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Digital Unterwegs

Ich will Dich treffen, wo es am schönsten war

New York, NY

Facebook macht mein Internet kaputt. Wann immer mir etwas halbwegs besonderes widerfährt oder ich etwas tolles entdecke, poste ich das bei Facebook und dann ist gut. Deswegen verwaist dieses Blog langsam aber sicher und wird nur noch befüllt, wenn sich bei mir genug negative Energie angesammelt hat. Das ist nicht gut.

Markus Herrmann alias Herm, der uns zum Beispiel das Oslog und das Duslog so schön tapeziert hat, war letzte Woche in New York. Er hat ungefähr alles, was er dort erlebt hat (dachte ich zunächst, waren aber nur zehn Prozent dessen), bei Facebook geteilt, sich hinterher aber auch noch die Mühe gemacht, das ausführlicher im Blog zu beschreiben.

Er war in zahlreichen Fernsehstudios, bei Google, an jeder denkbaren Touristenattraktion und hat Mark Hoppus, Conan O’Brien und Elmo aus der Sesamstraße getroffen. Ihm sind die unglaublichsten Dinge passiert und man sieht beim Lesen förmlich, wie er da mit großen Augen durch die Gegend tappst.

Womöglich finde ich das alles besonders toll, weil ich Herms Begeisterung für Popkultur und die USA teile (letzteres ein bisschen eingeschränkt, aber – love them or hate them – irgendwie kann man sich dem ja nicht entziehen) und ich fast auf den Tag genau fünf Jahre vor ihm in New York war und vieles ganz ähnlich erlebt habe.

In jedem Fall wäre es viel zu schade, wieder nur auf den “Gefällt mir”-Button zu klicken. Deswegen seien Ihnen die Einträge aus New York ausdrücklich auch hier im Blog empfohlen:

Herm in New York

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Digital Gesellschaft

Lesen Sie diese peinliche Einladungskarte im Original

Ich schreibe jetzt seit ziemlich genau 12 Jahren ins Internet: Erst über Kinofilme, dann über Musik, dann über alles mögliche und das Versagen von Journalisten. Mit der Zeit habe ich mir angewöhnt, schon im Moment des Erlebens im Kopf Blogeinträge zu Formulieren. Das ist sehr lästig, weil ich Rockkonzerte zum Beispiel nicht mehr als schöne Ereignisse wahrnehme, sondern hauptsächlich als Vorlagen für Texte, die in den allermeisten Fällen dann doch nie geschrieben werden.

Facebook hat alles noch schlimmer gemacht, denn plötzlich ist – um es mit Heiner Müller zu sagen – alles Material: Das leidlich lustige Erlebnis im Supermarkt, der mitgehörte Dialog in der Straßenbahn oder die Feststellung, dass ich seit einigen Monaten offenbar zu doof bin, mir die Schnürsenkel so zuzubinden, dass sie nicht unterwegs aufgehen. Alles kann ich schnell ins Smartphone tippen oder mir bis zuhause merken und es dann in die Halböffentlichkeit von Facebook kübeln. Und dann ist es ja offiziell mitgeteilt, weswegen ich die Episoden nicht mehr behalten muss, um sie in fröhlicher Runde Freunden oder Verwandten zu berichten. Ich habe gesprochen, wie der Indiander sagt, und obwohl das Internet ja an sich nicht vergisst, sind die ganzen mehr oder weniger unterhaltsamen Erlebnisse, die ganzen mehr oder weniger geistreichen Gedanken anschließend einigermaßen weg und für Tagebuch, etwaige Enkel und geplante Romane und Drehbücher irgendwie nicht mehr verfügbar. Darunter leidet auch dieses Blog.

Blöd ist aber auch die Schere im Kopf, die irgendwann unweigerlich auftaucht, sobald man begriffen hat, dass das, was man da ins Internet schreibt, auch von irgendjemandem gelesen wird. Es ist einerseits schön, von wildfremden Menschen im öffentlichen Raum angesprochen zu werden, weil ihnen das eigene Blog gefällt (und man selbst so unvorsichtig war, die eigene Fresse auch dann und wann in eine Videokamera zu halten und somit gesichtsbekannt ist), aber es ist andererseits auch ein bisschen beunruhigend, wenn Leute, deren Namen man nicht kennt (auch, weil man in dem Moment, da sie ihn genannt haben, wieder unaufmerksam war), einem erzählen, wie schön sie diesen oder jenen Text jetzt gefunden hätten.

Schlimmer ist nur noch das private Umfeld. Ich war in den vergangenen Monaten auf mehreren Hochzeiten eingeladen. Mehrere Artikel über das Zusammensein von Mann und Frau, über die offensichtliche Unmöglichkeit von unpeinlichen Einladungskarten, über die Einrichtung von Wohnungen und über die Menschheit im Allgemeinen schwirren seitdem auszugsweise durch mein Oberstübchen und harren ihrer Niederschrift — doch ich traue mich nicht. Schriebe ich identifizierbar (und für wenige Menschen identifizierbar wäre ja schon schlimm genug), wären die Gastgeber aus guten Gründen beleidigt: “Erst frisst er sich auf unsere Kosten durch den Abend und dann geißelt er unsere Einladungskarte.” Schriebe ich sehr allgemein, wären womöglich hinterher die falschen Menschen angefressen: “Erst frisst er sich auf unsere Kosten durch den Abend und dann geißelt er unsere Einladungskarte, von der er vorher noch gesagt hat, er fände sie überraschend unpeinlich.” Die Artikel werden also weiter auf sich warten lassen.

