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Musik

Wenn es passiert

Ja, das mit den Podcasts hat nicht geklappt. Das Mikrofon lief nur am HTC-Smartphone, aber da funktionierte die zugehörige App plötzlich nicht mehr. Das tat sie zwar auf dem iPod touch, aber der weigerte sich, das Mikro anzuerkennen. Die Zukunft liegt im CB-Funk, sag ich Ihnen. Egal …

Jedenfalls hab ich jetzt von jedem Act, den ich gesehen hab, ein einminütiges Video gedreht, das Sie hier zu sehen bekommen.

Festivals sind wie “Lethal Weapon”-Filme: Das Personal ist weitgehend gleich, die einzelnen Versatzstücke sind bekannt und alle paar Minuten sagt jemand, er sei zu alt für diesen Scheiß. Es fliegen nur weniger Dinge in die Luft und es werden weniger Leute von Surfbrettern enthauptet.

Die wichtigste Nachricht noch zu Beginn: Das Tragen von Jeanshemden ist in Deutschland offenbar wieder straffrei möglich. Vermutlich hat die Bundesregierung verschlafen, das entsprechende Gesetz zu verlängern und jetzt haben wir alle den Salat. Schön ist das nicht!

Und nun: Musik!

Yuck

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In Haldern steht ein Spiegelzelt und ich hasse es — wenn ich nicht reinkomme. Vor dessen Einlass hat sich eine mehrere hundert Meter lange Schlange gebildet, in denen die Menschen friedlich und in Zweierreihen darauf warten, noch hineingelassen zu werden. Einigermaßen vergeblich, wie ihnen selbst klar sein muss. Aber die Konzerte von drinnen werden nach draußen in den Biergarten übertragen und so können wir alle Yuck aus London sehen und hören, die neue Shoegaze-Sensation. Der angenehm schrammelige Sound ihres selbstbetitelten Debütalbums kommt auch live schön rüber und das Jeanshemd darf der Sänger (der in jedem Bob-Dylan-Biopic die Idealbesetzung wäre) ja wieder tragen.

Julia Marcell

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Mit ihrer durchsichtigen Bluse bringt Julia Marcell ein bisschen ESC-Atmosphäre aufs Haldern. Vielleicht ist es aber auch nur ein Regencape, sowas tragen hier draußen grad alle. Musikalisch wäre das stellenweise auch beim Songcontest denkbar, aber mit diesen Björk-Anleihen käme Polen vermutlich nicht ins Finale. Julia Marcells neues Album erscheint auf Haldern Pop Recordings, das Programmheft spricht von “Opulenz”, was es wohl ganz gut trifft.

The Avett Brothers

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Das könnten vom Publikumszuspruch her die nächsten Mumford & Sons werden — nur, dass die Avett Brothers schon viel länger dabei sind und (zumindest zum Teil) wirklich Brüder sind. Bei den diesjährigen Grammys haben sie gemeinsam mit Mumford & Sons und Bob Dylan performt und damit ist ja wohl alles gesagt. Ihr folkiger Rock mit Bluegrass- und Punkeinflüssen kommt super an, die Menschen tanzen auch draußen im Nieselregen, nur der Sound ist leider sehr schlecht.

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Musik Digital

Haldern-Podcasts

Zweites Augustwochenende, schlechtes Wetter — die Zeit ist reif fürs Haldern Pop Festival!

Ich mach mich gleich auf den Weg zu meinem 12. Haldern machen und freue mich schon sehr auf The Low Anthem, The Wombats, James Blake, Fleet Foxes, Yuck, Alexi Murdoch und viele andere.

Hier im Blog werden wir etwas ganz Neues ausprobieren, von dem ich selbst am Meisten überrascht wäre, wenn es funktionierte: Jeden Abend, nachdem die (meisten) Konzerte vorbei sind, werden wir einen kleinen Podcast aufnehmen und anschließend direkt hier veröffentlichen. (Das Konzept ist natürlich abgeschaut von der SXSW-Berichterstattung von “All Songs Considered”.)

Mit etwas Glück, viel Mondlicht und ein paar Hühnerknochen sollten Sie hier im Blog in den nächsten drei Tagen also drei Podcasts finden. Wenn nicht, stellen sie sich bitte einfach vor, wie ich in meinem Zelt sitze und Hard- und Software vielfarbig verfluche.

Nachtrag, 14. August: Ja, gut, äääh …

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Musik

Haldern-Tickets: Frische Ware eingetroffen

Vom 11. bis zum 13. August findet in Rees-Haldern am schönen Niederrhein das 28. Haldern Pop Festival statt. So früh wie in diesem Jahr waren die rund 5.000 Tickets noch nie ausverkauft — wenn die Entwicklung weiter anhält, dürfte das Festival schon in 25 Jahren binnen weniger Minuten ausverkauft sein, wie man es von den Festivals auf den britischen Inseln kennt.

Wer nicht mal eben im Internet locker den doppelten Preis zahlen will, um Künstler wie The Low Anthem, James Blake, Alexi Murdoch, The Antlers, The Wombats oder Wir Sind Helden live zu sehen, sollte sich morgen auf den Weg zur Haldern Pop Bar in Haldern machen.

Wie der Veranstalter soeben mitteilt, stellt die Diebels-Brauerei Teile ihres Gast- und VIP-Kontingents zum normalen Verkauf zur Verfügung. Inklusive der Rückläufe aus dem Onlineverkauf stehen 178 Tickets zum Verkauf, pro Person werden maximal zwei verkauft.

Ein Ticket kostet 82,50 Euro (inkl. Gebühr). Die Haldern Pop Bar ist ab 18 Uhr geöffnet. Der Verkauf startet um 20 Uhr

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Musik Unterwegs

Camp Indie Rock

– von Tommy Finke –

DONNERSTAG
Großzügigerweise habe ich mich als Fahrer angeboten und nehme meinen Teil der Reisegruppe Haldern 2010 vom Bahnhof Bochum aus mit.

Während Rosa und Marie beide vorne Platz nehmen, nehme auch ich vorne Platz. Die Vorzüge eines Bandautos: 3 Sitze in der ersten Reihe. Marie hat ein iPad eingepackt, ich muss darüber ein wenig lachen, bin aber eigentlich neidisch. Ihr Ziel beim Haldern ist medientechnischer Natur: Sie hat einen der begehrten Fotopässe. Mit Rosa war ich 2008 schon mal auf dem Haldern. Und ich freue mich, dass sie diesmal wieder dabei ist! Die Fähigkeit, sich über Tage fast ausschließlich von Rotwein und Musik zu ernähren, macht Rosa zu einer perfekten Fetivalbesucherin. Und zu einem medizinischen Wunder.

