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Leben

Ich kaufe mir eine Hose und gehe mit niemandem essen

Ich brauch­te eine neue kur­ze Hose. Nein, das ist falsch: nie­mand über 18 braucht eine kur­ze Hose, wenn er nicht gera­de im Urlaub oder Fuß­ball­pro­fi ist. Ich woll­te aber für den Pri­vat­ge­brauch trotz­dem eine kur­ze Hose haben, die ich bei gro­ßer Hit­ze in der Woh­nung tra­gen kann.

Die­se doch recht schlich­te Aus­gangs­kon­stel­la­ti­on erwies sich recht schnell als eini­ger­ma­ßen pro­ble­ma­tisch. Der Kauf neu­er Klei­dungs­stü­cke, die kei­ne T‑Shirts oder Socken sind, berei­tet mir immer gro­ßes Unbe­ha­gen. Ich ver­brin­ge oft meh­re­re Tage in Geschäf­ten und fin­de doch nichts. Mei­ne Schu­he wer­de ich tra­gen, bis sie mir von den Füßen fal­len.

Ich hät­te mir auch kaum eine schlech­te­re Sai­son für mei­nen Inves­ti­ti­ons­ver­such aus­su­chen kön­nen, denn die vor­herr­schen­den Trends haben mit mei­nem Geschmack in etwa so viel zu tun wie mei­ne Fri­sur mit den aktu­el­len Moden. Die Unsit­te, eigent­lich okaye Klei­dungs­stü­cke mit wahl­lo­sen Zah­len­fol­gen und baro­cken Orna­men­ten zu bedru­cken, ist noch lan­ge nicht abge­ris­sen, und Taschen wer­den auf kur­zen Hosen nach wie vor zahl­reich unter­ge­bracht, nicht aber an den Stel­len, wo sie sein soll­ten. Mei­ne Fra­ge, wer zum Hen­ker denn Hosen trü­ge, auf denen ein öster­rei­chi­sche­rer Dop­pel­kopf­ad­ler und eine fran­zö­si­sche Königs­li­lie pran­gen, und an die etwa 17 Taschen, Laschen und Schlau­fen ange­näht sind, wur­de lei­der als­bald wort­los beant­wor­tet. Mit sol­chen Men­schen woll­te ich nichts gemein haben.

Außer­dem schei­nen die­ses Jahr Hosen in Mode zu sein, die bereits über dem Knie enden. Das geht bei mir aus vie­ler­lei Hin­sicht nicht: ers­tens prangt auf mei­nem rech­ten Knie die unschö­ne Nar­be eines Bade­un­falls, zwei­tens sind mei­ne Bei­ne so kurz, dass Hosen, die bei nor­ma­len Men­schen über dem Knie enden, bei mir genau bis zur Mit­te der Knie­schei­be rei­chen, und drit­tens will ich ein­fach kei­ne Hosen, die so viel Bein zei­gen. Mei­ne Bei­ne sind häss­lich genug, je weni­ger man davon sieht, des­to bes­ser.

Mei­ne Beglei­te­rin erwies sich als deut­lich här­ter im Neh­men, als ich es war: sie schlepp­te mich in immer noch einen Laden und wenn ich ange­sichts beleg­ter Umklei­de­ka­bi­nen schon wie­der gehen woll­te, hielt sie mich an der Jacke fest und zwang mich zu wei­te­ren Anpro­ben. Schließ­lich hat­te ich tat­säch­lich eine Hose gefun­den, die für mei­nen Geschmack lang genug war, gut saß, nicht zu vie­le alber­ne Taschen in Knie­hö­he hat­te und ange­nehm leicht war. Der Preis war zwar so hoch wie für nor­ma­le, gan­ze, also lan­ge Hosen, lag aber noch unter der mir selbst auf­er­leg­ten Höchst­gren­ze.

Es blieb das Pro­blem der Far­be: mög­li­cher­wei­se gibt es auch für Mode­kon­zer­ne Quo­ten, einen bestimm­ten Pro­zent­satz Schwer­be­hin­der­te ein­zu­stel­len. Aber müs­sen es aus­ge­rech­net Blin­de sein, die dann in der Desi­gn­ab­tei­lung arbei­ten? Die an sich tol­le Hose war im Mode­farb­ton „Schlamm“ gehal­ten, war also nach mensch­li­chen Maß­stä­ben braun, was eher so indi­rekt eine Far­be ist. Was man denn dazu bit­te tra­gen sol­le, frag­te ich ent­geis­tert die freund­li­che Ver­käu­fe­rin. Beige gin­ge sehr gut (ich war nicht beim Afri­ka­korps), weiß (habe ich wenig, weil’s schnell dre­ckig wird), grün (hab ich nur als Glad­bach-Tri­kot, des­sen schwarz wie­der­um nicht zum Braun passt) oder hell­blau (gut, dass ich ein Jun­ge bin). Ich ging im Geis­te mei­nen Klei­der­schrank durch, wie mir die Dame gera­ten hat­te, und kam zu dem Schluss, dass mei­ne Wasch­ma­schi­ne und das von mir benutz­te Wasch­mit­tel den Farb­ton schon nach drei Wäschen in ein schmu­ckes Grau-Anthra­zit-Staub­far­ben ver­wan­deln wür­de, und kauf­te das gute Stück.

Jetzt muss ich nur noch in Urlaub fah­ren.