Überhaupt ist das ja ein interessantes Phänomen, das früher allenfalls Menschen betraf, die Autoren oder Musikanten in ihrem Bekanntenkreis hatten: Alles, was wir heute sagen, tun oder nicht tun, könnte schon morgen in irgendeinem Blogeintrag oder wenigstens in irgendeinem Facebook-Post auftauchen und mindestens die 200 engsten Freunde wüssten, wer gemeint ist. Drogen werden seit Erfindung von Handykameras daher sowieso von niemandem mehr konsumiert und Sex findet ausschließlich im Dunkeln statt (das ist auch besser fürs Selbstbewusstsein, steht in jeder zweiten Frauenzeitschrift).

Doch wie kam ich drauf? Richtig: Ich hatte heute ein leidlich lustiges Erlebnis in der S-Bahn, das ich im Facebook irgendwie nicht richtig hätte ausbreiten können (im Twitter hätte ich mit dem Bericht nicht mal beginnen können, weil ich es für nachgerade unmöglich halte, meine Gedanken in 140 Zeichen zu packen — sonst wäre ich schließlich Profifußballer geworden).

Ich stieg also in die S-Bahn ein und da saß eine schwer blutverschmierte Person.
“Herr Ober, da sitzt eine schwer blutverschmierte Person”, hätte ich also ins Facebook geschrieben, nur um dann zu ergänzen, dass die Person aber offenbar etwas mit Rollenspielen oder ähnlichem zu tun hatte, jedenfalls sehr ordentlich geschminkt war. Eventuell hätte ich noch die Frage an mich selbst hinzugefügt, warum ich in der S-Bahn eigentlich nach dem Ober rufe, das ist ja schließlich kein Restaurant.

Im Nachhinein betrachtet wäre diese Geschichte vielleicht sogar für Twitter zu sinnlos gewesen.

Deswegen schnell noch eine andere Geschichte, die ich auch nicht bei Facebook gepostet habe: Gestern in der Buchhandlung, ein Tisch “Lesen Sie diese Bestseller im Original”. Darauf: Die “Millennium”-Trilogie von Stieg Larsson auf Spanisch.

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Gesellschaft

Saufen gegen den Hunger

Ein Kumpel von mir schrieb am Montag bei Facebook:

Hab den ultimativen Charity-Plan gefasst: Ich werde den gleichen Betrag, den ich nächstes Wochenende verfeiere/versaufe/paaarty-hic​ks für Afrika spenden. Dann wirds zwar doppelt so teuer, aber der Kater wird durch ein gutes Gewissen ausgeglichen…!

Ich finde die Idee ganz wunderbar, weil sie das Angenehme mit dem Nützlichen verbindet. Wer saufen kann, kann bekanntlich auch arbeiten — warum sollte man also nicht beim Saufen Gutes tun? Und wer nicht so viel Geld hat, trinkt einfach nur halb so viel wie sonst und hat dabei immer noch was gespendet und seiner Leber etwas Gutes getan.

Saufen gegen den Hunger — Ab 5. August bei FacebookViel mehr gibt es auch nicht zu sagen. Wir haben im spontanen Übereifer ein Facebook-Event angelegt, wie man das eben heutzutage so macht (größere Menschenansammlungen in irgendwelchen Vorort-Siedlungen halten wir für sehr unwahrscheinlich, weil ja jeder dort Trinken und Feiern gehen soll, wo er es sowieso täte).

Wir können und wollen nicht überprüfen, ob die Teilnehmer sich auch tatsächlich an die Regeln halten (die exakten Regeln wie “Was ist mit ausgegebenen Getränken, aktiv wie passiv?” oder “Werden mögliche Sachschäden auch doppelt verrechnet?” sind noch nicht ausdiskutiert), aber wir glauben da einfach mal an das Gute im Menschen.

Und wer spenden will, ohne etwas zu trinken, kann das selbstverständlich auch tun.

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Politik Gesellschaft

Der Ölprinz

Am Ende sind sie alle geschockt. Auf den Fernsehschirmen ist Adolf Hitler zu sehen, der “Führer” ihrer Organisation. “Ja, ja, Ihr wärt alle gute Nazis gewesen”, sagt ihr Lehrer Ben Ross ((Morton Rhue: Die Welle. Ravensburg, 2011 (11984), S. 176.)) und die Schüler in der vollbesetzten Aula schweigen betreten. Steht “Die Welle” von Morton Rhue eigentlich immer noch auf dem Lehrplan von Englischkursen?

Nazi-Vergleiche verbieten sich eigentlich als Stilmittel in der sachlichen Auseinandersetzung. Und dennoch fällt es schwer, angesichts von Hunderttausenden, meist jungen Menschen, die sich bei Facebook “Gegen die Jagd auf Karl-Theodor zu Guttenberg” aussprechen oder “Wir wollen Guttenberg zurück” fordern, nicht von einer “Guttenbergjugend” zu sprechen.

Es ist schwer zu sagen, woher ausgerechnet bei einer eher als unpolitisch gescholtenen Jugend plötzlich diese Begeisterung für einen einzelnen Minister herkommt — noch dazu für einen von der CSU, die sonst nicht unbedingt einen übermäßigen Zuspruch junger Wähler erfährt. Ist es wirklich “eine ganz natürliche Neigung der Menschen, nach einem Führer Ausschau zu halten, nach irgendjemandem, der alle Entscheidungen” trifft, ((ebd, S. 174.)) oder fällt das Licht einer Massenhysterie hier eher zufällig auf einen Politiker?

