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Bist Du noch wach? — 6. Wie geht noch mal Konzentration?

Wor­um geht es bei den dies­jäh­ri­gen Nobel­prei­sen und wel­che guten Nach­rich­ten gab es in letz­ter Zeit? Das sind nur zwei der Fra­gen, denen Sue und Lukas in der neu­es­ten Fol­ge auf den Grund gehen.

Wir wol­len wis­sen, war­um man auf Papier bes­ser lesen kann als am Bild­schirm, und wie groß die Deut­sche Ein­heit wirk­lich ist.

Wir zer­pflü­cken den pop­kul­tu­rel­len Kanon und sagen end­lich die Wahr­heit über schlech­te Fern­seh­se­ri­en, Bücher und Bands!

Wenn Ihr uns schrei­ben wollt (zum Bei­spiel, weil Ihr eige­ne Fra­gen habt), könnt Ihr das unter bistdunochwach@coffeeandtv.de tun!

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Journalisten im Backwahn

Neu­lich war ich auf einer Jour­na­lis­ten­ta­gung. Ich konn­te das vor mir selbst recht­fer­ti­gen, indem ich auf dem Podi­um sag­te, dass ich kei­ne Jour­na­lis­ten­ta­gun­gen (und kei­ne Blog­ger­tref­fen) mag. Die anwe­sen­den Jour­na­lis­ten waren anschlie­ßend so nett, mir noch ein­mal zu erklä­ren, war­um das eigent­lich so ist.

Ich saß im Publi­kum einer Dis­kus­si­on über das Urhe­ber­recht, die ganz außer­ge­wöhn­lich kusche­lig zu wer­den droh­te, weil nie­mand, der vor­her irgend­wel­che Auf­ru­fe zur Ret­tung des Urhe­ber­rechts (vor wem auch immer) unter­zeich­net hat­te, an der Dis­kus­si­on teil­neh­men woll­te. (Oder konn­te – viel­leicht fand zeit­gleich das Jah­res­tref­fen der Offe­ne-Brie­fe-zur-Ret­tung-des-Urheb­ber­rechts-Unter­zeich­ner statt, wer weiß schon, was Men­schen, die offe­ne Brie­fe unter­zeich­nen, so in ihrer Frei­zeit machen.)

JEDENFALLS: Ein Ver­tre­ter der Pira­ten­par­tei erklär­te gera­de, dass es ja durch­aus vie­le Men­schen gebe, die für Inhal­te zah­len wür­den, die­se Bezah­lung in vie­len Fäl­len aber unmög­lich sei. Die popu­lä­re Fern­seh­se­rie „Game Of Thro­nes“ etwa wer­de vom Sen­der HBO aus­schließ­lich über ihren Bezahl­ka­bel­ka­nal ver­trie­ben und ein Jahr nach Aus­strah­lung der Staf­fel auf DVD ver­öf­fent­licht. Wer die Serie zeit­nah sehen wol­le (etwa, um im Freun­des­kreis mit­re­den zu kön­nen), wer­de qua­si in die Ille­ga­li­tät gezwun­gen, selbst wenn er eigent­lich bereit wäre, gutes Geld für einen lega­len Zugang zu zah­len.

Tat­säch­lich ist die­se HBO/„Game of Thrones“-Geschichte ein bemer­kens­wer­ter Fall, denn eine neue Zugangs­mög­lich­keit zu den HBO-Seri­en wür­de das eigent­li­che Geschäfts­mo­dell des Sen­ders, den Absatz sei­ner Kabel­pa­ke­te, gefähr­den. Statt die­ses Risi­ko ein­zu­ge­hen, nimmt HBO die welt­wei­te Ver­brei­tung der Serie durch Drit­te eini­ger­ma­ßen bil­li­gend in Kauf – und hofft offen­bar dar­auf, dass die Fans dann schon noch anschlie­ßend die DVDs kau­fen wer­den.

Über all das wur­de bei der Podi­ums­dis­kus­si­on nicht gespro­chen, denn es erhob sich ein Mann (wie ich anneh­men muss: ein Jour­na­list) im Publi­kum und fing laut­stark zu schimp­fen an: Wo wir denn da hin­kä­men, wenn der Kon­su­ment plötz­lich bestim­men wür­de, auf wel­chem Weg und zu wel­chen Kon­di­tio­nen er das Pro­dukt gelie­fert bekom­me?! Wenn der Sen­der die Serie nicht anders ver­kau­fen wol­le, müs­se man halt war­ten. Man wür­de ja auch nicht beim Bäcker sagen: „Du willst zwan­zig Cent für die Bröt­chen, aber ich geb‘ Dir nur zehn!“ (Ich kann mich nicht an den genau­en Wort­laut erin­nern, aber die Bröt­chen­prei­se waren defi­ni­tiv nicht zeit­ge­mäß.)

Mal davon ab, dass sei­ne Wort­mel­dung ver­gleichs­wei­se weit am eigent­li­chen Punkt vor­bei­ging und ich ob sei­nes Geschreis ganz drin­gend aus dem Ver­an­stal­tungs­raum flie­hen muss­te, blieb mir der Mann im Gedächt­nis.

