Ich habe mit dem von “Bild” herbeigekreischten “Schwuchtel-Skandal” bei der Kölner Stunksitzung, über den ich gestern im BILDblog geschrieben habe, verschiedene Probleme.
Da ist zunächst einmal ein germanistisches: Da stellt sich ein Kabarettist hin und sagt in seiner Rolle als Ex-Bischof Walter Mixa folgende Worte:
Aber der Höhepunkt war der Weltjugendtag hier in Köln: Benedikt und Joachim, der zum-Lachen-in-den-Keller-geht-Meisner, ließen sich wie zwei frischvermählte Schwuchteln über den Rhein schippern.
Nun wäre es verständlich, wenn sich Homosexuellenverbände über die Verwendung der despektierlichen Vokabel “Schwuchtel” beklagten (wobei man nicht weiß, wie der echte Walter Mixa im privaten Rahmen über diese Bevölkerungsgruppe spricht), aber es würde wohl kaum jemand ausschließen, dass sich nicht irgendwo zwei Schwule finden ließen, die nach ihrer Verpartnerung in grotesken Gewändern auf einem Schiff feiern wollen.
Man muss schon Politiker sein, um aus dem obigen Vergleich etwas anderes zu machen, wie die Katholische Nachrichten Agentur (kna) zusammenfasst:
Die Darstellung von Papst und Kardinal als “Schwuchteln” sei “niveaulos und absolut primitiv”, sagte Martin Lohmann, Chef des Arbeitskreises engagierter Katholiken in der CDU, der in Düsseldorf erscheinenden “Rheinischen Post” (Dienstag).
Der frühere bayrische Wissenschaftsminister (!) Thomas Goppel geht gleich einen Schritt weiter und bemüht seinerseits einen Vergleich:
Der Sprecher der “Christsozialen Katholiken in der CSU”, Thomas Goppel, hatte den WDR vor einer Fernsehausstrahlung gewarnt. Den betroffenen Kabarettisten Bruno Schmitz nannte er einen “degoutanten Versager”, der sich “im geistigen Sinn wie die U-Bahn-Randalierer” verhalte. CSU-Rechtspolitiker Norbert Geis erklärte, der Karnevals-Beitrag sei ein “Ausdruck von Bosheit und Dummheit”. Das sei “nicht einmal unterstes Niveau: bodenlos,” kritisierte Geis.
Immerhin: Mit Gewalt im öffentlichen Personennahverkehr verbindet die Bayern fast so eine lange Tradition wie mit der katholischen Kirche.
* * *
Was mich ebenfalls verwirrt ist die Empörung, die sich unter bislang eher unbekannten Vereinen und Verbänden Raum bricht:
Der Bundesverband der Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung (KKV) hat den WDR aufgefordert, eine Papst Benedikt XVI. und Kardinal Joachim Meisner verunglimpfende Szene aus der “Stunksitzung” nicht auszustrahlen. Der Sender solle Flagge zeigen und auf die Gefühle von Christen Rücksicht nehmen, forderte der KKV-Vorsitzende Bernd-M. Wehner am Freitag in Köln. Diese machten “immerhin etwa zwei Drittel der Rundfunkgebührenzahler” aus, sagte er.
An diesen Ausführungen ist so gut wie alles empörenswert: Zunächst einmal verbitte ich mir als Christ die Vereinnahmung und Entmündigung durch Herrn Wehner und seinen Verein. Als Protestant tangiert es meine religiösen Gefühle nullkommagarnicht, wenn irgendwelche Kardinäle und Bischöfe verspottet werden. Und das hat nichts mit der Konfession zu tun: Auch mögliche Witze über die Trunkenheitsfahrt von Margot Käßmann lassen meine religiösen Empfindungen unberührt. Ich mag sie schlecht und unlustig finden (wie den unsäglichen Käßmann-Standup von Harald Schmidt), aber sie richten sich gegen – Entschuldigung, liebe Katholiken – Menschen und nicht gegen meine Religion. Und selbst wenn, würde ich den Sketch gerne selbst sehen und mich notfalls von allein darüber echauffieren — eine Bevormundung durch den WDR im Namen irgendwelcher Verbände ist da wenig sachdienlich.
“Bild” räumte Goppel in der Münchener Regionalausgabe ebenfalls Raum für seine Empörung ein und freute sich in der Kölner Ausgabe (zu früh, s. BILDblog), dass der WDR auf eine Ausstrahlung des Sketches verzichten werde. Dabei handelt es sich um die gleiche Zeitung, die Kurt Westergaard, den Zeichner der umstrittenen Mohammed-Karikaturen, als “mutig” und Angela Merkels Laudatio auf ihn als “großes Bekenntnis zur Freiheit der Presse und der Meinungen” bezeichnet hatte.
Ich bin mir sicher, dass ein guter Teil der Menschen, die nun den Mixa-Darsteller Bruno Schmitz beschimpfen und bedrohen, andererseits der Meinung sind, dass die Reaktionen auf Westergaards Zeichnungen in Teilen der muslimischen Welt völlig übertrieben und barbarisch waren. Da kann man ja noch froh sein, dass es im Islam keine kalendarisch verordneten Phasen der Witzigkeit gibt, in denen sich irgendwelche Menschen mit einem etwas anderen Humorverständnis über Jesus oder Maria lustig machen.
* * *
Damit sind wir bei einem Religionsverständnis angekommen, das mich als gläubiger Christ verwirrt und das auf einer rationalen Ebene allenfalls “irrational” zu nennen ist: Mir ist völlig schleierhaft, warum Menschen, die an einen allmächtigen Gott glauben, meinen, diesen verteidigen zu müssen.
Wenn sich dieser Gott von Menschen beleidigt fühlt, sollte er doch selbst genug Möglichkeiten haben, dies den Betreffenden kurzfristig (Sintflut, beim Kacken vom Blitz getroffen) oder langfristig (an der Himmelspforte abgewiesen) mitzuteilen. Auf gar keinen Fall braucht er popelige Menschen, die in seinem Namen sauer sind und ihn somit entmündigen.
Ich mag mich da irren (und werde das sicher noch früh genug erfahren), aber ein Gott, der Wesen wie das Nilpferd, den Nasenbären oder Sarah Palin erschaffen hat, hat doch offenbar einen ziemlich guten Humor und bedarf demnach nicht der (mutmaßlich unverlangten) Fürsprache von humorfreien Menschen wie Eva Herman oder Thomas Goppel.