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Digital Gesellschaft

Auf der Palme des elektronischen Frankensteinmonsters

Im Dezem­ber schrieb ich über eine merk­wür­di­ge Bro­schü­re, die von der „Bür­ger­rechts­be­we­gung Soli­da­ri­tät“ („BüSo“) an der Ruhr-Uni Bochum ver­teilt wor­den war.

Wie ich erst jetzt fest­stell­te, hat „BüSo“, die umstrit­te­ne Polit­sek­te unter Füh­rung des „demo­kra­ti­schen US-Prä­si­dent­schafts­kan­di­dat“ (Quel­le) Lyn­don LaRou­che, „der Ende Juli bekannt gab, daß das Finanz­sys­tem zusam­men­ge­bro­chen sei“ (Quel­le), schon vor drei Wochen auf mei­nen Arti­kel reagiert:

„Steckt der Teufel in deinem Laptop“ treibt die Spielwahnsinnigen auf die Palme

„Spiel­wahn­sin­nig“, uiuiui. Gut, dass nie­mand weiß, dass ich zum letz­ten Mal vor drei Jah­ren ein Spiel auf mei­nem Com­pu­ter instal­liert habe: „Sim City 4“.

Aber ich erfah­re noch so viel mehr Neu­es über mich:

Mit Arti­keln auf zwei Inter­net­blogs der Uni­ver­si­tä­ten­sze­ne, reagier­te die „Laßt mein Myspace in Ruhe“-Lobby auf eine kraft­vol­le Inter­ven­ti­on der LaRou­che-Jugend­be­we­gung (LYM), bei der Anfang der Woche 1500 Pam­phle­te der neu­en Mas­sen­bro­schü­re „Steckt der Teu­fel in dei­nem Lap­top?“ an der Uni­ver­si­tät Bochum ver­teilt wur­den.

Fra­gen Sie mich nicht, ob es auch Blogs außer­halb des Inter­nets gibt, in die­ser Wirk­lich­keit ken­ne ich mich ja nicht so aus. Aber dass ich Mit­glied der „„Laßt mein Myspace in Ruhe“-Lobby“ bin, war mir neu – aber wenigs­tens ist es nicht die Atom­ener­gie­lob­by. Auch schön ist natür­lich die unfrei­wil­li­ge Komik bei der Ver­wen­dung des Begriffs „Pam­phlet“, bei dem es sich um einen fal­se fri­end des eng­li­schen „pam­phlet“ han­delt:

(bildungsspr. abwertend)

Bei­de Arti­kel zei­gen einen tief­grei­fen­den Aus­ras­ter gegen­über dem Fron­tal­an­griff der BüSo auf die nicht exis­ten­te Welt der Spie­le. Der Arti­kel in Hoel­len­dumm spie­gelt mehr den Schock über ein beson­de­res Ein­satz­lied der LYM mit dem Text „Myspace macht impo­tent“ wie­der. Der ande­re Arti­kel bei Cof­fee and TV ist gegen­über LaRou­che etwas gehä­ßi­ger.

„Hoel­len­dumm“ kann­te ich bis gera­de gar nicht und ein kur­zes Über­flie­gen des Blogs legt die Ver­mu­tung nahe, dass ich kein regel­mä­ßi­ger Leser wer­de. Der „Schock über ein beson­de­res Ein­satz­lied der LYM“ liest sich jeden­falls so:

Was da sang, das waren kei­ne seni­len Fest-Fana­ti­ker und auch kei­ne her­un­ter­ge­kom­me­nen Ost­eu­ro­pä­er, das war eine Grup­pe jun­ger Men­schen in bes­tem Stu­den­ten­al­ter, wie sie gera­de zu Hun­der­ten die U‑Bahn-Trep­pe rauf­ström­ten. Was die­se zum Teil far­bi­gen – aber das macht nichts – Jugend­li­chen vom Rest unter­schied, war nicht nur die Tat­sa­che, dass sie san­gen, son­dern auch, dass sie ihren Alters­ge­nos­sen Zei­tun­gen in die kal­ten Hän­de zu drü­cken ver­such­ten.

Ich ent­kam ihren Ambi­tio­nen mich zu ihrem Wer­be­op­fer zu machen, hör­te im seit­lich dran Vor­bei­ge­hen eini­ge Wor­te ihres Gesan­ges her­aus und das, mei­ne Damen und Her­ren, waren kei­ne Weih­nachts­lie­der. Die Melo­die hat­te weih­nacht­li­che Anklän­ge aber oh nein, sie san­gen – hal­ten Sie sich fest – „MySpace, MySpace macht impo­tent!“

Das hät­te ich nun wirk­lich auch ger­ne gehört. Ich aber schrieb über ande­res:

Bei­der Arti­kel füh­len sich genö­tigt, Tei­le des Pam­phlets über „die Zom­bies aus dem vir­tu­el­len Raum“zu zitie­ren, und Cof­fee and TV schreibt sogar über die von der BüSo gefor­der­te „Welt­land­brü­cke“ mit Magnet­stre­cken auf der gan­zen Welt „für die Welt nach dem Finanz­krach“.

Lei­der nicht zitiert hat dage­gen „BüSo“ selbst die von mir auf­ge­lis­te­ten sach­li­chen Feh­ler des „Pam­phlets“ (wir erin­nern uns bei­spiels­wei­se an Bill Gates, des­sen Fir­ma Micro­soft laut Flug­schrift unter ande­rem für “Coun­terstrike” und “Doom” ver­ant­wort­lich ist).