Was, so dach­te ich, muss bei einem Autor falsch gelau­fen sein, damit er sei­ne Tex­te mit Bröt­chen ver­gleicht?

Ges­tern dann ver­folg­te ich im Inter­net eine wei­te­re Podi­ums­dis­kus­si­on und wie­der fing irgend­ein Chef­re­dak­teur an, von Bröt­chen zu reden. Da däm­mer­te mir: So wird das nichts mehr mit dem Jour­na­lis­mus in Deutsch­land.

Damit wir uns nicht falsch ver­ste­hen: Das Back­hand­werk ist ein ehren­wer­tes Gewer­be, vor dem ich – wie vor allen Hand­wer­ken – größ­ten Respekt haben. Wer möch­te schon mit­ten in der Nacht auf­ste­hen, um Mehl­staub ein­zu­at­men und sei­ne Hän­de in eine kleb­ri­ge Mas­se zu drü­cken? Dar­über hin­aus ist es eine hohe Kunst: Es ist außer­halb Deutsch­lands nahe­zu unmög­lich, ein geschei­tes Brot zu fin­den, und wirk­lich gute Bröt­chen fin­det man nir­gend­wo mehr, seit die Bäcke­rei Hal­len in Dins­la­ken ihre Pfor­ten hat schlie­ßen müs­sen.

Damit wir uns des wei­te­ren nicht falsch ver­ste­hen: Auch ich möch­te für mei­ne Arbeit, in die­sem Fall das Erstel­len von Tex­ten und lus­ti­gen Vide­os, ange­mes­sen ent­lohnt wer­den.

ABER: Mei­ne Tex­te sind kei­ne Bröt­chen! Nie­man­des Tex­te sind das!

Text und Brötchen im Direktvergleich (Symbolfoto).
Wer­den oft ver­wech­selt: Text (links, über den Euro­vi­si­on Song Con­test in Baku) und Bröt­chen (rechts, mit Kür­bis­ker­nen).

Zwar schei­nen man­che Jour­na­lis­ten und die meis­ten Ver­le­ger über­zeugt, dass ihre Tex­te für die Mensch­heit so wich­tig sind wie das täg­li­che Brot, aber das macht sie noch nicht zur Back­wa­re.

Man könn­te das natür­lich durch­spie­len und augen­zwin­kernd fest­stel­len, dass die Leu­te anschei­nend auf Marie-Antoi­net­te gehört haben und jetzt ein­fach Kuchen essen statt Brot. Dafür müss­te man sich noch über­le­gen, was in die­ser Meta­pher jetzt der Kuchen wäre (Blogs? Goog­le?), aber das Bild wür­de mit jedem Gedan­ken schie­fer. Tex­te sind kei­ne Bröt­chen!

Tex­te wer­den nicht geba­cken, man kann sie nicht nach fünf Tagen klein­ho­beln und mit ihnen Schnit­zel panie­ren und vor allem wer­den Tex­te nicht an Leser ver­kauft, son­dern an Ver­le­ger. (Dass die dann sagen, sie wür­den ger­ne aber nur die Hälf­te des Prei­ses zah­len wol­len, ist das eigent­li­che Pro­blem für die Jour­na­lis­ten.)

Das gan­ze The­men­feld „geis­ti­ges Eigen­tum“ ist ver­mint mit hin­ken­den Ver­glei­chen, aus dem Boden von Fäs­sern her­aus­ge­schla­ge­nen Kro­nen, ver­un­fall­ten Meta­phern, fal­schen oder wenigs­tens über­hol­ten Annah­men und unglück­li­chen Begrif­fen. Ja, „geis­ti­ges Eigen­tum“ ist schon ein sol­cher unglück­li­cher Begriff, weil der Geist ja eben so erfri­schend unkör­per­lich ist. Das über­for­dert vie­le Vor­stel­lungs­kräf­te, wes­we­gen die Katho­li­sche Kir­che den Hei­li­gen Geist kur­zer­hand in eine Tau­be gepackt hat. Das ist auch nur ein Bild, lie­be Jour­na­lis­ten (wenn auch weit weni­ger bescheu­ert als geba­cke­ne Tex­te): Wenn Euch eine Tau­be auf den Kopf kackt, ist das in den sel­tens­ten Fäl­len ein Zei­chen Got­tes.

Wir kön­nen über alles dis­ku­tie­ren (ach, das tut Ihr ja schon seit 15 Jah­ren): über die Mög­lich­keit, ein­zel­ne Tex­te zu bezah­len; dar­über, dass die Wer­be­kun­den ins Inter­net abwan­dern; über die schlech­ten Arbeits­be­din­gun­gen von Jour­na­lis­ten und die teils ekli­gen Ver­trä­ge, die ihnen die Ver­la­ge vor­le­gen; dar­über, dass guter Jour­na­lis­mus natür­lich bezahlt wer­den muss, und über vie­les mehr.

Aber wenn Men­schen, die aus­schließ­lich von der Kraft ihrer Gedan­ken leben, Tex­te mit Bröt­chen ver­glei­chen, dann sehe ich für alle wei­te­ren Gesprächs­an­sät­ze aus­ge­spro­chen schwarz.