away as unp­lea­sant as pos­si­ble, psy­cho­lo­gists recom­mend doing all you can to pre­ser­ve at least a short geta­way.

Sharon Begley erklärt in „News­week“, war­um Sex im Urlaub bes­ser ist als zuhau­se. Das klingt weder nach neu­en, noch nach spek­ta­ku­lä­ren Erkennt­nis­sen, aber der Text ist (s.o.) durch­aus gewitzt for­mu­liert.

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Why? Why the huge respon­se? Some of it was the topic — so many peo­p­le wro­te me of their expe­ri­en­ces. This has con­tin­ued right up until this past weekend, when a teen­aged girl told me she had been a vic­tim of child abu­se and that she real­ly iden­ti­fied with the cha­rac­ter. This was asto­nis­hing to me — that so many peo­p­le from so many cul­tures from all over the world, inclu­ding here in Ame­ri­ca, iden­ti­fied with the cha­rac­ter. I had belie­ved it was about a small per­so­nal issue, but Ron had been cor­rect: it was about a huge social one.

Suzan­ne Vega erklärt im „Mea­su­re For Mea­su­re“-Blog der „New York Times“, wie es zu ihrem Welt­erfolg „Luka“ kam, und war­um sie mit dem Ruf eines two-hit won­ders leben kann.