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Peking 2008 – Der Versuch einer Bilanz

Natürlich habe ich mir die Olympischen Spiele im Fernsehen dann doch angesehen. Die Diskussion mit mir, ob das moralisch vertretbar sei, dauerte letztlich wenige Sekunden. Ich gucke halt gerne Sport im Fernsehen und da kann mich relativ wenig von abhalten. Als langjähriger begeisterter Tour-de-France-Gucker bin ich es gewohnt, mit dem Risiko zu leben, gerade ganz massiv von dopenden Sportlern verarscht zu werden. Nennen Sie es abgebrüht, zynisch oder sonst irgendwas, aber es gibt immer genug, was einen für solche Finsternissen entschädigt.

Über China mag ich mir kein Urteil erlauben. Natürlich würde ich mir wünschen, wenn das, was wir Menschenrechte nennen, überall gelten würde, aber ich verstehe nichts von China. Und weil es mich so aufregt, wenn ahnungslose Menschen über die USA, das einzige Land neben Deutschland, in dem ich mal mehr als vier Wochen am Stück verbracht habe, reden, will ich nicht ahnungslos über China reden. Es könnte zum Beispiel meinen besten Freund aufregen, der schon mehrfach für längere Zeit in China war.

Was ich mir zu beurteilen anmaße, sind die Ankündigungen, die die chinesische Führung gegenüber dem IOC gemacht und nicht eingehalten hat. Zu einem gepflegten Vertragsbruch gehören aber zumindest in diesem Fall zwei: die, die verarschen, und die, die sich freundlich lächelnd verarschen lassen und anschließend das großartige und gründliche Vorgehen der Verarschenden beim Verarschen loben.

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[via Stefan]

Anders ausgedrückt: Dem chinesischen Funktionär in diesem beeindruckenden Videodokument nehme ich ab, dass er das, was er da erzählt, aus tiefster Überzeugung glaubt. Es ist wie bei Wolfgang Schäuble oder Papst Benedikt XVI.: diese Männer haben eine Überzeugung, die über Jahrzehnte in ihnen gereift ist, die ich nicht teilen kann, die sie aber mit einer Vehemenz vertreten, die mir Respekt abnötigt. Und dann ist da die IOC-Funktionärin, die sich kritischen Journalistenfragen auf unsouveränste Art verweigert. Sie lernt gerade erst, fundamental und weltfremd zu werden, und ist in ihrem Stoizismus kein Stück beeindruckend, sondern nur peinlich. Sie ist vergleichbar mit der Partei “Die Linke” oder dem Verein “Kinder in Gefahr”.

Von der Eröffnungsfeier habe ich wegen des Haldern Pop leider nichts mitbekommen. Dass dort auf verschiedene Weise getrickst wurde, ist mir aber auch egal: es handelt sich um eine Show. Natürlich um eine politische (die ganzen Spiele waren ja eine politische Demonstration des chinesischen Regimes), aber das macht sie nur noch mehr zur Show – und bei Shows darf man tricksen, Playback singen und Windeln tragen. Menschlich gesehen ist es natürlich unmöglich, einem kleinen Mädchen zu sagen, sie sei zu hässlich für ein Milliardenpublikum.

Aber reden wir über die, um die es eigentlich ging, reden wir über die Sportler: Wie es sich gehört, habe ich neue Helden gefunden – den sympathischen Vielseitigkeitsreiter und Zahnarzt Hinrich Romeike und den mindestens genauso sympathischen Gewichtheber Matthias Steiner, zum Beispiel. Ich bin auch naiv genug zu glauben, dass Michael Phelps seine acht Goldmedaillen auf legalem Wege gewonnen hat. Wenn er halt den idealen Körperbau hat und so präzise trainiert – warum sollte er dann nicht schneller schwimmen können als ich laufen kann? Auch bei Usain Bolt muss ich bis zum Beweis des Gegenteils annehmen, dass er so schnell ist – die Goldmedaille im 100-Meter-Lauf hätte ich ihm trotzdem wegen grober Unsportlichkeit und Verhöhnung der Konkurrenten aberkannt.

