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Fernsehen

Wir warten aufs Christkind

Nun ist es endlich soweit: der einzige Tag, der nur ein Abend ist, ist da. ((Es gibt natürlich auch Regionen, in denen es jede Woche einen Tag gibt, der nur ein Abend ist. Ich sage aber Samstag, schon allein weil ich finde, dass “Sonnabendabend” total bescheuert klingt.))

Der 24. Dezember ist der Tag, an dem einem vielleicht am deutlichsten wird, dass man älter wird und dass die Zeit mit zunehmendem anders zu vergehen scheint: Als Kind wollte dieser verdammte Nachmittag einfach nicht vergehen und man musste sich mit Michael Schanze und doofen Kinderfilmen beschäftigen. Heute verbringt man seinen 24. Dezember auf der Suche nach Geschenken in überheizten Einkaufszentren mit überreizten Menschen, die sich das ganze irgendwie auch anders vorgestellt haben, aber das doofe Päckchen mit dem Geschenk, das sie bei eBay ersteigert hatten, kam halt nicht rechtzeitig an. ((Diese Geschichte ist rein fiktiv. Ich habe schon alle beiden Geschenke und würde auch nie auf die Idee kommen, weitere zu kaufen.))

Falls Sie trotzdem Zeit haben und diese gerne sinnvoll verbringen möchten, dann nehmen Sie doch an unserer Leserwahl teil oder sehen Sie sich die Weihnachtsansprache unseres Frühstücksdirektors an:

Hier klicken, um den Inhalt von de.sevenload.com anzuzeigen


Link: sevenload.com

Ich wünsche Ihnen jetzt schon mal ein frohes Weihnachtsfest!

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Fernsehen Digital

Aufguss 2007 – Die Coffee-And-TV-Leserwahl

Haben Sie sich auch schon mal gefragt, wer eigentlich immer mit Scheinwerfern hinter großen Ereignissen geht, damit die ihre Schatten vorauswerfen können?

Nein? Oh, schade.

Jedenfalls: Das Jahr neigt sich dem Ende und überall werden Elf-Monats-Rückblicke ausgestrahlt, peinliche “Award-Zeremonien” abgehalten und Leser, Zuschauer oder Hörer zum Zurückblicken aufgerufen. Da will Coffee And TV natürlich nicht hinten anstehen:

Aufguss 2007 - Die Coffee-And-TV-Leserwahl

Sie haben gleich die Gelegenheit, in 19 Kategorien die besten Irgendwasse des Jahres 2007 zu bestimmen – Songs und Alben sogar in Hornby’schen Top-Five-Listen. Vorher muss ich aber noch kurz den Frank Elstner geben und die Spielregeln erläutern:

Jeder Leser darf einmal abstimmen. Überlegen Sie sich also vorher gut, wen und was Sie zu wählen gedenken.

Die Kategorien sollten eigentlich selbsterklärend sein. Die Bezeichnung “… des Jahres” legt nahe, dass es sich bei Ihrer Wahl um Veröffentlichung und Ereignisse handeln sollte, die zwischen dem 1. Januar und dem 31. Dezember 2007 stattgefunden haben. Dabei bin ich mal so tollkühn und beschränke das nicht auf den deutschen Markt. Bei Büchern und Filmen, die in Deutschland erschienen sind, sollte trotzdem der deutsche Titel notiert werden, bei hierzulande unveröffentlichten Kulturprodukten der jeweilige Originaltitel. Wir werden sehen, wo das endet …

Da ich zu faul war, mich um eine elektronische Auswertung zu kümmern, muss ich die Ergebnisse per Hand und Papier zählen. Ich hoffe auf ein bisschen Mitleid und bitte um Verständnis, falls die Auswertung bei überwältigender Teilnahme etwas dauern sollte. Irgendwann muss ich schließlich auch noch schlafen.

[Nachtrag 23:56 Uhr: Nachdem ich gerade mit der Auswertung begonnen habe, möchte ich Sie bitten, der Einfachheit, Übersichtlichkeit und Bequemlichkeit halber bei den Alben, Songs, Videos und Büchern nach dem Prinzip “$Künstler – $Titel” zu verfahren. Vielen Dank!]

Zu gewinnen gibt es auch was:

1. Preise

GHvC-Fanpaket

Je ein Grand-Hotel-van-Cleef-Fanpaket, bestehend aus einem Fest-van-Cleef-Shirt und den Singles “Ich sang die ganze Zeit von Dir” (Tomte), “Baby Melancholie” (Hansen Band) und “Deiche” (kettcar). Einmal für Damen (Girlie-Shirt in M) und einmal für Herren (T-Shirt in M).

Diese Preise wurden freundlicherweise vom Grand Hotel van Cleef zur Verfügung gestellt.

2. Preis
Eine Kassettenmädchenkassette mit den besten Songs 2007. Zusammengestellt vom legendärsten Kassettenmädchenkassettenkompilierer, den das Dinslakener Theodor-Heuss-Gymnasium je gesehen hat.

