Ich liebe es, Sport im Fernsehen zu gucken. Ich selber betreibe außer Treppensteigen gar keinen Sport, aber anderen dabei zuzusehen, macht mir Spaß. Gerade die Olympischen Spiele, bei denen man so außergewöhnliche Disziplinen wie Tontaubenschießen, Dreisprung oder (im Winter natürlich) Curling zu sehen bekommt, begeistern mich immer wieder. Außerdem werden sie meistens von Sportreportern kommentiert und nicht von Steffen Simon, Bela Réthy oder Reinhold Beckmann.
In diesem Jahr weiß ich echt nicht, ob ich mir die Olympischen Spiele im Fernsehen ansehen soll. Nicht nur, weil sie wegen der Zeitverschiebung zu etwas anstrengenden Zeiten übertragen werden, die ganze Aktion kommt mir von vorne bis hinten missglückt vor.
Da ist zunächst einmal China, von dem ich gerne glaube, dass es ein tolles, spannendes Land ist, das aber auch von einem völlig indiskutablen Regime geführt wird. Hinzu kommt das Internationale Olympische Komitee, bei dem ich mich mittlerweile frage, ob man dort eigentlich nur Mitglied werden kann, wenn man seinen letzten Rest Selbstachtung vorher an der Garderobe abgegeben hat. Allerspätestens, als die internationalen Journalisten (entgegen vorheriger Zusagen) keinen freien Zugang zum Internet erhielten, hätte es ein Donnerwetter geben müssen – doch das IOC zuckte nur mit den Schultern und die Journalisten arbeiteten unter Protest weiter.
Den Athleten sind während der Spiele nicht nur politische Äußerungen, sondern auch jegliche kommerzielle und journalistische Tätigkeit verboten – ein im Prinzip ehrenwerter Gedanke, sozusagen der letzte Rest der olympischen Idee von Pierre de Coubertin. Leider wirkt das einigermaßen verlogen vor dem Hintergrund, dass die olympischen Spiele in Peking eine einzige politische Demonstration des Gastgeberlandes waren, sind und sein werden, und die Spiele selbst ein Milliardenschweres Marketingprodukt sind.
Ja, sagt dann das IOC, aber ohne die Sponsoren wären doch die schönen Olympischen Spiele gar nicht möglich. Das stimmt natürlich auch. Es geht ja auch gar nicht um die Sponsoren, es geht darum, dass das IOC mit erschütternder Vehemenz die Sonderrolle seiner Spiele verteidigt und so tut, als handele es sich dabei um ein Event mit einem höheren ethischen Wert als jedes andere kommerzielle Großereignis.
Zugegeben: “Wir treffen uns hier alle vier Jahre, nicht immer in Ländern, in denen wir gerne selbst leben würden, wir machen Werbung für ungesundes Fast Food und totalitäre Regimes, ein paar von uns werden wieder versuchen zu bescheißen (und womöglich damit durchkommen), aber wir wollen mal sehen, das wir das Beste draus machen und ein bisschen Spaß haben” ist ein etwas mittelprächtiger Wahlspruch, aber bei “Rock am Ring” faselt doch auch niemand vom “musikalischen Geist”.
Von den Sportjournalisten ist leider nichts zu erwarten, wie Christian Zaschke (selbst Sportjournalist) in seinem sehr empfehlenswerten Artikel für die “Süddeutsche Zeitung” feststellt. Wer bei den letzten beiden Fußballgroßereignissen gleichermaßen mantrahaft und orgiastisch immerzu vom “Sommermärchen” faselte, wird jetzt wohl kaum plötzlich kritische Fragen stellen.
Aber würde sich irgendwas ändern, wenn ich, wenn Millionen nicht einschalten würden? Ich würde den Olympiasieger im Bogenschießen nicht kennenlernen, obwohl er und seine Kollegen die Aufmerksamkeit sicher wenigstens einmal in vier Jahren verdient hätten. ARD und ZDF würden wohl nicht einmal darüber nachdenken, ob man wirklich Unsummen von Gebührengeldern in eine solche Riesenveranstaltung investieren muss, oder ob das komplett Werbefinanzierte Privatfernsehen nicht eher der natürliche Lebensraum für derartiges Event-TV wäre. Olympische Spiele gehören für sie zur Grundversorgung – auch so ein hehres Wort.