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Alben des Jahres 2011

Schnell auf „Pau­se“ gedrückt, noch ein­mal kurz zurück­ge­guckt und dann beschlos­sen, dass ich jetzt die defi­ni­ti­ve Lis­te mei­ner Lieb­lings­al­ben 2011 (Stand: 23. Dezem­ber, 13.59.42 Uhr) habe. Die Plät­ze 25 bis 8 sind heiß umkämpft und könn­ten auch eine ganz ande­re Rei­hen­fol­ge haben, die Plät­ze 5 bis 2 auch.

Aber jetzt ist es halt so:

25. Rival Schools – Pedals
Gera­de als der Ein­druck ent­stand, dass Wal­ter Schrei­fels end­gül­tig den Über­blick ver­lie­ren könn­te über all sei­ne Bands und Pro­jek­te, besann sich das Hard­core-Urge­stein auf sei­ne Band Rival Schools, mit der er vor immer­hin zehn Jah­ren mal ein Album auf­ge­nom­men hat­te. „Pedals“ reicht nicht an „United By Fate“ her­an, ist aber ein erfri­schend leben­di­ges Rock­al­bum für Men­schen, die sich unter „Rock“ dann doch noch etwas ande­res vor­stel­len als Nickel­back oder Sun­ri­se Ave­nue.

24. Foo Figh­ters – Was­ting Light
Leu­te, irgend­was stimmt da nicht: Dave Grohl ist (wie Wal­ter Schrei­fels auch) 42 Jah­re alt, was im Rock­busi­ness frü­her mal 90 Jah­ren im Schla­ger­ge­schäft ent­sprach. Und doch müs­sen die­se ver­dien­ten „alten“ Her­ren der Jugend zei­gen, wie man ordent­li­che Rock­mu­sik macht? Den Foo Figh­ters kann man jeden­falls nichts vor­wer­fen, außer, dass sie sich ein biss­chen aufs busi­ness as usu­al ver­legt haben. Aber dann hau­en die so Din­ger wie „Rope“, „White Limo“ und ganz am Ende „Walk“ raus und der Nach­wuchs steht irgend­wo in der Gegend rum und guckt betre­ten zu Boden. Das ist ja, als ob man sich in der ers­ten eige­nen Woh­nung von den Eltern die Ikea-Rega­le auf­bau­en las­sen muss!

23. Oh, Napo­le­on – Year­book
Was habe ich auf die­ses Album gewar­tet! Vor zwei Jah­ren. Doch bis Uni­ver­sal das Debüt end­lich auf den Markt gebracht hat­te, war der Span­nungs­bo­gen in sich zusam­men­ge­fal­len, und dann waren die bes­ten Songs aus­ge­rech­net die, die schon vor zwei Jah­ren auf der selbst­be­ti­tel­ten EP ent­hal­ten waren. Doch von die­sen (klei­nen) Ent­täu­schun­gen ab ist „Year­book“ ein wun­der­ba­res Pop­al­bum gewor­den. „To Have /​ To Lose“ und „A Book Ending“ haben nichts von ihrer erha­be­nen Schön­heit ein­ge­büßt und mit „Save Me“, „I Don’t Mind“ oder „Pick Some Roses“ sind auch genug Per­len unter den „neu­en“ Songs (die die Band seit Jah­ren live spielt). Deutsch­lands bes­te Nach­wuchs­bands kom­men halt nach wie vor vom Nie­der­rhein, aber eine Fra­ge hät­te ich noch: War­um läuft so schö­ne Musik nicht im Radio?

22. The Wom­bats – This Modern Glitch
„Tokyo (Vam­pi­res & Wol­ves)“, die (Weit-)Vorab-Single zum Zweit­werk der Wom­bats, war eine ver­dammt gro­ße Ansa­ge und mein Song des Jah­res 2010. „This Modern Glitch“ löst das Ver­spre­chen der Sin­gle weit­ge­hend ein: Cle­ve­rer Indie­rock mit viel Gele­gen­heit zum Mit­sin­gen und ‑tan­zen, der sich dank aus­ufern­dem Syn­thie-Ein­satz vom schlich­ten Jungs-mit-wil­den-Haa­ren-schau­keln-ihre-Gitar­ren-im-Ach­tel­takt-Gedöns abhebt.

