In der zweiten Folge sprechen Sue und Lukas unter anderem über Bücher, die ihr Leben nachhaltig verändert haben — was naheliegenderweise zu einer Diskussion über problematische Songs von Adele und Bruce Springsteen führt.
Es geht um Netz-Bekanntschaften, die Frage, warum Lukas nicht existiert, und um Leben und Tod. Dafür sprechen wir nicht über Dinge, bei denen man einfach wortlos gehen darf, wenn sie jemand anders sagt.
Wenn Ihr uns schreiben wollt (zum Beispiel, weil Ihr eigene Fragen habt). könnt Ihr das jetzt unter bistdunochwach@coffeeandtv.de tun!
Shownotes:
Lukas’ Bücher:
Douglas Adams: „Per Anhalter durch die Galaxis“
Hellmuth Karasek: „Billy Wilder — Eine Nahaufnahme“
Johann Wolfgang Goethe: „Die Leiden des jungen Werthers“
John Green: „The Fault in our Stars“ („Das Schicksal ist ein mieser Verräter“)
Meine erste Begegnung mit Professor Karasek liegt fast exakt zwanzig Jahre zurück: Mein Vater hatte mich zu einer Veranstaltung mitgenommen, wo Karasek sein Buch “Mein Kino” vorstellte und mit immer noch glühenden Augen Namen wie Alfred Hitchcock, Billy Wilder oder Marlene Dietrich referierte, von denen ich überwiegend noch nie gehört hatte. Ich hatte damals noch nichts anderes als Zeichentrickfilme und Familienkomödien aus Hollywood gesehen.
Drei Jahre später las ich seine Billy-Wilder-Biographie, die mich zu einem glühenden Verehrer der beiden machte: Wilder wegen seiner Filme und seines Humors, Karasek wegen seiner Fähigkeit, so zu schreiben, dass man beim Lesen immer seine etwas quietschige Stimme zu hören glaubte. Die Lesung von “Das Magazin”, zu der mich meine Eltern mitnahmen, habe ich nur besucht, um mir das Wilder-Buch signieren und mit ihm kurz über “Eins, Zwei, Drei” fachsimpeln zu können. (Was man mit 15 auf dem Dorf halt so macht.) Es war dann jetzt leider auch unsere letzte Begegnung.
Karaseks Buch “Karambolagen”, in dem er seine Begegnungen mit berühmten Zeitgenossen beschreibt (natürlich auch mit Wilder), wird eines Tages Vorbild für meine Textsammlung zum selben Thema sein. Hellmuth Karasek bekommt dann sein eigenes Kapitel.
Dafür, dass ich gelegentlich als “Medienjournalist” bezeichnet werde, konsumiere ich vergleichsweise wenig Medien: Ich habe kein Abonnement einer Tageszeitung oder Zeitschrift, ich höre täglich etwa 20 Minuten Radio am Frühstückstisch und sehe außerhalb von Fußballübertragungen und “Wer wird Millionär?” eigentlich kaum freiwillig fern.
Jetzt aber hatte ich außerplanmäßig einen beschäftigungsfreien Abend und weil etwaige Deadlines noch viel zu weit weg waren, um mich halbfertigen Projekten zu widmen, suchte ich mir eine Stelle, an der meine Couch noch nicht komplett durchgelegen ist, und schaltete den Fernseher ein. Das dauert bei meinem Digitalreceiver etwa 20 Sekunden und erklärt vielleicht, warum ich so ungern fernsehe.
Nach einer kurzen Zapping-Eingewöhnungsphase landete ich beim MDR, einem für mich hochgradig rätselhaften Sender. Ich geriet mitten hinein in “Echt – Das Magazin zum Staunen”, wo gerade ein paar Feuerwehrleute in ein Gebäude eindrangen und sofort bewusstlos zu Boden gingen. Alles an dieser Sendung wirkte wie das, was ich von RTL 2 in Erinnerung hatte: Die nachgestellten Szenen, die dazugehörige Tonspur mit dramatischer Musik und bedeutungsschwangerem Off-Sprecher, die Interviews mit Betroffenen — sogar das Aussehen der Bauchbinden, auf denen ihr Name stand. Alles schrie “Action”, und der Kontrast zu dem biederen MDR-Logo oben rechts hätte kaum größer sein können.