Chuck Klosterman hat einmal geschrieben, ((Chuck Klosterman: Sex, Drugs and Cocoa Puffs. New York, 2004, S. 202.)) dass man wahrscheinlich alle Menschen außerhalb seines engsten Freundeskreises mit einem einzigen Satz beschreiben könne. In Wahrheit reicht vermutlich ein einziges Wort oder Gefühl aus: Der Typ, der auf dem Schulhof immer alleine rumstand? “Nerd”. Die Kellnerin aus dem Café um die Ecke? “Niedlich”. Stefan Effenberg? “Trottel”.

Wer das politische Tagesgeschäft nicht mal mindestens verfolgt, aber an Titelbildern wie “Der coole Baron”, “Die fabelhaften Guttenbergs” oder “Wir finden die GUTT!” vorübergeht, speichert den charismatischen Franken natürlich schnell unter “cool” ab, so wie ich als Kind Helmut Kohl unter “dick und mit Sprachfehler” abgespeichert hatte. Wenn Guttenbergs Karriere nicht ein jähes vorläufiges Endes gefunden hätte, wäre er bis zur Bundestagswahl 2013 sicher noch auf dem Cover des deutschen “Rolling Stone” (Herausgeber: Ulf Poschardt) und der “Bravo” aufgetaucht.

Im Prinzip ist Guttenberg für die jungen Leute also nichts anderes als Justin Bieber, Miley Cyrus oder Katy Perry — und genau auf diesem Level verteidigen die Fans ihr Idol auch. Doch während Diskussionen über musikalische Geschmäcker müßig sind (ich fand “Baby” von Justin Bieber zum Beispiel gar nicht schlecht), folgen politische Diskussionen für gewöhnlich gewissen argumentativen Regeln. (Dieser Satz ist eine Arbeitshypothese, die bei jeder Bundestagsdebatte und jeder Polit-Talkshow widerlegt wird, aber anders kommen wir hier nie aus dem Quark.)

Wie soll man jetzt jemandem begegnen, der “DIE sind doch nur neidisch!” für ein zwingendes Argument hält, einen Betrüger im Amt zu halten — noch dazu, wenn dieses “Argument” auch von führenden Unionspolitikern vorgebracht wird? Was soll man jemandem entgegnen, der wahrscheinlich nicht einmal die Hälfte der Bundesminister namentlich benennen könnte, aber im Brustton der Überzeugung verkündet: “Er war einfach der beste minister von allen!!”? Und wie erklärt man Menschen, die noch nie eine Universität von innen gesehen haben oder – viel schlimmer! – ein hektisches Bachelor/Master-Studium zum Zwecke der schnellen Berufsqualifikation durchlaufen haben, wie erklärt man denen, was wissenschaftliche Ehre und Bildungsgedanken sind?

Insofern kann man der Anruferin, die sich in einer zehnminütigen Diskussion mit dem Radio-Fritz-Moderator Holger Klein wiederfand (von der sie vermutlich anschließend annahm, aus ihr als Siegerin hervorgegangen zu sein), sicher attestieren: “Du bist Deutschland!”

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Der Fall Guttenberg war außerhalb des politischen Berlins auch eine Auseinandersetzung zwischen zwei Lagern: Auf der einen Seite die bürgerliche Presse und die entsetzten Akademiker, die den Ruf des Bildungsstandortes Deutschland in akuter Gefahr sahen, auf der anderen Seite “Bild” und das einfache Volk. Oder, vom Volk abgegrenzt, wie Herder sagen würde: “der Pöbel auf den Gassen, der singt und dichtet niemals, sondern schreyt und verstümmelt.” ((Johann Gottfried Herder: “Volkslieder. Nebst untermischten andern Stücken, Zweiter Teil” [1779], in: Werke, herausgegeben von Ulrich Gaier. Frankfurt am Main, 1990, S. 239.))

Karl-Theodor zu Guttenberg hat viel falsch gemacht, aber Fans, die so etwas womöglich ernst meinen könnten, hat auch er nicht verdient:

Guttenberg ist der PERFEKTE Mensch! Sein selbstkritisches Auftreten, seine uneingeschränkte Ehrlichkeit sowie seine reichhaltige Kompetenz sind unübertroffen. Guttenberg ist der ERLÖSER!!! Er muss WELTHERRSCHER werden, dann würde es durch seine MENSCHLICHKEIT endlich WELTFRIEDEN geben!

Es sind halt Fans und Fans handeln – das weiß jeder, der schon einmal im Fußballstadion oder auf einem Rockkonzert war – nicht immer rational. Entweder, sie bleiben ihren Helden bis zur Selbstverleugnung treu, oder sie sind irgendwann so enttäuscht, dass sie sich gegen ihr Idol stellen.

Ich bin mir sicher, viele der Guttenberg-Fans fanden vor zwei, drei Jahren auch Barack Obama gut — einfach, weil er cool und anders war. Dabei wäre es doch irgendwie beruhigend zu wissen, dass die Menschen den heutigen US-Präsidenten in erster Linie verehren, weil sie seine Meinung teilen und seine Versuche bewundern, seiner Linie trotz allem treu zu bleiben. Dass er dabei unbestreitbar cool und einzigartig ist, kann ja dann gerne einer der weiteren Gründe für seine Beliebtheit sein.

