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Musik Rundfunk

Grand-Prix-Liveblog 2009

Eurovision-Begleitessen

Ich fühle mich ein bisschen wie die alte Frau, für die ich beim Zivildienst immer einkaufen musste: Viel zu viel Essen da, aber es könnte ja immer überraschend jemand vorbeikommen. (Die alte Frau hatte allerdings mehr und härteren Alkohol zuhause als ich.)

Aber es soll ja ein längerer Abend werden:

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Musik Rundfunk Digital

Programmhinweis: Ein Liveblog für Moskau

Ein Eisbär schießt Konfetti ins Publikum. Eine riesige digitale MatrjoschkaSie werden es vermutlich noch nicht mitbekommen haben, aber morgen ist wieder die Veranstaltung, die seit einigen Jahren “Eurovision Song Contest” genannt wird und nie “Grand Prix d’Eurovision de la Chanson” hieß.

Im Gegensatz zu den letzten beiden Jahren, als Stefan Niggemeier und ich uns bereits im Vorfeld durch alle Beiträge gekämpft haben, habe ich in diesem Jahr keine Ahnung, was mich beim Finale in Moskau erwartet: Ich habe keines der Halbfinals gesehen und selbst den deutschen Titel habe ich bisher nicht (bewusst) gehört.

Das sind natürlich die besten Voraussetzungen für einen zünftigen Grand-Prix-Abend mit Käsehäppchen, Metigel und russischem Wodka (auf den ich aus persönlichen Gründen allerdings verzichten werde).

Das große Liveblog startet (wie schon 2007 und 2008) um kurz vor 21 Uhr. Bild und Ton entnehmen Sie bitte dem Programm des Ersten Deutschen Fernsehens oder eurovision.tv.

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Musik

Timbalandsmannschaften

Der Grand Prix ist vorbei und schon wird wieder diskutiert, dass das ja alles wieder eine “Ostblock-Verschwörung” gewesen sei, denn immerhin hat mit Russland schon das fünfte Land seit dem Jahr 2000 gewonnen, das früher hinter dem “eisernen Vorhang” lag. Auch bei Stefan geht es in den Kommentaren wieder rund.

Meine Theorie ist ja: Dima Bilan aus Russland hat gewonnen, weil sein “Believe” von Jim Beanz produziert wurde, einem Mitarbeiter von Timbaland.

Denn so beliebt waren die letzten von Timbaland produzierten Songs in Europa:

Nelly Furtado – Maneater
#1 in Bulgarien, Kroatien, Estland, Ungarn, Israel, Portugal, Polen, UK und der Schweiz
#2 in Dänemark, Lettland und Litauen
#3 in Österreich und Tschechien
#7 in Finnland
#9 in Belgien
#10 in den Niederlanden

Justin Timberlake feat. Timbaland – SexyBack
#1 in Deutschland, Irland, Norwegen und UK
#2 in der Schweiz
#3 in Belgien, Finnland und Italien
#4 in Portugal und Schweden
#5 in Österreich und den Niederlanden
#8 in Frankreich
#12 in Dänemark

Nelly Furtado feat. Timbaland – Promiscuous
#1 in Bulgarien, Kroatien, Estland, Ungarn, Israel, Rumänien und der Türkei
#2 in Dänemark, Litauen, Lettland, Polen und Portugal
#3 in Norwegen und UK
#4 in Finnland
#5 in Irland
#6 in Belgien, Deutschland und der Schweiz
#9 in den Niederlanden
#12 in Österreich

Justin Timberlake feat. T.I. – My Love
#1 in Bulgarien
#2 in Schweden, der Schweiz, UK, Deutschland und Irland
#5 in Finnland und den Niederlanden
#6 in Österreich
#7 in Portugal
#10 in Frankreich
#12 in Italien
#19 in Belgien

Nelly Furtado – Say It Right
#1 in Tschechien, Frankreich, Deutschland, den Niederlanden, Litauen, Lettland, Israel, Italien, Polen, Portugal, Rumänien, Slowenien, der Slowakei, der Schweiz und der Türkei
#2 in Österreich und Norwegen
#6 in Russland
#10 in UK
#11 in Schweden
#12 in Irland
#13 in Griechenland

Justin Timberlake – What Goes Around… Comes Around
#2 in Portugal
#3 in Bulgarien und Finnland
#4 in UK
#5 in Österreich, Frankreich, Deutschland, Schweden und der Schweiz
#6 in Irland und den Niederlanden
#7 in Norwegen
#8 in Belgien
#15 in Dänemark
#19 in Italien