Die bei­den eher lau­ni­gen Ein­trä­ge in zwei doch recht unbe­deu­ten­den Blogs (Cof­fee And TV kommt in den Monat­charts von Wikio auf Platz 76, Höl­len­dumm taucht dort mit sei­ner Tech­no­ra­ti-Aut­ho­ri­ty von 8 gar nicht auf), schei­nen die Leu­te bei „BüSo“ so hart getrof­fen zu haben, dass sie dar­über nicht nur auf ihrer deut­schen Nach­rich­ten­sei­te berich­ten, son­dern auch auf der eng­lisch­spra­chi­gen Sei­te von Lyn­don LaRou­che und in der vom LaRou­che-nahen „Schil­ler-Insti­tut“ her­aus­ge­ge­be­nen Wochen­zei­tung „Neue Soli­da­ri­tät“. Dort fin­det sich in direk­ter Nach­bar­schaft auch ein neu­er­li­cher Auf­ruf von Lyn­don LaRou­che gegen alles Digi­ta­le:

Die krank­haf­ten Mas­sen­ef­fek­te des „Hexen­ge­bräus“ aus der Kom­bi­na­ti­on sol­cher Com­pu­ter­pro­gram­me wie MySpace und Face­book mit Com­pu­ter-Kil­ler­spie­len (und ver­wand­ten Prak­ti­ken) erfor­dert als Reak­ti­on drin­gend ent­spre­chen­de Neue­run­gen im Recht, bei den Straf­ver­fol­gungs­me­tho­den und im Ver­ständ­nis des Zusam­men­le­bens unse­rer Gesell­schaft im all­ge­mei­nen.

Nun kann man es einem 85-Jäh­ri­gen nach­se­hen, wenn er den Unter­schied zwi­schen einem Com­pu­ter­pro­gramm und einer Web­sei­te nicht kennt – er soll­te dann nur nicht anfan­gen, dar­über zu schrei­ben.

Jedem auf­merk­sa­men und kom­pe­ten­ten Psy­cho­lo­gen oder Sozio­lo­gen, der die vor­han­de­nen Indi­zi­en betrach­tet, soll­te klar sein, daß man die Rol­le der elek­tro­ni­schen Medi­en bei der Ent­ste­hung die­ses töd­li­chen Phä­no­mens nicht mit Fäl­len ver­glei­chen kann, in denen Elek­tro­nik bei der Kom­mu­ni­ka­ti­on von Mensch zu Mensch ein­ge­setzt wird.

Natür­lich wäre es inter­es­sant zu erfah­ren, wer denn bei MySpace oder Face­book mit­ein­an­der kom­mu­ni­zie­re, wenn nicht Men­schen. Die Ant­wort lau­tet aber nicht etwa „Röh­ren“, nein, sie ist viel scho­ckie­ren­der:

Es ist das Medi­um der Kom­mu­ni­ka­ti­on selbst, nicht eine dem Medi­um ange­schlos­se­ne Per­son, das die Befeh­le des „gro­ßen Bru­ders“ über­bringt, der als Leit­rech­ner des ver­wen­de­ten Medi­ums ope­riert.

Hin­ter allem steckt wie immer Adolf Hit­ler Geor­ge Orwell Bill Gates:

Ein Bill Gates hat die Ver­ant­wor­tung für die Per­son, die das Sys­tem pro­gram­miert, und es ist Bill Gates’ Absicht oder die Absicht einer wo auch immer loka­li­sier­ba­ren höhe­ren, Gates kon­trol­lie­ren­den Auto­ri­tät, die zum „Gott ähn­li­chen“ Adolf Hit­ler wird und hin­ter einer den Nürn­ber­ger Mas­sen­ver­an­stal­tun­gen der 1930er Jah­re ver­gleich­ba­ren Inter­net­ver­si­on steht.

Und wenn Sie glau­ben, noch kon­fu­ser könn­te ein Text über die Gefah­ren von Com­pu­tern nicht wer­den, dann irren Sie (Sie irren sowie­so, sagt Lyn­don LaRou­che, aber in die­sem Fall beson­ders):

Das Begrei­fen die­ser Art eines elek­tro­ni­schen „Fran­ken­stein­mons­ters“, zu dem das sozia­le Sys­tem der Com­pu­ter-Kil­ler­spie­le gewor­den ist, soll­te uns noch ein­mal an die Stu­di­en der Sozio­lo­gen den­ken las­sen, die nach Durk­heim und sei­nen Schwei­zer und ander­wei­ti­gen Nach­fol­gern kamen und gegen Ende des 19. Jahr­hun­derts und im 20. Jahr­hun­dert die Prin­zi­pi­en der Spie­le von Kin­dern zum The­ma ihrer Arbeit mach­ten. So erkann­ten eini­ge unter uns heu­te mit ähn­li­cher Wir­kung ein patho­lo­gi­sches Poten­ti­al der auf Wett­kampf basie­ren­den Mann­schafts­sport­ar­ten, aber auch die Bedeu­tung des Kon­zepts der Auf­trags­ori­en­tie­rung des älte­ren Molt­ke für qua­li­fi­zier­te nach­ran­gi­ge Offi­zie­re und Unter­of­fi­zie­re oder die Rol­le die­ses Prin­zips bei der sieg­rei­chen dop­pel­ten Flan­ken­ope­ra­ti­on Fried­rich des Gro­ßen in der Schlacht von Leu­then (im Unter­schied zu dem, was Chur­chills alber­ner Mont­go­me­ry der Ers­ten Armee der nord­eu­ro­päi­schen Flan­ke Ende 1944 antat, oder was Chur­chill selbst sich gegen­über den gegen Ata­türk kämp­fen­den Aus­tra­li­ern im Ers­ten Welt­krieg zu Schul­den kom­men ließ).

Noch Fra­gen?

Zu die­sem äußerst wich­ti­gen The­ma muß noch mehr gesagt wer­den. Dies hier war nur ein Anfang.