3. Preis
Die streng limitierte Single “Young Boy” von Occident.

Ich glaube, jetzt sind alle Klarheiten beseitigt und Sie können zur Tat schreiten:

I now declare this bazaar open!

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Radio Musik Fernsehen Rundfunk

Das schlägt dem Fass die Krone ins Gesicht

Am Donnerstag wurde in der Weltstadt Bochum die “Eins Live Krone”, der “größte deutsche Radiopreis” verliehen. Weil die Kilians als beste Newcomer nominiert waren, fühlte ich mich genötigt, mir das Spektakel anzuhören.

Da die Verleihung zwar live im Radio lief, im Fernsehen aber erst mit 25-stündiger Verpätung, musste Max von Malotki das Geschehen für die Hörer beschreiben. Das führte oft zu dezentem Chaos, wenn zu zwei bis drei Stimmen noch der Kommentar dazukam – mal davon ab, dass es schon ein bisschen, äh: wirr ist, bei der Verleihung eines Radiopreises im Radio ständig zu hören: “Ja, das könnt Ihr jetzt nicht sehen, dann müsst Ihr morgen Fernsehen gucken!”

Der Preis für den besten Newcomer war zum Glück der Dritte. Viel länger hätte ich das Elend von schlecht geschriebenen und durch Mirja Boes und Olli Briesch noch schlechter vorgetragenen Moderationstexten und die unsichtbaren Videoeinspieler (Radio!) auch nicht ertragen. Dass der Preis ausgerechnet an Boundzound ging, dessen Single “Louder” ich bekanntlich für einen der schlechtesten Songs des Genres “nervtötende, repetitive Partymucke” halte, hob meine Laune nicht gerade und so war ich froh, das Radio ausschalten zu können.

Die TV-Ausstrahlung gestern (wir erinnern uns: “Highlights”, “Mehrwert der Bilder”) war dann in mancher Hinsicht erhellend. So war die Bildregie zum Beispiel exakt so, wie man sie von einer Radiosendung erwarten würde: Die Bochumer Jahrhunderthalle wirkte abwechselnd wie ein schwarzes Loch und wie ein völlig überfülltes Tanten-Café; ständig sah man, wie sich Moderatoren, die sich längst im Off wähnten, über ihre fehlerfreien Ansagen freuten, und bei den Nominierten …

Nun ist man eigentlich von jeder Feld-, Wald- und Wiesengala gewohnt, dass bei der Vorstellung der Nominierten, meistens sogar beim Aufruf der Gewinner, diese auch im Bild sind. Entweder hatte der WDR keine fünf Handkameras zur Verfügung, die man auf die Gäste hätte richten können, oder man hielt es ernsthaft für ansprechender und aufschlussreicher, Balkendiagramme zu zeigen, deren Aussagekraft ich im Übrigen heftig bezweifle ((Leider gibt es (bisher) keine Zahlen zu den Hörer-Abstimmungen, aber wenn die Ärzte 72.000 Stimmen für “Junge” bekommen haben und das wirklich so viel mehr als für die anderen Nominierten war, dann hätte ihr Balken ja auch deutlich länger sein müssen.)), und dann in eine schlecht ausgeleuchtete Totale zu wechseln und zu hoffen, dass der oder die Gewinner schon irgendwo im Bild sein würden. Falls letzteres der Plan war, fragt man sich allerdings, wozu es Lichtdoubles bei den Proben gebraucht hat. Dass die Sportfreunde Stiller fünf mal so lang wie jede andere Band im Bild waren, ist ein subjektiver Eindruck, den ich nicht mit Messungen belegen kann. Vielleicht waren die auch nur immer in den Szenen zu sehen, die man beim WDR für die “Highlights” hielt.

Doch halten wir uns nicht an solchen Äußerlichkeiten auf: Die teilweise recht aufwändig produzierten Videoeinspieler waren durchaus nett gemeint und manchmal sogar unterhaltsam. Auch die Idee, “Let’s Dance”-Juror Joachim Llambi zwischendurch Wertungstäfelchen hochhalten zu lassen, war witzig. Wohlgemerkt: die Idee, nicht ihre Umsetzung. Dass man für besonders gelungene Moderationsübergänge (Haha, Sie verstehen …) Bruce Darnell das Mikro weiterreichen ließ (Radio!!!1) komplettierte dann meinen Eindruck, dass man die Planungskonferenz nach dem ersten “einfach mal drauf los”-Brainstorming beendet und die dort vorgetragenen Ideen zu Programmpunkten erklärt hatte. Ich kann leider nicht schreiben, dass meine eigene offizielle Abifeier lustiger gewesen sei, denn das wäre eine furchtbare Lüge.