21. The Decem­be­rists – The King Is Dead
Autos, die auf end­lo­sen stau­bi­gen ame­ri­ka­ni­schen High­ways Rich­tung Son­nen­un­ter­gang brau­sen. Jetzt haben Sie zumin­dest ein Bild von den Bil­dern, die „The King Is Dead“ in mir beim Hören aus­löst. Recht coun­try­las­tig ist es gewor­den, das sechs­te Album der Band um Colin Meloy, aber fern­ab des schreck­li­chen Kom­merz-Radio-Coun­try und fern­ab von Truck Stop. Wenn Sie mich jetzt ent­schul­di­gen, ich geh grad mei­nen LKW-Füh­rer­schein machen.

20. Yuck – Yuck
Die Neun­zi­ger sind zurück und mit ihnen die Shoe­ga­ze-Bands mit unschein­ba­ren Front­män­nern und Jeans­hem­den. „Yuck“ ent­hält zwölf char­man­te Pop­songs, die sich ein biss­chen hin­ter ver­zerr­ten Gitar­ren ver­ste­cken, und sich des­halb viel­leicht nicht immer sofort ent­fal­ten.

19. Fink – Per­fect Dark­ness
Ich habe nie eine Lis­te im Kopf gehabt, was wohl die bes­ten Kon­zer­te gewe­sen sein könn­ten, die ich in mei­nem Leben besucht habe. Dann habe ich Fink im Okto­ber in der Bochu­mer Zeche gese­hen und war mir sicher, dass er es gera­de min­des­tens in die bis­her nicht vor­han­de­ne Top 5 geschafft hat­te. Was für ein kla­rer Sound, was für gran­dio­se Songs, wie per­fekt dar­ge­bo­ten von Fin Green­all und sei­ner Band. Ich habe „Per­fect Dark­ness“ viel zu sel­ten gehört, weil es mir von der Stim­mung her meis­tens nicht pass­te, aber es ist ein sehr, sehr gutes Album, so viel ist klar.

18. Jack’s Man­ne­quin – Peo­p­le And Things
„The Glass Pas­sen­ger“, das zwei­te Album von Jack’s Man­ne­quin, war für mich per­sön­lich das wich­tigs­te Album der letz­ten fünf Jah­re, viel­leicht habe ich in mei­nem gan­zen Leben kein Album so oft gehört wie die­ses. Der Nach­fol­ger muss­te also gegen schier über­mensch­li­che Erwar­tun­gen ankämp­fen und konn­te nur ver­lie­ren. Tat­säch­lich waren die ers­ten fünf, sechs Durch­gän­ge eine Ent­täu­schung, ich war schon kurz davor, „Peo­p­le And Things“ ein­fach im Regal ver­schwin­den zu las­sen. Aber so lang­sam habe ich mich dann doch in die Songs rein­ge­hört. Sie sind zwar ins­ge­samt schon arg glatt gera­ten, aber ich kann Andrew McMa­hon ein­fach nicht wider­ste­hen, wenn er von den Her­aus­for­de­run­gen und Rück­schlä­gen des Lebens singt, die es zu meis­tern und zu über­win­den gilt. Das kann man alles ganz, ganz schreck­lich fin­den, aber ich fin­de es wun­der­bar.

17. Delay Trees – Delay Trees
„Kun­den, denen Band Of Hor­ses gefiel, kauf­ten auch Delay Trees“. Steht da merk­wür­di­ger­wei­se nicht, wür­de aber stim­men. Ich ken­ne das Debüt der fin­ni­schen Indie­band erst seit weni­gen Wochen, des­we­gen bin ich womög­lich ein biss­chen zu vor­sich­tig mit mei­nem Lob, aber allein der Ope­ner „Gold“ ist mit sei­ner ste­ti­gen Stei­ge­rung ein wah­res Meis­ter­werk. Die­se Mischung aus Melan­cho­lie und Eupho­rie hält an und lässt das gan­ze Album klin­gen wie den Sound­track zu dem Moment, in dem man sich nach einer durch­fei­er­ten Nacht und nach Son­nen­auf­gang ins Bett fal­len lässt.