Guttenberg ist dabei gar nicht der erste deutsche Nachkriegs-Politiker, der die Massen zu mobilisieren wusste: 1972 machten junge Leute, die noch lange nicht selbst wählen durften, unter dem Slogan “Willy wählen!” Wahlkampf für Willy Brandt. Nur: Diese Leute unterstützten Brandt wegen seiner politischen Ansichten, wegen seiner Ostpolitik, ohne die Helmut Kohl nie zum “Kanzler der Einheit” hätte werden können. Bei Guttenberg konnten nicht einmal aufmerksame Beobachter sagen, wofür er stand und was seine Linie war. Es war ja auch fast jeden Tag eine andere: Bei einer staatlichen Rettung von Opel mit Rücktritt drohen, dann doch im Amt bleiben; den Luftschlag von Kundus “angemessen” nennen, dann “unangemessen”; in Sachen Gorch Fock keine schnellen Urteile fällen wollen, dann spontan (und im Beisein der “Bild”-Zeitung) den Kommandanten feuern. Und immer waren die Anderen schuld. Wer das ernsthaft als “gute Arbeit” bezeichnet, den möchte ich nicht meine Heizung reparieren lassen — er könnte ja schon nächste Woche mit den montagebereiten Nachtspeicheröfen vor der Tür stehen.

Wenn Kai Diekmann jetzt vom “grauen Mittelmaß” der Politiker schreibt, die nun wieder das politische Berlin beherrschten, und Nikolaus Blome die “politische Hygiene” beklagt, möchte ich ihnen entgegen rufen: Meinetwegen können die Politiker so grau sein, wie sie wollen, sie sollen ihre verdammte Arbeit ordentlich machen und sich anständig verhalten! Politik ist nicht Teil des Showgeschäfts, auch wenn das seit dem Umzug der Bundesregierung nach Berlin immer mal wieder gern vergessen wird.

“Aber das Volk liebt ihn doch!”, wenden Diekmann und Blome dann unisono ein. Der Vorwurf, die Politik höre nicht auf das, was die Bevölkerung wolle, lenkt davon ab, dass selbst “Bild” es nicht geschafft hat, Guttenberg im Amt zu halten, und damit weiter an Einfluss verloren hat. Stattdessen beklagen ihre Redakteure die weiter fortschreitende “Politikverdrossenheit”, die Journalisten seit 20 Jahren zu erkennen glauben. Dabei wäre es die verdammte Aufgabe von Journalisten, den Bürgern die Zusammenhänge zwischen der graue Politik und ihrem Leben aufzuzeigen und kritisch, aber nicht pauschal verurteilend, zu begleiten, was “die da oben” eigentlich den ganzen Tag so machen. Die Aufgabe der Presse ist es jedenfalls nicht, Politglamour-Paare hochzuschreiben!

Warum sich das deutsche Volk (oder genauer: große Teile dessen) offenbar mehr als 90 Jahre nach Abschaffung des Adels in Deutschland ausgerechnet einen “Freiherrn” ins Kanzleramt wünscht, lässt sich eigentlich nur damit erklären, dass die Deutschen zu oft beim Arzt und/oder Friseur sind und ob der Lektüre der dort ausliegenden Magazine eine gewisse Sehnsucht nach Blaublütern verspüren. Das ist irritierend, denn bisher haben wir im Geschichts- und Politikunterricht gelernt, dass die Massen gegen die Klassen kämpfen würden.

Eigentlich ist es den Leuten aber eh egal, zu wem sie aufschauen, so lange sie zu jemandem aufschauen können: Zu Lady Di, zum Papst oder eben zu “KT” und seiner Stephanie. Die Guttenbergs boten die ölige Projektionsfläche für alle, die niemals König oder Königin von Deutschland werden würden: Ausgestattet mit einem ordentlichen Stammbaum, in einer Bilderbuchehe verheiratet, mit einem Privatvermögen im Rücken, dessentwegen man gar nicht arbeiten müsste. Die Idylle lockte wie ein alter Heimatfilm.

Guttenberg war die personifizierte Umkehr der Zeiten, als die Populärkultur politisch wurde: im Politbetrieb war er “Pop”, was der Kulturwissenschaftler Thomas Hecken als “Kürzel für mal glatte und oberflächliche, mal durchschlagende und intensive Reize” beschreibt. ((Thomas Hecken: Populäre Kultur. Bochum, 2006, S. 32.))

Ab einem bestimmten Punkt wird jede Bewegung zum Selbstläufer; die Masse findet gut, was beliebt und erfolgreich ist. So lässt sich der plötzliche unfassbare Charterfolg einer 17 Jahre alten Coverversion eines heute mehr als 70 Jahre alten Songs erklären, aber auch der schier unglaubliche Zulauf, den die Pro-Guttenberg-Seiten bei Facebook erfahren. Ich wüsste gerne, wie viele der Guttenberg-Jünger gleichzeitig auch Fans von Unheilig sind.

Nach dem selben Prinzip funktioniert dann auch die Argumentation: Die Leute plappern nach, was sie anderswo (also: bei Gleichgesinnten) schon gehört und nicht verstanden haben. Aber haltlose Behauptungen werden nicht wahrer, wenn sie hundertfach wiederholt werden — und das gilt für beide Seiten, wie die peinliche Geschichte mit dem angeblichen “Star Trek”-Zitat in Guttenbergs Rücktrittsrede beweist.

