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Musik Unterwegs

Luki Waits

Ich hab das Gefühl, ich hab das alles schon tau­send­mal erzählt:

Wie ich 1999, als ich Ben Folds Five gera­de für mich ent­deckt hat­te, nicht zur „Rol­ling Stone Road­show“ gefah­ren bin, weil ich dach­te, die Band wür­de schon dem­nächst mal wie­der nach Deutsch­land kom­men. Und wie sich die Band dann ein Jahr spä­ter auf­ge­löst hat­te.

Wie im Jahr 2001 das ers­te (offi­zi­el­le) Solo­al­bum von Ben Folds erschien und ich das Release­da­te schon Mona­te vor­her groß im Kalen­der mar­kiert hat­te: den 11. Sep­tem­ber.

Wie ich an einer Online-Peti­ti­on teil­nahm, die Ben Folds mit sei­nen dama­li­gen Begleit­mu­si­kern im Jahr 2005 end­lich wie­der nach Deutsch­land brach­te.

Wie Ben Folds Five im Sep­tem­ber 2008 tat­säch­lich ein ein­zel­nes Reuni­on-Kon­zert spiel­ten, das blö­der­wei­se in Cha­pel Hill, NC statt­fand. Und wie sie dann im ver­gan­ge­nen Jahr doch noch ankün­dig­ten, wie­der zusam­men ein Album auf­zu­neh­men und auf Tour zu gehen.

„The Sound Of The Life Of The Mind“ ist tat­säch­lich ein sehr gutes Album gewor­den, nicht nur gemes­sen an mei­nen (zuge­ge­be­ner­ma­ßen sehr nied­ri­gen) Erwar­tun­gen und mei­nem Fan­dom, son­dern ein­fach ein sehr gutes Album. Im Som­mer waren die ers­ten Fes­ti­val-Auf­trit­te der wie­der­ver­ein­ten Band auf You­Tube zu sehen, dann kamen die Tour-Ter­mi­ne raus – auf denen Deutsch­land fehl­te. Aber nach 13 Jah­ren War­ten haben Län­der­gren­zen, Kos­ten und abwe­gi­ge Ideen völ­lig ihre Bedeu­tung ver­lo­ren, so dass ich mir nur noch Beglei­tung suchen muss­te und dann Flug nach, Hos­tel in und Kon­zert­ti­ckets für Man­ches­ter gebucht habe.

Ben Folds Five im O2 Apollo Manchester

Man­ches­ter ist kei­ne Stadt, die einen mit Schön­heit über­wäl­tigt. Mit Häss­lich­keit aller­dings auch nicht. Je mehr ich in Deutsch­land und der Welt rum­kom­me, des­to mehr ver­schwim­men all die­ses Städ­te sowie­so vor mei­nem geis­ti­gen Auge zu einer bzw. zwei­en – einer deut­schen und einer inter­na­tio­na­len. In der inter­na­tio­na­len gibt es dann Läden wie HMV und Waterstone’s und in ihren Super­märk­ten kann man HP Sau­ce und Scho­ko­la­de von Cad­bu­ry kau­fen und was braucht der Mensch eigent­lich mehr?

Außer­dem waren wir ja eh pri­mär aus einem Grun­de in der Stadt. Ich war in den Tagen vor dem Kon­zert nicht auf­ge­regt, es war nicht so wie als Teen­ager, als ich Tage vor­her nur noch die CDs der auf­tre­ten­den Bands gehört habe und mit Herz­klop­fen in den Zug gestie­gen bin, selbst wenn es zum Kon­zert von Slut nach Dort­mund ging. Aber in der Nacht vor dem Kon­zert habe ich dann doch von zwei Ben-Folds-Five-Songs geträumt. So was war mir noch nie pas­siert.

Viel zu früh stan­den wir letzt­lich vor den noch ver­schlos­se­nen Toren des O2 Apol­lo, das sich gro­ße Mühe gege­ben hat­te, die tat­säch­li­chen Zeit­punk­te für Ein­lass und Kon­zert­be­ginn geheim zu hal­ten. Eine wei­te­re Stun­de fiel der Vor­band und Umbau­pau­se zum Opfer: Ich habe vor Ben Folds‘ Solo­kon­zer­ten bis­her immer nur Acts gese­hen, die bes­ten­falls okay waren, häu­fig auch sehr spe­zi­ell. Aber so anstren­gend wie Bit­ter Ruin war tat­säch­lich noch kei­ner von ihnen gewe­sen. Aber was sind 25 Minu­ten Gekrei­sche gegen 13 Jah­re?

Gut. Die­se ver­damm­ten 13 Jah­re bedeu­te­ten natür­lich auch, dass ich mir vor­her schon sicher sein konn­te, dass das Kon­zert mei­ne Erwar­tun­gen nicht wür­de erfül­len kön­nen. Also: Mei­ne Erwar­tun­gen von damals. Heu­te hat­te ich ja irgend­wie kei­ne mehr. Als Ben Folds, Robert Sledge und Dar­ren Jes­see die Büh­ne betra­ten, war das dann auch kein „Endlich!“-Moment mehr. Es war ein­fach der Beginn eines Kon­zer­tes. Aber eines guten.

Ben Folds Five im O2 Apollo Manchester

Die Set­list war klug zusam­men­ge­stellt, die Band defi­ni­tiv in Spiel­lau­ne. In ein­zel­nen Momen­ten droh­ten Songs rhyth­misch aus dem Leim zu gehen, obwohl die drei eigent­lich Top-Musi­ker sind, aber die Har­mo­nie­ge­sän­ge waren in jedem Moment gran­di­os und zähl­ten sicher zu Bes­ten, was es in dem Bereich seit Ende der Sech­zi­ger gege­ben hat. ((Ver­ges­sen Sie Mum­ford & Sons, ver­ges­sen Sie Fleet Foxes!)) Neue Songs (gleich sie­ben) wech­sel­ten sich mit alten Hits ab, aus Folds‘ Solo­pha­se gab es nur „Lan­ded“ zu hören, bei dem sich Bas­sist Robert Sledge und Schlag­zeu­ger Dar­ren Jes­see etwas zurück­hal­tend zeig­ten.

Als ich dann „Brick“ zum ers­ten Mal in mei­nem Leben live hör­te, stell­te sich tat­säch­lich ein klei­ner Gän­se­haut­mo­ment ein. So ein gestri­che­ner Kon­tra­bass wirkt qua­si direkt auf die klei­nen Här­chen auf den Armen und im Nacken und das ver­mut­lich schöns­te Lied, das je über eine Abtrei­bung geschrie­ben wur­de, tut natür­lich sein Übri­ges. Bei­na­he erwart­bar impro­vi­sier­ten die Drei spon­tan den Song „Rock This Bitch In Man­ches­ter“, des­sen Text so bescheu­ert war, dass sogar Folds beim Sin­gen lachen muss­te. Und die Blä­ser-Pas­sa­ge aus „Army“ kön­nen auf­merk­sa­me Kon­zert­be­su­cher inzwi­schen natür­lich im Schlaf mit­sin­gen.

Nach 113.976 Stun­den des War­tens und ziem­lich exakt zwei Stun­den Kon­zert war dann Schluss – für Ben-Folds-Ver­hält­nis­se etwas früh, aber – hey! – auch das ist Eng­land. Dann eben kein „Magic“, kein „Phi­lo­so­phy“, „Don’t Chan­ge Your Plans“, „Eddie Wal­ker“, „Lul­la­bye“ oder „Away When You Were Here“, der bes­te Song des neu­en Albums. Es war ein wirk­lich tol­les Kon­zert, aber wirk­lich beson­ders hat es sich für mich dann lei­der doch nicht ange­fühlt. So ist das also, wenn man sich die Spiel­zeug­ei­sen­bahn zum 50. Geburts­tag end­lich selbst kauft.

Am nächs­ten Tag zeig­te sich dann wie­der ein­mal, wie nutz­los das Inter­net sein kann: Wäh­rend wir in Man­ches­ter via Face­book-Time­line aus­führ­lich dar­über infor­miert wur­den, dass die Zeit­schrift „Bri­git­te“ irgend­et­was über Skate­boards geschrie­ben hat­te, ((Leu­te, jetzt mal im Ernst: Get. A. Fuck­ing. Life.)) war irgend­wie völ­lig an uns vor­bei­ge­gan­gen, dass Ben Folds am Mitt­woch sei­ne ein­zi­ge Foto­aus­stel­lung wäh­rend der gesam­ten Tour eröff­net hat­te. In Man­ches­ter. Mit Band. In einer Gale­rie, zwei Blocks vom Hos­tel ent­fernt.

Sto­ry of my life.

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Musik

Wir waren hier

Wir sind alt, sehr alt. Die vie­len jun­gen, meist weib­li­chen Men­schen um uns her­um könn­ten unse­re Kin­der sein – zumin­dest, wenn wir damals so früh geschlechts­reif gewe­sen wären wie sie offen­sicht­lich heu­te. Trotz­dem bie­tet uns nie­mand einen Sitz­platz an, so dass wir auf der 24-minü­ti­gen Fahrt mit dem Shut­tle­bus ste­hen müs­sen. Wenigs­tens ist der kli­ma­ti­siert.