Aber, hey: Der WDR ist ja immerhin auch der Sender, der für “Schmidt & Pocher” ((“Schmidt & Pocher” waren übrigens in der Kategorie “Beste Comedy” nominiert, was auch schon deshalb erstaunlich ist, da die Nominierungen am 28. September bekannt gegeben wurden – vier Wochen vor der ersten Sendung.)) verantwortlich ist, insofern muss man davon ausgehen, dass das dortige Unterhaltungsressort, äh: nicht existiert. Dass man den Toten Hosen, die den Preis für ihr Lebenswerk bekamen, anscheinend die halbe Laudatio (durch Jan Weiler) und die halbe Dankesrede weggeschnibbelt hat, lag sicher daran, dass es sich dabei nicht um die “Highlights” handelte – dazu gehörte ja schon die Comedy (im schlimmsten Wortsinne) “Lukas’ Tagebuch”.

Es war ja trotzdem nicht alles schlecht bei der “Krone”: Der Auftritt von Culcha Candela mit der WDR Big Band war zum Beispiel wirklich gelungen, obwohl ich “Hamma” nach wie vor für die zweitdämlichste Single des Jahres halte. Kate Nash spielte sehr charmant und verhuscht ihren Hit “Foundations” und klang dabei wie auf Platte. Wir Sind Helden gaben “Kaputt” akustisch zum Besten. Die Toten Hosen haben sich sehr ehrlich und aufrichtig gefreut und ihr Auftritt mit “Wort zum Sonntag” war auch angemessen. ((Wobei Campino natürlich inzwischen schon irgendwie nah an der Sechzig ist.)) Darüber hinaus bleibt noch die Feststellung, dass die Eins-Live-Moderatorinnen und -Moderatoren gar nicht mal so schlecht aussehen, wie man es bei Radioleuten erwarten würde ((Ich darf das sagen, ich habe schließlich selber mal Radio gemacht.)) und man die Veranstaltung mit einem besseren Buch und anderen Moderatoren sicherlich schon geschaukelt gekriegt hätte.

Fürs nächste Jahr wünsche ich mir dann mehr Klarheit, ob es sich um eine Radio- oder eine TV-Veranstaltung handeln soll. Vielleicht klappt das ja mal mit einer Live-Ausstrahlung im WDR Fernsehen.

Und wenn Sie jetzt der Meinung sind, ich sei irgendwie sehr kleinlich und miesepetrig an die Veranstaltung rangegangen: Die Wiederholung der “Eins Live Krone” kann man sich heute Abend um 23:00 Uhr im WDR Fernsehen ansehen. Dann angeblich sogar eine Viertelstunde länger als gestern.

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Fernsehen Rundfunk

“Geh in die rechte Ecke und schäm dich!”

Es gibt Situationen, da stehen sich zwei Menschen gegenüber und man weiß gar nicht, wer von den Beiden jetzt unsympathischer ist und die schlechteren Argumente hat. So geht mir das zum Beispiel beim Kleinkrieg zwischen Hartmut Mehdorn (Deutsche Bahn AG) und Manfred Schell (Gewerkschaft der Lokführer). Man wünscht sich immer einen übergroßen Klassenlehrer, der beide am Arm packt, vor die Tür schleift und sie mit ernster Stimme bittet, das unter sich zu klären. “Wie erwachsene Menschen”, würde er klugerweise nicht sagen.

So ähnlich war das gerade beim großen “TV-Eklat”, dem “Rauswurf” von Eva Herman bei Johannes B. Kerner. Kerner hatte sich die frühere NDR-Moderatorin wohl in seine Sendung eingeladen, um ein Exempel in Sachen Reue zu statuieren: Es wäre doch gelacht gewesen, wenn sie sich nicht unter Tränen beim deutschen Volk Zuschauer für ihre “missverständlichen Äußerungen” entschuldigt hätte. Um es vorweg zu nehmen: Sie tat es natürlich nicht und ich habe wirklich keine Ahnung, wer von beiden unsympathischer war.

Es war ein weitgehend würdeloser Eiertanz, der nur deshalb zu ertragen war, weil die großartige Senta Berger ein paar grandiose Oneliner landen konnte und die erstaunlich sympathisch wirkende Margarethe Schreinemakers mit aller gebotenen Unhöflichkeit auf den dort gesprochenen Irrsinn reagierte.

Kerner, der einem fast schon leid tun konnte in seinem Versuch, der Unbelehrbaren Andeutungen von Selbstzweifeln zu entlocken, wurde irgendwann so etwas ähnliches wie sauer und dann passierte – erstmal wieder nichts. Stattdessen redete Eva Herman nun auch noch von “Bändern”, die “unter Verschluss gehalten” würden, und einer “Herausgabe des Materials” und für einen Moment dachte ich mir “Wennse die ma nich übermorgen inner Badewanne finden!” Prof. Wolfgang Wippermann, mit dem Herman zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr sprechen wollte, sprach von “Verschwörungspathologie” und obwohl der Mann Geschichtsprofessor ist, glaubte ich ihm seine Diagnose sofort.