16. Cold War Kids – Mine Is Yours
Manch­mal ist die Musik­welt schon rät­sel­haft: Wäh­rend die Kings Of Leon inzwi­schen rie­si­ge Are­nen fül­len, tre­ten die Cold War Kids nach wie vor in klei­nen Clubs auf. Dafür haben sie kei­nen Song über sexu­ell über­trag­ba­re Krank­hei­ten, der dank Dau­er­pe­ne­tra­ti­on in Clubs, Radi­os und Fuß­ball­sta­di­en inzwi­schen unhör­bar gewor­den ist, son­dern leicht ange­schmutz­te Rock­hym­nen wie den Titel­song oder „Lou­der Than Ever“.

15. R.E.M. – Col­lap­se Into Now
Das war es dann also, das letz­te Album die­ser leben­den Legen­den aus Athens, GA. Und alle kamen noch mal vor­bei, um ihre Auf­war­tung zu machen: Pat­ti Smith und Len­ny Kaye, Eddie Ved­der, Pea­ches und Joel Gibb von den Hid­den Came­ras. Es war ein wür­de­vol­ler Abschied, der nur einen Nach­teil hat­te: „Col­lap­se Into Now“ war bereits das fünf­zehn­te Album einer Band, die so vie­le Klas­si­ker geschaf­fen hat­te, dass jeder neue Song ein biss­chen sinn­los und unnö­tig wirk­te. Aber, mein Gott: Das ist Jam­mern auf aller­höchs­tem Niveau.

14. Jupi­ter Jones – Jupi­ter Jones
Kei­ner Band der Welt hab ich ihren spä­ten Erfolg so sehr gegönnt wie Jupi­ter Jones: Jah­re­lang hat sich die Trup­pe den Arsch abge­spielt, jetzt dür­fen sie end­lich den Lohn der Arbeit ein­fah­ren. Dass nach „Still“, im Früh­jahr die meist­ge­spiel­te deutsch­spra­chi­ge Sin­gle im Radio, jetzt auch Revol­ver­held-Hörer zu Hun­der­ten in die Kon­zer­te strö­men, ist völ­lig okay: Ers­tens ist das ein­fach ein groß­ar­ti­ger Song und zwei­tens ent­schä­digt die Fas­sungs­lo­sig­keit, die sich ein­stellt, wenn Jupi­ter Jones Songs aus ihrem Punk-Früh­werk aus­pa­cken, für alles. Den höhe­ren Preis eines erfolg­rei­chen Major-Acts muss die Band im Janu­ar zah­len, wenn „Jupi­ter Jones“ als „Delu­xe Edi­ti­on“ erneut auf den Markt geschmis­sen wird.

13. Dra­ke – Take Care
Es ist ein biss­chen trau­rig, dass in Rezen­sio­nen immer wie­der dar­auf hin­ge­wie­sen wer­den muss, dass es auch intel­li­gen­ten Hip-Hop gibt – zumal das dann gleich an den lang­wei­li­gen deut­schen „Stu­den­ten­rap“ erin­nert. Las­sen Sie es mich also so sagen: „Take Care“ ist ein sehr lan­ges, sehr zurück­ge­lehn­tes Album, das so unge­fähr das Gegen­teil von all dem Protz- und Blingbling-Rap dar­stellt, den man sonst (mut­maß­lich) im Musik­fern­se­hen sieht. Wenn Dra­ke über „bit­ches“ und sex („four times this week“) rappt, dann selbst­re­fle­xiv und ‑kri­tisch. Das Album ist ein acht­zig­mi­nü­ti­ger Emo-Kater, nach dem man alles wer­den möch­te, nur nicht erfolg­rei­cher Rap­per. Ande­rer­seits: Wenn dabei so gran­dio­se Musik her­um­kommt …

12. The Low Anthem – Smart Fle­sh
Beim Hald­ern 2010 stand ich mit offe­nem Mund im Spie­gel­zelt und konn­te mich nicht ent­schei­den, ob ich jetzt Gän­se­haut krie­gen, los­heu­len oder vor lau­ter Schön­heit ein­fach tot umfal­len soll­te. 2011 spiel­ten The Low Anthem dann auf der gro­ßen Büh­ne, aber das Publi­kum war fast stil­ler als im letz­ten Jahr. Was für ein berüh­ren­des, groß­ar­ti­ges Folk-Album!