Am Ziel („Frei­zeit­bad Heve­ney“) herrscht eine Stim­mung wie auf einem Schul­aus­flug zum One-Direc­tion-Kon­zert. Mor­gen ist der letz­te Feri­en­tag und heu­te war es den gan­zen Tag so heiß, dass Mama und Papa nichts sagen kön­nen, wenn ihre Töch­ter wenig mehr anha­ben als beim Aus­flug ins Frei­bad. Das hier ist aber Kon­zert, genau­er: Fes­ti­val.

Ich füh­le mich schon wie­der so alt, wenn ich den­ke, dass ich kei­nen Bock mehr auf Zelt­plät­ze vol­ler Skin­ny Jeans, Was­ser­pfei­fen und Akus­tik­gi­tar­ren habe, aber es ist doch wahr: Kon­zer­te besu­chen und anschlie­ßend im eige­nen Bett schla­fen und am nächs­ten Mor­gen duschen kön­nen, das hat eine gewis­se Lebens­qua­li­tät, auch wenn Punk natür­lich anders geht.

Hier, beim Zelt­fes­ti­val Ruhr, soll Punk aber auch gar nicht gehen, son­dern Rap. Oder prä­zi­ser: Raop. Selbst­er­nann­ter König die­ses Sub­gen­res ((vgl. Wend­ler, Micha­el: Der König des Pop­schla­gers.)) ist Cro und wenn Sie noch nie von dem Mann mit der Pan­da­mas­ke gehört haben, waren Sie ver­mut­lich blin­der Pas­sa­gier auf dem Mars­ro­bo­ter Curio­si­ty. Mit „Easy“ hat­te der jun­ge Mann das Kunst­stück fer­tig­ge­bracht, einen Song erst als Teil eines Mix­tapes zu ver­schen­ken und anschlie­ßend bei kom­mer­zi­el­ler Ver­öf­fent­li­chung mit dem Lied trotz­dem auf Platz 2 der Charts zu gehen. Sein Album „Raop“ ging direkt auf 1, blieb dort zunächst vier Wochen, muss­te dann für eine Woche den Ami­gos den Vor­tritt las­sen, wird aber am Frei­tag wie­der auf die Spit­zen­po­si­ti­on gehen. Einen grö­ße­ren Pop­star gibt es zur Zeit in Deutsch­land nicht.

Das zeigt sich auch dar­an, dass am Nach­mit­tag die Ansa­ge an die Pres­se­ver­tre­ter ergeht, dass beim Auf­tritt kei­ne Foto­gra­fen zuge­las­sen sind. In der Lokal­pres­se wer­den ent­spre­chend kei­ne Kon­zert­re­zen­sio­nen erschei­nen.* Es ist ja durch­aus noch ver­ständ­lich, wenn ein (angeb­lich) 19-Jäh­ri­ger öffent­lich nur mit Mas­ke auf­tre­ten und abge­bil­det wer­den will, aber bei Foto­ver­bo­ten auf Kon­zer­ten wird’s dann doch pein­lich. Zumal die mehr als 4.000 Teen­ager im Zelt natür­lich foto­gra­fie­ren und fil­men, was das iPho­ne her­gibt.

Erst mal aber krei­schen sie. Als das Licht aus­geht, als der Beat los­geht, als Cro auf die Büh­ne kommt. Waren wir auch mal so? Bestimmt. Die Zeit, wo man sich wochen­lang auf Kon­zer­te freut, Tage vor­her nur die Musik des auf­tre­ten­den Künst­lers hört, alle Tex­te aus­wen­dig kann und sich auf­bre­zelt wie spä­ter nur noch für Abi­ball und Hoch­zeit, ist kurz und kost­bar. Wenn man im fort­ge­schrit­te­nen Alter nicht gera­de in ein Par­al­lel­uni­ver­sum wie den Euro­vi­si­on Song Con­test stol­pert, ist es mit dem Fan­dom irgend­wann ein­fach vor­bei.

Hier steht es hin­ge­gen in vol­ler Blü­te: Das größ­te Zelt ist aus­ver­kauft, was man nicht ahnen wür­de, wenn man wei­ter hin­ten steht. Die gan­ze Mas­se der Besu­cher ist auf zwei Drit­tel der Flä­che kom­pri­miert. Arme sind in der Luft, die Lyrics parat und die Leu­te begeis­tert. Ein paar Meter hin­ter der Meu­te ste­hen wir, noch ein paar Meter dahin­ter: Eltern. Wir sind doch nicht die Ältes­ten!

Cro live in Bochum

Die Stim­mung ist hehr, die Samples sind cle­ver zusam­men­ge­sucht (Bloc Par­ty, Cae­sars, Kili­ans), kein Track dau­ert län­ger als drei Minu­ten. Wenn man vor­her noch kei­nen Song von Cro gehört hat, kann man das hier nicht ver­ste­hen: Die Tex­te nicht und den Aus­nah­me­zu­stand der Men­schen nicht. Letz­te­res erklärt sich aber vor allem durch Ers­te­re, denn Cros Tex­te loh­nen tat­säch­lich die nähe­re Betrach­tung. Wäre ich noch zwan­zig Jah­re älter, wür­de ich schrei­ben, da habe jemand den Nerv einer Gene­ra­ti­on getrof­fen, sei zu deren Stim­me gewor­den. Viel­leicht fehlt einem irgend­wann der Zugang zu Zei­len wie „Wir schi­cken SMS, denn wir haben kein‘ Bock zu reden /​ Und kein Plan, was du ernst­haft brauchst /​ Komm drück auf Like, sie gefällt dir doch auch“, aber irgend­wo zwi­schen 12 und 30 kann das noch ver­dammt bedeut­sam sein.

Nach 45 Minu­ten ist erst mal Schluss, dann kommt der fast halb­stün­di­ge Zuga­ben­block inkl. „Easy“. Die Hüt­te brennt, Herr Cro muss kaum noch was machen, das Publi­kum rappt selbst. Wir auch. Wenn alt sein so wei­ter­geht, kann ich damit leben.

*) Nach­trag, 22. August: Oder eben doch. „Ruhr Nach­rich­ten“ halt.

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Mein Fan-Problem

Es mag so die 82. Minu­te im WM-Vier­tel­fi­nal­spiel Deutsch­land gegen Kroa­ti­en gewe­sen sein, als ich den Fern­se­her im Wohn­zim­mer mei­nes Eltern­hau­ses zurück­ließ, in den Gar­ten ging und mei­nen Fuß­ball immer wie­der gegen die Wand des Gar­ten­hau­ses drosch. „So geht das, Ihr Ver­sa­ger“, rief ich an die Adres­se der deut­schen Mann­schaft, die gera­de in Lyon 0:2 zurück­lag. Mei­ne Mut­ter trat auf die Ter­ras­se, beob­ach­te­te skep­tisch mein wüten­des Gebol­ze und ver­kün­de­te, es ste­he jetzt 0:3.

In der deut­schen Mann­schaft spiel­ten damals so klang­vol­le Namen wie Chris­ti­an Wörns, Jörg Hein­rich, Diet­mar Hamann, Micha­el Tar­nat und Olaf Mar­schall.

* * *

Ich bin jetzt seit 22 Jah­ren Fuß­ball­fan – und das hat viel mit Miss­ver­ständ­nis­sen zu tun:

Das ers­te Fuß­ball­spiel, an das ich mich erin­nern konn­te, war das Ach­tel­fi­na­le Deutsch­land gegen die Nie­der­lan­de bei der Ita­lia 90. Zuvor waren wir im Som­mer­ur­laub in den Nie­der­lan­den gewe­sen, wo damals alle der Mei­nung waren, dass ihr Team Welt­meis­ter wer­den wür­de. Alles war in Oran­je deko­riert und seit­dem bin ich Hol­land-Fan. Hol­land ver­lor gegen Deutsch­land, Deutsch­land wur­de Welt­meis­ter und ich muss­te – eben­so wie Franz Becken­bau­er – anneh­men, dass Deutsch­land auf Jah­re unbe­sieg­bar sein wer­de. Dann ver­lor Deutsch­land das EM-Fina­le 1992 gegen Däne­mark ((Das sich nicht mal regu­lär qua­li­fi­ziert hat­te und in mei­nem Pani­ni-Sam­mel­al­bum nur mit einem zwei­tei­li­gen Mann­schafts­fo­to gewür­digt wur­de, nicht mit einer Dop­pel­sei­te vol­ler Ein­zel­por­träts!)) und ich wein­te als Acht­jäh­ri­ger hei­ße Trä­nen der Ent­täu­schung.