Nach einer schier endlosen Zeit, in der Herman tatsächlich auch noch auf die Autobahnen zu sprechen kam, drohte Senta Berger schließlich damit, die Runde zu verlassen (erste Anzeichen von Altersmilde: früher wäre sie einfach gegangen) und Kerner schickte stattdessen Eva Herman nach hause. Die bedankte sich auch noch artig und lief nicht einmal in einen Gitarrenverstärker, als sie die Show verließ.1

1 Warum ist der Auftritt von Bettina Böttinger in der “Harald Schmidt Show” nicht bei YouTube zu finden?

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Fernsehen Rundfunk

Frühstücksfernsehen

Wie ich etwas überrascht festgestellt habe, sendet ProSieben seit dem letzten Wochenende die sechste Staffel “Scrubs”. Von der beliebtesten Serie deutscher Studenten (zumindest laut dieser Facebook-Erhebung) werden Samstags um 15 Uhr jeweils zwei Folgen hintereinander gezeigt und nach den etwas schwachen Staffeln 4 und 5 wird die Serie hier wieder richtig gut.

Ich hätte zwar gedacht, dass der Sendeplatz ein bisschen abgelegen ist (immerhin hat ProSieben am Samstagnachmittag auch schon “Dawson’s Creek” und “O.C., California” versendet, wobei die Serien ja wirklich immer schwächer wurden), aber ich sollte nicht immer von mir auf andere schließen und Einschaltquoten von 13,3 bzw 15,4% in der Zielgruppe scheinen der Programmplanung ausnahmsweise mal Recht zu geben.

Für alle, die nicht elf Wochen warten wollen oder die (wirklich brauchbare) deutsche Synchro nicht mögen, erscheint in drei Wochen die DVD. In den USA …

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Rundfunk Fernsehen

Geladene rote Ampel entgleist

Das “Nachtmagazin” der ARD verhält sich zum “RTL-Nachtjournal” wie “Brisant” zu “Explosiv”: Wenn oben nicht diese kleine Eins in der Ecke wäre, würde man kaum glauben, dass man gerade öffentlich-rechtliches Qualitätsfernsehen schaut. Klar: Um kurz nach Mitternacht richtet sich das “Nachtmagazin” an die Menschen, die dann noch wach sind, und das sind eben eher die jüngeren und die sind eben eher Infotainment gewöhnt. Trotzdem kriege ich regelmäßig die Krise ob dieser zwanghaften Lockerheit, dem schon psychotisch wirkenden ständigen Augenzwinkern und der himmelschreienden Oberflächlichkeit von Beiträgen und Interviews.

Deshalb schauen wir uns die Sendung von gestern (also heute) mal genauer an:

CSU-Vorsitz
Gabriele Pauli hat überraschend gefordert, Ehen auf sieben Jahre zu befristen, mit der Möglichkeit auf eine anschließende Verlängerung. Hier von “verflixten sieben Jahren” zu sprechen, drängt sich dermaßen auf, dass wir Ingo Zamperoni seine augenzwinkernde Anmoderation noch mal durchgehen lassen wollen.

Doch dann geht das Elend richtig los, denn Fernsehen braucht immer Bewegtbilder, auch wenn es nur erklärende und überleitende Worte aus dem Off gibt. Diese Szenen nennt der Fachmann “Schnittbilder” und seit meinem Ausflug in die audiovisuellen Medien weiß ich, wie wichtig diese sind, und bei der ARD weiß man es erst recht:

Schnittbild: Gabriele Pauli steht auf einer Verkehrsinsel neben einer Ampel und posiert für Fotografen.
Sprecherin: “Medienrummel in München – wie so oft, wenn Gabriele Pauli sich zu Wort meldet. Sie weiß sich in Szene zu setzen, doch jetzt stehen die Ampeln auf rot für sie.”

Das wichtigste Buch in der Redaktion von “ARD Aktuell” scheint also immer noch der Metaphern-Duden sein.

EU zu Energiemarkt

Ingo Zamperoni: “Zum Jahreswechsel dürften viele Stromkunden noch geladener sein, denn die Energiepreise drohen erneut zu steigen […]. Für *Ent*spannung will jetzt die Europäische Union sorgen.”

Es folgt ein Beitrag, dessen Aufhänger darin besteht, den EnBW-Chef Utz Claassen auf dem Weg zu seinem Auftritt bei “Hart aber fair” zu begleiten. Man sieht dem armen Wirtschaftsboss förmlich an, wie oft er die Eingangstür des WDR-Funkhauses öffnen und dann forsch (oder besser noch: “energetisch”, haha!) an der Kamera vorbeigehen musste. Dafür hat er beim O-Ton die schmucke Lobby des Fünfziger-Jahre-Baus am Kölner Wallrafplatz im Nacken.

Dann steigt Claassen illegalerweise in den weltberühmten Paternoster ein (die Benutzung ist aus Versicherungsgründen ausschließlich WDR-Angestellten vorbehalten) und entschwindet nach oben aus dem Bild. Es folgt ein Schnitt und Aribert Peters vom Bund der Energieverbraucher fährt im gleichen Paternoster von oben ins Bild hinein. Wollen Sie raten, wie der Off-Kommentar dazu lautet?

Sprecherin: “In genau die andere Richtung bewerten Verbraucherverbände die Vorschläge.”