Unser Zeltplatz ist, einmal angekommen, leicht abschüssig, dafür haben wir aber in alle Richtungen nette Nachbarn. Wir verzweifeln an Maries Zelt, aber der Hinweis, man könne zumindest mal versuchen, alle Stangen mit der gleichen Nummer ineinander zu stecken, ist ausschlaggebend. Inzwischen ist auch Christoph mit Sophie angereist.

Ich spiele den Realisten und öffne das erste Dosenbier. Das ist hier schließlich kein Kindergeburtstag und wir haben schon deutlich nach 16 Uhr. Alle wollen wir zwar Seabear im Spiegelzelt sehen, aber die Schlange ist schon um 18 Uhr so lang, dass wir uns entschließen, nochmal kurz zurück zum Zeltplatz zu gehen und, nunja, vorzuglühen. Ich stolpere an Foto-Gerrit vorbei, meine einzige feste Haldern-Freundschaft. Gerrit ist berühmt geworden mit einer Ausstellung über die Fotos der Schuhe der Stars: “Dancing Shoes”.

Gerrit macht den Vorschlag, mich am nächsten Tag zu fotografieren, aber wie jedes Jahr kriegen wir es überhaupt nicht hin, uns zu einer festen Uhrzeit irgendwo zu treffen, obwohl wir uns die nächsten 3 Tage immer wieder begegnen. Ganz so schlimm ist das dann aber doch nicht nicht, Gerrit hatte in Zusammenhang mit der Fotosession das Wort “nackt” gebraucht. Ich hoffe, das liegt an seinem letzten großartigen Projekt, ein Herz geformt aus nackten Festivalbesuchern beim Melt.

Wir anderen gehen zurück zum Zeltplatz, den wir für heute dann nicht mehr verlassen, denn auch später berichten unsere Spione von undurchdringlichen Menschenmassen an und ums Spiegelzelt. Uns ist das egal, die Christophsche Einkaufswut beschert uns Grillgut und Gin-Tonic. Zusätzlich ist Nacht der Sternschnuppen und so gucken wir alle stundenlang in den Himmel. Irgendwelche leicht zu begeisternden Leute rufen bei jeder Sternschnuppe “Oh!” und “Ah!”, wir bleiben still, weil wir das nicht für Feuerwerk halten, sondern für etwas Größeres. Ich bin gerührt, weil ich jede Sternschnuppe zweimal sehe.

Aus einem nahen Zelt dringt ein schwäbelndes Stöhnen. Das Prinzip “Wenn ich sie nicht sehe, dann hören sie mich auch nicht”, hat wieder nicht funktioniert.

Haldern Pop 2010

FREITAG
Am nächsten Morgen habe ich einen Geschmack im Mund, der Tote umbringen könnte. Ich nehme mir vor, diesen Abend dringend die Zähne zu putzen, bevor ich ins Zelt steige. Marie ist schon wach und macht Kaffee.

Heute ist der Tag, an dem wir mindestens Delphic und Mumford & Sons sehen müssen. Außerdem gibt es auf dem Programm heute ein Fragezeichen und es ging das Gerücht rum, dass es sich um Belle & Sebastian handeln könnte. Aber nein, es kommt anders, und zwar in Form von: Philipp Poisel. Die Leute: nicht begeistert. Was für ein unangemessener Ersatz für die gedanklich schon gebuchten Belle & Sebastian. Da hätte ja gleich ich spielen können. Selbstreflexion, meine Damen und Herren.

Ein paar hundert Meter weiter hatte ich gestern schon Teile der Fog Joggers und Oh, Napoleon getroffen. Ja, meine Damen und Herren, hier campen die kleinen Künstler noch selbst. Ich beschließe, nochmal rüberzugehen und hallo zu sagen. Sophie schließt sich mir an, da auch sie dort jemanden (“Frederik!!!”) kennt. Jan von den Fog Joggers hat mein Album dabei, er mag es. Dass ich die Fog Joggers EP so richtig großartig finde, behalte ich für mich, damit es ihm nicht zu Kopf steigt. Sophie hat inzwischen Frederik am Rande der Joggers-Gruppe ausfindig gemacht. Er liegt auf dem Boden mit einem T-Shirt über seinem Kopf, verkatert und apathisch. Einmal aufgewacht, stellt er sich als sympathischer Kerl heraus, lacht über wirklich jeden meiner bekanntermaßen schlechten Witze. Ich überlege, ihn zu adoptieren oder zumindest anzustellen.

Sophies Freundin Lisa reist auch noch an und hat ein Sagrotan-Arsenal eingepackt, das manche Klofrau neidisch machen dürfte. Dass Sie Ihren Hund Treu nicht mitnehmen durfte, findet sie doof. Außerdem wirkt sie augenscheinlich etwas irritiert, wie die Leute hier so leben. Der Grund dafür ist schnell gefunden: Es ist, mit 28 Jahren, ihr allererstes Festival.

Die arme Lisa! Wir beschließen, Ihr alles wichtige über das Haldern Pop beizubringen und gehen zusammen zum berühmten See zum Schwimmen. Ich selbst war da zwar bisher auch noch nie drin, ist aber auch erst mein viertes Haldern. Dass jedoch Christoph nach knapp 10 Jahren Haldern noch nie in dem See schwimmen war, finde ich bemerkenswert. Immerhin ist der See umsonst, die Duschen kosten Geld. Sie verstehen? Eben.

Björn und Frederik schwimmen nicht nur, sie haben auch Bier mitgebracht. Für Im-See-trinken. Ich habe aus Fuß-Aufschlitzungsangst meine Gummistiefel an. Beim Schwimmen. Zur Badehose sieht das scheiße aus, aber das hier ist ja kein Modewettbewerb.

Wir machen uns den Spaß und gucken uns Philipp Poisel an. Nun ja. Das Fragezeichen bleibt eines. Mir fällt auf, dass der Keyboarder, der übrigens schwäbelt, nicht richtig zu hören ist. Schade. Ich bin da etwas altmodisch: Ich mag meine Instrumente hörbar. Ansonsten schwankt der Auftritt irgendwo zwischen Xavier Naidoo und Madsen. Zumindest nicht meine bevorzugten musikalischen Eckpunkte.

Während Philipp noch vor sich hin poiselt, besuchen wir das Spiegelzelt, und irgendwie passiert das Unglück: Die Zeit ist zu schnell vergangen! Als wir auf die Uhr sehen und zur Hauptbühne hechten, spielen Delphic gerade ihr letztes Lied. Ich beiße mir in den Arsch, denn was ich sehe und höre ist die großartigste Indie-Electro-Explosion seit Langem. Da könnt Ihr Euch mal alle umgucken, Ihr Zoot Women. Ich bin trotzdem hin und weg, das hat mir wirklich gut gefallen. Delphic. Scheiß Name, geiler Sound.

