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Mittendrin statt tot dabei

Ich fin­de twit­ter im Gro­ßen und Gan­zen ja ganz okay und den­ke, es kommt wie bei jedem Werk­zeug dar­auf an, wie man es ein­setzt. Eine gro­ße Gefahr besteht natür­lich dar­in, dass die­ses Werk­zeug so leicht zu bedie­nen ist und man des­halb oft schnel­ler tweetet als denkt.

Eine ande­re Gefahr kann natür­lich dar­in bestehen, dass man ein­fach nur tweetet und gar nicht mehr denkt: Kim­ber­ly Hop­pe, Klatsch­ko­lum­nis­tin der Münch­ner „Abend­zei­tung“, sitzt in der Aller­hei­li­gen-Hof­kir­che und tickert live von der Trau­er­fei­er für Mon­ti Lüft­ner.

Beerdigung Monti Lüftner. Alle Promis schauen sehr, sehr traurig - auch die Fotografen tragen Schwarz. Wolfgang Seybold schluckt.

Jetzt läuft Bruce Springsteen. Marcel Avram schnaeutzt sich - Gaensehautstimmung. Nur die Kerzen sind leider nicht echt

Montis Tochter Tracy (16) spricht wundervoll, singt Amazing Grace, bricht das Lied unter Tränen ab. Ich weine. Die ganze Kirche weint.

Es ist die­se Mischung aus Bana­li­tä­ten und Inti­mi­tä­ten, die das fröh­li­che Daher­plap­pern von Frau Hop­pe so uner­träg­lich macht. Die Tat­sa­che, dass sie über die Trä­nen von Freun­den und Ange­hö­ri­gen (und ihre eige­nen) schreibt, noch ehe die­se getrock­net sind. Der Umstand, dass sie von einer ver­damm­ten Trau­er­fei­er aus einer Kir­che twit­tert.

Aber bevor Sie die Schuld jetzt bei twit­ter suchen: Dass es auch ohne geht, hat letz­tes Jahr schon „RP Online“ vor­ge­macht.

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Die zwei Bedeutungen von „Erinnerung“

Wenn man sich tag­ein, tag­aus mit den klei­nen und gro­ßen Feh­lern von Medi­en beschäf­tigt, sieht man irgend­wann über­all Merk­wür­dig­kei­ten. Ich bin mir daher nicht sicher, ob ich nur über­sen­si­bi­li­siert bin, oder ob der fol­gen­de Absatz tat­säch­lich ein biss­chen gaga ist:

Car­la June Hoch­hal­ter, 48, nahm sich am 22. Okto­ber 1999 das Leben. Das Datum ihres Selbst­mords war kein Zufall. Fast genau sechs Mona­te zuvor war ihre Toch­ter Anne Marie bei dem Mas­sa­ker in der Colum­bi­ne High School so schwer ver­letzt wor­den, dass sie seit­her an den Roll­stuhl gefes­selt war.

„kein Zufall“ und „fast genau“ in zwei auf­ein­an­der­fol­gen­den Sät­zen?!

Das Gute ist: Wir müs­sen uns gar nicht mit die­sen zwei Sät­zen auf­hal­ten, wenn es um den Arti­kel geht, den Marc Pitz­ke für „eines­ta­ges“ geschrie­ben hat, das Zeit­ge­schichts­por­tal von „Spie­gel Online“. Es gibt viel span­nen­de­re Fra­gen.