Da mei­ne Begeis­te­rung für Sport (genau­so wie mei­ne Begeis­te­rung für den Euro­vi­si­on Song Con­test) von Anfang an vor allem von mei­ner Begeis­te­rung für Zah­len und Sta­tis­ti­ken geprägt wur­de, tipp­te ich vor der WM 1994 alle Spie­le des Tur­niers, errech­ne­te die Grup­pen­sie­ger und Ach­tel­fi­nal­paa­run­gen und kam zu dem Schluss, dass Deutsch­land sei­nen Titel ver­tei­di­gen wür­de. Dar­aus wur­de nichts, ich war wie­der ein­mal bit­ter ent­täuscht, aber der Gedan­ke, dass die­ser Final­sieg 1990 nicht die Regel, son­dern die Aus­nah­me gewe­sen sein könn­te, kam mir erst vie­le Jah­re spä­ter. Ich hat­te mich unter­des­sen in die schwe­di­sche Mann­schaft ver­liebt, die mit offen­kun­di­gen Welt­klas­se­spie­lern wie Tho­mas Ravel­li, Patrik Anders­son, Tho­mas Bro­lin, Hen­rik Lars­son, Ken­net Anders­son und Mar­tin Dah­lin WM-Drit­ter wur­de. Als ansons­ten ahnungs­lo­ser Jun­ge muss­te ich davon aus­ge­hen, dass Schwe­den eine inter­na­tio­na­le Top-Mann­schaft sei.

* * *

End­gül­tig vom Fuß­ball ange­fixt, brauch­te ich natür­lich auch eine eige­ne Bun­des­li­ga­mann­schaft. Mei­ne Wahl fiel auf Borus­sia Mön­chen­glad­bach, was nicht so will­kür­lich wahr, wie es sich im ers­ten Moment anhö­ren mag: Ste­fan Effen­berg, der wegen sei­nes Mit­tel­fin­ger-Ein­sat­zes gegen deut­sche Fans bei der WM aus dem Kader geflo­gen war, woll­te nach dem Tur­nier in die Bun­des­li­ga wech­seln. Aus irgend­ei­nem früh­pu­ber­tä­ren Grund fand ich die „Stinkefinger“-Aktion als Zehn­jäh­ri­ger cool und dach­te mir: „Hey, wo der hin­geht, das ist mein Ver­ein: Bre­men oder Mön­chen­glad­bach!“ Für Glad­bach spra­chen dann aber auch noch die schwe­di­schen Natio­nal­spie­ler Patrik Anders­son und Mar­tin Dah­lin und mein Paten­on­kel, der in Mön­chen­glad­bach wohn­te.

Vor dem Beginn der Bun­des­li­ga­sai­son 1994/​95 hat­te ich kei­ne Ahnung, wie erfolg­reich die­se Borus­sia aus Mön­chen­glad­bach sein könn­te, ein Jahr spä­ter waren „wir“ Fünf­ter in der Bun­des­li­ga und DFB-Pokal­sie­ger gewor­den. ((Das Pokal­fi­na­le in Ber­lin hat­te ich als mein zwei­tes Fuß­ball­spiel über­haupt sogar live im Ber­li­ner Olym­pia­sta­di­on ver­folgt.)) Ich muss­te wie­der ein­mal anneh­men, mich für eine Top-Mann­schaft ent­schie­den zu haben.

Am letz­ten Spiel­tag der Sai­son 1997/​98 ret­te­te sich Glad­bach ((Mit Schüt­zen­hil­fe von Han­sa Ros­tock!)) vor dem Abstieg, ein Jahr spä­ter stieg mein Ver­ein dann doch in die zwei­te Liga ab. Ich beschloss, mich eher auf Musik zu kon­zen­trie­ren, wo ich auf weni­ger Ent­täu­schun­gen hoff­te. Nach einem Jahr lös­ten sich zwei mei­ner dama­li­gen Lieb­lings­bands auf.

Als ich gera­de nach Bochum gezo­gen war, qua­li­fi­zier­te sich der VfL für den UEFA-Cup, ein Jahr spä­ter stieg er ab. Glad­bach ent­ließ 2006, nach der erfolg­reichs­ten Sai­son seit zehn Jah­ren, den Trai­ner und ging 2007 wie­der in die zwei­te Liga. Letz­tes Jahr tra­fen bei­de Mann­schaf­ten in der Rele­ga­ti­on auf­ein­an­der, ich konn­te mich kaum ent­schei­den – und ein Jahr spä­ter been­de­te Glad­bach die Sai­son in der ers­ten Liga auf Platz 4, Bochum Elf­ter in Liga Zwei.

Man lernt als Fuß­ball­fan viel fürs Leben, denn es gilt das glei­che, was Jason Lee in „Vanil­la Sky“ über die Lie­be sagt:

You can do wha­te­ver you want with your life, but one day you’ll know what love tru­ly is. It’s the sour and the sweet. And I know sour, which allows me to app­re­cia­te the sweet.

* * *

Was mei­ne Lie­be zum Fuß­ball, aber auch die zur Musik, immer etwas schwie­rig gestal­tet hat, waren die ande­ren Fans. Ich hat­te immer Schwie­rig­kei­ten damit, Teil einer Grup­pe zu sein. Ich den­ke dann immer: „Wir mögen ja gemein­sa­me Inter­es­sen haben, aber ich bin doch ganz anders als Ihr!“

Wenn ich wäh­rend der zwei Wochen Euro­vi­si­on den­ke, so lang­sam sei es aber auch mal gut, mit den Kli­scheeschwu­len, die da blon­diert und nasal flö­tend um mich rum­tu­cken, muss ich mich nur dran erin­nern, wie es im Fuß­ball­sta­di­on aus­sieht: Homo­pho­bie statt Homo­se­xua­li­tät, plum­pes Gebrüll statt ent­zück­tem Gekrei­sche und gene­rell null Takt­ge­fühl. Natür­lich: Nicht alle Fuß­ball­fans sind so, aber in der Sum­me ist es für mich dann doch schwer erträg­lich. Schon in der Knei­pe sind mir die­se Typen ein Graus, die immer hin­ter einem ste­hen und in jeder ver­damm­ten Sze­ne die Spie­ler laut­stark anbrül­len – dabei kön­nen Men­schen im Fern­se­hen einen nun wirk­lich nicht hören.

* * *

Schlim­mer als die­se Fans, die es mit ihrer Begeis­te­rung für den Sport dann viel­leicht doch ein biss­chen über­trei­ben, sind aber jene Leu­te, die sich zu inter­na­tio­na­len Tur­nie­ren in schwarz-rot-gol­de­ne Scha­le wer­fen und gemein­sam mit der Bou­le­vard­pres­se dar­auf hof­fen, dass „wir“ den Titel holen.

Natür­lich kann man inter­na­tio­na­le Fuß­ball­tur­nie­re ver­fol­gen, ohne die Abseits­re­gel oder die FIFA-Welt­rang­lis­te zu ken­nen. Auch habe ich in den letz­ten sechs Jah­ren ver­stan­den, dass die Men­schen, die ihre Häu­ser und Autos mit Deutsch­land­flag­gen schmü­cken, in den aller­we­nigs­ten Fäl­len Neo­na­zis sind. Aber die­se Schön­wet­ter­fans sind schon schwer erträg­lich.

Wenn man von den unglück­li­chen Vogts-Welt­meis­ter­schaf­ten 1994 und ’98 und den EM-Total­aus­fäl­len 2000 und 2004 absieht, zählt Deutsch­land seit 26 Jah­ren kon­ti­nu­ier­lich zu den vier bes­ten Mann­schaf­ten Euro­pas bzw. der Welt. Wer Fuß­ball nur guckt, weil er auf einen Titel­ge­winn der eige­nen Mann­schaft ((Oder schlim­mer noch: der eige­nen Nati­on.)) hofft, ist kein Fan der Sport­art, son­dern ein­fach nur jemand, der sein Ver­hält­nis zu die­ser Sport­art von einem ein­zi­gen Fak­tor abhän­gig macht: dem Titel. Mit die­ser Ein­stel­lung kann man die­ser Tage nicht mal mehr Fan des FC Bay­ern Mün­chen wer­den – und sel­ber Sport trei­ben sowie­so nicht.

* * *

Das EM-Vier­tel­fi­na­le gegen Grie­chen­land war sicher kein bril­lan­tes Spiel. Die deut­sche Mann­schaft hat sich gegen eine eher dritt­klas­si­ge Mann­schaft zwei Gegen­to­re ein­ge­fan­gen, das Spiel letzt­lich inner­halb einer sehr guten Vier­tel­stun­de gewon­nen.

„Bild“ titel­te am nächs­ten Mor­gen:

Uns stoppt keiner mehr!

