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Gesellschaft

Klickbefehl (20)

Anatol Stefanowitsch wollte für seine Töchter Legofiguren kaufen und stellte dabei fest, dass die fast alle Männchen sind. Das stimmt ihn nachdenklich:

Ich bin ein großer Lego-Fan, aber als Vater von zwei Mädchen, die im Leben alles erreichen können sollen, was sie sich vornehmen, hat mich das schockiert. Es hat mich an die unzähligen Kinderbücher erinnert, deren Sexismus ich beim Vorlesen stillschweigend herauseditiert habe: die Geschichte vom mutigen kleinen Fuchsjungen, der interessiert die Welt erkundet, während seine Schwestern lieber bei der Mutter bleiben (er wurde bei mir ein mutiges kleines Fuchsmädchen), die Geschichte von den Kindern aus der Krachmacherstraße, die mit der Bahn in den Urlaub fahren, weil „Mama natürlich nicht autofahren kann“ (sie wurde bei mir zur umweltbewussten BahnCard-Besitzerin), […] .

Der ganze großartige Artikel, nach dessen Lektüre man sich fragt, in was für einem veralteten Weltbild Mädchen eigentlich heutzutage immer noch aufwachsen sollen, steht im Bremer Sprachblog.

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Unterwegs Politik

Vor Erfurt

Die Grünen (Symbolfoto)

Morgen früh geht’s los nach Erfurt zur Bundesdelegiertenkonferenz der Grünen. Die wird vermutlich nur noch so lange so heißen, bis jemand auf die Idee kommt, dass man von Partizipen auch weibliche Formen bilden könnte — denn dann muss es natürlich “BundesdelegiertInnenkonferenz” heißen. Bei den Grünen müssen Anträge nämlich in “geschlechtergerechter Sprache” formuliert werden — und das nicht etwa seit der Gründung in den frühen Achtziger Jahren, sondern seit 2007. Sprachästhet, der ich bin, werde ich in meiner Berichterstattung auf derlei Mätzchen allerdings verzichten. Sonst müsste ich die Partei ja auch “Bündnis 90/Die Grüninnen und Grünen” nennen.

Auf noch etwas möchte ich hinweisen: Erwarten Sie von mir um Himmels Willen keine politischen Analysen. Ich habe keine Ahnung von Politik, was Sie schon daran merken können, dass ich diese regelmäßig an dem messe, was ich “gesunden Menschenverstand” nennen würde. Politik interessiert mich als Popkulturfanatiker und studierter Germanist eher von außen: Was reden die da (zumeist gedacht als “Was zum Henker reden die da für eine Scheiße?”), was passiert da, wie wirkt das? Der Umstand, dass ich auf Parteipolitik mit Schütteln am ganzen Körper reagiere, ist übrigens jenen Bochumer SPD-Lokalpolitikern geschuldet, die mich nach einem Interview, das ich als Praktikant für CT das radio mit ihnen führen musste, zum Parteibeitritt zu überreden versuchten.

Ich möchte aus Gründen der Transparenz auch noch einmal darauf hinweisen, dass die Grünen mir (und den vier anderen Stipendiaten) Anreise und Unterkunft bezahlen. Dafür opfern wir aber unsere Wochenenden und teilweise Urlaubstage (und ich die Möglichkeit, den Sieg von Borussia Mönchengladbach gegen Bayern München in einer Fußballkneipe zu gucken). Zwar hätte ich durchaus “die finanziellen Möglichkeiten […], zu Veranstaltungen zu reisen”, wäre aber von alleine nie auf die Idee gekommen, einen Parteitag zu besuchen. Wenn Sie dieses Blog regelmäßig lesen, kennen Sie meine Meinung zu Veranstaltungen, auf denen viel geredet wird.

Auch soll nicht unerwähnt sein, dass ich in der Vergangenheit schon das eine oder andere Mal mein Kreuz bei den Grünen gemacht habe — im schlimmsten Fall könnte die Partei also mit end- und sinnlosen Diskussionen einen möglichen Wähler verlieren. Als Reaktion auf die unfähige und das Grundgesetz verachtende große Koalition halte ich für 2009 allerdings eine gelb-grüne Bundesregierung für die einzige Alternative.