Der zehn­te Jah­res­tag von Colum­bi­ne, wie die Tra­gö­die hier nur heißt, dürf­te vie­le der alten Wun­den neu auf­rei­ßen.

schreibt Pitz­ke. Und wer sich das nicht vor­stel­len kann, wie sich das Auf­rei­ßen alter Wun­den unge­fähr vor­stellt, der kann zwei Absät­ze in die­sem Absatz auf einen Link kli­cken:

News-Mode­ra­to­ren waren sprach­los ange­sichts der Sze­nen des Grau­ens, wie etwa die Bil­der von Patrick Ire­land, 17, der sich, blut­über­strömt, in den Kopf getrof­fen und halb gelähmt, aus dem zer­schos­se­nen Fens­ter der Cafe­te­ria im ers­ten Ober­ge­schoss in die Arme des Son­der­ein­satz­kom­man­dos der Poli­zei stürz­te. „Ein Alp­traum“, erin­ner­te sich Pau­li­ne Rive­ra vom loka­len TV-Sen­der KMGH spä­ter. Sie nann­te es den Tag, „als die Unschuld starb“.

Der Link führt zu einem Video, in dem sich Patrick Ire­land, 17, blut­über­strömt, in den Kopf getrof­fen und halb gelähmt, aus dem zer­schos­se­nen Fens­ter der Cafe­te­ria im ers­ten Ober­ge­schoss in die Arme des Son­der­ein­satz­kom­man­dos der Poli­zei stürzt. Und wenn der Link mit den Wor­ten „bloo­dy as hell“ anmo­de­riert wor­den wäre, sie hät­ten nicht zu viel ver­spro­chen.

Ein paar Absät­ze spä­ter kann man sich anhö­ren, wie das klingt, wenn am ande­ren Ende einer Tele­fon­lei­tung Men­schen hin­ge­rich­tet wer­den:

Allein [in der Biblio­thek] kamen zehn Schü­ler um, zwölf wur­den ver­letzt. Die­ses Mor­de wur­den live über Tele­fon mit­an­ge­hört: Leh­re­rin Pat­ti Niel­son hat­te den Not­ruf gewählt, die Tele­fo­nis­tin hielt sie die gan­ze Zeit in der Lei­tung.

Ich habe den Autor Marc Pitz­ke vor zwei Tagen per E‑Mail gefragt, ob es sei­ne Idee war, die ver­stö­ren­den Doku­men­te zu ver­lin­ken, und ihn gefragt, ob sol­che Bild- und Ton­do­ku­men­te nicht even­tu­ell dazu bei­tra­gen könn­ten, alte Wun­den neu auf­zu­rei­ßen. Bis­her habe ich kei­ne Ant­wort erhal­ten.

Aber wie schon im letz­ten Jahr, als der 20. Jah­res­tag des Glad­be­cker Gei­sel­dra­mas anstand, fra­ge ich mich, ob die Pres­se auf alle his­to­ri­schen Quel­len zurück­grei­fen soll­te, die ihr zur Ver­fü­gung ste­hen. Klar: Wir haben alle ein paar Dut­zend Mal gese­hen, wie „Hin­den­burg“ und „Chal­len­ger“ explo­dier­ten, wie John F. Ken­ne­dy in den Kopf geschos­sen wur­de und die Bil­der von den Flug­zeu­gen, die ins World Trade Cen­ter kra­chen, sind welt­weit öfter über die Bild­schir­me geflim­mert als die Vide­os zu „Thril­ler“, „Smells Like Teen Spi­rit“ und „Baby One More Time“ zusam­men. (Die Bil­der aller­dings, auf denen die ver­zwei­fel­ten Men­schen aus den bren­nen­den Tür­men in den siche­ren Tod sprin­gen, sind für ame­ri­ka­ni­sche Medi­en weit­ge­hend tabu.) Aber hel­fen mir die­se Bil­der als Zuschau­er wei­ter?