Diesmal sind wir schlauer und bleiben an der Hauptbühne. Denn es folgt die Band der Stunde: Mumford & Sons, liebevoll in Manfred & Söhne umgetitelt von … nunja. Muss ich zur Band noch was sagen? Ich mag die wechselnden Instrumente, von der Seite sehe ich nicht genau, wer wann singt. Später sagt man mir, der Sänger hätte auch getrommelt. Ich muss an Phil Collins denken, erschieße mich aber innerlich dafür. Was für eine Band! Diese folkige Melancholie, diese holzige Euphorie. Gänsehaut, Tränen in meinen Augen. Und zack: vorbei.

Als Beirut folgen versuche ich, einen akustischen Filter in meinem Kopf zu formen, der aus Beirut wieder Mumford & Sons macht. Gelingt mir nicht, aber Beirut sind auch klasse. Vielleicht etwas undankbar, die armen hinter dieser Kracherband auf die Bühne zu schicken.

Aber abgesehen davon: ein wirklich ausgelassener Freitag auf dem Haldern Pop. Für mich persönlich noch von der Tatsache veredelt, dass ich auf dem Boden 20 “Poptaler” finde, die Halderner Währung für die Getränke. Wenn man den Pfand für sich selbst abzieht (und den scheiß Becher nicht verliert), kann man gut und gerne 9 Bier dafür eintauschen. Hurra.

Haldern Pop 2010

SAMSTAG
Diesmal gehen wir eher auf das Gelände, weil wir gerne Portugal. The Man sehen möchten. Schaffen wir sogar. Tolle Band, sind an diesem Tag aber sehr Riff-lastig. Ich selbst hasse ja Riffs, weil ich so ein schlechter Gitarrist bin und mir beim zuhören immer die Noten in den Kopf fliegen und mich daran erinnern, dass ich üben sollte. Mach ich vielleicht mal. Der Auftritt macht auf jeden Fall Spaß und Sophie hat Seifenblasenzeugs dabei, welches wir einsetzen. Und – oh naturbelassenes Haldern Pop – eine majestätische Libelle lässt sich neben der Bassbox nieder, während ein Security-Mitarbeiter die Unterseite seiner Arme in die Sonne hält. Nicht aus Freude am Bräunen, sondern aus gesundheitlichen Gründen: Die Oberseite sieht schon genießbar aus. Möglicherweise hat der Geruch die Libelle angelockt.

Sophie und ich schaffen bei Everything Everything im Spiegelzelt wieder nur das letzte Lied. Aber auch diese Band schafft es, mich mit dem letzten Lied komplett zu überzeugen. Das Delphic-Phänomen. Scheiß Name, geile Band. Ich ärgere mich, dass ich nie das letzte Lied von Ostzonensuppenwürfelmachenkrebs gesehen habe.

Irgendwann dann The Low Anthem im Spiegelzelt. Ich habe inzwischen einen toten Punkt erreicht und finde, dass die Band klingt wie das Simon & Garfunkel Album, das ich manchmal im Auto höre. Ich schlafe im Stehen ein. Das wirkt repektlos, soll aber die Band nicht schmälern. Countryesquer Folk. Oder sowas. Naja, ich brauche frische Luft und hänge draußen rum. Hier und da wieder bekannte Gesichter: Sven, ein Fotograf aus Bochum, Gerrit natürlich (“Tommy, später aber Fotos, ne?”), Manuel von den Wedges. Ein bisschen wie ein kleines Dorf. Hier sollte man keine Dummheiten machen, da weiß jeder gleich Bescheid. Und dann tuscheln die Nachbarn.

Efterklang werden mir als Sigur-Rós-Verschnitt schmackhaft gemacht, enttäuschen aber in dieser Hinsicht gewaltig. Das ist das Problem mit großer Erwartungshaltung: Mit dieser Band werde ich heute nicht mehr warm. Ich nutze meine letzten Fund-Poptaler und gebe eine Runde. Christoph hat von seiner Oma 50 Euro Taschengeld mitbekommen!!! Obwohl das einen tiefen Eingriff in die adulte Selbstversorgungspflicht darstellt. Er weiß um seinen Stellenwert als Gruppenbetreuer und kauft davon Poptaler. Als ihm klar wird, dass er davon weder Essen noch sonstwas, sondern nur Bier und Wein kaufen kann, ist es bereits zu spät. Der Poptaler ist wie das Spielgeld in Disneyland, er regt zum Konsum an.

Und dann endlich irgendwann: The National. Erst denke ich, dass da irgendwas Interpol-ähnliches auf mich zukommt, aber schnell wird klar, dass diese Band komplexer ist. Irgendwie muss ich zwar die ganze Zeit an Depeche Mode denken, woran der Gesang seinen Anteil hat, aber das würde der ganzen Sache nicht gerecht. Denn The National klingen tatsächlich sehr eigen und interessant, rocken außerdem wie Hölle und haben eine unglaublich stimmungsvolle Lightshow. Marie regt sich später darüber auf, weil ihr das natürlich die besten Fotos versaut: Immer irgendein scheiß Licht in der Kameralinse. Mir ist das egal, ich muss ja nur gucken und glotzen. Wahrscheinlich starre ich inzwischen schon, wenn ich trinke werde ich immer zum Starrer, da ich vergesse zu blinzeln. Bei dieser Band sollte man die Augen sowie so nicht schließen, nicht mal für eine Nanosekunde.

Inzwischen sind die letzten Poptaler bestimmungsgemäß verbraucht und eine gewisse Festivalmelancholie macht sich breit: Wir haben die letzte Band auf der Hauptbühne gesehen. Jetzt ins Spiegelzelt? Undenkbar. Der harte Kern unserer Reisegruppe, Christoph, Rosa, Sophie, Marie und ich, geht zum Zeltplatz und lässt den Abend gebührend ausklingen: Wir singen 90er Jahre Plastikpophits von East 17 und Take That. Weil wir uns nämlich nicht zu fein sind, zu erkennen, dass das in der Retrospektive auch schöne Musik sein kann. Und dann packt Sophie ihr Handy aus und spielt die Musik ab, die mich danach nicht mehr losgelassen hat, massiver als eine der Bands von den Bühnen: Oh, Napoleon. Ironie des Schicksals. Vor zwei Tagen noch am Zeltplatz gesehen und trotzdem vorher gar nicht reingehört. Man sagt ja oft “Die Band kenn’ ich!” und meint “…vom Namen.” Ich auf jeden Fall: begeistert und verstört, weil die doch noch so jung sind und die Sängerin da Sachen raushaut wie ein alter Hase

Der nächste Morgen bringt den ersten grauen Tag. Ist aber auch egal, weil wir jetzt packen und heimwärts fahren. Ich denke darüber nach, den herausragenden Sonnenschein der Halderner Tage als gutes Omen zu deuten, dann fällt mir aber ein, dass ich an so einen Hokus Pokus nicht glaube. Manchmal, ganz selten, stimmen eben alle umgebenden Faktoren so überein, dass für ein paar Tage alles perfekt ist.


