Kategorien
Rundfunk Digital

Dieser Text soll wütend machen

Ich habe ange­fan­gen, einen Text zu ver­fas­sen. Unglaub­lich, was dann pas­sier­te.

Man weiß ja eigent­lich, dass eine Sache pop­kul­tu­rell durch ist, wenn die Par­odien dar­auf anfan­gen, einem mas­siv auf den Sack zu gehen. ((Das ist in der Regel der Moment, in dem Radio­sen­der anfan­gen, die betref­fen­de Sache in ihr „Comedy“-Repertoire auf­zu­neh­men.)) Die Num­mer mit dem „Hef­tig­style“ ist also eigent­lich durch.

Der „Hef­tig­style“ ist benannt nach dem „sti­lis­ti­schen“ Vor­bild heftig.co, einer Inter­net­sei­te, die es sich zum Ziel gesetzt hat, bun­te Mel­dun­gen von ande­ren, inter­na­tio­na­len Trash-Por­ta­len zusam­men­zu­klau­ben, die­se grob ins Deut­sche zu über­set­zen und mit plum­pen Anrei­ßer­tex­ten in Sozia­len Netz­wer­ken zu streu­en. Unge­fähr alles, was man über die­se Web­site wis­sen muss, die vom guten Anstand über die Prin­zi­pi­en des Kapi­ta­lis­mus bis hin zum gerings­ten sprach­li­chen Emp­fin­den ein­fach alles belei­digt, hat der Herm schon vor drei Mona­ten auf­ge­schrie­ben. In mei­nen eige­nen Social-Net­work-Feeds tau­chen Mel­dun­gen von „Hef­tig“ auf­fal­lend sel­ten auf, was ich sehr gut fin­de, aber die Seu­che greift um sich – immer mehr (meist eben­falls unse­riö­se) Inter­net­por­ta­le beteasern ihre Arti­kel in „Heftig“-Manier. Einen gro­ben Über­blick über die­se Höl­le lie­fert der inzwi­schen schon wie­der etwas ver­waist erschei­nen­de tumb­lr „hef­tig­style“.

For­mu­lie­run­gen wie „Die­ser Elf­me­ter­schüt­ze möch­te beson­ders ange­ben. Doch was dann folgt, ist ein­fach zum Lachen.“ machen mich so unfass­bar aggres­siv wie sonst nur trop­fen­de Was­ser­häh­ne über Edel­stahl­spü­len. Ich brauch­te ein paar Wochen mit mir und mei­nen Gefüh­len um zu begrei­fen, war­um das so ist. Dann wur­de mir klar: Es ist die völ­li­ge Bevor­mun­dung des Lesers. Er soll schon vor der Lek­tü­re des gan­zen (meist lächer­lich kur­zen) Arti­kels wis­sen, wie er zu reagie­ren hat – im kon­kre­ten Fall Lachen. Mal davon ab, dass die wenigs­ten als beson­ders lus­tig ange­prie­se­nen Geschich­ten die ent­stan­de­ne Erwar­tungs­hal­tung erfül­len kön­nen, ist das für mich auf eine Art aus­ge­präg­te Men­schen­ver­ach­tung. Es ist irgend­wie noch schlim­mer als Fast-Food-Ver­pa­ckung, auf die groß „Lecker!“ gedruckt ist, es ist die maxi­ma­le Unter­for­de­rung des Rezi­pi­en­ten.

Das Law-and-Order-For­mat „Ach­tung Kon­trol­le“ auf Kabel Eins arbei­tet mit den glei­chen rhe­to­ri­schen Mit­teln, wenn die lai­en­schau­spie­lern­den Poli­zis­ten oder Steu­er­fahn­der eben­so leb- wie lieb­los Satz­kon­struk­tio­nen able­sen, die unge­fähr so gehen: „Ich habe den Mann dann noch mal auf­ge­sucht und was ich dann sah, hat mich wirk­lich über­rascht.“ Dar­auf folgt die nach­ge­stell­te Sze­ne, in der der Ord­nungs­hü­ter den Mann noch ein­mal auf­sucht und dann etwas sieht, was ihn wirk­lich über­rascht. Nor­mal ent­wi­ckel­te Fünf­jäh­ri­ge wür­den die­sen Ablauf kor­rekt ver­ste­hen und ein­ord­nen, aber für die angeb­lich erwach­se­nen Zuschau­er, die die Macher die­ser Sen­dung offen­bar für lern­be­hin­der­te Matsch­kar­tof­feln auf dem hei­mi­schen Sofa hal­ten, wird das schön erklärt – und nach der Wer­be­pau­se noch mal vom Off-Spre­cher wie­der­holt.