Herr Peters hatte dann wohl noch das Glück, für weitere Schnittbilder das Funkhaus am hellichten Tag wieder zu verlassen und noch in der Tür sein Mobiltelefon aufzuklappen und ans Ohr zu halten, obwohl es garantiert nicht geklingelt hat.

Deutsche Einheit

Ingo Zamperoni: “Der Aufschwung ist im Osten angekommen, das sagt ein verhalten zuversichtlicher Wolfgang Tiefensee und der müsste es ja schließlich wissen: Ist er doch Verkehrsminister – nicht nur, aber auch der Aufbau-Ost-Beauftragte der Bundesregierung. […] Aber die Schere zwischen Neuen und Alten Bundesländern klaffe immer noch viel zu weit auseinander. Tiefensee könnte das wohl nirgends besser feststellen als in – Tiefensee.”

Yes, indeed: Man hielt es für ein total verrückte Idee, ins brandenburgische Tiefensee zu fahren, um dort mal zu gucken, wie es im Osten denn so aussieht. Und da sage noch einer, Namenswitze seien das Privileg der Privatsender.

Schnittbild: Die Auslage eines Blumenhändlers.
Sprecherin: “Blühende Landschaften am Ortseingang. Kein Bäcker, kein Supermarkt, keine Kneipe – abgeschafft, weil unrentabel.”

Und keine anderthalb Minuten später:

Schnittbild: Verlassenes Bahnhofsgebäude, Schwenk auf zugewachsene Schienen.
Sprecherin: “Ist Tiefensee entgleist? Nein, aber Bahnanschluss gibt es trotzdem keinen mehr.”

Meteoriten-Aufprall

Ingo Zamperoni: “Es war, gängigen Theorien zufolge, ein Meteorit, der vor 65 Millionen Jahren das Schicksal der Dinosaurier auf unserem Planeten besiegelte. Ganz so gewaltig war der Einschlag nicht, der sich am Wochenende in Peru, unweit des Titicacasees ereignete, und doch hat der Meteoriten-Aufprall mysteriöse Folgen.”

Ach, geschenkt, dass wir das schon alle bemerkt hätten, wenn sich die Sonne verfinstert hätte und wir ausgestorben wären. Irgendwie muss man ja das Thema anmoderieren und im Vergleich zu den Vox-Spätnachrichten, wo ein armer Fachmann mit genau einem Satz zitiert wurde (“Ich glaube nicht, dass das Außerirdische waren”), ist der ARD-Beitrag zum Thema völlig in Ordnung.

Wenn ich anfange, kleinlich zu werden, bringt mich diese eine Ausgabe des “Nachtmagazins” noch ins Grab. Widmen wir uns also lieber noch kurz dem letzen Beitrag der Sendung. Es handelt sich um ein klassisches “Nachtmagazin”-Thema: Das Kratzen an der Popkultur.

Popkomm

Ingo Zamperoni: “Der Pop kommt – bei der Popkomm. Aber nicht nur der: Auf der internationalen Musikmesse geht es seit heute wieder um die Trends und Neuheiten in allen Bereichen der Musik- und Unterhaltungsbranche.”

Ein Brüller ohne Ende. Aber mal was ganz anderes: Der Pop kommt bei?! Nicht, dass ich Bastian Sick wäre, aber das ist doch ungefähr so neben der Spur wie das Plakat, das über viele Jahre in meiner Heimatstadt ein umherreisendes Kinderpuppentheater ankündigte. Dort stand: “Der Kasper kommt im Theaterzelt”.

Ich bin mir sicher, dort hat man fast so viel gelernt wie beim “Nachtmagazin” – aber nur halb so viel gelacht.

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Rundfunk Fernsehen

Tatort Programmdirektion

Am Samstagabend sollte im WDR Fernsehen “Herr Schmidt wird 50, will aber nicht feiern” wiederholt werden. Die Sendung mit diesem irre witzigen1 Titel, die erst am Vorabend in der ARD ihre Erstausstrahlung erlebt hatte, lief aber nicht. Nicht nur Michael vom Fernsehlexikon fragte sich, wieso.

Heute Morgen dann erfuhr ich bei der Frühstückslektüre der “Süddeutschen Zeitung” den Grund:

“Aufgrund der zu erwartenden schlechten Zuschauerakzeptanz im WDR Fernsehen haben wir uns entschieden, sie kurzfristig aus dem Programm zu nehmen und stattdessen einen ‘Tatort’ zu senden”, teilt Pressesprecherin Kristina Bausch mit.

Da fällt einem zunächst nichts mehr ein und dann eine ganze Menge.

Erstens hatte Michael offenbar (und wie’s aussieht eher unfreiwillig) Recht mit einer seiner drei Vermutungen:

Man hat festgestellt, dass 1,98 Millionen Zuschauer bei der Erstausstrahlung von Herr Schmidt wird 50, will aber nicht feiern gar keiner so guten Einschaltquote entsprechen.
Und will den vielen Blöden, die es nicht gesehen haben, bloß keine Chance geben, das Verpasste nachzuholen? Ja, klingt schlüssig.