Die „Bild“-Schlagzeilen vor und nach dem Halb­fi­nal-Aus, die mein Kol­le­ge Mats Schö­nau­er im BILD­blog gesam­melt hat, stam­men aller­dings noch aus einer ganz ande­ren Welt: Ich fin­de es eh schwie­rig, wenn Jour­na­lis­ten (oder in die­sem Fall: „Bild“-Mitarbeiter) „wir“ sagen und damit die deut­sche Mann­schaft mei­nen. Wenn ein klei­ner Jun­ge und viel­leicht auch älte­rer Fuß­ball­fan ent­täuscht und wütend sind, ist das mensch­lich – aber Medi­en soll­ten nicht mensch­lich, son­dern sach­lich berich­ten. Was „Bild“ da macht, geht über den nor­ma­len Wahn­sinn eines ent­täusch­ten Fans hin­aus. Da arbei­tet eine gan­ze Redak­ti­on an Schlag­zei­len, die all dem ent­ge­gen­ste­hen, was sie selbst weni­ge Tage zuvor erar­bei­tet hat. Ein mensch­li­ches Gehirn müss­te eigent­lich implo­die­ren, wenn sich sein Besit­zer der­art selbst wider­spricht.

„Bild“ reagiert wie ein trot­zi­ger Drei­jäh­ri­ger, der sei­ner Mut­ter „Ich has­se Dich!“ ent­ge­gen schleu­dert, wenn sie ihm kein zwei­tes Eis mehr kau­fen mag, oder wie ein Stal­ker – in jedem Fall wie nie­mand, dem man ratio­na­les Den­ken unter­stel­len könn­te.

Die Mann­schaft sei „zu soft“ für den Titel, so urteilt „Bild“. Die neo­li­be­ra­le Moral der Cas­ting-Shows der „Bild“-Freund Die­ter Boh­len und Hei­di Klum wird so wei­ter im Bewusst­sein jun­ger Men­schen ver­an­kert: „Du musst es nur hart genug wol­len! Wenn Du es nicht schaffst, hast Du nicht hart genug gewollt!“

Hier wer­den Men­schen so behan­delt, als sei­en sie Maschi­nen, die man nur rich­tig opti­mie­ren muss, damit sie Erfolg haben. Und Erfolg heißt immer nur, Ers­ter zu sein. Es geht nie dar­um, für sich selbst das Bes­te her­aus­zu­ho­len, son­dern aus­schließ­lich dar­um, „Bes­ter“ zu sein. Alles ande­re ist immer eine Ent­täu­schung. Wer so denkt, wird fast immer ein Leben vol­ler Ent­täu­schun­gen füh­ren.

* * *

Es spricht eh wenig dafür, dass im Sport­jour­na­lis­mus irgend­je­mand arbei­tet, der Fuß­ball liebt: Spie­le wer­den in so vie­le sta­tis­ti­sche Wer­te (gelau­fe­ne Meter, gespiel­te Päs­se, gewon­ne­ne Zwei­kämp­fe, etc.) zer­legt, dass nicht mal ich als Sta­tis­tik-Freund irgend­ei­nen Sinn dar­in sehe – und ich weiß, dass Hei­ko Herr­lich und Mario Bas­ler in der Bun­des­li­ga­sai­son 1994/​95 mit jeweils 20 Tref­fern Tor­schüt­zen­kö­ni­ge der Bun­des­li­ga wur­den.

Der Sta­tis­tik­wahn der aktu­el­len Sport­be­richt­erstat­tung ist so, als ob man eine CD nach ihrer Spiel­zeit, der Beat­zah­len der ein­zel­nen Tracks und der Anzahl der Har­mo­nie­wech­sel bewer­ten wür­de. Man möch­te sich nicht vor­stel­len, wie sol­che Men­schen ihre Ehe­part­ner aus­su­chen. Wer die gan­ze Welt in angeb­lich objek­ti­ve Zah­len zer­legt, wird irgend­wann über­rascht fest­stel­len, dass er sie trotz­dem nicht ver­steht.

Und dann immer die­se Beno­tun­gen nach Fuß­ball­spie­len! Natür­lich hat Lukas Podol­ski am Don­ners­tag schlecht gespielt, aber was hat man davon, wenn man ihm dafür eine „6“ geben kann?

Wirt­schafts­ver­bän­de und Leh­rer kri­ti­sie­ren die Noten­ver­ga­be an Schu­len in ihrer aktu­el­len Form als wenig aus­sa­ge­kräf­tig. Ich habe es immer schon für Unfug gehal­ten, dass jemand, der Medi­zin stu­die­ren möch­te, dafür gute Schul­no­ten in Geschich­te, Eng­lisch, Sport und Reli­gi­on braucht. Und wenn Sie jetzt sagen: „Ja, aber irgend­wie muss man so eine Stu­di­en­platz­zu­las­sung ja regeln“, dann ent­geg­ne ich Ihnen: „Wenn unser Bil­dungs­sys­tem es nicht ein­mal auf die Ket­te bekommt, gerech­te und logi­sche Zulas­sungs­ver­fah­ren zu ent­wi­ckeln, dann brau­chen wir mit dem Ver­such, künf­ti­ge Eli­ten aus­zu­bil­den, ja gar nicht erst anzu­fan­gen!“

* * *

Im Novem­ber 2009 war aus einem Volk von 82 Mil­lio­nen poten­ti­el­len Bun­des­trai­nern kurz­zei­tig eine Nati­on von 82 Mil­lio­nen Psy­cho­lo­gen gewor­den: Nach dem Sui­zid des depres­si­ven Natio­nal­tor­hü­ters Robert Enke erklär­ten Funk­tio­nä­re, Fans und Medi­en, es müs­se ein soge­nann­tes Umden­ken ein­set­zen.

Wal­ter M. Stra­ten, damals stell­ver­tre­ten­der Sport­chef bei „Bild“, hat­te sich damals von der „Süd­deut­schen Zei­tung“ so zitie­ren las­sen:

„Wir wer­den wohl mit extre­men Noten etwas vor­sich­ti­ger sein“, sagt der stell­ver­tre­ten­de Bild-Sport­chef. Man wer­de sich ein­mal mehr über­le­gen, „ob der Spie­ler, der eine kla­re Tor­chan­ce ver­ge­ben hat, oder der Tor­wart, der den Ball hat durch­flut­schen las­sen, eine Sechs bekommt oder eine Fünf reicht“.

Schnell zeig­te sich, dass Stra­tens Aus­sa­ge exakt so ernst zu neh­men war, wie ande­re Aus­sa­gen der „Bild“-Chefredaktion.

In der Zwi­schen­zeit ist ein Bun­des­li­ga­trai­ner wegen Burn­outs zurück­ge­tre­ten, hat ein Schieds­rich­ter einen Sui­zid­ver­such unter­nom­men, wird einem Bun­des­li­ga­pro­fi vor­ge­wor­fen, sein Haus in Brand gesetzt zu haben.

Jedes Mal zei­gen sich alle ent­setzt und jedes Mal geht es danach wei­ter: Fuß­bal­ler sind ent­we­der Hel­den oder Luschen, es gibt nur hop oder top.

Als Fan fand ich den Satz „Es ist doch nur ein Spiel“, immer schlimm. Er kann nur von Men­schen kom­men, die selbst nie mit­ge­fie­bert und mit­ge­lit­ten haben. Aber an etwas ande­res soll­te man immer mal wie­der erin­nern: Die­se Göt­ter oder Ver­sa­ger, die da Tore schie­ßen oder Chan­cen ver­ge­ben, die bril­lant auf­spie­len oder gran­di­os ver­ge­ben, das sind letzt­end­lich auch nur Men­schen. Also: „nur“.

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My name is Adam, I’m your biggest fan

Man kennt das ja aus den ein­schlä­gi­gen Büchern und den Schil­de­run­gen von Vätern, Onkels oder ande­ren alten Leu­ten: Wie die Men­schen frü­her vor dem elter­li­chen Radio geses­sen haben, das Mikro­fon des Kas­set­ten­re­kor­ders vor den Boxen und dann hof­fen, dass einer die­ser damals ver­mut­lich „hip“ oder „fet­zig“ genann­ten Songs läuft. Schnell auf „Auf­neh­men“ drü­cken und dann beten, dass der Mode­ra­tor sei­ne ver­damm­te Klap­pe hält. Ach, ich hab es doch selbst noch so gemacht!

Spä­ter kam dann das Musik­fern­se­hen und man konn­te den gan­zen Quatsch mit Video­re­cor­dern wie­der­ho­len, die natür­lich immer dann von Auf­nah­me­be­reit­schaft auf Stop wech­sel­ten, wenn der erhoff­te Clip end­lich kam. Ob man sich das Band mit den gesam­mel­ten Vide­os jemals anse­hen wür­de, war zweit­ran­gig.

Und dann: Das Inter­net. Mit dem Auf­kom­men von Tausch­bör­sen waren obsku­re B‑Seiten und Live­ver­sio­nen der Lieb­lings­bands plötz­lich in Reich­wei­te. Zwar tropf­ten sie anfangs nur in Modem-Geschwin­dig­keit durch die Lei­tung, aber hin­ter­her hat­te man (wenn die Lei­tung nicht unter­bro­chen wur­de) einen Song, den man rauf und run­ter hören konn­te. Man­che stell­te eine Band oder ein Künst­ler einen neu­en Song in schlech­ter Audio­qua­li­tät im soge­nann­ten Real­play­er ins Inter­net und man konn­te die Wie­der­ga­be an der Sound­kar­te mit­schnei­den – vor­aus­ge­setzt, die Band­brei­te reich­te für eine ruck­el­freie Wie­der­ga­be.