Klar, wir Aka­de­mi­ker könn­ten uns jetzt schön zurück­leh­nen und sagen: „Das ist halt Trash-TV fürs Trash-Volk. Bil­dungs­fer­ne Schich­ten, Hartz IV, Dosen­bier – die sind halt doof.“ Also genau das, was sich die Pro­du­zen­ten sol­cher TV-Sen­dun­gen in all ihrer Über­heb­lich­keit – und der dar­aus fol­gen­den Men­schen­ver­ach­tung – auch den­ken. Aber ich wei­ge­re mich, das zu glau­ben. Bil­ly Wil­der hat mal gesagt, ((Sinn­ge­mäß, ich fin­de das Zitat lei­der auf die Schnel­le nicht mehr wie­der, es ist aber irgend­wo im Wil­der-Buch von Hell­muth Kara­sek zu fin­den.)) man dür­fe den Zuschau­er nicht unter­schät­zen bzw. unter­for­dern, er sei schlau genug, eins und eins selb­stän­dig zusam­men­zu­zäh­len.

Bei „Tages­schaum“ hat­ten wir spa­ßes­hal­ber mal das Mis­si­on State­ment „Wir wol­len den Zuschau­er auf meh­re­ren Ebe­nen über­for­dern“ for­mu­liert – und die­ses Ver­spre­chen sicher­lich auch oft genug ein­ge­löst. ((Und, klar: Unse­re Quo­ten konn­ten nicht mit denen von „Ach­tung Kon­trol­le“ mit­hal­ten.)) Ich habe erst mit der Zeit begrif­fen, dass es beim Fern­se­hen wirk­lich außer­ge­wöhn­lich ist, gewis­se Fak­ten als bekannt vor­aus­zu­set­zen und den Zuschau­er vor allem mal eige­ne Schlüs­se zie­hen zu las­sen. Man kann ja heu­te kaum noch eine Nach­rich­ten­sen­dung schau­en, in denen Auf­nah­men von hun­gern­den Kin­dern, ver­trie­be­nen Men­schen oder den Aus­wir­kun­gen von Natur­ka­ta­stro­phen nicht als „schlim­me Bil­der“ anmo­de­riert wer­den – ganz so, als wäre das Publi­kum nicht selbst in der Lage, das Gezeig­te als schlimm ein­zu­ord­nen.

Womög­lich bin ich da allei­ne, aber ich füh­le mich von sol­chen Erklä­run­gen immer bevor­mun­det – genau­so übri­gens wie von den meis­ten Auf­lö­sun­gen in Kri­mis. Da haben die Autoren im ers­ten und zwei­ten Akt schön ihre Fähr­ten gelegt und Hin­wei­se gege­ben, ((Inzwi­schen muss man ja schon froh sein, wenn das noch halb­wegs natür­lich geschieht und nicht irgend­wel­che Ein­blen­dun­gen auf­pop­pen, auf denen „Ach­tung! Die­se Infor­ma­ti­on wird gleich noch wich­tig!“ steht.)) und dann wird im drit­ten Akt noch mal eine Rück­blen­de abge­feu­ert, damit auch der größ­te Depp (aus Sicht der Macher: der Zuschau­er an sich) begreift, was ambach ist.

Ich möch­te hier noch mal in Betracht zie­hen, dass ich der ein­zi­ge Mensch auf der Welt bin, dem es so geht, aber ich den­ke bei Fil­men oder Roma­nen lie­ber „Das habe ich jetzt nicht ver­stan­den, da hät­te ich bes­ser auf­pas­sen müs­sen, mein Feh­ler!“ als „Ja-haaa! Ich hab’s ver­stan­den!“. Ich weiß noch, wie wütend ich beim Sehen von Quen­tin Taran­ti­nos „Ing­lou­rious Bas­ter­ds“ an einer Stel­le wur­de: In einer Gast­stät­te hat­te sich ein Bri­te als Deut­scher aus­ge­ge­ben, tadel­lo­ses Deutsch gespro­chen und war doch auf­ge­flo­gen. Er hat­te beim Bestel­len von drei Glä­sern Scotch den Zeige‑, Mit­tel- und Ring­fin­ger hoch­ge­hal­ten – ein ech­ter Deut­scher wür­de die Zahl Drei aber mit Dau­men, Zei­ge- und Mit­tel­fin­ger anzei­gen. Man sieht in der Sze­ne, wie August Diehl Micha­el Fass­ben­ders Fin­ger anstarrt und sein Gehirn rat­tert. Selbst wenn man nicht mit den kul­tu­rel­len Unter­schie­den des fin­ger-coun­tings ver­traut ist, gehen an die­ser Stel­le qua­si alle Sire­nen an und der Satz „Hier stimmt etwas nicht, Ihr seid auf­ge­flo­gen!“ läuft in Lauf­schrift über Diehls Stirn. ((Damit wir uns nicht falsch ver­ste­hen: August Diehl macht in die­sem Film einen phan­tas­ti­schen Job. Ich fand ihn fast noch bes­ser als Chris­toph Waltz.)) Und trotz­dem hielt Taran­ti­no (womög­lich: hiel­ten die Pro­du­zen­ten) es für not­wen­dig, die Sache mit den Fin­gern spä­ter noch ein­mal im Dia­log auf­zu­lö­sen. Damit auch der Letz­te begreift, war­um die Tar­nung auf­ge­flo­gen ist.