Tommy Finke ist 29 Jahre alt, Musiker und lebt in Bochum. Im Februar ist sein Album “Poet der Affen / Poet of the Apes” erschienen.

Für Coffee And TV hat er das Haldern Pop 2010 besucht und seine Eindrücke von Zeltplatz, See und Festival aufgeschrieben. Die Namen der Mitreisenden wurden dafür geändert.

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Musik Unterwegs

Haldern Pop 2010 – A place to come home to

“That will literally blow your mind” sagte Fyfe Dangerfield während seines Auftritts im Spiegelzelt am Donnerstag, als er sich an sein Keyboard setzte. Wie viel Wahrheit in diesem Satz vor allem im Bezug auf die Erlebnisse des Festivalwochenendes stecken würde, konnte ich noch gar nicht ahnen.

Seit 2001 in regelmäßigen Abständen beim Haldern Pop Festival gewesen gab es in jedem Lineup mindestens vier Bands, die ich unbedingt sehen wollte, doch in diesem Jahr war es anders: Ich kannte vielleicht 50% der gebuchten Acts, lediglich zwei standen auf meiner “unbedingt angucken!”-Liste. Trotzdem kein Grund, nicht hinzufahren – in Haldern stimmt eben das Gesamtpaket, selbst wenn das Wetter schlecht ist. Und am Ende hat man einige neue Bands auf seiner Favoritenliste, die da vorher nicht gestanden haben. Dies war auch in diesem Jahr so.

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Unterwegs Musik

Drei Tage im August

Haldern Pop 2009.

Der junge Mann war schon die ganze Zeit mit CDs und einem Filzstift über den Alten Reitplatz gelaufen und hatte Leute an den Eingängen zu Backstage- und Pressebereichen angesprochen, ob sie ihm weiterhelfen könnten. Jetzt stand er plötzlich hinter einer dieser Absperrungen und ließ sich Autogramme von Asaf Avidan und dessen Band geben. Nachdem dieses kleine Zusammentreffen für alle Beteiligten so erfreulich verlaufen war, ging Asaf Avidan noch einmal zum Security-Mitarbeiter am Zugang zum Pressebereich und bedankte sich bei ihm: “Thanks for letting that guy in!”

Es ist nur ein Detail, aber als ich es am Rande mitbekam, dachte ich: “Das ist Haldern!” Das Familiäre, Entspannte, etwas Andere macht das Festival am schönen Niederrhein auch bei der 26. Auflage zu etwas besonderem. (Mit “besonders” meine ich übrigens nicht einzigartig — ich weiß, dass es überall in Deutschland so kleine, persönliche Festivals gibt. Aber unter diesen dürfte Haldern dann schon wieder das größte sein.) Dokter Renz von Fettes Brot wirkte einigermaßen verwirrt, als er feststellte, dass die ganze Bühne frei von Mobilfunkwerbung war — eigentlich erstaunlich, dass die Festival-Tickets trotz solch ausgeschlagener Einnahmequellen vergleichsweise günstig sind.

Haldern Pop 2009.

Dass das Haldern Pop dieses Jahr erst am zweieinhalbten Augustwochenende stattfand, hing mit dem Termin des Lollapalooza-Festivals in Chicago zusammen (das letzte Festival in Nordamerika, nach dem dann all Künstler wie die Zugvögel nach Europa weiterziehen), erwies sich in Sachen Wetter aber als absoluter Glücksfall. Nach den legendären Schlammschlachten 2005 und 2006 ist man ja einigermaßen bescheiden und freut sich schon, wenn sich sowas nicht mehr wiederholt, aber so gut wie in diesem Jahr habe ich das Wetter seit neun Jahren nicht in Erinnerung (2003 war es wärmer, aber das war absolut unanständig und kurz vor tödlich). Und an den improvisierten Wasserwerfern Berieselungsanlagen zeigte sich dann wieder der besondere Haldern-Charme.

Auch sonst war mein Zehntes für mich eines der schönsten Haldern-Festivals überhaupt. Zwar war es musikalisch nicht hundertprozentig überzeugend, aber das liegt zum einen daran, dass ich immer noch jedes Haldern mit der 2001er Ausgabe (Travis, Starsailor, Neil Finn, The Divine Comedy, Phoenix, Muse, Slut, Blackmail, …) vergleiche, und zum anderen kann man’s ja eh nie allen gleichzeitig recht machen. Veranstalter Stefan Reichmann sagte sogar, er fände es legitim, “auch mal was richtig scheiße zu finden” — aber diese Einschätzung traf dann bei mir doch auf keinen der gesehenen Künstler zu.

Fettes Brot beim Haldern Pop 2009.

Bon Iver waren wie erwartet großartig (und genau richtig in der frühen Abendsonne), Fettes Brot, Dear Reader, William Fitzsimmons und Athlete gefielen mir auch live gut. Colin Munroe war die Neuentdeckung des Festivals und mit Anna Ternheim, Asaf Avidan & The Mojos, The Thermals und Blitzen Trapper muss ich mich dann in den nächsten Wochen noch mal näher befassen.

Der Spannungsbogen hätte freilich ein wenig mehr Zug vertragen: Vieles plätscherte nett vor sich hin, was auch sehr schön war, aber als die Thermals plötzlich losbrachen, waren sich viele einig, dass es dem Festival bisher etwas an Drive gefehlt hatte.

Hatte ich in den letzten Jahren zwischendurch immer in bester “Lethal Weapon”-Manier geflucht, dass ich jetzt langsam aber wirklich “zu alt für diesen Scheiß” sei, bin ich mir diesmal absolut sicher: Wir sehen uns 2010!

Mehr Haldern Pop 2009 hier im Blog: Liveblog Freitag und Liveblog Samstag.

Haldern Pop im Fernsehen: Rockpalast.

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Musik Unterwegs

Haldern Pop 2009: Liveblog Samstag

iLiKETRAiNS
Die Band zum iPod (oder so). Irgendwie ist dieser Achtziger-Düsterpop ein großer blinder Fleck in meinem Musikgeschmack (s.a. hier), denn für mich klingen alle diese Editors, Interpols, White Lies, Foals und eben auch iLiKETRAiNS alle gleich. Eine junge Frau sagte gerade, das sei Musik, die sie nur hören wolle, wenn sie mit dem letzten Bier in der Hand nach Hause schwanke und es liegt mir fern, dieses fachkundige Urteil in Abrede stellen zu wollen. Es passt halt irgendwie nicht so recht zum langsamen Verbrennen weiter Teile der eigenen Hautoberfläche.