Ich weiß die Ant­wort auf die­se Fra­gen wirk­lich nicht. Ich hat­te die Idee, dass es viel­leicht einen Unter­schied macht, wie vie­le Opfer es gab und in wel­cher Form die Täter auf­ge­tre­ten sind. Aber nach län­ge­rem Nach­den­ken war mir auch nicht mehr klar, war­um es da Unter­schie­de geben soll­te. Dann fie­len mir wie­der die Begrif­fe „Auf­klä­rung“ und „Nach­ah­mung“ ein: Wäh­rend uns die Bil­der aus den frisch befrei­ten Kon­zen­tra­ti­ons­la­gern dar­an erin­nern sol­len, dass so etwas nie wie­der pas­sie­ren darf, und die Chan­cen eher gering sind, dass mor­gen ein durch­ge­knall­ter Schü­ler anfängt, sei­ne eige­nen Gas­kam­mern zu mau­ern, sieht es bei school shoo­tings, die in der Regel von Ein­zel­tä­tern began­gen wer­den, genau anders­her­um aus: Wir kön­nen fast nichts dage­gen unter­neh­men, dass sie sich nicht wie­der­ho­len (außer die Waf­fen­ge­set­ze zu ver­schär­fen, uns mehr um gesell­schaft­li­che Außen­sei­ter zu küm­mern und unse­re Schu­len zu sozia­le­ren Orten machen), aber jede Wie­der­ho­lung der Bil­der kann als Inspi­ra­ti­on für Nach­ah­mer die­nen.

Pitz­kes Text ist wirk­lich nicht schlecht, er beschreibt in ein­zel­nen Moment­auf­nah­men, wie die Opfer und ihre Ange­hö­ri­gen mit den Fol­gen des Amok­laufs in Litt­le­ton umgin­gen und wie die­ser die gan­ze Gemein­schaft belas­te­te, sowie die Hilf­lo­sig­keit bei der Suche nach einem Tat­mo­tiv. Und den­noch wer­den den Lesern auch die Namen der Täter wie­der ins Gedächt­nis geru­fen – für den Fall, dass sie die­se ver­ges­sen haben soll­ten. Am 26. April wird man wie­der den Namen des Erfur­ter Amok­läu­fers lesen kön­nen und nächs­tes, über­nächs­tes Jahr am 11. März den des Mas­sen­mör­ders aus Win­nen­den. Und das wirft für mich die Fra­ge auf: Kann man sich auch an die Opfer eines Ver­bre­chens erin­nern, ohne an das grau­sa­me Ver­bre­chen selbst und – vor allem – an die Täter zu erin­nern?

Der „Spie­gel“ selbst hat mit sei­nem Titel­bild, das den Amok­läu­fer zeigt, dazu bei­getra­gen, ein mor­bi­des Denk­mal zu errich­ten. So ent­steht jene post­hu­me, media­le Unsterb­lich­keit, die für jun­ge Men­schen, die das Gefühl haben, sie hät­ten eh nichts mehr zu ver­lie­ren, ein Anreiz sein kann, den extre­men letz­ten Schritt zu gehen.

Nun kommt natür­lich gleich die Fra­ge auf, ob es irgend­et­was ändert, die Namen der Täter zu ver­schwei­gen. Der Psy­cho­lo­ge und Kri­mi­no­lo­ge Park Dietz fin­det, man sol­le sie nicht ins Zen­trum der Bericht­erstat­tung stel­len, und ich wür­de mir wün­schen, die Medi­en wür­den auf ihn hören. Denn ändert es etwas, ob wir den Namen des Täters, sein Gesicht und sein Lieb­lings­es­sen ken­nen? Gewiss: Es mag für die Bewer­tung der Tat einen gewis­sen Unter­schied machen, ob es sich um einen gemobb­ten Außen­sei­ter oder um einen sozi­al inte­grier­ten psy­chisch Kran­ken gehan­delt hat. Ande­rer­seits: Er ist in der Regel tot, sei­ne Opfer sowie­so, und zur Früh­erken­nung von Amok­läu­fern haben die diver­sen Erkennt­nis­se, die wir in den letz­ten zehn Jah­ren über ihre Pri­vat­le­ben erlangt haben, auch nicht bei­getra­gen.

