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Leser fragen, Horst Seidenfaden belehrt

Vor zwei Mona­ten berich­te­ten wir im BILD­blog über unge­kenn­zeich­ne­te Nivea-Wer­bung im Inter­net­auf­tritt der „Hessischen/​Niedersächsischen All­ge­mei­nen“ (HNA). Der Kol­le­ge Mats Schö­nau­er hat­te dafür auch einen Fra­gen­ka­ta­log an den Chef­re­dak­teur der Zei­tung, Horst Sei­den­fa­den, geschickt.

Sei­den­fa­dens Ant­wort fiel etwas unter­kühlt aus:

Sehr geehr­ter Herr Schö­nau­er,

ich ken­ne Sie nicht, erken­ne auch kei­nen Hin­weis auf eine seriö­se Tätig­keit, fin­de das Vor­ge­hen bemer­kens­wert unpro­fes­sio­nell und wüss­te nicht, war­um ich mei­ne Zeit für Ihre Anfra­ge spen­den soll­te.

Gruß
Horst Sei­den­fa­den

Ich weiß nicht, ob es Mats trös­tet, aber das war offen­sicht­lich kein Ein­zel­fall.

Die HNA hat auf ihrer Inter­net­sei­te ein neu­es Pro­jekt gestar­tet, das sie als „Fra­gen zum Redak­ti­ons­all­tag der HNA“ bezeich­net:

Anre­gun­gen, Kri­tik, Fra­gen – was immer Sie auf dem Her­zen haben, schrei­ben Sie uns eine E‑Mail an online@hna.de – wir lei­ten die­se an Horst Sei­den­fa­den wei­ter. Er steht Ihnen Rede und Ant­wort.

Wer schon ein­mal in einer Redak­ti­on gear­bei­tet hat, weiß, dass dort mit­un­ter sehr, sehr merk­wür­di­ge Post von Lesern ankommt. In der Regel set­zen sich Leu­te ja nicht hin, um die wie­der mal gelun­ge­ne oder wenigs­tens okaye Bericht­erstat­tung zu lob­prei­sen, son­dern um zu kri­ti­sie­ren und Ein­bli­cke in tie­fe Abgrün­de zu gewäh­ren. Man tut gut dar­an, auf sol­che Zuschrif­ten nicht zu reagie­ren – beson­ders, wenn die Alter­na­ti­ve eine Ant­wort von Horst Sei­den­fa­den ist.

Kloog­schie­ter (Nick­na­me des Ver­fas­sers, die E‑Mail-Adres­se ist der Redak­ti­on bekannt) woll­te Fol­gen­des wis­sen:

„Mich wür­de sehr ernst­haft inter­es­sie­ren, war­um sich die deut­sche Jour­na­lie so schwer damit tut, ver­meint­li­che Tabu­the­men auf­zu­grei­fen, gleich ob dies eine unkon­trol­lier­te Zuwan­de­rung, Son­der­rech­te für Juden und Mus­li­me, Aus­län­der­kri­mi­na­li­tät o.ä. betrifft. Stän­dig auf die 12jährige deut­sche Geschich­te hin­zu­wei­sen kann da ja wohl nicht ziel­füh­rend sein, zumal dies heu­te kei­nen mün­di­gen Bür­ger mehr hin­ter dem Ofen her­vor­lockt.“

Horst Sei­den­fa­den: Jour­nail­le bezeich­net in des Wor­tes Bedeu­tung eine hin­ter­häl­tig-gemei­ne Art von Jour­na­lis­ten und Zei­tun­gen. Da ich weder die HNA noch ihre Mit­ar­bei­ter dazu zäh­len kann, kann ich zu der Anmer­kung auch nichts sagen.

Okay, das ist viel­leicht nicht der glück­lichs­te Auf­takt für eine drei­tei­li­ge Fra­ge-Ant­wort-Rei­he.

Nächs­te Fra­ge:

Kai Boed­ding­haus stell­te die­se Fra­ge:

Was ist da dran? http://www.bildblog.de/43907/niveau-ist-keine-hautcreme‑5/. Mich ken­nen Sie ja, des­we­gen dürf­te ange­sichts Ihrer Trans­pa­renz­of­fen­si­ve eine Beant­wor­tung kein Pro­blem sein. Die Fra­gen der BILD­blog-Betrei­ber in die­sem Kon­text sind tat­säch­lich genau auch die mei­nen. Ich freue mich sehr auf Ihre Ant­wort und bedan­ke mich schon jetzt für Ihre Bemü­hun­gen.

Horst Sei­den­fa­den: Hal­lo, Herr Boed­ding­haus, zunächst eine klei­ne, aber für mich nicht unwich­ti­ge Kor­rek­tur: ich ken­ne Sie nicht – ich weiß ledig­lich, wer Sie sind.

*seufz*

Aber Horst Sei­den­fa­den, der über­ra­schen­der­wei­se nie als Stu­di­en­rat gear­bei­tet hat, kommt ja dann doch noch zur … äh: Sache.