Dear Reader beim Haldern Pop 2009

Dear Reader
Diese südafrikanische Band hatte ich eigentlich schon lange bei der Listenpanik nachtragen wollen: Wunderschöner Indiepop mit Sängerin und Folk-Einschlag (klar), der ganz wunderbar zum Wetter passt. Zum ersten Mal seit neun Jahren habe ich wieder auf der Wiese vor der Bühne gehockt (weil sie gar nicht matschig ist). Währenddessen fuhr ein Trecker mit vollem Wassertank vor und eröffnete eine Wasserstelle neben der Bühne (so wird die Wiese vielleicht doch noch matschig). Um es Google-tauglich zu formulieren: Junge, hübsche Menschen übergießen ihre halbnackten Körper mit Wasser. Und ich Wahnsinniger will gleich ins Spiegelzelt …

Junge, hübsche Menschen übergießen ihre halbnackten Körper mit Wasser.

Grizzly Bear
Aufgrund von Änderungen im Zeitplan (die bisher niemand so recht erklären konnte), spielt William Fitzsimmons erst um halb sechs im Spiegelzelt. Das gibt mir Gelegenheit, noch ein bisschen Grizzly Bear auf der Hauptbühne zu hören. Wenn das Gedränge im Fotograben ein guter Indikator für die Wichtigkeit einer Band ist (was bisher eigentlich immer der Fall war), dann ist das Quartett aus Brooklyn verdammt wichtig. Radiohead sind erklärte Fans und das passt auch ganz gut, auch wenn bei Grizzly Bear die Folk-Einflüsse (was sonst?) deutlich stärker durchkommen. Mindestens drei Bandmitglieder singen (abwechselnd und gemeinsam) und spielen dazu Musik, die irgendwo zwischen Animal Collective und Fleet Foxes angesiedelt ist. Der Großteil des Publikums ist indes dort angesiedelt, wo die Bäume auf dem Alten Reitplatz etwas Schatten spenden, denn es ist doch ein ganzes Stück wärmer, als dieser alberne Wetterbericht mal wieder vorab behauptet hatte. (“Zuverlässig wie der Wetterbericht” sollte eigentlich die schlimmste Beleidigung deutscher Sprache sein — warum ist sie es nicht?)

William Fitzsimmons beim Haldern Pop 2009.

William Fitzsimmons
Ja, es war warm im Spiegelzelt, aber dann doch nicht so heiß wie befürchtet. Dazu kam, dass es sich kontinuierlich leerte — warum auch immer, an der Musik wird es kaum gelegen haben. Die war wunderschön melancholischer Folkpop zwischen Joshua Radin und Bon Iver. In seinen Ansagen offenbarte Fitzsimmons erstaunliche Deutschkenntnisse und zeigte sich total begeistert vom Publikum.

Bon Iver beim Haldern Pop 2009.

Bon Iver
Als ich aus dem Spiegelzelt kam, hörte ich plötzlich Bon Iver. Aber die sollten doch erst um Viertel vor Neun spielen?! So wie es aussieht, wird die 2009er Ausgabe als Haldern mit den meisten Zeitplanänderungen in die Geschichte eingehen — dumm, wenn man davon nichts mitbekommen hat. (Diesmal lag es wohl daran, dass Andrew Bird noch unterwegs war.) Aber lange aufregen kann man sich über solche spontanen Wechsel natürlich nicht, wenn gerade eine der besten Bands der letzten Jahre ihre wunderbare Musik spielt. Ehrlich gesagt passte die dann auch viel besser zur Abendsonne und dem wolkenlosen Himmel, die der sowieso naturverbundenen Musik (die berühmte Waldhütte, in der “For Emma, Forever Ago” entstand) noch mehr mitgaben. Bon Iver hatte ich im Mai schon gesehen, aber sie sind immer wieder beeindruckend.

The Thermals
Stellen Sie sich vor: Man kann auch Songs mit mehr als 120 beats per minute spielen. Auf dem Haldern ist das in diesem Jahr eine Neuigkeit — und entsprechend wird die schön nach vorne gehende Rockmusik von den Thermals hier gerade gefeiert. Der Regisseur des (fast) alles aufzeichnenden Rockpalasts feiert das mit gesundheitsschädlichen Schnitten, wie wir hier auf dem Kontrollmonitor sehen können. Egal: Die Band rockt schön, da muss ich unbedingt mal ins Album reinhören. (PS: Patrick Swayze lebt entgegen anders lautender Gerüchte auf dem Platz und auf der Bühne immer noch.)

Blitzen Trapper
Wegen der abschließenden Pressekonferenz hab ich nur noch 1 1/2 Songs der Sub-Pop-Band aus Oregon mitgekriegt, aber die hatten es in sich: bluesrockig ging es noch vorne, eine Mischung aus ZZ Top und Crosby, Stills, Young & Nash. Das deckt sich auch nicht gerade mit den Songs der Band, die ich vorher kannte, aber es schreit definitiv nach einer näheren Auseinandersetzung.

König Boris von Fettes Brot beim Haldern Pop 2009.

Fettes Brot
Nachdem die “Brote” letztes Jahr als Überraschungsgast im Zelt gespielt hatten (wo nur die wenigsten dabei waren), gab es sie dieses Jahr offiziell auf der Hauptbühne für alle. Und alle kamen. Kein Vergleich mit der großen Diskussion um Jay-Z beim Glastonbury, noch nicht mal eine Minimalaufregung wie bei Jan Delay auf dem Haldern vor zwei Jahren habe ich mitgekriegt. Fettes Brot waren überraschenderweise die Konsensband und wie zum Beweis eröffneten sie ihre Show (und was für eine das war!) mit “Jein”, einem von den drei deutschsprachigen Hiphop-Liedern, die jeder Mensch mitrappen kann, der zwischen 1980 und 1990 geboren ist (die anderen sind “Sie ist weg” von den Fantastischen Vier und “A-N-N-A” von Freundeskreis). Es gab aber nicht nur ein Greatest-Hits-Programm, sondern auch Abseitiges wie die B-Seiten “Kontrolle” (gegen Vorratsdatenspeicherung, Überwachungsstaat und Wolfgang Schäuble) und “Was in der Zeitung steht” (gegen “Bild” und andere Trash-Medien), Coverversionen von Rio Reiser (“Ich bin müde”) und Fehlfarben (“Ein Jahr”) und im unvermeidlichen Finale “Nordish By Nature” erklangen plötzlich “Dance With Somebody” und “Männer sind Schweine”. Nach viel ruhiger und schwelgender Musik und mildem Gemoshe bei den Thermals konnte wer wollte zum Abschluss also noch mal richtig schön abgehen. Ein Abschluss nach Maß.

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Unterwegs Musik

Haldern Pop 2009: Liveblog Freitag

Hauptquartier der Elite.

Herzlich Willkommen!