Dass man Verfehlungen nicht gegeneinander aufwiegt, lernt man normalerweise im Kindergarten. Offenbar wächst sich das mit der Zeit aber wieder raus:

Für mich ist des ne Lapalie!!! Andere sind immernoch im Amt und treiben viel schlimmer Sachen ich sage nur Berlusconi!!!! Dass das nicht ok ist mit dem Doktortitel ist klar aber des hatte nichts mit seiner Arbeit als Politiker zu tun!!!

Wenn nun also ernsthaft junge Menschen, die durchaus Abitur haben und studieren, fragen: “Was hat die gefälschte Doktorarbeit denn mit den politischen Fähigkeiten der Person zu tun?”, muss man erst mal kurz durchatmen und die Blutdruckhemmer einwerfen, bevor man in leicht verständlichen Worten zu erklären versucht, dass man persönlich für seinen Teil Menschen, die als Betrüger entlarvt seien, jetzt eher ungern in politischen Ämtern sähe. Das mit “Vorbildfunktion” und “Bildungsrepublik” lässt man lieber direkt weg.

Dann heißt es: “Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein”, ((Johannes, 8.7 in: Die Bibel.)) in dezenter Verkennung des Umstandes, dass Jesus das damals ziemlich konkret gemeint hat: Die Pharisäer wollten die Ehebrecherin nämlich steinigen. Nähme man die Geschichte aber als universellen Rechtsgrundsatz, wäre die Besetzung von Richterbänken und Staatsanwaltsposten eine unlösbare Aufgabe.

Ohne Sünde ist niemand (außer die Mutter Gottes in der Katholischen Kirche), aber bestimmte Sünden sorgen einfach dafür, dass man für bestimmte – oder gar alle – Ämter ungeeignet ist. (Die Ausnahme stellt auch hier wieder die CDU/CSU dar, wo man auch noch geschmeidig Verkehrsminister werden kann, nachdem man unter Alkoholeinfluss einen tödlichen Verkehrsunfall verschuldet hat, oder Finanzminister, wenn man sich nicht daran erinnern kann, einmal 100.000 DM in bar entgegengenommen zu haben.) Und dass “alle anderen Politiker auch Dreck am Stecken” haben sollen, entpuppt sich spätestens dann als windschiefe Verteidigung, wenn der eigene Partner zu einem sagt: “Aber alle anderen gehen doch auch fremd, Schatz!”

Wenn irgendwelche Jungspunde bei Facebook jetzt also “Guttenberg for Reichskaiser” fordern, können wir nur von Glück sprechen, dass Karl-Theodor zu Guttenberg zweifelsohne ein überzeugter Demokrat ist, und die Demagogen, die Deutschland in den letzten 65 Jahren hervorgebracht hat, allesamt unansehnlich oder rhetorisch überfordert waren — oder in den meisten Fällen gleich beides. Doch wehe, wenn jemand auftauchen sollte, der Pop-Appeal verströmt und nebenbei Volksverhetzung betreibt!

Eines noch zum Schluss: Die Frage “Gibt es denn nichts Wichtigeres auf der Welt?” ist das dümmste aller dummen Null-Argumente. Denn es gibt ja auch “Wichtigeres als Steuerhinterziehung, Fahren im angetrunkenen Zustand, das Heraustelefonieren von Lustmädchen aus Untersuchungsgefängnissen durch Ministerpräsidenten, Vulgarität und was nicht noch alles”, wie es Jürgen Kaube in der “F.A.Z.” formuliert hat. ((Jürgen Kaube: “Vgl. auch Guttenberg 2009”, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 22. Februar 2011, S. 27.)) Die Antwort lautet also in nahezu jedem Kontext: “Doch, natürlich gibt es Wichtigeres.” Ginge es danach, müsste uns alles egal sein, was nicht direkt zur Schaffung des Weltfriedens beiträgt. Ich schlage vor, dass wir mit dem Ignorieren der Anzahl von Facebook-Fans anfangen.

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Digital

Blumenkübel

Ich kann Ihnen die Geschichte beim besten Willen nicht erklären — lesen Sie sie doch bitte einfach hier nach.

Aber den Song zum Hype, den kann ich Ihnen liefern. Hier:

Download-Link
(Rechts klicken und “Ziel speichern unter …” wählen)

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Digital

In Sachen Facebook

Bob Dylan hat viele entscheidende Fragen gestellt: Wie viele Straßen muss ein Mann entlanggehen, bis man ihn einen Mann heißen darf? Wie viele Meere muss eine weiße Taube überfliegen, bevor sie im Sand schläft? Wie lang kann ein Berg existieren, bis er ins Meer erodiert ist? Und auch, wenn die Antwort eh irgendwo im Wind weht, fehlt eine entscheidende Frage (die 1963 freilich schwer progressiv bis völlig unverständlich gewesen wäre): Wie oft muss man eine Freundschaftsanfrage bei Facebook ablehnen, bevor der Anfragende endlich versteht?

Facebook ist vermutlich jetzt schon das wichtigste Ding seit Erfindung des World Wide Web. Es ersetzt das eigene Telefonbuch (oder übernimmt es einfach), ist Kontaktverzeichnis und -börse zugleich, darüber hinaus Raucherecke, Spielplatz, Veranstaltungskalender und was nicht noch alles. Außerdem hat es eine besorgniserregende Macht und – wie jedes ordentliche Computerunternehmen – einen nicht weniger besorgniserregenden Chef. (David Fincher hat gerade einen Film über Mark Zuckerberg gedreht — das macht er sonst nur bei Serienmördern, Psychopathen und Menschen, die immer jünger werden.)

