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Feigheit ist keine Nachricht

Wir müssen nochmal auf die Erklärung der 26 SPD-Abgeordneten zu sprechen kommen, in der diese ihre verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüber dem Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung ausdrückten, dann aber erklärten, diesem trotzdem zuzustimmen.

Nicht nur ix und Dr. Dean fragen sich, warum es das Thema eigentlich überhaupt nicht in die Medien geschafft hat. Der Sache wollte ich dann doch mal auf den Grund gehen.

Ich schrieb also einige E-Mails und rief in Redaktionen an, wo man mich bat, weitere E-Mails zu schicken. Eine wirkliche Antwort habe ich bisher nur vom ZDF bekommen, wobei das eigentlich auch keine Antwort auf meine Frage war:

Da an diesem Tag auch der Sonderermittler des Europarats Dick Marty seinen Bericht vorstellte, habe man diesem Ansatz den Vorzug gegeben gegenüber einer eher inlandsorientierten Berichterstattung.

Offenbar war die Erklärung der Abgeordneten deshalb nirgendwo Thema gewesen, weil außer den Redakteuren bei heise.de niemand in das Protokoll der entsprechenden Bundestagssitzung geguckt hatte. Die 26 Abgeordneten hatten es also nicht nur geschafft, einem Gesetz zuzustimmen, dass sie selbst für verfassungswidrig hielten, sie hatten es auch noch fertig gebracht, dies in einer öffentlichen Erklärung zuzugeben, die nie eine breitere Öffentlichkeit erreicht hat (oder erreichen sollte). Dafür mussten sie nur eine Erklärung nach § 31 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages abgeben:

§ 31 Erklärung zur Abstimmung

(1) Nach Schluß der Aussprache kann jedes Mitglied des Bundestages zur abschließenden Abstimmung eine mündliche Erklärung, die nicht länger als fünf Minuten dauern darf, oder eine kurze schriftliche Erklärung abgeben, die in das Plenarprotokoll aufzunehmen ist. Der Präsident erteilt das Wort zu einer Erklärung in der Regel vor der Abstimmung.

Damit entlastet man sein Gewissen und kann hinterher, wenn das Gesetzt kassiert wurde und mal wieder alle auf der Bundesregierung rumhacken, freundlich lächelnd Anlage 4 hervorholen und “Wir ham’s ja schon immer gesagt” murmeln.

Eine andere Möglichkeit, dass die Öffentlichkeit von der Erklärung erfahren hätte, wäre natürlich der Pranger der Opposition gewesen. Also rief ich mal bei den drei Oppositionsparteien im Deutschen Bundestag an und fragte, warum man diese Vorlage aus Teilen der SPD-Fraktion denn nicht für eine öffentliche Bloßstellung der 26 Abgeordneten genutzt habe.

Bei der FDP hatte man bis zu meinem Anruf noch nichts von der Erklärung gehört, war aber sehr interessiert und sagte mir, man wolle “über Handlungsmöglichkeiten nachdenken”. Vielleicht höre ich von denen also noch was.

Mark Seibert, Referent im Büro des Die-Linke-Abgeordneten Jan Korte, nannte die Erklärung eine “politische Verantwortungslosigkeit”, die dem ohnehin umstrittenen Gesetz “die Krone aufgesetzt” habe. Allerdings sei zu dem konkreten Fall im Moment nichts geplant, da “kein neuer Nachrichtenwert” vorhanden sei. Die Linke und besonders Jan Korte seien aber in verschiedenen Initiativen gegen die Vorratsdatenspeicherung organisiert und planten weitere Aktionen.

Auch bis zu Bündnis 90/Die Grünen war der Inhalt von Anlage 4 noch nicht ganz durchgedrungen. Wolfgang Wieland, Sprecher für Innere Sicherheit der grünen Fraktion, ließ mir aber nur wenige Stunden nach meinem Anruf eine schriftliche Stellungnahme zukommen, die ich (schon wegen ihrer Exklusivität) gerne wiedergebe:

Dass man für ein Gesetz stimmt, weil man die Inhalte überzeugend findet, ist der Normalfall. Dass es wenige Gesetze gibt, bei denen man als Abgeordneter nicht auch einige Aspekte verzichtbar gefunden hätte, gehört ebenfalls dazu. Wer aber für ein Gesetz stimmt und darauf vertraut, dass seine ungeliebten Teile sowieso bald vom Bundesverfassungsgericht kassiert werden, der versucht, aus einem Dilemma eine win-win-Situation zu machen.

Tatsache ist: Die Logik hinter der jüngst beschlossenen Vorratsdatenspeicherung stellt Sicherheit über Freiheit. Tatsache ist auch, dass sie sowohl europarechtlich wie grundgesetzlich auf wackeligen Beinen steht. Das erkennen die Kolleginnen und Kollegen von der SPD ja auch, aber sie handeln nicht danach. Das ist enttäuschend, denn es ist Aufgabe des Gesetzgebers, verfassungsrechtliche Bedenken von vornherein auszuräumen und entsprechende Gesetze zu verabschieden. Das Motto „Koalitionsfrieden wahren, Ideale zitierfähig ins Protokoll schreiben, Karlsruhe das Aufräumen überlassen“ darf nicht die Handlungsmaxime für Abgeordnete sein.

Für uns Blogger heißt das, dass wir einerseits zwar ganz nah an den Themen sind, der Sprung dieser Themen in die sog. “etablierten Medien” und in eine breitere Öffentlichkeit aber andererseits noch überhaupt nicht funktioniert.

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Helden (Für einen Tag)

Erst wollte ich eine Liste der 366 Abgeordneten posten, die heute für die Vorratsdatenspeicherung gestimmt haben. Aber nach anderthalb Stunden Copy & Paste hatte ich gerade mal ein Drittel der Namen mit ihrem Wahlkreis und Links zu ihren Websites versehen. Gucken Sie also in der PDF-Datei des Bundestags selbst nach, ob Ihr Abgeordneter dabei war.