Zweitens dürfte zumindest jedem, der nicht Betriebswirt oder Medienökonom ist, einleuchten, dass eine Sendung, die angekündigt ist, in jedem Fall mehr Zuschauer haben dürfte als eine, die nicht angekündigt ist: Wer vor dem Fernseher saß und Schmidt sehen wollte, hat die Glotze vermutlich noch während des “Tatort”-Vorspanns enttäuscht ausgetreten – und wer zu den fünf Leuten gehört, die Samstagsabend gerne noch eine “Tatort”-Wiederholung mitnehmen würden, lag wahrscheinlich schon im Bett, denn selbst auf der Internetseite des WDR stand zu diesem Zeitpunkt noch, dass “Herr Schmidt …” laufe. Die 210.000 Zuschauer (6,4% Marktanteil) waren bestimmt einfach im Fernsehsessel eingepennt.

Drittens ist das ein Satz, den man normalerweise von ProSieben-Verantwortlichen hört. Wenn ein gebührenfinanzierter Sender wie der WDR meint, seine hektische und völlig kopflos wirkende Programmpolitik mit dem Blick auf die Quote erklären zu können, verwirkt er damit in meinen Augen sofort und auf alle Zeit den Anspruch, in der Gebührendebatte ernst genommen zu werden. Programmplaner, die ihre (nicht ganz freiwillig) zahlenden Zuschauer mit dem Hinweis auf Ökonomie und Quotendruck derart vor den Kopf stoßen, wären wohl selbst fürs Privatfernsehen noch zu dreist.

Anders als dieser programmplanerische Offenbarungseid war die abgesetzte Sendung übrigens kaum der Rede wert: Sie wurde gestern Abend bei EinsFestival wiederholt und entpuppte sich als einer dieser (von den zuständigen Redakteuren vermutlich als “wahnsinnig innovativ” empfundenen) wüsten Zusammenschnitte, die weder chronologisch noch semantisch einen Sinn ergeben. Ohne Off-Sprecher oder sonst ein verbindendes Element wurden tausendmal gezeigte Szenen aus Harald Schmidts bisherigem Fernsehschaffen durcheinander gewürfelt und mit (wahrscheinlich “total ironisch” gemeinten) Szenen garniert, in denen u.a. Thomas Gottschalk, Elke Heidenreich, Ingolf Lück und immerhin auch Herbert Feuerstein vor einer gipsernen Harald-Schmidt-Büste Barockmusik vortrugen. Und weil die ARD ja jetzt alles im 16:9-Format senden muss, wurden die Ausschnitte, die noch im richtigen Fernsehformat vorlagen, an den Seiten mit einer idiotischen Blümchentapete aufgefüllt, damit das Bild voll ist. Ach, es war ganz schrecklich – könnte aber im Falle von Schmidts Ableben jederzeit wiederholt werden.

1 Demnächst wirklich an dieser Stelle: Die zehn schönsten Achtziger-Jahre-Adjektive.

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Fernsehen Rundfunk Leben

Irrationale Ängste

Als ich gestern “Das Model und der Freak” sah, dachte ich, dass es doch ein bisschen beunruhigend wäre, wenn dort einmal ein ehemaliger Klassenkamerad als “Freak” auftauchte. Möglicherweise hätte man sich mit unüberlegten pubertären Sprüchen oder der Wahl des Betreffenden zum “Schüler, der einmal in den Nachrichten erscheinen wird” in der Abizeitung mitschuldig daran gemacht, dass der Arme nun von halbnackten Models in küchenpsychologische Gespräche verwickelt wird.

Dann dachte ich: Noch tragischer wäre doch, wenn man als Frau vor dem Fernseher sitzt und seinen Ex-Freund durch eine solche Sendung gescheucht sieht. Der neue Lebenspartner (oder gar Ehemann) sitzt mit einem Teller Möhren und einer Schüssel Kräuterquark auf dem Sofa neben einem und man muss jetzt ganz genau überlegen, ob das die richtige Situation ist, ihm seinen Vorgänger vorzustellen.

Dann erinnerte ich mich an ein Gespräch, das ich mal in einem Café mitbekommen hatte: Eine junge Frau erzählte einer anderen, sie habe kürzlich mit ihrem Ex-Freund telefoniert und als sie diesen gefragt habe, wie es ihm gehe, habe der geantwortet, er sei jetzt mit Soundso zusammen und Soundso war der Name eines Mannes und der Ex-Freund demnach auf einmal schwul. Ich konnte gerade noch an mich halten, mich zu den beiden umzudrehen, mich vorzulehnen und in Reinhold-Beckmann-Tonfall zu fragen: “Wie fühlt man sich in einer solchen Situation? Zweifelt man da nicht an seiner eigenen Weiblichkeit?” Aber dann dachte ich mir, dass Reinhold Beckmann (ob echt oder falsch) der letzte ist, den man in einer solchen Situation um sich haben möchte.