Nichtsdestotrotz ist Facebook auch ein wichtiger Bestandteil meines Leben, wobei man nie vergessen darf, dass es nicht das Leben ist (zur Unterscheidung: Facebook ist das, wo man sich ein paar Stunden Zeit lassen kann, um schlagfertig zu sein). Und während manche Leute das alte MySpace-Prinzip (für die Jüngeren: MySpace war 2006 halb so wichtig wie Facebook heute) weiterverfolgen, das eigentlich ein Panini- oder Pokemon-Prinzip ist und “Krieg’ sie alle!” lautet, dürften die Meisten Facebook doch eher als die Summe aller bisher angehäuften Freundeskreise nutzen, angereichert um einige lose Bekannte und Verwandte und um Leute, die einem noch mal wichtig sein könnten.

Ich achte ziemlich genau darauf, wen ich bei Facebook als “Freund” hinzufüge, und auch wenn ich mich wohl von meinem Plan verabschieden muss, nie mehr als 222 Kontakte zu haben, ist es doch ein einigermaßen elitärer Haufen. Alle paar Monate gehe ich mit der Heckenschere durch meine Kontaktliste und entrümpel sie von Karteileichen und Leuten, die schlichtweg – Verzeihung! – nerven. Ich halte es nur für höflich, bei Freundschaftsanfragen, die nicht völlig offensichtlich sind (“Luke, ich bin Dein Vater!”), kurz hinzuzufügen, woher man sich kennen könnte bzw. sollte. Menschen, die mit einem ähnlich selektiven Namens- und Gesichtsgedächtnis geschlagen sind wie ich, freuen sich über derlei Hinweise. Andererseits gilt es auch zu akzeptieren, wenn eine Freundschaftsanfrage ignoriert oder abschlägig beschieden wird — womit wir wieder bei Bob Dylan wären. Selbst die Funktion “I don’t even know this person” scheint nicht zu verhindern, Minuten später schon wieder von den gleichen Massenbefreundern angefragt zu werden, deren Verhältnis zu einem selbst sich auch nach minutenlangem Googeln nicht erschließt.

Und dann ist da noch etwas: What happens in Facebook stays in Facebook.

Menschen, die via Twitter eine nicht näher definierte Zielgruppe über Abendplanung, Arbeitgeber und Unterleibsbeschwerden informieren, mögen es unverständlich finden, aber bei Facebook spreche ich zu einem klar umrissenen Publikum — für uneingeschränkt öffentliche Verlautbarungen habe ich ja immer noch dieses Blog. In meinem Facebook-Account wird sich nichts finden, was streng privat oder gar intim ist, aber es handelt sich dabei dennoch um classified information. Das ist ein Vertrauensvorschuss an meine Facebook-Kontakte und wer mein Vertrauen missbraucht, wird hart bestraft. (Na ja: So hart, wie es das Gesetz gerade noch zulässt. Ich hab ja auch keine Lust, mich vor dem UNO-Tribunal zu verantworten.)

Gab’s sonst noch was? Ach ja: Bitte denken Sie ein paar Sekunden nach, bevor Sie mich zu irgendwelchen Veranstaltungen oder in irgendwelche Gruppen einladen wollen.

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PS: Die Deutschlandfähnchen auf den Benutzerbildern könnten dann auch mal langsam weg. Es ist vorbei!

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Musik Digital

Word Gets Around

2010 scheint sich unerfreulicherweise als Jahr des großen Musikersterbens in die Geschichtsbücher brennen zu wollen: Stuart Cable, der frühere Schlagzeuger der Stereophonics, ist tot.

Wie mittlerweile eigentlich üblich, erreichte mich die traurige Nachricht per Facebook.

Ich hätte es aber auch zufällig auf der Startseite von – hold your breathBild.de erfahren können:

Stereophonics:
Ex-Drummer Stuart Cable ist tot

Nicht erfahren hätte ich es hingegen (Stand 14.55 Uhr) auf den “News”-Seiten der Musikzeitschriften “Visions”, “Musikexpress” und “Rolling Stone”. Aber was hätte ich auch da gewollt?

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Musik Digital

Winning In The Name Of

Es ging im Dezember durch alle Medien: Rage Against The Machine waren “Christmas No. 1” in den britischen Charts. Die wichtigste Chartplatzierung des Jahres war in den letzten Jahren sonst geradezu traditionell an die Gewinner der Castingshow “X Factor” gegangen, aber 2009 war es die 17 Jahre alte Schmuseballade “Killing In The Name Of” der Alternative-Politrocker aus L.A. — einer “Guerilla-Aktion” bei Facebook sei Dank.

Letztlich machte es aber keinen Unterschied, ob Castingstar Joe McElderly oder RATM auf Platz 1 gingen: Beide Künstler stehen bei Sony unter Vertrag. Im Gegenteil dürfte der heraufbeschworene Kulturkampf der Major-Plattenfirma überdurchschnittlich hohe Verkaufszahlen beschert haben, weil Unterstützer beider Seiten intensiv gekauft bzw. heruntergeladen haben, um ihren Favoriten vorne zu sehen.