Sportkonsum im Fernsehen geht leider nicht ohne Sportreporter. Während der Kommentator beim Dressurreiten seine Arbeit gleichsam zur literarischen Performance ausbaute, war der Rest größtenteils zum In-die-Tonne-Kloppen. Béla Réthy zum Beispiel durfte beim Damen-Hockey endlich mal zeigen, dass er nicht nur unfassbar viel Mist reden kann (das kennt man von Fußballländerspielen), sondern auch unfassbar viel chauvinistischen Mist. Michael Antwerpes entpuppte sich als Beckmann für Arme, als er im Talk mit Matthias Steiner minutenlang auf einem privaten Schicksalsschlag des Sportlers herumritt und bei der (sinngemäßen) Antwort “die Journalisten wollen das eben immer wieder hören” übersah, wie der stärkste Mann der Welt gerade vor seinen Augen mit der chinesischen Mauer winkte. Zum Glück für Antwerpes gibt es aber immer noch Castor Beckmann und Pollux B. Kerner, die Not der ARD und das Elend vom ZDF, die bequem alles unterkellern, was bisher als unterste Talsohle des Niveaus gegolten hatte. Kerner hatte man auch noch Katrin Müller-Hohenstein zur Seite gestellt, was viele Vergleiche mit Marianne und Michael zuließe, wenn man letztere damit nicht böse verunglimpfen würde. Deshalb nur so viel: Bis Waldi Hartmann nicht mehr negativ auffällt, muss schon eine Menge Mist gesendet worden sein. Und Harald Schmidts Karriere kann man jetzt auch in einem Wort zusammenfassen: “vorbei”.

Wenn es wenigstens nur die unfähigen Hallodri (wie konnte ich Michael Steinbrecher vergessen?) vor Kamera und Mikrofon gewesen wären – aber auch technisch lief es bei ARD und ZDF ja alles andere als rund. “Ja, das ist halt live”, flötete dann die jeweils aktuelle Föhnwelle in die Kamera – ganz so, als sei es noch 1969 und Peter Frankenfeld versuche gerade die erste Eurovisionsschalte zum Mond. Aber die beiden Sender hatten mit 500 Leuten erstens die größte Delegation von allen und zweitens war das ja gar nicht alles live: Wüst wurde zwischen live und live on tape hin- und hergeschaltet, wurden Dinge wiederholt, die man schon gesehen hatte, wurde plötzlich wieder irgendwohin gesprungen, ohne dass der Zuschauer noch wusste, was jetzt wann und wo passiert war. Da verließ man dann schon mal in der 84. Minute (und vor dem entscheidenden Tor) ein Fußballspiel der deutschen Damenmannschaft, um ein aufgezeichnetes Halbfinale im Fechten zu zeigen. Der Fechtverband habe sich wohl beschwert, hörte man es munkeln.

Zwar hatten sich ARD und ZDF Mühe gegeben, via Internet und ihre obskuren Digitalkanäle möglichst viel gleichzeitig anzubieten, aber ich bin mir sicher: London 2012 werden zumindest die interessierten Zuschauer ganz anders erleben. Mit einer eigenen digitalen Senderegie für jeden, wo man sich mehrere Sachen gleichzeitig ansehen kann, live oder zeitversetzt, mit Kommentar oder mit Originalatmosphäre. Ich würde dafür einiges an Geld bezahlen.

Zu guter letzt war es natürlich so wie immer: ich saß da, fieberte mit den Athleten mit, freute mich über die Stimmung und fragte mich, wie ich als absolut unsportlicher Mensch wohl auch mal eine Medaille bei Olympischen Spielen gewinnen könnte. Ich werde mir demnächst mal einige Schießclubs ansehen, vielleicht sind Luftpistole oder Bogen ja was für mich.

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Bolt-Medaille für taz.de

Also bitte, taz.de. Ich halte ja auch nichts von diesem Wunderläufer, aber …

Zweifel an Sprint-Rekorden: Witz-Bolt verarscht alle

Namenswitze gehen echt nicht!

Nachtrag, 23:19 Uhr:

200-Meter-Finale: Ein Bolt für alle Fälle
(“Spiegel Online”)

[via STU und hellojed]

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Sport

Doping-Liveblog

17:55 Uhr: Auf das hier hingewiesen worden.
17:57 Uhr: Bei SpOn nachgeschaut:

Neuer Skandal bei der Tour de France: Alexander Winokurow ist bei einer Dopingprobe positiv getestet worden. Bei dem Astana-Fahrer wurde eine Fremdbluttransfusion nachgewiesen.

18:03 Uhr: Je ne parle pas français.
18:09 Uhr: Okay, damit wird Andreas Klöden auch nicht mehr ins Geschehen eingreifen können:

Wie die französische Sporttageszeitung “L’Equipe” berichtet, wird sich das Astana-Team nach der positiven Probe von Winokurow mit sofortiger Wirkung von der 94. Frankreichrundfahrt zurückziehen.

(Aktualisierte “Spiegel Online”-Meldung)
18:13 Uhr: team-astana.eu ist down. War ja irgendwie zu erwarten.
18:17 Uhr: Jetzt auch endlich Sport bei n-tv: dort gelten Doping und Astana-Rückzug als Fakt.

Ich geh jetzt zur pl0gbar und melde mich vielleicht von unterwegs noch mal. Sonst später am Abend.