Man hört ja immer wie­der davon, dass vie­le Men­schen, allen vor­an natür­lich Schul­kin­der, nicht mehr in der Lage sei­en, ein­fa­che Tex­te sinn­ent­neh­mend zu lesen. Klar: Wenn ich dar­an gewöhnt bin bzw. wer­de, dass eine über­ra­schen­de Wen­dung als sol­che gekenn­zeich­net wird oder dass trau­ri­ge Musik anschwillt, wenn etwas trau­ri­ges pas­siert, dann wird es schwie­rig, wenn sich plötz­lich der Asphalt vor mir auf­tut und der Tage­bruch nicht „Über­ra­schung!“ schreit und die Musik aus­bleibt, wenn der Hams­ter stirbt. Da bedarf es schon ein biss­chen Vor­wis­sen und Trans­fer­leis­tung, um das von sel­ber auf die Ket­te zu krie­gen.

Ver­schwö­rungs­theo­re­ti­ker wür­den jetzt erklä­ren, dass es Wunsch und Auf­trag von Regie­rung und/​oder Wer­be­kun­den sei, das Volk dumm zu hal­ten, aber ich fürch­te, die Erklä­rung ist wie so oft viel ein­fa­cher, also schlim­mer: Irgend­wel­che Con­trol­ler haben in irgend­wel­chen Umfra­gen her­aus­ge­fun­den, wie man mit noch weni­ger eige­nem Auf­wand noch mehr Leu­te errei­chen kann, die sich schon so sehr dar­an gewöhnt haben, für Toast­brot gehal­ten zu wer­den, dass es sie gar nicht mehr auf­regt.

Kategorien
Digital Unterwegs

Ich will Dich treffen, wo es am schönsten war

New York, NY

Face­book macht mein Inter­net kaputt. Wann immer mir etwas halb­wegs beson­de­res wider­fährt oder ich etwas tol­les ent­de­cke, pos­te ich das bei Face­book und dann ist gut. Des­we­gen ver­waist die­ses Blog lang­sam aber sicher und wird nur noch befüllt, wenn sich bei mir genug nega­ti­ve Ener­gie ange­sam­melt hat. Das ist nicht gut.

Mar­kus Herr­mann ali­as Herm, der uns zum Bei­spiel das Oslog und das Dus­log so schön tape­ziert hat, war letz­te Woche in New York. Er hat unge­fähr alles, was er dort erlebt hat (dach­te ich zunächst, waren aber nur zehn Pro­zent des­sen), bei Face­book geteilt, sich hin­ter­her aber auch noch die Mühe gemacht, das aus­führ­li­cher im Blog zu beschrei­ben.

Er war in zahl­rei­chen Fern­seh­stu­di­os, bei Goog­le, an jeder denk­ba­ren Tou­ris­ten­at­trak­ti­on und hat Mark Hop­pus, Conan O’Bri­en und Elmo aus der Sesam­stra­ße getrof­fen. Ihm sind die unglaub­lichs­ten Din­ge pas­siert und man sieht beim Lesen förm­lich, wie er da mit gro­ßen Augen durch die Gegend tappst.

Womög­lich fin­de ich das alles beson­ders toll, weil ich Herms Begeis­te­rung für Pop­kul­tur und die USA tei­le (letz­te­res ein biss­chen ein­ge­schränkt, aber – love them or hate them – irgend­wie kann man sich dem ja nicht ent­zie­hen) und ich fast auf den Tag genau fünf Jah­re vor ihm in New York war und vie­les ganz ähn­lich erlebt habe.

In jedem Fall wäre es viel zu scha­de, wie­der nur auf den „Gefällt mir“-Button zu kli­cken. Des­we­gen sei­en Ihnen die Ein­trä­ge aus New York aus­drück­lich auch hier im Blog emp­foh­len:

Herm in New York