Auch in diesem Jahr gibt es ein Haldern Pop Festival und überraschenderweise auch ein dazugehöriges Liveblog. (Oder mehrere, aber speziell soll uns hier erst mal dieses hier interessieren.)

Aus verschiedenen Gründen, zu denen unter anderem die Absage von Soap & Skin für den gestrigen Abend zählen, bin ich erst heute angereist. Das Wetter ist nahezu ideal: Die Sonne scheint, aber es ist nicht zu heiß; der Zeltplatzboden ist weich genug, dass man die Heringe reintreiben kann, aber weit von matschig entfernt und ich will schwer hoffen, dass ich die Gummistiefel dieses Jahr völlig umsonst mitgenommen habe.

Asaf Avidan & The Mojos
Nachdem ich die ersten Songs vom Pressezelt aus gehört hatte und zur Bühne ging, war ich überrascht: Da sang ein Mann. Vom Klang her hätte ich eher eine Patti-Smith-, Janis-Joplin-ähnliche Sängerin erwartet. Auch der bluesige Rocksound wirkte ein bisschen wie aus einem länger zurückliegenden Jahrzehnt, schlug aber beim Publikum prompt ein. Die israelische Band (kennt man ja auch nicht sooo viele) hat gerade einen Verlagsdeal mit Chrysalis unterschrieben, was den Verdacht nahelegt, dass ihr Debütalbum bald auch regulär in Deutschland erscheinen wird.

Port O’Brien
Eine dieser Bands, bei denen ich weiß, dass ich das Album besitze, es gut fand und trotzdem fast nie gehört hab. Dann jetzt eben live, inklusive Songs vom neuen, im Oktober erscheinenden Album. Wie viele andere Bands dieses Jahr spielen auch Port O’Brien Folk-Musik im engeren Sinne und es kann nicht mehr lange dauern, bis allen Festival-Besuchern (auch den weiblichen) Vollbärte, Fernfahrermützen und karierte Baumwollhemden gewachsen sind.

Final Fantasy beim Haldern Pop 2009.

Final Fantasy
Wenn Sie bei “junger Mann mit Geige” an den Gewinner des diesjährigen Schlager-Grand-Prix denken müssen, kennen Sie Owen Pallett vermutlich noch nicht. Der hat nicht nur bei diversen Alben seine Finger im Spiel (und am Instrument) gehabt, sondern auch sein Soloprojekt Final Fantasy. Und wenn ich “Solo” schreibe, meine ich: Ja, der Mann steht ganz alleine auf der Bühne, spielt immer neue Samples ein und singt dazu. Das Ergebnis klingt einigermaßen unvergleichlich und passt wunderbar zur frühen Abendsonne.

Woodpigeon
Mein erster Ausflug ins gehassliebte Spiegelzeit. Noch vor wenigen Stunden muss es hier unglaublich heiß gewesen sein, jetzt geht’s. Auch gut, dass das Rauchen im Zelt jetzt verboten ist und die Konzerte auf eine Großbildleinwand im Biergarten vor dem Zelt übertragen werden. Der Biergarten ist noch voller als das Zelt. Sie merken schon: Über die Musik von Woodpigeon mag ich nur ungern schreiben. Netter Folk, aber das war’s dann irgendwie auch schon.

Noah And The Whale beim Haldern Pop 2009

Noah And The Whale
Jubelstürme im Publikum und mir hat’s auch gefallen. Ich weiß nur beim besten Willen nicht, wie ich die Musik beschreiben soll. Schon so ein bisschen wieder diese Achtziger-Dunkel-Kiste, aber dann doch irgendwie mit deutlich mehr Folk-Einflüssen. Egal, wonach es klingt: Es klang toll.

Anna Ternheim
Und da hätten wir dann auch mein erstes echtes Highlight des Festivals: Anna Ternheim, die mir auch schon öfter von Freunden empfohlen worden war, was ich wie üblich irgendwie nicht in einen Hör-Impuls hatte umwandeln können. Jedenfalls habe ich ihre Musik jetzt gehört und war begeistert. Kluger Singer/Songwriter-Pop zwischen Regina Spektor und First Aid Kit.

Colin Munroe beim Haldern Pop 2009.

Colin Munroe
Ein ganz persönlicher Favorit von Haldern-Organisator Stefan Reichmann, der zwischendurch auch selig lächelnd neben der Bühne stand. Überhaupt lächelten alle im Spiegelzelt und wer nicht lächelte, war grad mit Tanzen beschäftigt. Colin Munroe aus Toronto, der in Haldern seine erste Show außerhalb Nordamerikas spielte, ist mit HipHop aufgewachsen und kombiniert diesen sehr lässig mit Pop und knallt dem Publikum einen Sound vor den Latz, bei dem man schon dem Hirntod nahe sein muss, um ruhig zu bleiben. Wie Jason Mraz (nur mehr nach vorne), wie die New Radicals (nur moderner), wie The Whitest Boy Alive (nur noch zwingender). Meine Herren, definitiv der Höhepunkt des ersten Tages, egal was jetzt noch kommt.

Athlete beim Haldern Pop 2009.

Athlete
Athlete veröffentlichen dieses Jahr ihr viertes Album, was bei mir die Frage aufwirft, wie ich eigentlich ihr drittes verpassen konnte. Nun ja: zu spät. Gespielt haben sie Songs aus allen Schaffensperioden, ihren mutmaßlich größten Hit “Half Light” gleich an dritter Stelle. Das war schon deutlich mainstreamradiotauglicher als die meisten anderen Bands, hat aber genauso viel Spaß gemacht. Die Mischung aus Melancholie und Euphorie (s.a. Starsailor, Vega4, The Upper Room) muss man freilich mögen. Ich tu’s und so war’s ein gelungener Abschluss für den (also: meinen) ersten Festivaltag.

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Musik

Haldern Rock im Saal

Sieben mal bin ich schon mit dem Auto von Dinslaken nach Haldern und zurück gefahren, bevor ich zum ersten Mal Google Maps nach dem kürzesten Weg befragt habe. Und siehe da: Der führt nicht etwa über die Autobahn, sondern strunzlangweilig die ganze Zeit die B8 entlang.

Aber warum fährt man außerhalb der Festival- und Spargel-Saison eigentlich ins Lindendorf am schönen Niederrhein? Na, um Konzerte zu gucken, natürlich.

“Rock im Saal”, den kleinen Bruder des Haldern Pop gibt es mittlerweile auch seit 15 Jahren. Am vergangenen Samstag trafen sich die Halderner Dorf- und die nordrhein-westfälische Indiejugend wieder im Gasthof Tepferdt, um in der gemütlichsten mir bekannten Atmosphäre Livemusik zu genießen.