(Ich weise vorsichtshalber mal darauf hin, dass einige Kommentatoren bei Spreeblick der Meinung sind, man könne schon durch Anklicken des Links Opfer von geheimdienstlicher Überwachung werden.)

Anstatt also Leute in die Pfanne zu hauen, die eh schon genug Probleme haben, verweise ich doch lieber auf Dr. Hans Georg Faust (CDU, Arzt), Dr. Peter Gauweiler (CSU, Rechtsanwalt), Wolfgang Gunkel (SPD, Polizeipräsident a. D.), Petra Heß (SPD, Kindergärtnerin), Eike Hovermann (SPD, Lehrer), Ulrich Kelber (SPD, Diplom-Informatiker), Dr. Rolf Koschorrek (CDU, Zahnarzt), Katharina Landgraf (CDU, Diplom-Meliorationsingenieurin), Sönke Rix (SPD, Erzieher), Frank Schwabe (SPD, Gästeführer) und Jörn Thießen (SPD, Pastor).
Diese elf Männer und Frauen fühlten sich offenbar stärker ihrem Gewissen verpflichtet als ihren Fraktionen. (Dr. Hermann Scheer und Ottmar Schreiner haben sich enthalten.)

Die Abgeordneten von FDP, Die Linke und Bündnis ’90/Die Grünen haben geschlossen gegen den Gesetzentwurf gestimmt.

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Biegen und Brechen

NRW wird seit zwei Jahren von einer schwarz-gelben Landesregierung regiert, die es binnen kürzester Zeit geschafft hat, dass sich die Bevölkerung die zuletzt verhasste rot-grüne Vorgängerregierung zurückwünscht. Wer nach dem Machtwechsel geglaubt hatte, es könne ja eigentlich nur noch besser werden, wurde negativ überrascht. Redet man mit Menschen, die ein bisschen Einblick in das Innere dieser Landesregierung haben, möchte man das Land danach so schnell als möglich verlassen: Vom Ministerialrat bis zum Minister scheinen alle mindestens unfähig (aber wie und wo sollten die in 100 Jahren SPD-Regierung auch Erfahrung sammeln?) und von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers heißt es, er sei selbst zum Vorlesen vorgeschriebener Reden nicht zu gebrauchen.

Aber was ist schon eine desaströse Bildungs- oder Baupolitik gegen äußerst fragwürdige (und unterirdisch schlecht verschleierte) Taktierereien?

Die “WAZ” meldet heute, die Landesregierung wolle die Kommunalwahl 2009, die für den selben Tag wie die Bundestagswahl vorgesehen war, verschieben:

Nach Informationen der WAZ haben die Generalsekretäre von CDU und FDP den Verantwortlichen im NRW-Innenministerium aber bereits diktiert, dass “aus politischen Erwägungen” eine Kopplung von Kommunal- und Bundestagswahl unerwünscht sei.

Meinungsforscher rechnen bei einer Doppelwahl mit einer deutlich höheren Wahlbeteiligung, weil sie vor allem viele der wahlmüde gewordenen SPD-Anhänger zurück an die Urnen holt. Das gute Abschneiden von CDU und FDP bei der Kommunalwahl 2004 wurde auch mit der im Vergleich zur Bundestagswahl 2005 dramatisch niedrigeren Beteiligung (54,4% Komm./ 81,3% Bund) erklärt.

Nochmal: Die Generalsekretäre von CDU und FDP wollen keine gemeinsame Kommunal- und Bundestagswahl, weil dann mehr SPD-Anhänger zur Bundestagswahl gehen könnten und gleichzeitig ihrer Partei auch bei der Kommunalwahl ihre Stimme geben könnten. Und das soll das Innenministerium jetzt regeln.

Es geht aber nicht nur um dieses leicht fragwürdige politische Taktieren, es geht auch knallhart um etwa 42 Millionen Euro, die zwei entkoppelte Wahlen mehr kosten würden. Von dem zusätzlichen Aufwand für Wahlhelfer und Wahlkämpfer mal ganz zu schweigen.

[via Pottblog]

Nachtrag 21. August: Auch heute berichtet die “WAZ” wieder über das Thema und lässt u.a. Oppositionspolitiker zu Wort kommen, die die Idee naturgemäß nicht so doll finden. Auch der WDR hat unter Berufung auf die “WAZ” groß darüber berichtet, ein bisschen kleiner die “Ruhr Nachrichten”, der “Kölner Stadt-Anzeiger”, die “Westdeutsche Zeitung”, die “Kölnische Rundschau” und das “Westfalen-Blatt”.

Noch irgendwelche größeren NRW-Medien ohne Fahrschein? Ja: “Express”, “Bild” und die “Rheinische Post”.

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It’s Just Porn, Mum

Gerade noch dachte ich, dass heute aber auch überhaupt nichts Interessantes passiert, da brüllt es mich auf der Startseite von sueddeutsche.de an: “FDP-Nachwuchs fordert Pornos für 16-Jährige”.

Die niedersächsischen Jungen Liberalen hatten die Nachrichtenflaute offenbar auch bemerkt und riefen (wie das bei Stille schon mal so üblich ist) sofort “Ficken!” – oder zumindest “dabei zusehen dürfen”:

„Der Gesetzgeber legitimiert den Geschlechtsakt zwischen 16-Jährigen, untersagt ihnen aber bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres dabei zuzusehen“, sagte der Landesvorsitzende der Jungen Liberalen (Julis) Niedersachsens, Christopher Vorwerk.

Bei den “Julis” selbst findet sich leider noch nichts …