Damals habe ich auch noch phy­si­sche Sin­gles gekauft: Zehn, elf D‑Mark (spä­ter sechs, sie­ben Euro) für drei, vier Songs. Aber man hat­te den ers­ten Track des neu­en Travis‑, Cold­play- oder Oasis-Albums, bevor das end­lich auf den Markt kam, und man hat­te B‑Seiten. Man­che B‑Seiten aus die­ser Zeit habe ich öfter gehört als man­che Album­tracks aus der jün­ge­ren Schaf­fens­pha­se die­ser Bands.

Dann wur­de alles anders: Irgend­wann gab es kein Musik­fern­se­hen mehr und nach mei­ner Arbeit beim Cam­pus­ra­dio hat­te ich auch den Über­blick über Sin­gles ver­lo­ren. Alben erschie­nen ein­fach irgend­wann und man hat­te sie nicht mehr schon seit Wochen (weil: bemus­tert), son­dern bekam davon teil­wei­se gar nichts mehr mit. Die letz­ten Jah­re waren schwach, was mei­ne eige­ne Hin­ga­be und mein Fan­dom angeht. Dafür kauft man dann immer öfter die teu­re Spe­cial Edi­ti­on, deren zwei­te CD oder DVD dann unge­hört und unbe­se­hen im Regal ver­staubt, nach­dem man das eigent­li­che Album ein ein­zi­ges Mal in den Com­pu­ter gescho­ben hat, um es zu rip­pen. Oder es gibt gleich gar kei­nen phy­si­schen Ton­trä­ger mehr, son­dern nur noch die nack­te, digi­ta­le Musik.

In der letz­ten Zeit habe ich nicht viel neue Musik gehört: Seit dem Hald­ern vor allem abwech­selnd The Natio­nal und Del­phic, die das Ren­nen um das Album des Jah­res bis­her unter sich aus­ma­chen. Die neue Sin­gle von Wir Sind Hel­den habe ich zum ers­ten Mal gehört, als ich mir am Frei­tag das Album gekauft habe – von dem ich dann so ent­täuscht war, dass ich ihm bis­her noch kei­ne zwei­te Chan­ce gege­ben habe.

Dafür habe ich das Wie­der­erwa­chen mei­nes Fan­doms beob­ach­ten kön­nen: Stän­dig trieb ich mich auf der Web­site der Manic Street Pre­a­chers rum, bis dort end­lich das Video zur (ganz okay­en) neu­en Sin­gle ver­öf­fent­licht wur­de. In der Zwi­schen­zeit war ich dort aber immer­hin über die Ori­gi­nal­de­mo von „The Girl From Tiger Bay“ gestol­pert, das die Band für Shir­ley Bas­seys letz­tes Album geschrie­ben hat­te.

Und auch die Vor­bo­ten des gemein­sa­men Albums von Ben Folds und Nick Horn­by habe ich genau im Auge und ver­spü­re dank des Trai­lers sogar ech­te Vor­freu­de:

Mit den … äh: Akti­ons­künst­lern Pom­pla­moo­se haben Folds und Horn­by noch einen wei­te­ren Song auf­ge­nom­men (in dem Horn­by sogar selbst zu hören ist), des­sen Geschich­te Ben Folds sehr schön auf sei­ner Web­site erklärt:

Das klingt alles toll. Nach dem letzt­lich dann doch eher mit­tel­gu­ten „Way To Nor­mal“ freue ich mich tat­säch­lich auf das neue Album. Die Delu­xe-Edi­ti­on ist jeden­falls bestellt.

Die ers­te Hör­pro­be vom neu­en Jim­my-Eat-World-Album klingt übri­gens ganz schreck­lich.

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You and I, we’re gonna live forever

Von meh­re­ren Sei­ten wur­de der Wunsch an mich her­an­ge­tra­gen, ich möge mich in die­sem Publi­ka­ti­ons­or­gan doch bit­te zum Aus­stieg Noel Gal­lag­hers bei Oasis äußern. Nor­ma­ler­wei­se wäre das ein guter Grund, gar nicht erst über einen Text nach­zu­den­ken, son­dern den Bitt­stel­lern den Vogel und den Weg zur Tür zu zei­gen. Aber Oasis sind ja nicht irgend­ei­ne Band und die Dis­kus­sio­nen der letz­ten Tage legen den Ver­dacht nahe, dass das The­ma uns Pop­kul­tur­ge­schä­dig­te min­des­tens so sehr beschäf­tigt wie der Tod von Micha­el Jack­son.

Touristenfotos aus der Brtipop-HölleAlso, zunächst ein­mal: Ich glau­be nicht, dass der Aus­stieg von Dau­er sein wird. Noel Gal­lag­her ist zwar das letz­te Band­mit­glied, das vom Durch­bruch bis vor kur­zem dabei war (wir erin­nern uns: auch Liam war ja zwi­schen­zeit­lich irgend­wie mal aus­ge­stie­gen), inso­fern wiegt das viel­leicht etwas schwe­rer, aber bei Licht bese­hen sind Oasis doch wie die­se Pär­chen im Freun­des­kreis, die sich immer wie­der tren­nen und immer wie­der zusam­men­fin­den – bei­des zum Leid­we­sen aller Unbe­tei­lig­ten. Ein Nach­ruf wird das hier also nicht wer­den.

Schon gar nicht auf eine Band, die selbst wun­der­bar in Wor­te pack­te, wor­an sich nie jemand gehal­ten hat:

Plea­se don’t put your life in the hands
Of a rock ’n’ roll band
Who’ll throw it all away

Alle Dis­ku­tan­ten haben ein­hel­lig die Mei­nung ver­tre­ten, dass der letz­te rich­tig gute Oasis-Song schon län­ger her sei – nur über den genau­en Zeit­punkt und Titel ist man sich uneins. Ich wür­de vor sie­ben Jah­ren anset­zen, auf „Hea­then Che­mis­try“ mit den letz­ten Über-Bal­la­den „Stop Crying Your Heart Out“ und „Litt­le By Litt­le“ und dem Klein­od „She Is Love“. „Fal­ling Down“ auf dem letzt­jäh­ri­gen „Dig Out Your Soul“ war auch nicht schlecht, aber das darf man alles nicht mit den alten Sachen ver­glei­chen.

Ich habe in den letz­ten Tagen einen Ver­gleich bemüht, von dem ich ver­ges­sen hat­te, dass ich ihn schon beim gro­ßen Jah­res­rück­blick ver­wen­det hat­te: Näm­lich den, dass es mit Oasis sei wie mit einem alten Schul­freund – „das Wie­der­se­hen ist herz­lich, man denkt an alte Zei­ten, trinkt zwei Bier und geht wie­der getrenn­ter Wege“.

Oasis waren ja unge­fähr zwei Som­mer lang so groß, wie die Ultras sie heu­te noch sehen. Auf dem Höhe­punkt abzu­tre­ten haben nicht mal Nir­va­na geschafft. Danach kommt eben die Ver­wal­tung der eige­nen Errun­gen­schaf­ten und dafür kann man dann ruhig den Rol­ling-Stones-Weg ein­schla­gen. Und denen ging es ja in den Acht­zi­gern auch nicht beson­ders.

Ich kam (wie unge­fähr jeder ande­re) über „Won­der­wall“ zu Oasis. Auf „Bra­vo Hits 12“ und das ist ja Grund genug, den Song heu­te zu has­sen. „Solo­al­bum“ von Ben­ja­min von Stuck­rad-Bar­re – und Sie dach­ten, wir spre­chen bei Oasis von einem Absturz in die Bedeu­tug­nslo­sig­keit – häm­mer­te mir die Band ins Bewusst­sein, danach wur­den alle bis­her erschie­ne­nen CDs gekauft und bei jeder Neu­erschei­nung das Geld brav in den Laden getra­gen.

Die Pflicht­schul­dig­keit, immer noch jedes neue Album kau­fen und irgend­wie mögen zu müs­sen, habe ich bei Oasis gelernt. Eine objek­ti­ve Beur­tei­lung von Künst­lern, von denen ich mehr als drei Plat­ten habe, ist mir bis heu­te unmög­lich. (Ein­zi­ge Aus­nah­me: „Inten­si­ve Care“ von Rob­bie Wil­liams. So eine Scheiß­plat­te muss man wirk­lich erst mal machen.)