Zuletzt sehe ich einen guten Grund, zumin­dest den Nach­na­men von Tätern zu ver­schwei­gen: die Ange­hö­ri­gen. Ich habe gera­de „In sei­ner frü­hen Kind­heit ein Gar­ten“ von Chris­toph Hein gele­sen, ein sehr emp­feh­lens­wer­tes Buch über ein Eltern­paar, deren Sohn als Ter­ror­ver­däch­ti­ger gilt und bei der ver­such­ten Ver­haf­tung erschos­sen wird. Neben dem Schmerz über den Tod des Kin­des kommt die öffent­li­che Auf­merk­sam­keit hin­zu, die Last, die plötz­lich auf dem Nach­na­men liegt.

Als Timo­thy McV­eigh hin­ge­rich­tet wur­de, der beim Bom­ben­an­schlag von Okla­ho­ma City 168 Men­schen getö­tet hat­te, ver­öf­fent­lich­te die „Chi­ca­go Tri­bu­ne“ eine Lis­te mit den Namen aller Opfer und erzähl­te ein biss­chen was über sie. Chuck Klos­ter­man schrieb dazu, dass man außer­halb des eige­nen Freun­des­krei­ses jeden Men­schen mit einem Satz zusam­men­fas­sen kön­ne, und dass die­ser Umstand Men­schen dazu moti­vie­re, Kin­der zu krie­gen, weil man dann wenigs­tens greif­ba­re Spu­ren hin­ter­las­sen habe. Das gehe aber nicht immer gut:

Which is why the most depres­sing thing about the Okla­ho­ma City bom­bings is that there’s now an inno­cent woman who­se one-sen­tence news­pa­per bio will fore­ver be, „She was Timo­thy McVeigh’s mother.“

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20 Jahre Totalversagen

Jour­na­lis­ten lie­ben Jubi­lä­en. Im Gegen­satz zu tat­säch­li­chen, tages­ak­tu­el­len Ereig­nis­sen tre­ten die­se nicht über­ra­schend auf, man kann die The­men gründ­lich recher­chie­ren, mit Zeit­zeu­gen spre­chen und das Gesche­hen frei von Affek­ten in sei­nen his­to­ri­schen Kon­text ein­ord­nen. Ich wür­de nicht aus­schlie­ßen, dass die ers­ten Repor­ter am Abend des 11. Sep­tem­ber 2001 began­nen, ihre gro­ße „Ten years after“-Geschichte vor­zu­be­rei­ten.

Die­ser Tage jährt sich das Gei­sel­dra­ma von Glad­beck zum zwan­zigs­ten Mal. Ein im wahrs­ten Wort­sin­ne tra­gi­sches Ereig­nis, bei dem schlicht­weg alles schief ging, was schief gehen konn­te, und das inso­fern in einer Rei­he mit dem Olym­pia-Atten­tat von Mün­chen und der Schley­er-Ent­füh­rung steht. Eine Ver­ket­tung von Uner­fah­ren­heit und Inkom­pe­tenz auf Sei­ten der Behör­den, ein Total­ver­sa­gen der bericht­erstat­ten­den Pres­se.

Ich bin zu jung, um mich an die drei Tage im August 1988 erin­nern zu kön­nen, aber man kennt ja die Bil­der von Sil­ke Bisch­off mit der Pis­to­le an der Schlä­fe und Hans-Jür­gen Rös­ner mit der Pis­to­le zwi­schen den Zäh­nen. Und gera­de das Foto von Sil­ke Bisch­off macht die gro­ße Erin­ne­rungs­pa­ra­de, die schon seit eini­gen Wochen in den deut­schen Medi­en abge­hal­ten wird, zu einer Grat­wan­de­rung.

Bereits vor einem Monat brach­te „Bild“ im Zuge einer gro­ßen Glad­beck-Serie einen Arti­kel über Sil­ke Bisch­offs Mut­ter, der wie folgt über­schrie­ben war:

20 Jahre nach Gladbeck: Dieses Bild lässt die Mutter der toten Silke nie mehr los

Das Demons­tra­tiv­pro­no­men stand da natür­lich nicht ver­se­hent­lich, denn „die­ses Bild“ war dar­über natür­lich noch ein­mal rie­sen­groß abge­druckt. ((Dass das Foto inzwi­schen aus der Online-Ver­si­on des Arti­kels ent­fernt wur­de, hat wenig zu bedeu­ten – erfah­rungs­ge­mäß hat das bei Bild.de häu­fig mit Bild­rech­ten und sel­ten mit Anstand zu tun.))