Das Online-Musikmagazin Crud hat bereits im Dezember aufgeschrieben, dass es ein paar auffällige Verbindungen zwischen Jon Morter, dem Gründer der Facebook-Gruppe “RAGE AGAINST THE MACHINE FOR CHRISTMAS NO.1”, und Sony zu geben scheint — und erinnerte gleichzeitig daran, dass es auch im Weihnachtsgeschäft 2008 eine “Graswurzelbewegung” um die Weihnachts-Nummer-1 gab: Damals gab es den Versuch (ebenfalls u.a. mit Hilfe einer Facebook-Gruppe), Jeff Buckleys Version von Leonard Cohens “Hallelujah” auf Platz 1 zu kaufen, damit nicht die Interpretation des selben Songs von “X Factor”-Siegerin Alexandra Burke gewinnt. 2008 ging das noch schief, Burke stand mit ihrem Song an Weihnachten ganz oben, der 1997 verstorbene Buckley nur auf Platz 2. Beide Songs erschienen auf Labels (Buckley: Columbia, Burke: Epic), die letztlich zu Sony gehören — und wenn Leonard Cohen selbst Nr. 1 geworden wäre, hätte es wiederum Columbia getroffen.

Im Zuge der Regierungskrise in Nordirland, wo Iris Robinson, die Frau des Regierungschefs, eine Affäre mit einem deutlich jüngeren Mann hatte und auch Geldzahlungen eine Rolle spielen, hatten die Medien schnell die passende musikalische Untermalung gefunden: “Mrs. Robinson” von Simon & Garfunkel, der Titelsong zum Film “The Graduate”, in dem eine ältere Mrs. Robinson eine Affäre mit einem deutlich jüngeren Mann hat. Prompt soll auch der Song mal wieder auf Platz 1 gekauft werden. Der Soundtrack war 1968 bei Columbia erschienen, das seit 1988 zu Sony gehört.

Nun sollte man diese Indizien nicht überbewerten: Ein Riesenkonzern wie Sony hat immer viele Eisen im Feuer — und wenn ich Ihnen hier rate, Kilians- oder Tocotronic-CDs zu kaufen, landet Ihr Geld letztlich beim selben Major (Universal), wie wenn Sie – was Gott verhüten möge – CDs von Aura Dione oder Brunner & Brunner erwürben. RATM-Gitarrist Tom Morello, ein Mann mit einigermaßen gesunden Grundsätzen gegen Globalisierung und Kapitalismus, hat dann auch alle Verschwörungstheorien brüsk zurückgewiesen und vermutlich ließe sich für jeden anderen Major eine ähnliche Sammlung Liste anlegen.

Man sollte sich nur im Klaren darüber sein, dass dieses ganze Web-2.0-ige “Guerilla”-Ding dann letzten Endes doch wieder Geld in die Kassen der nicht mehr ganz so großen big player spült. Die berichterstattenden Medien scheinen das ein bisschen zu übersehen.

Mit Dank auch an Martin L.

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Digital

Mutti is now following you on twitter

“The Onion” ist eine amerikanische Satirezeitung und -website, die oft mit sensationell komischen Ideen aufwartet.

Aber irgendwie ist das hier zu ernst und realistisch, um darüber lachen zu können:

Hier klicken, um den Inhalt von www.theonion.com anzuzeigen


Facebook, Twitter Revolutionizing How Parents Stalk Their College-Aged Kids

[via Facebook]

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Digital

Inzwischen, mittlerweile, neu

Auf der Plattform „Facebook” richteten Schweizer sogar ein Hass-Forum ein. Name: „Ich könnte Peer Steinbrück pausenlos die Fresse polieren.” Das Forum hatte gestern bereits 4147 Mitglieder!

[Bild.de, 20. März 2009]

Die „Bild“-Zeitung berichtet, dass es auf der Internetplattform „Facebook“ mittlerweile eine Gruppe mit dem Titel „Ich könnte Peer Steinbrück pausenlos die Fresse polieren“ gibt. Sie soll mehr als 4000 Mitglieder haben.

[“Welt Online”, 20. März 2009]

Kuno Hämisegger, Cheflobbyist der Schweizerischen Bankiervereinigung ruft zum Beitritt in eine neue Facebook-Gruppe auf.

[blick.ch, 22. März 2009]

Dafür hagelt es jetzt harte Kritik aus dem kleinen Nachbarland. Wie groß die Empörung über Steinbrück in der Schweiz inzwischen ist, zeigt eine Gruppe in der Internet-Community Facebook mit dem Namen "Ich könnte Peer Steinbrück pausenlos die Fresse polieren!"

[express.de, 22. März 2009]

Wie groß die Aufregung um Steinbrücks umstrittene Äußerungen zur Schweiz ist, zeigt eine Gruppe auf der Internet-Plattform Facebook. Knapp 14 000 Mitglieder unterstützen das Gruppenmotto: "Ich könnte Peer Steinbrück pausenlos die Fresse polieren!"

[suedkurier.de, 22. März 2009]

Frage: Wann wurde die Facebook-Gruppe “Ich könnte Peer Steinbrück pausenlos die Fresse polieren!” gegründet?

Antwort: Irgendwann vor 11:42 Uhr am 29. Oktober 2008 — da wurde nämlich der älteste Kommentar in der Gruppe abgegeben:

M*** (Switzerland) wrote
at 11:42 on 29 October 2008
gfrüüret doch mau aui dütschä guethabä uf schwiizerbankä i, mau luege wisech das uf di dütschi wirtschaft uswürkt.. oder mit sine wort: «den Geschäftsverkehr belasten».....

Aber das Alter von Facebook-Gruppen ist erfahrungsgemäß ein bisschen schwerer zu bestimmen.

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Print Digital

Brüste – Jetzt auch in Deutschland!