Nelly Furtado – All Good Things (Come To An End)
#1 in Österreich, Belgien, Tschechien, Kroatien, Deutschland, Ungarn, Israel, Italien, Lettland, Litauen, Norwegen, Polen, Slowenien, Spanien, der Schweiz
#2 in Estland
#3 in der Türkei
#4 in UK
#5 in Schweden
#6 in Frankreich
#8 in Irland

Timbaland feat. Nelly Furtado and Justin Timberlake – Give It To Me
#1 in Bulgarien, Lettland und UK
#2 in Dänemark, Israel und Irland
#3 in Österreich, Deutschland, Portugal und der Türkei
#4 in Belgien und Norwegen
#5 in Russland
#6 in Tschechien, Finnland und der Schweiz
#7 in Frankreich und den Niederlanden
#8 in Italien
#21 in Schweden

Timbaland feat. Keri Hilson & D.O.E. – The Way I Are
#1 in Bulgarien, Dänemark, Irland, Israel, Norwegen, UK, Polen und der Türkei
#2 in Belgien, Frankreich und Schweden
#3 in den Niederlanden und der Schweiz
#4 in Österreich, Finnland
#5 in Deutschland, Russland

OneRepublic – Apologize
#1 in Österreich, Bulgarien, den Niederlanden, Deutschland, Italien, Polen, Portugal, Spanien, Schweden, der Schweiz, der Türkei und der Ukraine
#2 in Irland, Israel, Belgien, Tschechien, Dänemark, Rumänien und Russland
#3 in UK
#4 in Finnland
#7 in Frankreich

Madonna feat. Justin Timberlake and Timbaland – 4 Minutes
#1 in Belgien, Bulgarien, Dänemark, den Niederlanden, Finnland, Deutschland, Griechenland, Ungarn, Irland, Israel, Italien, Norwegen, Polen, Spanien, der Schweiz, der Türkei, der Ukraine und UK
#2 in Österreich, Frankreich und Schweden
#3 in Rumänien und der Slowakei

Wer (wie die meisten Zuschauer) 25 Songs erstmalig hört, wird sich vermutlich am ehesten an diejenigen Beiträge erinnern (und für sie abstimmen), die ihm diffus bekannt vorkommen. Dafür spricht auch, dass der griechische Beitrag, dessen Beats ebenfalls nach Timbaland klangen (auch wenn der daran nicht beteiligt war), immerhin Dritter geworden ist.

[Quellen: Wikipedia und αcharts.us]

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Musik Rundfunk

Grand-Prix-Liveblog 2008

20:57 Uhr: Sodele, dann begrüße ich Sie mal ganz herzlich im diesjährigen Grand-Prix-Liveblog. Metigel und Grillgut sind da, der Prosetschio ist tiefgekühlt und gleich mach ich mir noch ein Mon Cherie warm.

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Musik Rundfunk

Das Ende eines phantastischen Zeitalters

Das war ja klar: wir hören uns alle 43 Titel an, die in diesem Jahr beim Eurovision Song Contest (vulgo: “Grand Prix”) antreten, ich finde sogar ein Lied, das mir ganz ehrlich und ohne Ironie gefällt – und das scheitert dann natürlich grandios bereits im Halbfinale.

Leider lag die Treffsicherheit der Töne auf der Bühne ungefähr bei einem halben Kasten Bier auf der nach oben offenen Thees-Uhlmann-Skala und die “Choreographie” hätte Detlef D! Soost sicher mit markigen Worten in die Tonne getreten. Aber ich dachte mir, bevor der einzig wirklich gute Song des diesjährigen Grand Prix wieder völlig in der Versenkung verschwindet, gönne ich ihm hier noch mal seine 3:28 Minuten Ruhm.

Meine Damen und Herren, mit der Startnummer 42, zum letzten Mal dabei, bitte nicht wiederwählen: Paolo Meneguzzi aus der Schweiz mit “Era Stupendo”!

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Musik Digital

Auswärtsspiel: Der große Grand-Prix-Führer 2008

Wir wissen auch nicht mehr warum, aber Stefan Niggemeier und ich, wir haben uns sämtliche 43 Titel, die dieses Jahr in zwei Halbfinals und einem Finale am Grand Prix teilnehmen, angehört. Mehrmals. Und darüber geschrieben. Nämlich hier.