Früher, als es im Fernsehen nur drei Kanäle gab, war man noch sicher: Ins Fernsehen kam nur, wer Politiker, Sportler oder Kandidat bei “Wetten, dass…?” war. Dann kamen die Privatsender und rissen die vierte Wand, von der sie vermutlich nicht mal wussten, dass sie existierte oder wer sie dahingestellt hatte, ein. Aber auch nach über zwanzig Jahren haben die Leute auf der Straße nicht begriffen, dass die einzig angemessene Reaktion auf eine Fernsehkamera und einen überdrehten Reporter ist, schnell wegzulaufen und während der Flucht mit den eigenen Anwälten zu drohen, falls dieser Irrsinn ausgestrahlt werden sollte. Nein, die Leute sind immer noch ganz ehrfürchtig, wenn sie von albernen Franzosen, die in ein Baguette sprechen, oder TV-Total-Mitarbeitern angequasselt werden.

Einen, der dieses journalistische Subgenre in Deutschland “groß” gemacht hat, sah ich neulich in der Essener Innenstadt: Theo West. Von weitem sah ich, wie er unvermittelt neben (meist älteren) Passanten auftauchte und sie mit vermutlich dadurch schon so weit irritierte, dass sie ihm später glauben würden, Bundeskanzlerin Merkel habe auf dem Essener Wochenmarkt einen Stand mit selbstgekochter Walnussmarmelade eröffnet (oder was immer er ihnen erzählte). Ich merkte, dass ich kaltschweißig wurde und inständig hoffte, dieser Knilch möge an mir vorübergehen. Ich hätte versucht sein können, witzig oder schlagfertig zu sein (zwei Eigenschaften, die ich für mich nie in Anspruch genommen habe), und das hätte neben einem solchen Vollprofi richtig peinlich wirken können. Da hätte nur noch apathisches Stieren direkt in die Kamera eine Ausstrahlung vermasseln können (so bin ich mal dem damaligen Musiksender Viva entkommen).

Aber selbst, wer die Essener, Kölner und Berliner (wo man immerhin noch von Carsten van Ryssen verarscht werden konnte) Innenstadt meidet, ist nicht mehr sicher: Seit neuestem läuft man auch zuhause Gefahr, von Sendungen wie “Quiz-Tour” belästigt zu werden. Mein schlimmster Alptraum indes wäre, dass Tine Wittler bei mir klingelte, um mediterrane Wischtechnik und Stauraum in meine vier Wände zu bringen, auf dass ich zukünftig lieber unter einer Brücke schliefe als daheim. Wo sind die Leute, die immer mit dem Grundgesetz wedeln, eigentlich, wenn öffentlich derart gegen die Unverletzlichkeit der Wohnung verstoßen wird?

All dies sind natürlich Extrembeispiele; Ängste, die – wie die allermeisten Ängste – unbegründet sind. So habe ich jahrelang wiederholt geträumt, in einem Fahrstuhl zu sein, der wahlweise abstürzt oder nach oben durch die Decke schießt. Das ist insofern faszinierend, als ich im wachen Zustand keinerlei Probleme mit großen Höhen oder Fahrstühlen habe – mit der Einschränkung, dass ich panische Angst davor habe, gemeinsam mit Jürgen Drews und Gülcan Karahanci in einem Fahrstuhl stecken zu bleiben. Da ich aber weder dem “König von Mallorca”, noch der Plaudertasche von Viva bisher begegnet bin, basiert auch diese Angst mehr auf der vagen Möglichkeit, ein solches Ereignis könne eintreten, als auf persönlichen Erfahrungen. Noch unwahrscheinlicher ist lediglich der Traum, den ich kürzlich hatte, und in dem ich zum Bundesvorsitzenden der Jungen Union gewählt worden war. Der war aber auch schrecklich.

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Korrekturspalte

Am 19. Juli 2007 behauptete ich in dem Artikel “Öffentlich-rechtliche Radlosigkeit”:

Für die Öffentlich-Rechtlichen ist das ein lautstarker, öffentlicher Schlag in die Fresse, denn die Quoten bei Sat.1 werden – wie gestern die bei Eurosport – explodieren.

Diese Prophezeiung war falsch. Richtig ist vielmehr: Die Tour-Quoten von Sat.1 sind eine ziemliche Katastrophe. Ich bedauere diese falsche Voraussage zutiefst und werde fürderhin keine Quotenprognosen zu Sportveranstaltungen mehr abgeben.

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Musik Rundfunk Politik Fernsehen

So I start a revolution from my bed

Gallagher Lane in San Francisco, CA

Zur Stunde ist ja bekanntlich Machtwechsel in Großbritannien. Das ist an sich schon ganz großes Kino, gewinnt aber noch mehr Qualität durch die (natürlich hervorragende) news coverage von BBC World:

Ein Beitrag, in dem ein Intimus über den designierten Premierminister Gordon Brown spricht, wurde mit dem Intro von “Wonderwall” unterlegt, und zum Abschluss gab es dann noch mal die schönsten Bilder aus Tony Blairs zehnjähriger Amtszeit, unterlegt mit? Na klar: “Don’t Look Back In Anger”.