11. The Moun­tain Goats – All Eter­nals Deck
Über Jah­re waren die Moun­tain Goats immer nur via Rock­ma­ga­zin-Sam­pler am Ran­de mei­ner Wahr­neh­mung auf­ge­taucht, bis mir eine Freun­din die­ses Jahr (genau genom­men: vor zwei Wochen) „Never Quite Free“ vor­spiel­te. Nach­dem ich den Song etwa zwei Dut­zend Mal auf You­Tube gehört hat­te, woll­te ich mehr und „All Eter­nals Deck“ hält viel davon bereit: Vom hin­ge­rotz­ten „Estate Sale Sign“ bis zu dunk­len Bal­la­den wie „The Age Of Kings“. Und natür­lich immer wie­der „Never Quite Free“.

10. Ade­le – 21
Über Wochen hat­te ich „Rol­ling In The Deep“ im Radio gehört und für „ganz gut“ befun­den, dann stand ich wäh­rend der Pro­ben zur Echo-Ver­lei­hung irgend­wo hin­ter der Büh­ne, guck­te auf einen der Kon­troll­mo­ni­to­re und dach­te „Wow!“ Trotz­dem brauch­te es noch acht Mona­te und gefühl­te zwan­zig Sin­gle­aus­kopp­lun­gen, bis ich mir „21“ end­lich gekauft habe. Was für ein tol­les Album das ist und wie unka­putt­bar die Songs selbst bei maxi­ma­ler Radio­ro­ta­ti­on sind! Mit Unter­stüt­zung von unter ande­rem Rick Rubin und Dan Wil­son (Semiso­nic) hat Frau Adkins hier ein Album geschaf­fen, das sicher in eini­gen Jah­ren als Klas­si­ker gel­ten wird. Und wer „Someone Like You“ unge­rührt über­steht, soll­te viel­leicht mal beim Arzt fest­stel­len las­sen, ob er nicht viel­leicht einen Eis­klotz im Brust­korb spa­zie­ren trägt.

9. Noah And The Wha­le – Last Night On Earth
Noah And The Wha­le waren für mich so eine typi­sche Hald­ern-Band: Hun­dert­mal auf Pla­ka­ten und im Pro­gramm­heft gele­sen, aber nie bewusst gese­hen. Dann habe ich „L.I.F.E.G.O.E.S.O.N.“ gehört, die­ses eben­so dreis­te wie gelun­ge­ne Bei­na­he-Kinks-Cover. Und was soll ich sagen? Auch das Album lohnt sich: Makel­lo­ser Indiepop mit schö­nen Melo­dien und durch­dach­ten Arran­ge­ments, der irgend­wie direkt in die Eupho­rie­steue­rung mei­nes Gehirns ein­greift.

8. Exam­p­le – Play­ing In The Shadows
Hip-Hop, House, Grime, Dub­step, Indie – alles, was heut­zu­ta­ge mehr oder weni­ger ange­sagt ist, ist in der Musik von Elli­ot Glea­ve ali­as Exam­p­le ent­hal­ten. Vom stamp­fen­den „Chan­ged The Way You Kissed Me“, das jedem Auto­scoo­ter gut zu Gesicht stün­de, über das fast brit­pop­pi­ge „Micro­pho­ne“ bis hin zum dra­ma­ti­schen „Lying To Yours­elf“: Exam­p­le rappt und singt sich durch die ver­schie­dens­ten Sti­le und schafft damit ein abwechs­lungs­rei­ches, aber in sich völ­lig schlüs­si­ges Album, das irgend­wie all das abdeckt, was ich im Moment gern hören möch­te.