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Musik Rundfunk Fernsehen

Raabenvater

01:42 Uhr in der Nacht von Donnerstag auf Freitag ist vielleicht nicht unbedingt der glamouröseste Zeitpunkt, um eine Pop-Karriere zu starten. So spät war es heute früh, als bei Stefan Raabs kleinem Talentwettbewerb die Siegerin feststand: die achtzehnjährige Stefanie Heinzmann aus Eyholz in der Schweiz. Die Sendung und vor allem die Kandidaten hätten einen weit besseren Sendeplatz verdient gehabt als den im Anschluss an Sonya Kraus’ Trash-Parade “Simply The Best”.

Doch worum ging es eigentlich? Im April des letzten Jahres stieg Max Buskohl freiwillig bei “Deutschland sucht den Superstar” aus, weil er lieber mit seiner Band Empty Trash musizieren wollte. Wegen bestehender Verträge durfte er aber zunächst nirgendwo mehr auftreten, auch nicht bei “TV Total”, wohin Stefan Raab ihn sofort eingeladen hatte. Raab zettelte erst einen “TV-Skandal” (“Bild”) an, indem er Buskohl als RTL-“Geisel” inszenierte, dann kündigte er einfach seine eigene Castingshow an: “Stefan sucht den Superstar, der singen soll was er möchte und gerne auch bei RTL auftreten darf” (“kurz”: SSDSDSSWEMUGABRTLAD).

Raab hatte Erfahrung mit Castingshows: Im Jahr 2004 hatte er mit “Stefan sucht den Super-Grand-Prix-Star” (“SSDSGPS”) den letzten ernst zunehmenden Versuch sabotiert, aus dem deutschen Vorentscheid zum Schlager-Grand-Prix doch noch eine zeitgemäße Veranstaltung zu machen. Dafür verhalf er dem Sänger Max Mutzke über Nacht zum Nummer-Eins-Hit, holte mit ihm in Istanbul den bis heute letzten deutschen Top-Ten-Platz beim Grand Prix und bekam für all das auch noch den Grimmepreis. Dann hatte Raab genug vom Grand Prix und rief den “Bundesvision Song Contest” ins Leben, der sich aus dem Stand heraus zu einer der wichtigsten Veranstaltungen der deutschen Musikszene entwickelte. Raab selbst mutmaßte in einem “Behind the scenes”-Special zum aktuellen Wettbewerb, es hätten sich deshalb so viele interessante Musiker beworben, die nie in eine reguläre Castingshow gegangen wären, weil sie sich bei ihm und seinem Team sicher sein konnten, ernst genommen zu werden und sie selbst bleiben zu dürfen.

Und in der Tat: Was da an Kandidaten in den ersten Entscheidungsshows auflief, hätte jeden RTL-“Superstar” in Grund und Boden singen können. Darunter jede Menge echte Typen, die man nicht nur wegen ihres Exoten-Faktors mit reingenommen hatte. Die von Anfang an hohe Qualität machte die Jury-Urteile von Raab, Buskohl-Papa Carl Carlton und wechselnden Gästen wie Ange Engelke, Sasha oder gestern Universal-A&R Jochen Schuster dann natürlich ein bisschen langweilig, wie Christoph Cadenbach bei “Spiegel Online” bemerkt:

Da wünschte man sich, so traurig das scheint, eine Lederhaut wie Dieter Bohlen herbei, der die Kandidaten mal so richtig vor den Kameras scharfrichtet.

Wer sich darüber wundert, dass ausgerechnet dem immer noch als “Großmaul” verschrienen Stefan Raab eine kuschlige Castingshow und damit die vermeintliche Quadratur des Kreises gelungen ist, hat die Entwicklung der letzten Jahre verpasst: Raab hat aus Schnapsideen Großereignisse wie die “Wok-WM” entwickelt, er hat mit “Schlag den Raab” die große (und ewig lange) Samstagabendshow wieder zum Leben erweckt und dürfte in der Retrospektive irgendwann als einer der wichtigsten Fernsehmacher der Nuller Jahre gesehen werden. Und wenn seine Autoren ihm nicht jedesmal, wenn das Thema Frauenfußball zur Sprache kommt, gänzlich unsägliche Lesbenwitze aus der untersten Schublade kramen würden, hätte er vielleicht auch einen allgemein besseren Ruf.