Im Gegen­satz zu ande­ren Brit­pop-Fans glau­be ich auch heu­te noch an den Glau­bens­krieg Oasis vs. Blur. Ich war immer Oasis-Fan, von Blur habe ich nur das Best Of. Cof­fee And TV heißt natür­lich trotz­dem nach einem Blur-Song, auch wenn die Band wenig aus­schlag­ge­bend war für die Wahl. Und es ist natür­lich die ganz beson­de­re Iro­nie der Pop­kul­tur, dass aus­ge­rech­net im Jahr 2009 – rund 15 Jah­re nach den Gol­den Years of Brit-Pop – Blur plötz­lich ein gefei­er­tes Come­back hin­le­gen und bei Oasis das Mas­ter­mind aus­steigt. Bes­ser tan­zen konn­te man frei­lich immer schon zu Blur.

Oasis wer­den wie­der­kom­men, dar­an habe ich kei­nen Zwei­fel. Die Band hat in ihrer Kar­rie­re ver­mut­lich mehr Kon­zer­te abge­sagt, als die Babysham­bles je gespielt haben. Sich klamm­heim­lich aus einem Fes­ti­val-Line-Up zu steh­len, ist mies, denn das Geld kriegt man nicht wie­der – auch nicht, wenn statt­des­sen Deep Pur­ple spie­len.

Und wenn Noel Gal­lag­her nicht in ein, zwei Jah­ren wie­der auf der Büh­ne steht, als sei nichts gesche­hen, dann gilt immer noch, was ein guter Freund und Ex-Oasis-Fan mein­te: „Eine Band ist doch nicht weg, wenn sie sich auf­löst. Die Plat­ten wird es immer geben.“

In die­sem Sin­ne: „You and I, we’­re gon­na live fore­ver!“

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It Ain’t Over ‚til It’s Over

Wenn’s nach mir gegan­gen wäre, hät­te die Bun­des­li­ga­sai­son um 16:15 Uhr wirk­lich vor­bei sein kön­nen:

1. Bundesliga, Tabelle: 1. Gladbach 3:0 Tore 3 Pkt

Es gibt Din­ge, von denen eigent­lich klar ist, dass man sie nie tun darf: Sich über ein Fes­ti­val-Lin­e­up freu­en, bevor der Zeit­plan raus ist (und man fest­stellt, dass alle Bands, die man sehen will, gleich­zei­tig spie­len); den eige­nen Freun­den vor dem ent­schei­den­den Date vom aktu­el­len love inte­rest erzäh­len und Sie­ge von Borus­sia Mön­chen­glad­bach vor dem Abpfiff fei­ern. Ich hab heu­te zur Abwechs­lung mal wie­der letz­te­res getan.

Weil ich im Vor­ver­kauf kei­ne Kar­ten für den Glad­ba­cher Block gekriegt hat­te, war ich heu­te auf gut Glück zum Ruhr­sta­di­on gefah­ren. Dort gab es tat­säch­lich noch Kar­ten, aber eben nur für die Bochu­mer Kur­ve. Mit ungu­tem Gefühl mei­ne Eig­nung als Under­co­ver-Agent betref­fend stell­te ich mich also zwi­schen die Bochu­mer Fans (zu denen ich mich als Zuge­zo­ge­ner an jedem ande­ren Spiel­tag auch zäh­le) und stell­te mir die – wie ich annahm theo­re­ti­sche – Fra­ge, ob ich bei mög­li­chen Glad­ba­cher Toren wohl ruhig blei­ben könn­te.

VfL Bochum -  Borussia Mönchengladbach 0:1

Die Fra­ge wur­de in der 19. Minu­te beant­wor­tet: Ich konn­te. (In der letz­ten Sai­son habe ich mir beim 1:0 der Glad­ba­cher mei­ne Stim­me völ­lig rui­niert. Fal­scher Block hat also auch was für sich.) Etwas über­ra­schend ging Glad­bach, das die ers­ten fünf Minu­ten die inter­es­san­te Spiel­va­ri­an­te kom­plett ohne Mit­tel­feld aus­pro­biert hat­te, durch Aran­go in Füh­rung. Sie­ben Minu­ten spä­ter kes­sel­te es erneut, die ers­ten Bochum-Fans ver­lie­ßen das Sta­di­on und die Borus­sia tat etwas, wofür sie nicht unbe­dingt immer berühmt ist: sie spiel­te schö­nen und schlüs­si­gen Offen­siv-Fuß­ball. Das 3:0 in der 41. Minu­te war die logi­sche Fol­ge und Mön­chen­glad­bach war Tabel­len­füh­rer.

Bis hier­hin waren die Borus­sen-Fans schon häu­fig die lau­te­ren Anhän­ger gewe­sen, jetzt waren sie die ein­zi­gen. In der Bochu­mer Kur­ve rich­te­te sich jener abgrund­tie­fe Hass, den man außer­halb von Fuß­ball­sta­di­en nur in Ter­ror­camps und Musik­fo­ren im Inter­net fin­det, plötz­lich gegen die eige­ne Mann­schaft. Zu gern wäre man in der Halb­zeit­pau­se in der Kabi­ne gewe­sen, um Mar­cel Kol­ler bei sei­nem Wut­an­fall zu beob­ach­ten. Aber die „High­lights“ der ers­ten Spiel­hälf­te auf der Video­lein­wand waren auch schon ein schö­ner Ersatz.

Nach der Pau­se fiel den Bochu­mer Spie­lern plötz­lich wie­der ein, war­um sie eigent­lich ins Sta­di­on gekom­men waren, und in der 51. Minu­te stand es 1:3. Was dann folg­te, kann ich erst nach Sich­tung der Fern­seh­bil­der heu­te Abend ver­ste­hen: Es müs­sen maxi­mal fünf Ball­kon­tak­te nach dem Wie­der­an­pfiff gewe­sen sein und schon hat­te Aza­ouagh zum zwei­ten Mal für die Bochu­mer getrof­fen. Da däm­mer­te mir, dass die ers­te Halb­zeit ein Traum gewe­sen war und mich die Glad­ba­cher gera­de mit Holz­häm­mern zu wecken gedach­ten. Ver­ka­tert, mit­ten in der Nacht, an einem Ort, den ich nicht kann­te. Und dann hol­te sich Dan­te in der 59. Minu­te eine der däm­lichs­ten roten Kar­ten der Fuß­ball­ge­schich­te ab und Borus­sia war zu zehnt.

Klar, dass vier Minu­ten spä­ter der Aus­gleich fiel. In nicht mal einer Vier­tel­stun­de, die mir aller­dings vor­kam wie ein vier­stün­di­ger tsche­chi­scher Expe­ri­men­tal-Film ohne Unter­ti­tel, war das kom­plet­te Spiel gekippt. In einem der weni­gen Momen­te, in denen ich noch den­ken konn­te, dach­te ich: „Respekt, wie die Bochu­mer sich da noch mal auf­ge­rap­pelt haben! Glad­bach hät­te ab einem 0:2‑Rückstand nur noch auf Hal­ten gespielt.“ Ich woll­te nach hau­se, aber ich durf­te das Sta­di­on auf kei­nen Fall ver­las­sen, denn die letz­te Hoff­nung waren mei­ne Seri­en: Noch nie hat­te Glad­bach ver­lo­ren, als ich im Sta­di­on war, und noch nie hat­te Bochum etwas ande­res als Unent­schie­den gespielt.

Irgend­wann kamen die Glad­ba­cher dann auch mal wie­der ins Spiel und in die Nähe des Bochu­mer Tores. Zum Schluss hät­te jede Mann­schaft noch einen Sieg­tref­fer lan­den kön­nen, aber für Bochum wäre er zuge­ge­be­ner­ma­ßen etwas ver­dien­ter gewe­sen. Doch es blieb bei den sechs Toren, die natür­lich alle­samt auf der ande­ren Sei­te des Sta­di­ons gefal­len waren. Der Abpfiff kam und ich war erleich­tert, dass die Sai­son wenigs­tens nicht schon wie­der mit einer Nie­der­la­ge begon­nen hat­te. Jetzt nur schnell weg! Als ich zuhau­se aus der U‑Bahn stieg, spiel­te die Shuff­le-Funk­ti­on mei­nes iPods „Don’t Look Back In Anger“.

Viel­leicht war es aber auch ganz gut, dass das mit der Tabel­len­füh­rung nichts wur­de: Zum letz­ten Mal war Glad­bach am ers­ten Spiel­tag der Sai­son 98/​99 auf Platz 1 und stieg am Ende als 18. ab.

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Musik

Silence always wins

Es gibt Bands und Musi­ker, die beglei­ten einen ein Leben lang, ohne dass man es merkt. Als Patri­cia Kaas beim Grand Prix für Frank­reich sang, über­kam mich ein woh­li­ger Erin­ne­rungs­schau­er, der mich an vie­le Geburts­tags­fei­ern mei­ner Eltern den­ken ließ und an die unzäh­li­gen namen­lo­sen Hits der Star-Chan­teu­se, die sol­che Ver­an­stal­tun­gen beschallt haben, als ich noch ein Kind war.