7. Cold­play – Mylo Xylo­to
Es scheint unter Jour­na­lis­ten und ande­ren Indi­en­a­zis inzwi­schen zum guten Ton zu gehö­ren, Cold­play schei­ße zu fin­den. „Iiiih, sie sind erfolg­reich, ihre Kon­zer­te machen Band und Publi­kum Spaß und über­haupt: Ist das nicht U2?“, lau­tet der Tenor und tat­säch­lich kann ich vie­le Kri­tik­punk­te ver­ste­hen, aber nicht nach­voll­zie­hen. Auf „Mylo Xylo­to“ sind Cold­play so unge­stüm unter­wegs wie noch nie, ihre Songs sind über­dreht und uplif­ting und zwi­schen­durch schlie­ßen sie mit ruhi­gen Akus­tik­num­mern den Kreis zu ihrem ers­ten Album „Parach­u­tes“ aus dem Jahr 2000. Seit „A Rush Of Blood To The Head“ hat mich kein Album von Cold­play mehr so begeis­tert und womög­lich sind die vier Eng­län­der tat­säch­lich die letz­te gro­ße Band. Kaum eine ande­re Band schafft es, ihren Sound mit jedem Album so zu ver­än­dern und sich doch immer treu zu blei­ben. Wenn sie jetzt auf einem Album Alex Chris­ten­sen und Sigur Rós samplen und ein Duett mit Rihan­na sin­gen, dann ist das so kon­se­quent zu Ende gedach­te Pop­mu­sik, wie sie außer Lady Gaga kaum jemand hin­be­kommt. Und wenn das jetzt alle hören, soll­te man das fei­ern – es gibt ja nun wirk­lich Schlim­me­res.

6. Bright Eyes – The People’s Key
So rich­tig hohe Erwar­tun­gen hat­te wohl nie­mand mehr an die Bright Eyes. Zu egal waren Con­nor Obersts letz­te Lebens­zei­chen gewe­sen. Und dann kommt er ein­fach und haut ein Indierock­al­bum raus, zu dem man sogar tan­zen kann. Gut: Die Pas­sa­gen mit gespro­che­nem Text und Welt­raums­ounds muss man natür­lich aus­hal­ten, aber dafür bekommt man ein merk­wür­dig opti­mis­ti­sches Gesamt­werk und mit „Shell Games“ einen fast per­fek­ten Pop­song.

5. James Bla­ke – James Bla­ke
Nie in mei­nem Leben habe ich hef­ti­ge­re Bäs­se in mei­nem Kör­per vibrie­ren spü­ren als bei James Blakes Auf­tritt auf dem Hald­ern Pop. Es reg­ne­te leicht und die­se Sin­ger/­Song­wri­ter-Post-Dub­step-Songs zogen über das Publi­kum wie sehr gefähr­li­che Gewit­ter­wol­ken. Die­se düs­te­re und anstren­gen­de Musik ist nicht für die Beschal­lung von Din­ner­par­tys geeig­net, aber sie ist ver­dammt bril­lant.

4. The Pains Of Being Pure At Heart – Belong
Die Neun­zi­ger sind, wie gesagt, zurück und The Pains Of Being Pure At Heart haben ihr Shoe­ga­ze-Erfolgs­re­zept von vor zwei Jah­ren um mini­ma­le Grunge-Ein­spreng­sel erwei­tert. Das ist auf Plat­te eben­so schön wie live und beglei­tet mich jetzt seit Mai.

3. Jona­than Jere­mi­ah – A Soli­ta­ry Man
Auf dem Hald­ern Pop Fes­ti­val war ich so weit, dass ich dem nächs­ten Jun­gen mit Akus­tik­gi­tar­re sel­bi­ge über den Schä­del zie­hen woll­te. Dann hör­te ich „Hap­pi­ness“ von Jona­than Jere­mi­ah im Radio und war begeis­tert. Der Mann packt die See­le zurück in Soul – und alles Ande­re hab ich ja schon im August geschrie­ben.