Doch zurück zum gestrigen Finale, bei dem vier mehr oder weniger unwahrscheinliche potentielle Popstars zur Wahl standen: Mario, ein zwanzigjähriger Cowboy, der ausschließlich Country-Songs gesungen und es damit immer wieder in die nächste Runde geschafft hatte; Steffi, eine sympathische Fränkin, die überall sonst das Label “Rockerbraut” verpasst bekommen hätte, wenn sie mit 32 überhaupt noch hätte teilnehmen dürfen; Gregor, der ab der zweiten Show mit selbst geschriebenen, deutschsprachigen Balladen angetreten war, und Stefanie, eine achtzehnjährige Schweizerin, die anspruchsvolle und mitunter abwegige Soul- und Funksongs schmetterte, als habe sie nie etwas anderes gemacht, und die sich selbst immer am meisten über ihr Weiterkommen zu wundern schien. Diese Kandidaten hatten bis gestern alle keine Nachnamen, keine Familie, die in Einspielfilmen erzählen musste, dass die Kinder ja noch “total auf dem Boden geblieben” seien, und kein Privatleben, das in der “Bild am Sonntag” ausgebreitet wurde. Die Kandidaten und ihre Songs reichten völlig aus, was im Gegenzug leider auch hieß, dass der Wettbewerb fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand – und ich hab ja auch bisher nie darüber geschrieben.

Dass Stefanie schließlich vor Gregor und Steffi das Finale gewinnen würde (Mario war bereits nach dem ersten von zwei Songs ausgeschieden), zeichnete sich schon an den Zuschauerreaktionen ab: das Studiopublikum hörte kaum noch auf zu toben, nachdem sie “Only So Much Oil In The Ground” von Tower Of Power zum Besten gegeben hatte. Leider ist “My Man Is A Mean Man”, das ihr die schwedischen Autoren Markus Sepehrmanesh, Tommy Tysper und Gustav Jonsson geschrieben haben, nicht so spannend geraten – schon gar nicht in der Studioversion.

Denn bereits heute kann man eine Single kaufen, auf der praktischerweise alle vier Finalisten mit ihren neuen Songs vertreten sind – bei iTunes zum Beispiel schon seit Ende der Sendung. Und da wollen wir doch noch mal ganz kurz reinhören:

Stefanie Heinzmann – My Man Is A Mean Man (Livevideo aus der Sendung)
Eine gefällige Soulpop-Nummer, die ein wenig an Joss Stone, die neueren Christina-Aguilera-Sachen oder die Supremes erinnert. Nett, aber bei der Stimme wäre viel mehr drin gewesen.

Gregor Meyle – Niemand (Livevideo)
Gregor ist der Einzige der Finalisten, der seinen Song selbst geschrieben hat. “Niemand” hatte er schon während der Entscheidungsshows im Dezember gespielt und es ist fürwahr ein erstaunlich guter Song. Zwar ist das Gerede von Carlton und Raab, man habe den besten deutschsprachigen Songwriter seit Jahren entdeckt, schon ziemlich übertrieben, anderseits stellt man sich natürlich auch die Frage, welche neuen deutschsprachigen Songwriter es in den letzten Jahren denn wohl überhaupt so gab – zumindest keinen, der derart lyrisch und dennoch unpeinlich über die ganz großen Gefühle gesungen hätte. Mit der U2-Instrumentierung ist das dann schon recht großer Sport. Nach den anderen Eigenkompositionen, die der Mann in der Show gespielt hat, kann man da ein erstaunliches Album erwarten.

Steffi List – Break The Silence (Livevideo)
Das Lied, das in der Studioversion am sattesten geraten ist. Die klangliche Nähe zu K’s Choice liegt vor allem daran, dass Steffis Stimme ordentlich nach der von Sarah Bettens klingt. Der Song könnte sonst aber auch von Heather Nova, Sophie B. Hawkins oder Sheryl Crow sein – was ich jetzt merkwürdigerweise als Kompliment meine.

Mario Strohschänk – Don’t Feel Sorry For Me (Livevideo)
Na, das höre ich ja schon bei WDR2 rauf und runter laufen. Klingt wie die Songs, die Gregg Alexander für Ronan Keating geschrieben hat, oder das Comeback-Album von Take That: Schon ein wenig arg glatt und mainstreamig, aber doch grad noch so, dass man es eher als “eingängig” denn als “cheesy” bezeichnen würde. Raab hat schon recht, wenn er meint, dass man Mario den Südstaaten-Amerikaner glatt abnehmen würde.