Fast ähn­lich bizarr ist der Spa­gat, den die „WAZ“ voll­bringt: auf derwesten.de ist ein Foto von Tätern, Waf­fen und Gei­sel zu sehen, nur weni­ge Zen­ti­me­ter über die­sem Absatz:

Dass es überhaupt dieses Bild gibt: der Täter, die Waffe, die Geisel. Und dann aus dem Off diese Frage, was für eine Frage! "Was fühlen Sie so, mit der Waffe am Hals?" Silke Bischoff guckt fast freundlich über das Mikrofon, es ist ihr bald so nah wie der Revolver. "Gut", sagt sie, sie habe bloß Angst, "dass jemand umgebracht wird oder so".

Da weiß man auch nicht, ob die fol­gen­de Pas­sa­ge Selbst­kri­tik oder Recht­fer­ti­gung sein soll:

Jour­na­lis­ten han­deln statt nur zu beob­ach­ten. Ange­se­he­ne Repor­ter sind unter ihnen, von öffent­lich-recht­li­chen Sen­dern und auch von der WAZ. Oft weiß die Pres­se mehr als die Poli­zei.

Es ist schwie­rig, über die Feh­ler der Pres­se von damals zu berich­ten, in der Pres­se von heu­te. Und es ist schwie­rig, die­se Fotos zu ver­wen­den. Einer­seits gibt es sie, sie sind jour­na­lis­ti­sche Fak­ten, die damals geschaf­fen wur­den und nicht rück­gän­gig gemacht wer­den kön­nen. Ande­rer­seits besteht die Gefahr, mit jedem Wie­der­ab­druck nicht nur das Leid der Ange­hö­ri­gen (s. o.) zu ver­grö­ßern, son­dern auch die Demü­ti­gung der dama­li­gen Opfer zu wie­der­ho­len. Wir haben es natür­lich mit Zeit­do­ku­men­ten zu tun, aber man kann sie heu­te nur zei­gen, weil die Medi­en damals ver­sagt haben. Und so ist es eini­ger­ma­ßen schi­zo­phren, das Medi­en­ver­sa­gen von damals mit genau die­sen Fotos zu bebil­dern.

Wenn man län­ger über die­sen Sach­ver­halt nach­denkt, befin­det man sich plötz­lich tief in einer ethi­schen Grund­satz­dis­kus­si­on. Wozu sind Bil­der wie die von der ver­ängs­tig­ten Sil­ke Bisch­off auf der Rück­bank oder von Hanns Mar­tin Schley­er im durch­ge­schwitz­ten Unter­hemd da? Sol­len sie mah­nen, dass sich das Gezeig­te nicht wie­der­ho­len dür­fe, sol­len sie Mit­leid erzeu­gen oder sol­len sie (aber­mals) die Sen­sa­ti­ons­gier befrie­di­gen? ((Der Fall Schley­er unter­schei­det sich vom Fall Bisch­off inso­fern, als die Ent­füh­rer die Fotos selbst gemacht haben – zum einen, um zu bewei­sen, dass sie Schley­er tat­säch­lich in ihrer Gewalt haben und er noch lebt, zum ande­ren sicher auch, um ihr Opfer zu demü­ti­gen.)) Sol­che Bil­der sind durch ihre stän­di­ge Wie­der­ho­lung irgend­wann mehr als nur die Abbil­dung von Ereig­nis­sen. Sie wer­den zu pop­kul­tu­rel­len Iko­nen, so wie die Ein­schlä­ge der Flug­zeu­ge am 11. Sep­tem­ber 2001, die bereits einen Tag spä­ter als Dau­er­schlei­fe Teil des On-Screen-Designs in den Son­der­sen­dun­gen von RTL waren. Sie waren aber genau genom­men auch nie nur die Abbil­dung von Ereig­nis­sen, gera­de die­se Bil­der waren selbst Teil der Ereig­nis­se.