2. Ed Sheeran – +
Na so was: Noch ein Jun­ge mit Gitar­re! Ed Sheeran war wäh­rend mei­nes Schott­land-Urlaubs im Sep­tem­ber das Hype-The­ma auf der Insel und er ist so etwas wie das feh­len­de Bin­de­glied zwi­schen Dami­en Rice und Jason Mraz, zwi­schen Get Cape. Wear Cape. Fly und Niz­lo­pi. Die ruhi­gen Songs sind erschre­ckend anrüh­rend, ohne jemals Gefahr zu lau­fen, kit­schig zu wer­den, und bei den schnel­le­ren Stü­cken kann der 21-Jäh­ri­ge (fuck it, I’m old) bewei­sen, dass er genau­so gut rap­pen wie sin­gen kann. „+“ ist ein phan­tas­ti­sches Album, das ich gar nicht oft genug hören kann. In Deutsch­land kommt es im neu­en Jahr raus.

1. Bon Iver – Bon Iver
Noch ein Jun­ge mit Gitar­re. Und noch zwei Gitar­ren. Und ein Bass. Syn­the­si­zer. Eine Blä­ser­sek­ti­on. Und nicht einer, son­dern gleich zwei Schlag­zeu­ger. Jus­tin Ver­non hat gut dar­an getan, sei­ne als Ein-Mann-Pro­jekt gestar­te­te Band zur Big­band aus­zu­bau­en, und einen deut­lich opu­len­te­ren Sound zu wäh­len als bei „For Emma, Fore­ver Ago“. So las­sen sich Debüt und Zweit­werk kaum ver­glei­chen und „Bon Iver“ kann ganz für sich selbst ste­hen mit sei­nen Tracks, die teil­wei­se eher Klang­räu­me sind als Songs, und die trotz­dem ganz natür­lich und kein Stück kal­ku­liert wir­ken. Vom anfäng­li­chen Zir­pen des Ope­ners „Perth“ bis zu den letz­ten Echos des viel dis­ku­tier­ten Schluss­songs „Beth/​Rest“ ist „Bon Iver“ ein Meis­ter­werk, an dem 2011 nichts und nie­mand vor­bei­kam.

Hin­weis: Bit­te hal­ten Sie sich beim Kom­men­tie­ren an die Regeln.

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Listenpanik 05/​09

Wie­der ein­mal ist ein Monat schon län­ger vor­bei, wie­der ein­mal habe ich längst nicht alles hören kön­nen und wie­der ein­mal wer­de ich in einer Minu­te mit der Revi­si­on die­ser Lis­te begin­nen, aber was soll’s?

Let’s give it a try:

Alben
Fink – Sort Of Revo­lu­ti­on
Manch­mal ent­deckt man Bands oder Künst­ler eben erst beim vier­ten Album (s.a. The Hold Ste­ady). Fin Green­all aus Brigh­ton macht Musik, die im Wiki­pe­dia-Arti­kel mit „Jazz, Blues, Dub, Folk, Indie“ bezeich­net wird, was gleich­zei­tig alles und nichts sagt.

Ein biss­chen erin­nert die Musik an Bon Iver (also, his­to­risch betrach­tet: anders­her­um), an Nick Dra­ke und an diver­se Sadd­le-Creek- und Sub-Pop-Bands. Anders aus­ge­drückt: Es wür­de mich nicht wun­dern, wenn eines der Stü­cke auf dem Sound­track des nächs­ten Zach-Braff-Films zu hören wäre.

Bis dahin wird mich die­se wun­der­bar ent­spann­te, leicht melan­cho­li­sche Pop­mu­sik sicher noch den gan­zen Som­mer über beglei­ten.

The Alex­an­dria Quar­tet – The Alex­an­dria Quar­tet
Es pas­siert ja auch nicht so oft, dass man eine Band eher zufäl­lig zwei Mal live gese­hen hat, bevor ihr Album über­haupt in Deutsch­land raus­kommt.

Hat­te ich The Alex­an­dria Quar­tet in Oslo noch als „Indie­rock zwi­schen Man­do Diao, den frü­hen Kil­lers und Tra­vis“ beschrie­ben, muss ich über die Plat­te etwas völ­lig ande­res behaup­ten: Die erin­nert gera­de in den ruhi­ge­ren Momen­ten (in denen die Band am Bes­ten ist) eher an Jeff Buck­ley, Esko­bar und Richard Ash­croft und – wenn sie dann los­ro­cken – an Fee­der und die frü­hen Radio­head. (Die Chan­cen ste­hen aller­dings gut, dass ich auch die­se Ver­glei­che in drei Mona­ten wie­der für völ­lig lächer­lich hal­ten wer­de.)