Die Fra­gen aus dem Bild­blog sind ja eini­ge Tage alt, schön, dass auch Sie mitt­ler­wei­le drauf gesto­ßen sind. In der Tat haben wir in die­sem Bereich unse­rer Web­site einen Feh­ler gemacht, den wir – auf­merk­sam gewor­den durch die­sen Hin­wies – mitt­ler­wei­le kor­ri­giert haben. das ist mei­nes Wis­sens auch den Bild­blog-Machern durch unse­re Online-Redak­ti­on mit­ge­teilt wor­den, wir ach­ten künf­tig ver­stärkt auf die Tren­nung von kom­mer­zi­el­len und redak­tio­nel­len Inhal­ten. Da wir den Feh­ler ja zuge­ge­ben haben und unse­re Leh­ren dar­aus zie­hen erüb­rigt sich auch die Beant­wor­tung der Fra­gen. Ziel eines sol­chen Blogs soll­te es ja sein, Din­ge zu ver­bes­sern – das ist erfolgt.

Mit zuneh­men­der Lek­tü­re drängt sich der Ein­druck auf, dass die Redak­teu­re von hna.de ihren Chef­re­dak­teur nicht son­der­lich mögen. Sonst hät­ten sie ihm sei­ne alt­klu­gen Ein­lei­tungs­sät­ze ein­fach vor Ver­öf­fent­li­chung aus den Ant­wor­ten getilgt.

So muss sich der Leser, der eine Fra­ge zur Urhe­ber­nen­nung bei abge­druck­ten Fotos gestellt hat­te, von Sei­den­fah­ren „zunächst ein­mal“ beleh­ren las­sen, dass es kein „Deut­sches Pres­se­ge­setz“ gebe – das sei Län­der­sa­che. Dem Leser, der frag­te, wie die HNA-Redak­ti­on Feh­ler ver­mei­de bzw. kor­ri­gie­re, erklärt der Chef­re­dak­teur, „zunächst ein­mal“ sei „jeder Redak­teur für sei­nen Text oder den eines frei­en Mit­ar­bei­ters, den er bear­bei­tet, ver­ant­wort­lich“.

Ande­rer­seits muss­te er sich von sei­nen Lesern auch ganz schön was anhö­ren:

Jür­gen Töll­ner merk­te Fol­gen­des an:

Scha­de, dass die HNA nicht über­par­tei­lich ist, sie­he auch 1,5 Sei­ten „Lobes­hym­ne Mer­kel“ vor der Nie­der­sach­sen­wahl und teil­wei­se auf Bild­zei­tungs­ni­veau agiert. Aber solan­ge Sie Herr Sei­den­fa­den die Fäden in der Hand hal­ten, wird sich dar­an nichts ändern. Wegen feh­len­der Alter­na­ti­ve bin ich noch HNA-Leser, aber nicht mehr lan­ge.

Ich ken­ne die HNA zu wenig, um die Kri­tik des Lesers beur­tei­len zu kön­nen, aber in die­sem Fall ist Horst Sei­den­fa­den mal so freund­lich, mir und allen ande­ren sein Blatt genau­er vor­zu­stel­len:

Horst Sei­den­fa­den: Die HNA war im ver­gan­ge­nen Jahr von der Abo-Ent­wick­lung her die erfolg­reichs­te Zei­tung in Hes­sen. Unser Online-Auf­tritt hat bei den Besu­chen noch ein­mal 15 Pro­zent zuge­legt. Der Spit­zen­wert war 177.000 Visits am Tag. Mit ande­ren Wor­ten: So falsch kann das Kon­zept nicht sein – dass dies nicht jedem passt, liegt in der Natur der Sache.

Auch Zei­tun­gen sind Kon­sum­pro­duk­te und wenn sie so pola­ri­sie­ren, wie wir es vor allem in unse­ren Lokal­tei­len ver­su­chen, gibt es auch man­chen, dem die Sup­pe nicht schmeckt. Das ist übri­gens Bestand­teil des Kon­zepts. Ich ken­ne nur ein Print-Pro­dukt, dass mit dem Kon­zept, everybody’s dar­ling zu sein, Erfolg hat: Die Aste­rix-Hef­te. Wie auch immer – das Mer­ke-Inter­view als Lobes­hym­ne zu bezeich­nen hal­te ich schon für eine sehr grob gepi­xel­te Betrach­tung. Wenn eine Regio­nal­zei­tung wie die HNA zum ers­ten Mal in ihrer Geschich­te die Chan­ce hat, ein Exklu­siv-Inter­view mit der Regie­rungs­chefin zu machen, dann muss man dar­aus kei­nen 60-Zei­len-Arti­kel machen.

Und was die grund­sätz­li­che Beur­tei­lung des Blat­tes betrifft: Die HNA gilt in der Bran­che in Deutsch­land als eine der füh­ren­den Zei­tun­gen was Inno­va­ti­on, Leser­ori­en­tie­rung, Inter­ak­ti­vi­tät und Mul­ti­me­dia­li­tät betrifft. Aber bei man­chen gilt der Pro­phet im eige­nen Lan­de eben nichts. Natür­lich kön­nen wir Ihre Kri­tik­punk­te auch gern näher bespre­chen – wenn Sie wol­len, rufen Sie mich ein­fach an.

Ich neh­me an, Horst Sei­den­fa­den fährt ein Auto mit Hybris-Antrieb.