Auch stellt sich die Fra­ge, ob es „gut“, „schlecht“ oder „egal“ ist, wenn sol­che Bil­der zu Iko­nen wer­den. Ver­mut­lich kommt es da unter ande­rem dar­auf an, ob man sich an die Täter oder an die Opfer erin­nert. Es lau­fen ja ernst­haft immer noch Men­schen mit dem Foto von Charles Man­son auf dem T‑Shirt her­um und Mari­lyn Man­son hat sich ja bewusst nach Mari­lyn Mon­roe und Charles Man­son benannt. Die Band 18 Sum­mers hieß übri­gens lan­ge Jah­re Sil­ke Bisch­off, was man ganz und gar geschmack­los fin­den, aber viel­leicht auch ver­ste­hen kann, wenn Sän­ger Felix Flau­cher erklärt, dass es ihm um das Schick­sal einer Ein­zel­per­son gehe, das viel stär­ker berüh­ren kann als das einer anony­men Men­ge.

Wenn wir als Schü­ler im Geschichts­un­ter­richt Fotos aus den frisch befrei­ten Kon­zen­tra­ti­ons­la­gern gezeigt beka­men, war die Bot­schaft klar: So etwas darf nie wie­der pas­sie­ren, sorgt gefäl­ligst dafür! Was aber sol­len uns die Fotos von Glad­beck ((„Glad­beck“ ist ja in die­sem Fall auch nur ein ver­ein­fa­chen­des Schlag­wort, Sil­ke Bisch­off wur­de ja in Bre­men als Gei­sel genom­men, die berühmt-berüch­tig­ten Fotos ent­stan­den auf der Dom­plat­te in Köln.)) heu­te sagen? Für Jour­na­lis­ten schwingt da natür­lich ein „nie wie­der“ mit und die – zuge­ge­ben eher theo­re­ti­sche – Fra­ge, wie man sich eigent­lich selbst in einem sol­chen Fall ver­hal­ten wür­de. Aber Jour­na­lis­ten sind eine ziem­li­che Min­der­heit.

Ande­rer­seits rufen Medi­en in Groß­bri­tan­ni­en oder den USA schon län­ger ihre Zuschau­er bzw. Leser dazu auf, sich bei gro­ßen Ereig­nis­sen (also span­nen­den Kata­stro­phen) an der Bericht­erstat­tung zu betei­li­gen. So kam CNN im ver­gan­ge­nen Jahr an einen Teil sei­ner Bil­der vom Amok­lauf in Blacksburg, VA. Udo Röbel, der sich damals als Repor­ter des Köl­ner „Express“ beson­ders unrühm­lich her­vor­tat, als er zu den Tätern ins Auto stieg und sie aus der Stadt lots­te, sagt jetzt in einem sehr lesens­wer­ten Arti­kel der „Süd­deut­schen Zei­tung“:

„Aber was ich schon glau­be, ist, dass wir irgend­wann ein Glad­beck ande­rer Art krie­gen könn­ten. Inzwi­schen tum­meln sich ja Leu­te in der Medi­en­welt, die Jour­na­lis­mus gar nicht gelernt haben. Es gibt Mül­ler, Mei­er, Schul­ze, die mit dem Han­dy unter­wegs sind und jeder­zeit in Situa­tio­nen kom­men kön­nen, wo etwas pas­siert, was sie dann fil­men.“

Viel­leicht wür­de ein ähn­li­ches Ver­bre­chen heu­te unter der 1414 statt­fin­den.

Lan­ge wird die Erin­ne­rung an „Glad­beck“ und die Selbst­re­fle­xi­on aller­dings sowie­so nicht vor­hal­ten: am 28. August steht „20 Jah­re Ram­stein“ an.