Jeden­falls: Das selbst­be­ti­tel­te Debüt der Nor­we­ger kommt, wie White Tapes ganz rich­tig bemerkt, „eigent­lich cir­ca 10 Jah­re zu spät“, aber irgend­wo zwi­schen Ath­le­te, Embrace und Thir­teen Sen­ses wird schon noch ein Platz frei sein für die­sen Brit­pop der melan­cho­li­sche­ren Sor­te.

Manic Street Pre­a­chers – Jour­nal For Pla­gue Lovers
Ich bin bekannt­lich ein eher unpo­li­ti­scher Mensch, aber wenn pla­ka­ti­ve Paro­len mit Pop-Appeal daher­kom­men wie bei The Clash, Asi­an Dub Foun­da­ti­on, Rage Against The Machi­ne oder eben den Manics, dann höre ich mir das ger­ne an, sin­ge laut mit und stel­le mir vor, wie sich das anfühlt, da auf den Bar­ri­ka­den. Die Lehn­stuhl-Revo­lu­ti­on auf dem iPod, sozu­sa­gen.

Die Tex­te des neu­en Manics-Albums stam­men aus einer Zeit vor Barack Oba­ma, vor dem 11. Sep­tem­ber und vor New Labour. Sie stam­men aus dem (wohl lei­der tat­säch­lich) Nach­lass des vor 14 Jah­ren ver­schwun­de­nen Band-Gitar­ris­ten Richey Edwards und sind vor allem bild­ge­wal­tig und kryp­tisch.

Die Songs sind nicht unbe­dingt das, was man als „ein­gän­gig“ bezeich­nen wür­de, aber sie haben eine rohe Ener­gie, die zu Zei­ten des lah­men­den Spät­werks „Life­b­lood“ kaum noch jemand für mög­lich gehal­ten hät­te. Und wenn zum Schluss Bas­sist Nicky Wire „William’s Last Words“ anstimmt („singt“ wäre dann viel­leicht doch das fal­sche Wort), dann ist das schon ein ganz gro­ßer Gän­se­haut-Moment, der sich nach dem end­gül­ti­gen Abschied von einem Freund anhört.

Ob das Album auch ohne die­se gan­ze Vor­ge­schich­te so span­nend wäre? Kunst funk­tio­niert eigent­lich nie ohne Kon­text, aber ich glau­be schon.

Phoe­nix – Wolf­gang Ama­de­us Phoe­nix
Eine vor­ab: Die bes­te Phoe­nix-Plat­te des Jah­res kommt dann ver­mut­lich doch von The Whitest Boy Ali­ve. Für die Fran­zo­sen wird es aber aller Vor­aus­sicht nach immer noch für den zwei­ten Platz rei­chen, was unter ande­rem an Songs wie „Lisz­to­ma­nia“ und „Rome“ liegt. Viel­leicht wird das Album noch ein biss­chen über sich hin­aus­wach­sen, wenn ich es end­lich mal in der Son­ne hören kann, aber im Ruhr­ge­biets-Regen ver­brei­tet es auch schon mal eine ordent­li­che Por­ti­on Som­mer.

Jupi­ter Jones – Holi­day In Cata­to­nia
Mit dem zwei­ten Jupi­ter-Jones-Album „Ent­we­der geht die­se scheuß­li­che Tape­te – oder ich“ nie ganz warm gewor­den, aber für „Holi­day In Cata­to­nia“ sieht es bes­ser aus: Nach einem wah­ren Dampf­ham­mer-Auf­takt schal­tet die Band ein bis zwei Gän­ge zurück, schafft es aber, so schö­ne Melo­dien raus­zu­hau­en wie noch nie. Das hat manch­mal ein biss­chen was von Kett­car, aber das ist durch­aus als Kom­pli­ment gemeint. Bei der Wahl zum deutsch­spra­chi­gen Lied­zi­tat des Jah­res emp­fiehlt sich „Mit dem Alter kommt die Weis­heit /​ Nach der Jugend kommt die Eis­zeit“ jeden­falls jetzt schon für die Short­list.