Bei a‑ha kam die­se Erkennt­nis vor neun Jah­ren, als sich das nor­we­gi­sche Trio aus der Krea­tiv­pau­se zurück­mel­de­te und mit „Minor Earth Major Sky“ mal eben eines der bes­ten Pop-Alben des Jahr­zehnts ver­öf­fent­lich­te. Beim Kon­zert in der Are­na Ober­hau­sen (bei dem ein Freund und ich die ein­zi­gen Män­ner unter 30 waren und zur Stra­fe Rea­m­onn als Vor­grup­pe ertra­gen muss­ten) däm­mer­te mir dann, wie vie­le a‑ha-Lie­der schon immer Teil mei­nes Lebens gewe­sen waren. Allen vor­an natür­lich „Take On Me“, die­se unfass­bar ein­gän­gi­ge Acht­zi­ger-Hym­ne mit dem bes­ten Musik­vi­deo aller Zei­ten, bei deren „Singstar“-Interpretation ich unge­schla­gen bin.

Drei­ein­halb Jah­re ist das letz­te a‑ha-Album „Ana­lo­gue“ alt, das bei etwas kre­di­bi­le­ren Künst­lern als „beein­dru­ckend dich­tes Alters­werk“ durch­ge­gan­gen wäre, bei den ewi­gen Pos­ter­boys aber wei­test­ge­hend igno­riert wur­de. Zeit für etwas Neu­es, zum Bei­spiel die Sin­gle „Foot Of The Moun­tain“, die letz­te Woche beim Fina­le von „Germany’s Next Top­mo­del“ in einer spek­ta­ku­lä­ren Büh­ne der Welt­öf­fent­lich­keit prä­sen­tiert wur­de:

[Direkt­link]

(Die­se komi­schen Kis­ten schei­nen übri­gens sehr Fri­sur­feind­lich gewe­sen zu sein.)

Man muss den Song viel­leicht ein paar Mal hören, bevor er sich einem erschließt. Aber wenn man sich ein­mal an die stel­len­wei­se unkon­ven­tio­nel­le Gesangs­me­lo­die gewöhnt, wenn man die „Dis­arm“-Glo­cken im Refrain ent­deckt und mal auf den zwi­schen Zynis­mus und Pathos schwan­ken­den Refrain geach­tet hat, dann will man den „Repeat“-Schalter gar nicht mehr zurück­stel­len. (Sie ahnen: Im Moment ist es etwas anstren­gend, mit mir zusam­men­zu­woh­nen.)

Das Album, das auch „Foot Of The Moun­tain“ hei­ßen wird, erscheint in Deutsch­land am 19. Juni.

PS: Sehen Sie sich bit­te auch unbe­dingt die­se außer­ge­wöhn­li­che Live­ver­si­on von „Take On Me“ an!

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Musik

Die Kilians-Festspiele 2009 sind eröffnet

Kilians beim Haldern Pop 2008.

Das groß­ar­tigs­te Urteil, das ich je über die Kili­ans gehört oder gele­sen habe, ist die­ses hier:

Das ist die lang­wei­ligs­te auf­ge­setz­te Lan­ge­wei­le die ich seit lan­gem gese­hen UND gehört habe.

Immer­hin passt das Video in sei­ner auf­ge­styl­ten rough­ness, die die ange­schraub­te Weh­mut die­ser jam­mer­lap­pi­gen Luschen unter­streicht zur Seie­rig­keit des Songs.
Trotz­dem: Why?
Nie­mand wird gezwun­gen, Musik zu machen und es gibt vie­le Wege, die schmerz­haf­te Abwe­sen­heit von Per­sön­lich­keit, Cha­ris­ma und Talent zu kom­pen­sie­ren.
Macht doch was mit Holz oder im sozia­len Bereich oder betrinkt euch. Habt Sex, bloggt, wech­selt mal den Stadt­be­zirk oder den Arzt oder, der Song­ti­tel legt es nah: geht nach Hau­se!

Die­se Wor­te ent­stam­men einem Kom­men­tar von Tan­ja Haeus­ler bei Spree­blick und obwohl ich mich ihr natür­lich nicht anschlie­ßen kann, fin­de ich die­sen klei­nen Aus­bruch sehr sym­pa­thisch. Allein schon, weil Tan­ja die Band offen­bar ein­fach so doof fand und sie nicht den Umweg über Dins­la­ken, Thees Uhl­mann oder die Strokes gehen muss­te.

Ich kann mich in kei­ner Wei­se objek­tiv über die Kili­ans äußern: Ich ver­eh­re die Band län­ger, als ich mit ihren Mit­glie­dern befreun­det bin, ich war schon mal mit auf Tour und ich habe dar­über­hin­aus auch noch die Band­in­fo zum neu­en Album geschrie­ben. (Es ist übri­gens eine sehr inter­es­san­te Erfah­rung, eige­ne For­mu­lie­run­gen plötz­lich in den Mel­dun­gen irgend­wel­cher Musik­ma­ga­zi­ne zu lesen.)

Ges­tern Vor­mit­tag habe ich die neue Sin­gle „Said And Done“ zum ers­ten Mal im Radio gehört (natür­lich auf CT das radio), ges­tern Nach­mit­tag war dann Video­pre­mie­re (sowas fin­det mitt­ler­wei­le im Inter­net statt) und jetzt ist das Video auch schon offi­zi­ell bei You­Tube online:

Ja, das ist durch­aus pop­pi­ger gewor­den. Klingt wie die klei­ne, nied­li­che Schwes­ter von „When Will I Ever Get Home“. Mich erin­nert der Song auch ein wenig an die Shout Out Louds, Star­sail­or und Fee­der. Auch das Video ist noch eine Spur opu­len­ter aus­ge­fal­len als die bis­he­ri­gen – Occi­dent-Bas­sist Ben­ja­min Klimc­zak fühl­te sich glatt an den Clip zu „Novem­ber Rain“ erin­nert, was mich aller­dings ein biss­chen rat­los zurück­lässt.

Ver­su­chen wir es trotz­dem für einen Moment mit der Objek­ti­vi­tät: Ja, das ist ein tol­ler Song, der auch bei jeder ande­ren Band toll gewe­sen wäre. Und nach allem, was ich bis­her vom neu­en Album gehört habe (natür­lich unter den übli­chen Sicher­heits­vor­keh­run­gen und Straf­an­dro­hun­gen), bin ich mir sicher: da wird auch eini­ges gehen.

Charts? War­um nicht? Am 27. März erscheint die Sin­gle, am 3. April das Album „They Are Cal­ling Your Name“.

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Film Musik

Nimm mein Mixtape, Babe

Die Neun­zi­ger sind ein trau­ri­ges Jahr­zehnt, denn sie muss­ten ohne die ganz gro­ßen, prä­gen­den Teen­ager-Fil­me aus­kom­men. Allen­falls „Ame­ri­can Pie“ (von 1999) hat­te einen ver­gleich­ba­ren Ein­fluss auf die Pop­kul­tur wie „Say Any­thing“, „Fer­ris Bueller’s Day Off“, „Fast Times At Rid­ge­mont High“ oder „Six­teen Cand­les“. Vor allem hat­ten die Neun­zi­ger kei­nen John Cusack.

Oh, glück­li­che Nuller, denn die haben Micha­el Cera, der in „Super­bad“ schon von erstaun­li­cher Lloyd-Dobler-Haf­tig­keit war, der in „Juno“ die Rol­le des lie­bens­wer­ten, höf­li­chen Jun­gen ohne Eigen­schaf­ten erneut spiel­te und jetzt mit gera­de mal 20 schon sein „High Fidelity“-Pendant dre­hen durf­te: „Nick and Norah’s Infi­ni­te Play­list“.

Nick ist ein Schü­ler, der nicht über die Tren­nung von sei­ner Freun­din Tris hin­weg­kommt, ihre Mail­box voll­quas­selt und ihr unab­läs­sig Mix-CDs brennt. ((Ein bizar­rer Ana­chro­nis­mus – sowohl Mix­tapes als auch MP3-Lis­ten wür­de man ver­ste­hen, aber CDs?!)) Die CDs, die Tris weg­wirft, sam­melt Norah (Kat Den­nings) ein und ver­liebt sich über die Musik in den ihr unbe­kann­ten Absen­der. Dann tref­fen sich die Bei­den erst­mals in der Rea­li­tät, mögen sich nicht, stol­pern durch eine chao­ti­sche Nacht und Rich­tung Hap­py End.

Ich weiß nicht, wann ich das letz­te Mal das Gefühl hat­te, dass bei einem Film von der Atmo­sphä­re über die Dar­stel­ler bis zur Musik alles stimmt, aber das Dreh­buch lei­der völ­li­ger Quark ist. Viel­leicht bei Came­ron Cro­wes „Eliza­beth­town“ und ein biss­chen bei „Gar­den Sta­te“. ((Des­sen Dreh­buch aller­dings nicht völ­li­ger Quark, son­dern nur ein biss­chen unstruk­tu­riert war.)) Man kann im Sin­ne der Dreh­buch­au­to­ren eigent­lich nur hof­fen, dass da ein Zwei­stün­der ganz bru­tal auf 89 Minu­ten zusam­men­ge­kürzt wur­de, denn vie­les passt nicht so recht zusam­men und gera­de das Ver­hal­ten der bei­den Haupt­per­so­nen wirkt oft völ­lig unmo­ti­viert.