Kurzum: Die Single ist Pop im besten Sinne. Ob Stefan Raab bei seiner Suche nun wirklich einen “Superstar” gefunden hat, wird sich (wie bei jeder Castingshow) noch zeigen. Die Voraussetzungen (Talent und eine Zielgruppe, die möglicherweise loyaler ist als die Horden kreischender Teenies, die jedes Jahr für ein anderes One-Hit-Wonder jubeln) sind jedenfalls gut. Man sollte RTL sehr dankbar sein, dass sie Max Buskohl unter Verschluss gehalten haben.

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Digital Leben

Panik ohne Listen

Popkulturliebhaber neigen mitunter dazu, alles in Listen zu organisieren. Das wissen wir spätestens seit Nick Hornbys “High Fidelity” (Platz 2 meiner Lieblingsbücher, Platz 4 meiner Lieblingsfilme).

Ich habe schon mein Leben lang Spaß an Listen und Statistiken. Den Grand Prix Eurovision de la Chanson habe ich hauptsächlich wegen der ellenlangen, wahnsinnig ermüdenden Punktevergabe am Schluss geschaut. Ich habe sogar mit Playmobil-Figuren eigene Grand Prixes ausgetragen, wobei auch dort die Vergabe und Berechnung der Jurystimmen der für mich unterhaltsamste Teil waren. Ich habe vor Fußballweltmeisterschaften deren Ausgang berechnet (Weltmeister 1994 wurde Deutschland mit einem 2:1 gegen Argentinien) und eigene Sportligen gegründet und durchgerechnet – alles noch mit Papier und Kugelschreiber.

Als ich anfing, Kassettenmädchenkassetten aufzunehmen, habe ich die genauen Playlists in den Computer eingetragen. So wusste ich hinterher, welche Songs das entsprechende love interest bereits von mir erhalten hatte, kann aber heute auch relativ schnell überprüfen, was die essentiellen Hits auf bisher über 65 Mixtapes und -CDs waren: “Try, Try, Try” von den Smashing Pumpkins, “Just Looking” von den Stereophonics und “Charm Attack” von Leona Naess kommen auf jeweils fünf Einsätze (bei den Bands liegen Travis mit 56 Songs vor den Stereophonics und Ben Folds Five mit jeweils 46).

Seit vielen Jahren führe ich Excel-Tabellen, in denen ich vermerke, welche CDs ich wann und wo für welchen Preis gekauft habe (im vergangenen Jahr 63 Alben und Singles für durchschnittlich 7,77 Euro) oder wann ich wo mit wem im Kino war und welchen Film wir dort gesehen haben (früher sogar noch mit einer Bewertung für jeden Film versehen).

Hätten wir uns im Mathematik-Grundkurs noch mit Statistik beschäftigt, wäre mein Abiturschnitt (den ich überraschenderweise nicht vorab berechnet hatte) bestimmt besser ausgefallen.

Ich bin also das, was man einen “Statistikfreak” nennen könnte, und würde nicht groß widersprechen, wenn mir jemand einen milden Autismus auf dem Gebiet unterstellte.

Deshalb bin ich auch ziemlich traurig, dass Blogscout dicht gemacht hat. So long and thanks for all the numbers.

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Musik Rundfunk

Grand-Prix-Liveblog

Weil die Vorberichterstattung in der ARD mich ein wenig irre gemacht hat, kam mir die Idee, doch noch ein ganz spontanes Grand-Prix-Liveblog zu starten. Wenn alles gutgeht, gibt’s also hier gleich die halbherzige Nebenberichterstattung.

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Musik

In Erinnerung vergangener Tage

Ich habe mich auf Einladung von Stefan Niggemeier intensiv mit den Beiträgen für den diesjährigen Grand Prix beschäftigt. Besonders fasziniert hat mich an diesem Wettbewerb immer schon die unendlich lange, körperlich anstrengende und mit bleischwerer Diplomatie belastete Punktevergabe, was sich wohl mit meiner Faszination für Listen und Statistiken in der Popmusik bestens erklären lässt. Mir fiel aber auch wieder ein, wann ich den Grand Prix das erste Mal bewusst verfolgt habe: 1993, als meine damalige Lieblingsband für Deutschland antrat.

Yes, indeed: Ich war zu Beginn meiner Musikkonsumentenlaufbahn Fan der Münchener Freiheit. Das ist aber, spätestens seit Jochen Distelmeyer sich zu der Band bekannt hat, auch gar keine sonderlich kredibilitätsschädigende Äußerung mehr. Und da ich die mir zum zehnten Geburtstag geschenkte (und damit vermutlich tatsächlich erste) CD “Ihre größten Erfolge” immer noch bei mir rumfliegen habe (den Mut, sie zwischen Morcheeba und K.D. Lang ins Regal zu stellen, hatte ich dann doch nicht), hab ich gerade noch mal reingehört.