Songs
Manic Street Pre­a­chers – Jackie Coll­ins Exis­ten­ti­al Ques­ti­on Time
Dies­mal gibt’s kei­ne Sin­gles, aber das Lied mit dem ellen­lan­gen Titel ist trotz­dem so etwas wie das Flagg­schiff für „Jour­nal For Pla­gue Lovers“. War­um? Zwei Zita­te: Das unschlag­ba­re „Oh mum­my what’s a Sex Pis­tol?“ im Refrain und die span­nen­de Fra­ge „If a mar­ried man, if a mar­ried man fucks a Catho­lic /​ And his wife dies wit­hout kno­wing /​ Does that make him unfaithful, peo­p­le?“. (Dass das „fuck“ im Video durch ein „beg“ ersetzt wur­de, ist aller­dings schon ein biss­chen lame.)

Und dann natür­lich noch die­ses Riff, das mei­ne Behaup­tung, das Album sei nicht ein­gän­gig, Lügen straft.

a‑ha – Foot Of The Moun­tain
Ich hat­te mein Ver­hält­nis zu a‑ha und mei­ne Begeis­te­rung für die­se Mal-wie­der-Come­back-Sin­gle ja schon aus­führ­lich geschil­dert. Aber die­ser Song ist ja wohl auch ein Mus­ter­bei­spiel der Kate­go­rie „der etwas anspruchs­vol­le­re Pop­song“.

Fink – Sort Of Revo­lu­ti­on
6:32 Minu­ten sind nicht gera­de das, was sich For­mat­ra­dio­ma­cher als Son­glän­ge wün­schen. Aber der Titel­track und Ope­ner des vier­ten Fink-Albums (s.o.) besticht durch sei­ne Instru­men­tie­rung (die­ses Schlag­werk!) und den genu­schel­ten Gesang. „Let me know when we get the­re /​ If we get the­re“, so oft wie­der­holt, bis es einen fast kom­plett ein­ge­lullt hat. Und dann geht das Album erst rich­tig los.

The Alex­an­dria Quar­tet – Montauk
Wenn ich jetzt Say­bia und Lorien als Ori­en­tie­rungs­hil­fe nen­ne, bin ich mir zwar aus­nahms­wei­se mal sicher, habe aber auch treff­si­cher zwei längst ver­ges­se­ne Bands des Gen­res her­vor­ge­holt.

„Montauk“ gehört zu der Sor­te schlep­pen­der Bal­la­den, bei denen sich die Pär­chen auf Kon­zer­ten ganz eng umschlun­gen im Takt der Musik wie­gen, das Büh­nen­licht in ein ver­klä­ren­des Gelb getaucht wird, und die, die allein zum Kon­zert gekom­men sind, mit viel Glück noch ihr Han­dy zücken, um den Moment mit jeman­dem zu tei­len. Wer ganz allein ist, genießt eben für sich.

Jar­vis Cocker – Ange­la
Es ist schwie­rig, bei den Zei­len „Ange­la /​ An unfi­nis­hed sym­pho­ny“ nicht an die Bun­des­kanz­le­rin zu den­ken, aber irgend­wie geht es dann schon. Jar­vis Cocker klingt für 2:58 Minu­ten, als wol­le er an sei­ner Elvis-Cos­tel­lo-Wer­dung arbei­ten und der neue Bart legt die­se Ver­mu­tung nahe. Lei­der ist die­ser tro­cke­ne Stamp­fer dann auch schon der Höhe­punkt von Cockers zwei­tem Solo­al­bum, das ansons­ten eher unspan­nend vor sich hin düm­pelt.

Phantom/​Ghost – Thrown Out Of Dra­ma School
Wenn da nicht die Stim­me (und der Akzent) von Dirk von Lowtzow wäre, gin­ge die­ser Song sicher auch als B‑Seite von The Divi­ne Come­dy durch: Die­ses Rag­time-Pia­no, der melo­dra­ma­ti­sche Text, all das ergibt ein wun­der­bar skur­ri­les Gesamt­bild, des­sen Fas­zi­na­ti­on man sich selbst kaum erklä­ren kann.

[Lis­ten­pa­nik, die Serie]