Facebook findet stillende Mütter obszön und löscht Bilder von Brust und Baby.

schrieb die “taz” gestern. Auslöser war vermutlich eine Protestaktion von stillenden Müttern vor der Hauptverwaltung von Facebook, die von etwa 11.000 Menschen online begleitet wurde, indem diese Stillfotos zu ihren Userbildchen machten. Facebook hatte nämlich immer mal wieder Fotos, auf denen zu viel Brust zu sehen gewesen war, einfach gelöscht. Und in diesem “immer mal wieder” liegt der Knackpunkt, den der “taz”-Artikel verschweigt.

Anders als beispielsweise heise.de am 31. Dezember 2008 schrieb, hatte die Plattform damit nämlich nicht “im Herbst dieses Jahres angefangen”, sondern bereits im Jahr 2007 — ein Blick in die Facebook-Gruppe “Hey, Facebook, breastfeeding is not obscene!” hätte da ausgereicht.

Aber “taz” und Heise sind nicht die einzigen deutschen Medien, die erst durch die Berichte englischsprachiger Medien über die Protestaktion aufgewacht sind: Stern.de, das “Netzgeflüster” der “Hannoverschen Allgemeinen Zeitung”, der Mediendienst Meedia, “RP Online” natürlich und Zoomer.de (“Doch was sich die interne Zensur des Onlinenetzwerkes jetzt geleistet hat, geht überhaupt nicht”) — sie alle tun so, als sei der Umstand, dass Facebook solche Bilder löscht, eine Neuigkeit.

Bild.de, wo es natürlich eine Bildergalerie mit stillenden Müttern gibt, schreibt:

Ausgelöst hat den Wirbel Kelli Roman (23) aus Kalifornien.

Gemeint ist damit jene Kelli Roman, die das “Time”-Magazin kürzlich zu der ganzen Sache interviewt hatte, und neben deren Foto die “Time”-Redakteure folgenden Satz geschrieben hatten:

This photograph of Kelli Roman breastfeeding her baby was removed from Facebook a year and a half ago.

Und wenn Sie das Gefühl haben, über diese ganze Facebook-löscht-Stillfotos-Nummer schon mal vor längerer Zeit gelesen zu haben: das kann natürlich sein …

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Digital Politik

Barack Obamas schlimme Folgen für die Weltpolitik

“Was können wir vom Wahlkampf von Barack Obama lernen?” hatte ein Delegierter auf dem Grünenparteitag den zu diesem Zeitpunkt noch designierten Parteivorsitzenden Cem Özdemir gefragt. Özdemir antwortete irgendwas Kluges, Abwartendes, von wegen das solle man jetzt nicht alles nachmachen und man müsse auch mal sehen und so …

“Ist eine Internet-Kampagne wie die von Barack Obama auch in Deutschland möglich?” hatte Markus Beckedahl schon kurz nach Obamas Wahlsieg gefragt und sowohl eine kurze (“Ja und Nein”), als auch eine lange Antwort darauf gegeben.

Aber wie das immer so ist: auf besonnene Politiker hören genauso viele Personen, wie längliche Blog-Einträge lesen — also kaum einer. Und so kommt es, dass die zweite bis dreißigste Reihe (so viele Sitzreihen hat das Bochumer Ruhrstadion, vielleicht bietet jemand mehr) der Politiker jetzt vor den Fettnäpfen Schlange steht, um auf eine neue Liste zu kommen.

Sie heißt:
“Yes, maybe we could try to, but come to think of it: we definitely can’t”

Los ging es mit diesem Meisterwerk:

Yes we can -  Klausurtagug der SPD Havixbeck

[via Jens]

Eine weitere gewagte Kombination aus Slogan und missglückter deutscher Sprache fand ich dann bei Facebook:

Wir machen's: Mit Heiko Maas, muss einer neuer Mann an die Spitze der saarländischen Landesregierung. Unterstützt Heiko Maas für Gute Arbeit, Faire Chancen und Neue Energie im Saarland.

Und den finalen Auslöser, die Nummer von einer TwitterSerie zu einer Blog-Serie zu machen (hoffentlich nicht), fand ich dann im Dinslakener Lokalteil der “Rheinischen Post”:

Dinslaken: 
Köse dreht Wansing-Wahlspot. Dinslaken (RP) Reportage am Montag "Wansing on Ice" hieß es am Sonntagmittag in der Dinslakener Eishalle. Dort drehte CDU-Bürgermeisterkandidat Heinz Wansing gemeinsam mit Regisseur Adnan Köse seinen Wahlwerbespot.

Der aufstrebende Lokalpolitiker Heinz Wansing hat sich vom Dinslakener Regisseur Adnan Köse (“Lauf um Dein Leben – Vom Junkie zum Ironman”) überreden lassen, einen Wahlwerbespot zu drehen, der ab Januar als zehnminütige Version auf seiner Homepage und später als Zweiminüter in der Dinslakener Lichtburg laufen soll.

Die “RP” zitiert den Regisseur wie folgt:

Man muss die neuen Medien nutzen. Mir gefällt seine Haltung und ich will mit dem Film erreichen, dass neben dem Politiker und Verwaltungsfachmann auch der private, der Mensch Heinz Wansing fokussiert wird.

Und wenn Sie jetzt fragen: “Ja, was sollen die armen deutschen Politiker denn jetzt machen, ohne dass Ihr Internet-Jungspunde Euch immer über deren Unbeholfenheit lustig macht?”, dann antworte ich mit meiner glockenklarsten Engelsstimme, die sonst für Familienbesuche und meinen Bankberater reserviert ist: “Politik!”