Die gruseligste Nachricht gleich vorab: Ich kann noch immer weiter Teile der Texte mitsingen, bei manchen verstehe ich allerdings erst heute, wovon sie handeln. “So lang’ man Träume noch Leben kann” ist einfach immer noch ein gutes Lied, “Verlieben Verlieren” der vielleicht einzig geglückte Versuch, die Beach Boys in deutscher Sprache nachzuempfinden, die Musik von “Bis wir uns wiederseh’n” oder “Tausend Augen” könnte auch in einem schwächeren Moment von den Pet Shop Boys ersonnen worden sein, und bei manchen Liedern nimmt Stefan Zauner sogar den Gesangsstil von Bill Kaulitz vorweg – lange, bevor der überhaupt gezeugt wurde.

Einige Lieder wirken reichlich antiquiert, andere sind aber von einer zeitlosen, nun ja: Zeitlosigkeit: Musikalisch durchdacht (ich hab gerade erst erfahren, dass Stefan Zauner mal bei Amon Düül II mitgewirkt hat) und textlich dem altbekannten Schicksal ausgeliefert, dass deutschsprachige Texte eben tausendmal kritischer beäugt werden als englische. Entsprechend dämlich wirken manche Texte deshalb heutzutage und taten es wohl schon bei ihrem Erscheinen. Verglichen mit manchen heutigen Texten so mancher Indiebands und vor dem Hintergrund, dass zumindest einige der Songs noch als Spätausläufer der Neuen Deutschen Welle entstanden, relativiert sich so ein Urteil aber recht schnell wieder. Ob man sowas, bekäme man es heute neu vorgesetzt, noch ansatzweise gut fände, darf sicherlich ernstlich bezweifelt werden, aber als Erbe des eigenen Geschmacks kann man sich wohl ein- bis zweimal jährlich mit dieser Musik auseinandersetzen. So klangen halt die Achtziger, und es ist ein Wunder, dass wir, die in dieser Zeit aufgewachsen sind, nicht ernstere Schäden davongetragen haben – z.B. irgendeine Art von Bewunderung für Marius Müller-Westernhagen oder Heinz Rudolf Kunze.

An den Grand-Prix-Song der Münchener Freiheit kann ich mich übrigens gar nicht mehr erinnern. Dass er “Viel zu weit” hieß, musste ich gerade nachschlagen, und den Gedanken, auch die akustische Erinnerung aufzufrischen, habe ich schnell verworfen. Was ich aber noch weiß: Da es damals noch keinen Grand-Prix-Vorentscheid gab, wurde das Lied einfach von einem geheimen Gremium ausgewählt und dem Publikum in einer ARD-Fernsehshow vorgestellt. Diese Sendung lief an einem Donnerstagabend in den Osterferien (sonst hätte ich sie kaum sehen dürfen), wurde von Dagmar Frederic moderiert, und ich weiß auch noch, dass es ein idiotisches Gewinnspiel gab, bei dem man anhand verschiedener Tipps erraten musste, in welcher Stadt eine Bildtelefonzelle aufgestellt worden war, die man dann aufsuchen musste, um mit Frau Frederic live zu bildtelefonieren.

Ich möchte diesen Artikel deshalb mit einem Zitat von Max Goldt schließen, dessen Verwendung ich noch nicht für möglich gehalten hätte, als ich die ersten Zeilen schrieb:

Die Menschheit sollte sich übrigens mal auf ihren gut 13 Milliarden Knien bei der Zivilisation dafür bedanken, dass ihr das Bildtelefon erspart geblieben ist.

PS: Wo wir gerade von Westernhagen sprachen: Es scheint unter Musikkonsumenten wie Musikern eine kanonische Einigkeit darüber vorzuherrschen, dass der widerlichste, anbiederndste Moment bundesrepublikanischer Deutschrockgeschichte auf Westernhagens Livealbum zu finden ist. Wenn er zwischen “alle, die von Freiheit träumen” und “sollen Freiheit nicht versäumen” sein “So wie wir heute Abend hier!!!!1” in die Dortmunder Westfalenhalle blökt, möchte man auch 17 Jahre danach noch in die nächstgelegene Ecke kotzen.