Und jetzt stellen wir uns mal vor, ARD und ZDF unterlegten den nächsten Regierungswechsel in Deutschland mit … äh … mit … Ach verdammt, der Vergleich hinkt doppelt …

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Fernsehen Musik Film Rundfunk

Ein halber TV-Tipp

Heute Abend zeigt das ZDF “Keine Lieder über Liebe”. Wenn ich die Handlung noch richtig erinnere, geht es um einen Dokumentarfilmer (der großartige Florian Lukas), der die Band seines Bruders (Jürgen Vogel) auf Tour begleiten will – und irgendwie entspinnt sich dann eine Dreiecksgeschichte mit Heike Makatsch.

Warum ich mir einen Film, der ausschließlich mit Handkamera gedreht ist, der eine verworrene und pessimistische Handlung hat und in dem nicht viel mehr passiert, als das Menschen miteinander reden (oder besser noch: sich anschweigen), kurz: warum ich mir einen jungen deutschen Film überhaupt angesehen habe, liegt an der Band, der Jürgen Vogel vorsteht: Es handelt sich um die Grand-Hotel-van-Cleef-Allstar-Kapelle Hansen Band mit Marcus Wiebusch (kettcar) und Thees Uhlmann (Tomte) an den Gitarren, Felix Gebhardt (Home Of The Lame) am Bass und Max Martin Schröder (Tomte, Olli Schulz & der Hund Marie, Der Hund Marie) am Schlagzeug. Jürgen Vogel singt (sehr schön, das muss man ihm lassen) die Lieder, die ihm seine Backing Band geschrieben hat, und das Album der Hansen Band ist nach wie vor zu empfehlen.

Leider ist “Keine Lieder über Liebe” weder “This Is Spinal Tap” noch “Almost Famous” und so dienen Musik und Band allenfalls als Hintergrund für eine melodramatische Liebesgeschichte, die von den Beteiligten zwar gut vorgetragen wird (der ganze Film ist improvisiert), aber trotzdem nicht so recht über 101 Minuten tragen will.

Wer also “Keine Lieder über Liebe” noch nie gesehen hat, kann ihn sich heute Abend um 22:45 Uhr im ZDF ansehen. Ich bin ganz froh, dass ich schon was besseres vorhab.

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“Hoffentlich sieht das keiner!” [Teil 2]

Wo wir schon gerade dabei sind, über die Programmplanung des ZDFs zu motzen: Ein Schicksal, das dem von Charlotte Roche und Gert Scobel nicht unähnlich ist, widerfährt der ausgezeichneten Fernsehserie “Veronica Mars” im Zweiten nun schon seit über einem Jahr. Ursprünglich am Samstag Nachmittag um 14 Uhr gestartet, werden die Geschichten der Highschool-Schülerin und Hilfsdetektivin mittlerweile in der Nacht von Freitag auf Samstag versendet – dann also, wenn das Zielpublikum bestimmt keine Zeit für öffentlich-rechtliches Fernsehen hat, weil es den Wochenendporno auf Kabel 1 gucken muss.

Warum es schade ist um “Veronica Mars”? Weil die Serie – man kann sie wahlweise als “O.C. California Deluxe” oder “Twin Peaks Light” verfolgen – neben einer großartig konstruierten Haupthandlung, in der Veronica versucht, den Mord an ihrer besten Freundin aufzuklären und nach ihrer verschwundenen Mutter sucht (ist viel spannender, als es klingt), immer wieder mit kleinen Nebenschauplätzen verblüfft, die ebenso komplex und clever aufgebaut werden wie die eigentliche Geschichte. Weil die aufwendig entworfenen und durchgängig hervorragend besetzten Charaktere über die häufig üblichen drei Eigenschaften pro Person hinausgehen, sehr realistisch gezeichnet werden und ein glaubhaftes Bild von amerikanischen (Nobel-)Highschools vermitteln. Weil gerade der spielerische Umgang zwischen Veronica (Kristen Bell) und ihrem Vater Keith (Enrico Colantoni) durch trockenen, schlagfertigen Humor besticht. Und weil die Serie nicht zuletzt in ihren Film-Noir-informierten Rückblenden immer wieder mit visueller Brillanz überrascht.

Im ZDF steckt die Serie derzeit in der Mitte der zweiten Staffel, was Quereinsteigern den Zugang zusätzlich erschweren dürfte. Eigentlich ist “Veronica Mars” aber ohnehin eine klassische DVD-Serie, weshalb eher dazu geraten sei, die zwei bisher (nur als Region-1-DVDs) erschienen Staffeln über amazon.co.uk zu importieren. Das dann aber dringend.

[Zur Verteidigung des ZDFs sei fairerweise gesagt, dass die Serie auch in den USA trotz sehr guter Kritiken (bei Popmatters wurde sie bspw. zur TV-Show des Jahres 2006 gewähtl) nur wenig Anklang fand und vor wenigen Wochen nach drei Staffeln beendet wurde. “Veronica Mars”-Erfinder Rob Thomas denkt nun darüber nach, die Geschichte als Kinofilm und/oder Comic weiter zu erzählen.]