Enno Bunger

Enno Bunger
Glaubt man jenen Quellen, denen man im Bezug auf sowas immer trauen sollte, sind Enno Bunger das nächste größere Ding. Die Mischung aus Keane (die Musik, die fehlenden Gitarren) und Blobkanal/Janka (die Texte, der Gesang) dürfte eigentlich ein Hit werden, auch wenn es den natürlichen Lebensraum für solche Musik, Sarah Kuttners Shows auf Viva bzw. MTV, seit Jahren nicht mehr gibt.

Die rockigen Nummern, die die Band um Sänger, Pianist und Namensgeber Enno Bunger am Samstag gespielt haben, gefielen mir ausgesprochen gut und erinnerten ein bisschen an die guten Sachen von Virginia Jetzt! Die ruhigeren Songs sind vermutlich auch nicht schlecht, waren aber einfach nicht das, was ich in dem Moment hören wollte.

Hören kann man Enno Bunger bei MySpace und live. Die letzten Exemplare der EP wurden am Samstag verkauft, bis zum Debütalbum dauert es noch ein bisschen.

Kilians

Kilians
Ich hatte Sie gewarnt — Kilians-Content ist der neue Obama-Content hier im Blog.

Der Auftrittsapplaus hätte Robbie Williams neidisch gemacht, die Stimmung während des Konzerts erinnerte ein bisschen an Kindergeburtstag (was vor allem am Durchschnittsalter des Publikums lag) und wenn eine Band vier neue Songs hintereinander raushauen kann, ohne dass die Begeisterung der Zuhörer nachlässt, dann haben sich da zwei gefunden. (Das war eine Metapher, denn die Band war wie üblich zu fünft und das Publikum zu ein paar Hundert.)

Was nicht funktioniert, ist Ironie in Song-Ansagen: “Wir waren seit Jahren nicht mehr hier”, hat angesichts des fünften Konzerts auf Halderner Boden in knapp zweieinhalb Jahren kein Schwein verstanden.

Hören kann man die Kilians bei MySpace, live und auf CD — aber das erzähl ich Ihnen bis zum Release von “They Are Calling Your Name” eh noch ein paar tausend Mal.

Gisbert zu Knyphausen

Gisbert zu Knyphausen
Willkommen zu unserer neuen Serie “Hypes ignorieren mit Herrn Heinser”. Die erste Folge (Glasvegas) entfällt, wir machen direkt weiter mit Gisbert zu Knyphausen, über den ich vorher eigentlich nur wusste, dass der wirklich so heißt.

Gisbert zu Knyphausen macht, das muss man unumwunden sagen, Mädchenmusik. Aber Mädchenmusik, die von tollen Mädchen gehört wird und deshalb auch von Jungen gut gefunden werden kann. Außerdem kann er – was mir vorher gar nicht klar war – auch sehr ordentlich rocken und erinnert dann fast an die frühen Tocotronic.

Da der Begriff “Liedermacher” durch Reinhard Mey und Wolf Maahn bis ans Ende der deutschen Sprache verbrannt ist, muss man sich mit dem (angesichts deutscher Texte etwas deplatziert wirkenden) Begriffspaar “Singer/Songwriter” behelfen. Zur Orientierung seien noch zwei Namen genannt, die vermutlich den wenigsten Gisbert-zu-Knyphausen-Hörerinnen noch etwas sagen werden: Tom Liwa und Thommie Bayer.

Hören kann man Gisbert zu Knyphausen auf MySpace, live und auf CD.

Alle Fotos: © Martina Drignat für mainstage.de. Mit freundlicher Genehmigung.

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Musik Rundfunk

TV-Tipp: 25. Haldern Pop Festival

Am kommenden Wochenende wird der “Rockpalast”, eine der letzten Bastionen von (Live-)Musik im deutschen Fernsehen, das ausstrahlen, was der WDR so beim Haldern Pop Anfang August aufgezeichnet hat.

In der Nacht von Samstag (30. August) auf Sonntag (31. August) gibt es ab Mitternacht eine Art Highlight-Zusammenstellung mit Kula Shaker, Maxïmo Park, Guillemots, Kate Nash, The National, The Heavy, Jamie Lidell, Okkervil River, Iron & Wine, White Lies, Joan As Police Woman und The Dodos; in der Nacht von Sonntag (31. August) auf Montag (1. September) gibt es von 00:45 Uhr bis 02:45 Uhr wohl etwas längere Ausschnitte aus den Konzerten von den Editors und Jack Peñate. Nicht zu sehen (weil nicht aufgezeichnet) sind meine persönlichen Festival-Höhepunkte Flaming Lips, Kilians, Mintzkov, Fleet Foxes und Loney, Dear.

Die ständig im Weg stehenden WDR-Kameras und die schiere Omnipräsenz des Senders beim Haldern Pop habe ich zum Anlass genommen, mal Kontakt mit der Pressestelle des WDR aufzunehmen. Gerade, nachdem ich am Wochenende nach Haldern in einer “Rockpalast”-Zusammenfassung vom “Rheinkultur”-Festival gesehen hatte, dass man dort mit sehr viel handlicheren Handkameras gefilmt hatte.

Folgendes wollte ich also wissen:

– Gibt es besondere Kriterien, nach denen entschieden wird, ob ein Festival mit Stand- oder Handkameras gefilmt wird?
– Wie ernst nimmt der WDR die Kritik von Journalistenkollegen und zahlenden Festivalbesuchern?
– Wie viele Stunden Programm vom Haldern Pop werden (ohne Wiederholung und Mehrfachauswertung) insgesamt im “Rockpalast” laufen?
– Wie viele Mitarbeiter des WDR waren beim Haldern Pop insgesamt im Einsatz (“Rockpalast”, Einslive, “Lokalzeit”, …)
– Werden die Übertragungsrechte für Festivals und Konzerte eigentlich (ähnlich wie die für Sportveranstaltungen) eingekauft oder sind sie Teil der Kooperationsvereinbarung zwischen Sender und Veranstalter?

Und folgendes antwortete mir die WDR-Pressestelle:

Der WDR arbeitet je nach Produktion mit unterschiedlichem technischen Material, d.h. sowohl mit Hand- als auch mit festen Kameras.
Grundsätzlich nehmen wir die Kritik von Journalisten, Besuchern oder auch Zuschauern sehr ernst. In diesem Fall gab es einen engen Austausch zwischen den Veranstaltern des Festivals und der Redaktion. Bei den Veranstaltern sind keinerlei Beschwerden bzgl. Behinderungen angekommen.

Der WDR wird rund 9,5 Stunden vom Haldern-Pop-Festival berichten, weitere Infos dazu finden Sie auch auf der Website www.rockpalast.de.

Bitte haben Sie Verständnis, dass wir nicht zu allen internen Planungen Auskunft geben können.