Traditionell spießiges Regionalfernsehen war Gottseidank nur einen Tastendruck entfernt, beim Hessischen Rundfunk, der gerade “Die Lieblingsgerichte der Hessen” kürte. Dabei handelt es sich um eine dieser Listen-Sendungen mit “prominenten” Stichwortgebern, die in den dritten Programme der ARD inzwischen alle anderen Formate ersetzen. Vom “Focus” haben die Programmmacher gelernt, dass sich alles in absurden Rankings abbilden lässt, und das wird jetzt gnadenlos durchgezogen. Allein der HR hat im vergangenen Jahr 25 dieser Sendungen ausgestrahlt, die Erstausstrahlung der “Lieblingsgerichte” liegt immerhin schon zweieinhalb Monate zurück. Ich kam gerade rechtzeitig, um u.a. den Komiker Bodo Bach, den ARD-Börsenexperten Frank Lehmann und andere, mir nicht bekannte Hessen bei der Lobpreisung der “Grünen Soße” zu beobachten. Mit großer Ernsthaftigkeit sprachen sie über die Varietäten der Rezeptur, konnten mir das gezeigte Essen oder generell die hessische Lebensart dabei aber auch nicht schmackhafter machen.
Auf Eins Extra erwischte ich im Anschluss die Endausläufer einer Wiederholung von “Hart aber fair”, was ich eigentlich aus Prinzip nicht gucken kann. Im speziellen Fall sprach aber gerade Prof. Hellmuth Karasek über die Gemeinsamkeiten von Robert Musils “Die Verwirrungen des Zöglings Törleß” und dem Internet, nachdem kurz zuvor der mir durch zahlreiche Telefongespräche bekannte Medienanwalt Ralf Höcker erklärt hatte, wie man unliebsame Informationen über sich aus dem Internet löschen lassen kann. “Was zum Henker ist denn da das Thema”, dachte ich und war auch schon gefangen genommen von Karasek, Höcker, Thomas Gottschalk, Ross Antony und Mirjam Weichselbraun, die die Frage verhandelten, wie viel Öffentlichkeit der Mensch vertrage. Derlei Fernsehdiskussionen sind ja in der Regel so ergiebig wie Diskussionen im Internet, also: gar nicht, und das war doch mal eine schöne Erkenntnis, dass das Internet, das Fernsehen und Robert Musil so viel gemeinsam haben. Außerdem musste ich durch Zufall die einzige Talkshow des Jahres erwischt haben, in der weder Peter Hintze noch Nikolaus Blome saßen. Nicht mal Richard David Precht war anwesend, dafür machte Karasek den ahnungslosen Frank Plasberg kurz mit der Radiotheorie des Bertolt Brecht bekannt.
Zeit für den ZDF Infokanal und den Mann, auf den ich schon den ganzen Abend gewartet hatte: Adolf Hitler. Irgendein Historiker oder Medienwissenschaftler wird sicher schon herausgefunden haben, dass Hitler dank der vielen Dokumentationen auf n-tv, N24 und eben ZDF info fast 70 Jahre nach Kriegsende pro Tag mehr Sendezeit hat als zu Lebzeiten im staatlichen Rundfunk. Im konkreten Fall saß Hitler mal wieder im Bunker. Auf einen Spoiler-Alert kann ich glaub ich verzichten, aber eine digital animierte Kamerafahrt durch den Privatraum, in dem Hitler und Eva Braun starben, hatte ich noch nicht gesehen. Die anschließende Schilderung, wie ein Zeuge den Führer aufgefunden hatte, war dann leider nicht bebildert.
Nicht mit Animationen geizte auch die anschließende Dokumentation über den Vesuv und die Gefahr, die von ihm ausging. Als hätte Roland Emmerich Plinius den Jüngeren verfilmt, konnten die Zuschauer den kommenden Untergang Neapels beobachten, anmoderiert von drei armen Wissenschaftlern, die in einer Lagerhalle Spielszenenartig die Rahmenhandlung geben mussten. Zusammenfassend lässt sich wohl sagen, dass man so einem Vulkanausbruch besser aus dem Weg gehen sollte, wenn er sich denn so ereignen sollte, wie er “zumindest nicht unwahrscheinlich” skizziert, ach was: in Öl gemalt wurde.
Da auch Umschalten bei meinem Receiver unanständig viel Zeit in Anspruch nimmt, blieb ich weiter beim ZDF Infokanal, wo sie im Anschluss einen PKW fernsteuerten. Na gut, dann vielleicht doch noch mal von vorne durchzappen. Im Ersten trafen sich inzwischen “Menschen bei Maischberger” und nach dem irritierenden “Hart aber Fair”-Erlebnis war hier wieder alles wie erwartet: Da saßen fünf, sechs Leute in einer Sofalandschaft und schrieen sich an. Puh, schnell weiter. Im ZDF erklärte Harald Lesch, wir Menschen, “Sie, ich, wir alle”, würden zu 92 Prozent aus Sternenstaub bestehen. Das habe auch Novalis schon geschrieben, nur anders gemeint.
Das reichte. Ich konnte nicht mehr.
Musik!
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