Gut, dass ich in Deutschland geboren wurde, denn so kann ich nie als US-Präsident kandidieren. Denn selbst wenn ich Parteiinterne Grabenkämpfe und Fernsehdebatten überstünde und wider Erwarten genug Geld für meine Kampagne gesammelt bekäme, an einer Stelle würde ich furios scheitern: bei der Nennung meiner Lieblingsbücher.
Denn was sagt es über mich als Menschen aus, wenn ich in diesem Zusammenhang “Per Anhalter durch die Galaxis” von Douglas Adams, “High Fidelity” von Nick Hornby und “Gegen den Strich” von Joris-Karl Huysmans nenne? Eben: Dass ich ein soziopathischer Nerd bin, dem seine CD-Sammlung wichtiger ist als alles andere. Die einzigen Stimmen, die ich bekäme, kämen aus Staatsgefängnissen, Platten- und Rollenspielläden.
Ich könnte natürlich auch ein bisschen mogeln bei meiner Liste, so wie es angeblich alle tun und wie es mutmaßlich auch John McCain und Barack Obama getan haben. Die nannten nämlich “For Whom the Bell Tolls” von Ernest Hemingway, “Im Westen nichts Neues” von Erich Maria Remarque und “The History of the Decline and Fall of the Roman Empire” von Edward Gibbon (McCain) bzw. “Song of Solomon” von Toni Morrison, “Moby-Dick” von Herman Melville und der Essay “Self-Reliance” von Ralph Waldo Emerson (Obama).
Ich habe von all diesen Büchern nur “Im Westen nichts Neues” gelesen und weiß so ungefähr, was bei Hemingway und Melville passiert, von daher kann ich zu den literarischen Favoriten der Präsidentschaftskandidaten wenig sagen — aber dafür gibt es ja den “San Francisco Chronicle”, der eine Reihe von Literaturwissenschaftlern, Schriftstellern und sonstigen Experten befragt hat. Sie erklären unter anderem, dass es ein wenig überrasche, dass McCain gleich zwei Anti-Kriegsromane nenne, es im Gegensatz dazu aber ziemlich naheliegend sei, dass Obama das Buch von Toni Morrison mag, in dem sich ein junger, schwarzer Mann auf die Suche nach seiner Identität begibt.
Wo sie schon mal dabei sind, geben die gleichen Leute auch noch Tipps, was der zukünftige Präsident unbedingt lesen sollte. Und da ist vielleicht auch was für Leser dabei, die nie US-Präsident werden wollten.