„Nick and Norah’s Infi­ni­te Play­list“ ((Oder „Nick und Norah – Sound­track einer Nacht“, wie der eher so mit­tel­gu­te deut­sche Titel lau­tet.)) ist trotz­dem ein wun­der­ba­rer Film – und das liegt an allem, was nicht Dreh­buch ist. ((Das Dreh­buch hat übri­gens auch ein paar hüb­sche Ein­fäl­le an den Rän­dern, aber die zen­tra­le Hand­lung ist halt völ­lig ver­un­glückt.)) Für einen Musik­lieb­ha­ber ((Oder auch Musik­nerd.)) sind der Film und sein Sound­track ((Im Abspann wer­den 37 Songs auf­ge­führt, nur ein paar weni­ger als bei „High Fide­li­ty“ und „Almost Famous“.)) wie ein Besuch bei Freun­den: Vie­le kennt man schon und die ande­ren sind auch nett. Bishop Allen tre­ten live auf und Deven­dra Ban­hart latscht als Super­markt-Kun­de durchs Bild, dazu kom­men Songs von unter ande­rem Vam­pi­re Weekend, The Dead 60s, We Are Sci­en­tists, Shout Out Louds, Band Of Hor­ses und Rogue Wave.

Die Schau­spie­ler spie­len ihre Cha­rak­te­re auf eine für einen Tee­nie-Film über­ra­schend zurück­hal­ten­de und damit sehr ange­neh­me Art. New York zeigt sich abseits der 5th-Ave­nue-Kli­schees von sei­ner sym­pa­thischs­ten Sei­te. Und hat­te ich erwähnt, wie groß­ar­tig die gan­ze Atmo­sphä­re ist?

Und so kommt es, dass ich ein paar Stun­den nach dem Kino­be­such ((Und beim Hören des Sound­tracks, den iTu­nes freund­li­cher­wei­se auch nach Laden­schluss noch vor­rä­tig hat­te.) mit woh­li­ger Erin­ne­rung an einen Film zurück­den­ke, wäh­rend des­sen Sich­tung ich fast die Lein­wand ange­schrien hät­te, um die Autoren zu ver­flu­chen.

Bil­ly Wil­der hat ein­mal gesagt, für einen guten Film brau­che man drei Din­ge: 1. Ein gutes Dreh­buch, 2. Ein gutes Dreh­buch und 3. Ein gutes Dreh­buch. Ich wür­de dem Meis­ter nie wider­spre­chen, aber viel­leicht ist „Nick and Norah’s Infi­ni­te Play­list“ ja ein­fach die Aus­nah­me, die die Regel bestä­tigt.

Trai­ler
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For Me This Is Heaven

Ich war grad im Pro­be­raum von Jim­my Eat World.

Also, nicht räum­lich, aber schon irgend­wie. Und drei­hun­dert ande­re waren auch da.

Die Band hat­te via twit­ter dar­auf hin­ge­wie­sen, dass sie gera­de ustream – ein Pro­gramm mit dem man live Bewegt­bild ins Inter­net strea­men kann – tes­ten wür­den. Als ich ankam, hat­ten sie etwa 30 Zuschau­er und spiel­ten im Pro­be­raum an ihren Lap­tops rum.

Im Lau­fe der Zeit kamen über 300 Zuschau­er vor­bei, was einer­seits viel für so eine spon­ta­ne Akti­on ist, ande­rer­seits auch ver­dammt wenig für eine Band, die seit Jah­ren eher die grö­ße­ren Clubs und Hal­len füllt. Und so wur­den wir Teil eines exklu­si­ven Spek­ta­kels, in des­sen Ver­lauf sie „Lucky Den­ver Mint“, „A Sun­day“ und „Just Watch The Fire­works“ spiel­ten (die Band probt gera­de für die Tour anläss­lich des zehn­ten Geburts­tags ihres Albums „Cla­ri­ty“).

Jimmy Eat World live im Web

Und wäh­rend die Band da so spiel­te, konn­ten sich die Zuschau­er direkt neben dem Video­fens­ter im Chat unter­hal­ten, ohne dass ihr Gemur­mel jeman­den gestört hät­te. Einer fass­te es dann auch sehr schön zusam­men: „Man it’s like I’m 16 again“.

Es sind Geschich­ten wie die­se, die mir zei­gen, war­um ich das Inter­net mag. Die­ses gan­ze Gere­de von „Demo­kra­ti­sie­rung“ und „Zukunft des Jour­na­lis­mus“ mag sich als Irr­glau­be und kur­zer Trend her­aus­stel­len (viel­leicht auch nicht, wer mag sowas schon vor­her­sa­gen?), aber sol­che rela­tiv klei­nen Aktio­nen wie ein­mal bei einer der eige­nen Lieb­lings­bands in den Pro­be­raum zu spin­xen, die betref­fen und begeis­tern mich per­sön­lich.

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Menschlich

The Kil­lers, die ich per­sön­li­che für eine der bes­ten Bands der Welt hal­te, seit ich sie live gese­hen habe, wer­den Ende Novem­ber ihr drit­tes regu­lä­res Album ver­öf­fent­li­chen. Ges­tern haben sie schon mal das Video zur ers­ten Sin­gle „Human“ vor­ge­stellt.

Kath­rin meint, der Song klin­ge wie Micha­el Wend­ler. Man hät­te aus dem Song noch mehr raus­ho­len kön­nen, aber ich höre ihn gera­de immer und immer wie­der und mit jedem Mal wird er grö­ßer. Die­se Har­mo­nien, die sind so … uplif­ting.

Bran­don Flowers hat den Bart ab, im Video gibt es einen Tiger zu sehen und im Refrain stellt die Band die exis­ten­zi­ells­te aller Grund­satz­fra­gen: „Are we human? Or are we dancer?“ Was will man mehr?

rollingstone.com stellt das Video vor und wenn Sie genau hin­se­hen, wer­den Sie ent­de­cken, dass es jemand mit einer Digi­tal­ka­me­ra von einem Bild­schirm abge­filmt zu haben scheint. Das wür­de auch kein deut­sches Medi­um machen.

Nach­trag, 01:34 Uhr: So schnell kann’s gehen: Das Video ist weg. Hören kön­nen Sie den Song aber schon mal ganz legal bei last.fm.

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Emfohlen

Set­zen Sie sich erst mal!

Atmen Sie tief durch.

Neh­men Sie einen Rot­stift und umkrin­geln Sie das heu­ti­ge Datum auf ihrem Kalen­der.

Ich muss Ihnen näm­lich jetzt eine Klick­stre­cke emp­feh­len. Bei „RP Online“.

Ich glau­be, es ist das ers­te Mal in der Geschich­te von „RP Online“, dass eine Bil­der­ga­le­rie mit einem Namen ver­se­hen wur­de. Inso­fern will ich Tho­mas Grul­ke ganz direkt loben für etwas, das eigent­lich eine online­jour­na­lis­ti­sche Selbst­ver­ständ­lich­keit sein soll­te – aber für „RP Online“ gel­ten ja spe­zi­el­le Regeln.

Herr Grul­ke hat alle Trai­ner von Borus­sia Mön­chen­glad­bach von 1964 bis heu­te zusam­men­ge­stellt und dabei nicht nur auf doo­fe, nichts­sa­gen­de Fotos gesetzt, wie es in sei­nem Hau­se sonst üblich ist.

Das Ergeb­nis erin­nert viel mehr an ein Auto­quar­tett: Foto, Dau­er der Amts­zeit, Bun­des­li­ga­spie­le mit Borus­sia, Punk­te­schnitt und Erfol­ge sind bei jedem extra auf­ge­führt. Zwar wären die Daten in einer Tabel­le bes­ser ver­gleich­bar, aber irgend­wie erscheint mir auch das Kon­zept „Bil­der­ga­le­rie“ in die­sem Fall ange­mes­sen.

Gut, es tut ein biss­chen weh, sich noch ein­mal an die Tage mit Han­nes Bon­gartz, Ewald Lie­nen oder Dick Advo­caat erin­nern zu müs­sen und vie­le der Namen (Trai­ner von 1964–1987: drei, Trai­ner von 1987 bis heu­te: fünf­zehn) hat­te ich als Fan nicht ohne Grund ver­drängt, aber was soll’s.

Eine Ant­wort auf die Fra­ge, was bei der Borus­sia eigent­lich falsch läuft, bie­tet die Klick­stre­cke zwar auch nicht, aber immer­hin kann man noch ein­mal in Erin­ne­run­gen an gute und noch schlech­te­re Zei­ten schwel­gen:

„Die Trai­ner-Gale­rie von Borus­sia Mön­chen­glad­bach“ bei „RP Online“