Alle Blog-Einträge zur Bundesdelegiertenkonferenz können Sie unter dem Tag bdk08 finden bzw. bei Nicht-Interesse ignorieren.

Und hier noch die Links zu den vier anderen Blogs:
www.regine-heidorn.de
flannelapparel.blogspot.com
www.jurblog.de
www.pottblog.de

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Musik Gesellschaft

A Different Beat

Ich gebe zu, ich hatte nicht mitbekommen, dass sich Boyzone zu einer Reunion zusammengefunden hatten. East 17: klar, Take That: sowieso, aber Boyzone, die immerhin auf Platz 3 meiner imaginären Liste der okayen Boybands der Neunziger standen: nee, verpasst.

Dabei hat die Band im Oktober mit “Back Again … No Matter What” ihre immerhin sechste Greatest-Hits-Compilation auf den Markt gebracht (zum Vergleich: in den Neunzigern kamen drei reguläre Alben raus). Am 8. Dezember erscheint die Single “Better”, die reichlich öde ist und deshalb beste Chancen hat, Christmas No. 1 in Großbritannien zu werden.

All das wäre nicht der Rede wert, wenn … ja, wenn das Video nicht eine kleine Sensation darstellte: während seine vier Bandkollegen eine Frau zum Ansingen und -schmachten haben, kuschelt Stephen Gately mit einem Mann.

"Better"-Video: Stephen Gately und ein anderer MannGenau genommen ist das nur konsequent, denn Gately war 1999 auch das erste aktive Boyband-Mitglied, das seine Homosexualität öffentlich machte. Aber während t.A.T.u. und Katy Perry mit Lesben-Chic kokettieren und “Bild” ernsthaft (also, so weit man bei “Bild” von Ernst sprechen kann) “Warum ist lesbische Liebe plötzlich so schick?” fragt, waren kuschelnde Jungs und Männer im Mainstream der Popkultur bisher nicht mal eine Ausnahme, sondern schlicht nicht existent.

Es stimmt also durchaus, wenn Caroline Sullivan im “Guardian” schreibt, das Boyzone-Video sei “rather groundbreaking”. Allerdings schränkt sie auch ein, man solle nicht zu viele Nachahmer erwarten:

With less to lose than an ascendant new band, it was easy for Boyzone to do the right thing by Gately. The few other established groups with openly gay members tend to tread lightly around the subject.

Das eigentlich Erstaunliche an dem Video – neben der Frage, warum es zuerst schwule Bürgermeister und Parteivorsitzende gab und dann erst kuschelnde Männer in Musikvideos – ist die fast schon nebensächliche Selbstverständlichkeit, mit der zwischen den vier Mann/Frau-Paarungen diese zwei Männer stehen: kein Schockeffekt, kein “Seht her, zwei Schwule!” wie damals in der “Lindenstraße”. Es ist dieses Plädoyer für Normalität, die dieses durchschnittliche Video für ein langweiliges Lied zu etwas Außergewöhnlichem macht. Im Jahr 2008.

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Digital

Zitatenstrauß: Malte Welding

Ich habe Sylvie van der Vaart am Samstag einige Minuten bei Wetten, dass… gesehen und mich gefragt, ob Gleichberechtigung nicht erst erreicht ist, wenn es endlich Männer gibt, die dafür berühmt sind, dass sie mit einer Sportlerin verheiratet sind, sich chronisch unterbekleiden, dafür aber grinsen, als hätten sie einen Clown, der mit Kicherbsen großgezogen wurde, verspeist. Wenn so ein Mann dann dafür gefeiert wird, dass es ihm gelingt, anstrengende Friseurbesuche UND Kindererziehung zu verbinden, brauchen wir keine Frauenquoten mehr.

Malte Welding bei Spreeblick über Sylvie van der Vaart Schönheit.

[Zitatenstrauß, die Serie]