Schade. Es hätte mich doch mal interessiert, ob das Festival wenigstens viel Geld dafür kriegt, dass Berichterstatter in ihrer Arbeit behindert werden und Zuschauer auf hässliche Geräte aus dem Technikmuseum starren müssen. Denn wenn der WDR hülfe, die Ticketpreise unten zu halten, wäre es ja noch okay.

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Musik Digital

Programmhinweis: Haldern-Blog

Heute startet in Rees-Haldern am schönen Niederrhein das 25. Haldern-Pop-Festival. Mit dabei sind unter anderem The Dodos, Fleet Foxes, Maxïmo Park, Flaming Lips, Kula Shaker, Editors, Kate Nash, Kilians, Iron & Wine, Guillemots, Okkervil River und Bernd Begemann – aber auch Kathrin und ich.

Im Zuge einer feindlichen Übernahme (die aber sehr freundlich ablief) werden wir das Haldern-Blog, das im vergangenen Jahr von den Kollegen von Mujuk betrieben wurde, mit Inhalten füllen. Freuen Sie sich auf aktuelle Fotos, Interviews (hoffentlich) und das übliche Gemecker über das niederrheinische Wetter. Hier wird es in den kommenden Tagen entsprechend ein wenig ruhiger zugehen.

Haldern Blog

Disclosure: Das Haldern-Blog wird unabhängig vom, aber in enger Zusammenarbeit mit dem Haldern-Pop-Veranstalter Raum 3 betrieben. Wir bekommen dafür kein Geld, aber (wie die meisten anderen Journalisten auch) freien Zugang zum Festival.

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Musik

The spirit of freedom and Landluft

Neben vielen Pros und Contras, journalistisch tätig zu sein, gibt es ein unschlagbares Argument für diese Arbeit: bei Presseevents gibt es fast immer was zu essen. Gestern hatten die Veranstalter des liebenswerten Haldern-Pop-Festivals gleich zu drei Terminen auf einmal an den schönen Niederrhein geladen: Spargelessen, Pressekonferenz und Konzert. Klar, dass ich mir das nicht entgehen lassen konnte.

Schon bei der Anreise sah man das Prinzip Haldern auf der Gartenterrasse des Gasthofs Tepferd in einem einzigen Bild zusammengefasst: da saßen Dorfbewohner beim Feierabendbier neben internationalen Indiemusikern, erfreuten sich am strahlenden Sonnenschein und kämpften gemeinsam gegen die gefürchteten niederrheinischen Blutsauger-Insekten. In einem Saal, in dem sonst goldene Hochzeiten gefeiert werden, scharten sich Musikjournalisten und Sponsoren um Tische, auf denen Fässchen der niederrheinischen Traditionsbrauerei Diebels standen, die seit mehr als zehn Jahren Partner des niederheinischen Traditionsfestivals ist.

Spargel im Gasthof Tepferd in Rees-Haldern

Obwohl ich ja selbst Niederrheiner bin, konnte ich die in meiner Heimat vorherrschende Begeisterung für Altbier und Spargel nie so ganz teilen. In der urgemütlichen Atmosphäre des Gasthauses allerdings wäre kaum etwas anderes vorstellbar gewesen als das leicht klebrige Gesöff und das Saisongemüse mit der merkwürdigen Konsistenz und dem Aussehen, das eher an männliche Körperteile als an irgendetwas sonst erinnert (viel besser als Spargel schmecken aber eh die Beilagen: Kartoffeln und gekochter Schinken mit richtig viel zerlaufener Butter übergossen). Wie zum Beweis meines Einleitungssatzes standen die meisten Journalisten schon am Büffet, als die Eröffnung desselben gerade verklungen war (besonders Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks scheinen sonst nichts zu Essen zu kriegen).

Haldern v.l.n.r.: Wolfgang Linneweber, Stefan Reichmann

Als alle satt aussahen, begann der halbwegs offizielle Teil des Abends: das Festival feiert in diesem Jahr sein 25-jähriges Bestehen, ein Alter, in dem “normale Halderner schon vier Kinder und ein Haus gebaut” haben, wie Wolfgang “Linne” Linneweber, schon ewig für die Pressebetreuung des Festivals zuständig, scherzte. Das soll natürlich schon irgendwie gefeiert werden, aber eben in bester Haldern-Tradition, also ohne Größenwahn und großes Spektakel. So wird in diesem Jahr die Hauptbühne ausnahmsweise schon am Donnerstag Abend bespielt werden – von Foals und den Flaming Lips.

In kurzen Grußworten verwiesen der Bürgermeister der Stadt Rees und Vertreter von Diebels und der Sparkasse Rees-Emmerich auf die langjährige gemeinsame Geschichte und man merkte noch einmal: in Haldern würde Tradition auch dann groß geschrieben, wenn es kein Substantiv wäre. Chef-Organisator Stefan Reichmann erklärte mehrfach, dass das Festival ohne die Unterstützung der Dorfbewohner nicht denkbar wäre, und kündigte schon mal an, dass der Eingang zum Gelände in diesem Jahr bekränzt sein werde – wie am Niederrhein sonst nach 25 Jahren Ehe üblich.

Mit Restorm gibt es einen neuen Partner im Boot, der gerade mal 25 Wochen alt ist, aber für ähnliche Ideale einsteht: bei der gefühlt viertausendsten Online-Plattform für Musiker sollen diese endlich mal richtig im Mittelpunkt stehen. Theo Favetto, einer der Macher von Restorm, erklärte mir im Anschluss, was auf der Website schon möglich ist und was noch hinzukommen soll. Das klingt durchaus spannend und lohnt die nähere Betrachtung für Musiker und Musikliebhaber.

Das Festival-Line-Up, zu dem bisher unter anderem Bohren und der Club Of Gore, Editors, Iron And Wine, Kate Nash, Okkervil River, The Dodos und, äh: die Kilians gehörten, wurde dann noch eben um acht neue Bestätigungen erweitert: Jamie Lidell, Fleet Foxes, Guillemots, Soko, Gutter Twins, Kula Shaker, The Blakes und Loney, Dear. Ein bis zwei Überraschungen werden später noch verkündet, die Eintrittskarten dürften in etwa zwei Wochen ausverkauft sein.

Guillemots live

Dann war Konzert: zum Abschluss der 25-Jahre-Haldern-Pop-Jubiläums-Tour spielten die Guillemots, White Rabbits, Soko und Loney, Dear im großen Saal des Gasthofs auf einer kleinen Bühne, auf der sonst vermutlich Schützenkapellen und Akkordeon-Orchester auftreten. Es war eine ganz wunderbare Atmosphäre, eben auch typisch Haldern: Indiekids aus ganz NRW standen neben alten Haldernern, tanzten zur Musik der Guillemots und langweilten sich bei den White Rabbits. Dann mussten wir leider weg: der letzte Zug raus aus dem Paradies und Richtung Zivilisation fuhr um 22:50 Uhr vom Bahnhof Haldern ab.