25. Juli, 00:15 Uhr: Wieder da. Erstmal die ganzen Nachrichten im Feedreader durcharbeiten …

00:34 Uhr: Irgendwas ist da zwischen Mitschreiben, Übersetzen und Umstellen bei der Netzeitung schiefgegangen. Der folgende Absatz ergibt jedenfalls höchstens halbwegs Sinn:

Tour-Direktor Christian Prudhomme sprach von einem «Versagen des Systems», das das größte Radrennen der Welt nicht ausreichend schütze. Der Astana-Rückzug sei die einzig mögliche Reaktion gewesen, sagte Patrice Clair von der Amaury Sports Organisation, die die Tour vermarktet. Dies habe er dem Team deutlich gemacht. «Ich habe seit Jahren immer wieder gesagt, wir sind in einem gnadenlosen Kampf gegen Doping. Aber wir werden den Betrügern das Feld nicht überlassen.»

Schön bildhaft auch der Bericht bei sueddeutsche.de:

Prudhomme forderte zudem ein neues System für den Radsport, womit der Weltverband UCI mit seiner unzureichenden Kontrollarbeit gemeint war. “Ich habe jetzt keinen genauen Plan, aber wir brauchen eine Revolution”, rief er mit hochrotem Kopf. “Doch selbst in dieser Scheiße, in der wir sitzen, geben wir nicht auf – die Fahrer sollen sich fürchten und Angst haben.”

14:05 Uhr: Um 15 Uhr soll der Name eines weiteren Dopingsünders veröffentlicht werden. Wir sind gespannt.
14:43 Uhr: Was nehmen eigentlich Jansch und Migels?

Migels: Sag mal, reißen die Bären eigentlich auch Kühe, oder nur Schafe?

15:52 Uhr: Noch ist immer noch kein Name genannt. Die Hubschrauberkamera für die Eurosport-Bilder sorgt bei mir gerade für gesundheitliche Probleme.

17:51 Uhr: Laut L’Equipe ist der neueste Dopingfall Cristian Moreni vom Cofidis-Team.

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Rundfunk Sport

Fahrrädchen im Wind

So ganz genau weiß man bei der ARD offenbar auch nicht, was man will, meint oder vorhat: Als letzten Mittwoch herauskam, dass eine Dopingprobe aus dem Training des T-Mobile-Fahrers Patrik Sinkewitz positiv war, stiegen ARD und ZDF angewidert aus der Live-Berichterstattung aus und inszenierten sich im eigenen Programm (für meinen Geschmack einen Tacken zu lautstark) als Gralshüter des guten Geschmacks und der öffentlichen Ordnung. Dann übernahm Sat.1 die Tour-Übertragung und neben einigen Politikern fand auch WDR-Chefin Monika Piel diese Entscheidung nicht gut.

Während Sat.1 mit grottenschlechter Live-Berichterstattung beeindruckte (die heute mit einem Jan-Ullrich-Interview einen neuen Tiefpunkt erreichte), berichtete die ARD weiterhin über die Tour – nur eben nicht live. Wo da der qualitative Unterschied liegen soll, weiß der Henker – es wird ja im Ersten niemand ernsthaft erwartet haben, da werde sich ein Radfahrer live eine Spritze in den Arm drücken, was man dann für die Zusammenfassung rausschneiden kann.

Heute meldet “Spiegel Online”, die ARD wolle ab morgen – morgen ist Ruhetag! – ein 25minütiges Tour-Magazin senden. Ein “Umdenken”, wie SpOn es nennt, ist das natürlich (s.o.) nicht, aber so wirklich glaubwürdig ist so langsam nichts mehr an dieser Tour: Nicht nur, dass der derzeit im gelben Trikot fahrende Däne Michael Rasmussen unter Dopingverdacht steht und der zweitplatzierte Alberto Contador auch eine etwas zweifelhafte Vergangenheit zu haben scheint – auch das Theater um die Berichterstattung spottet in diesem Jahr jeder Beschreibung.

Man kann davon ausgehen, dass den Leuten, die jetzt noch die Tour de France gucken, so ziemlich alles egal ist – die Fahrer könnten im Ziel Robbenbabies opfern und die (in Deutschland schwachen) Zuschauerzahlen würden kaum weiter abnehmen. Schaden können Tour und Umfeld jetzt nur noch den beteiligten Fernsehsendern: Sat.1 hat miserable Quoten, denen wohl auch die ab morgen einsetzende öffentliche Empörung über das Ullrich-Interview nicht mehr viel helfen können wird, und die ARD verheddert sich in einem Netz aus “Ja!”, “Nein!” und “Vielleicht!”.

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Rundfunk Sport

So Long, And Thanks For All The Fish

Man stelle sich mal vor, ein Professor stellte sich vor seine Studenten und sagte:
“Ich wollte ja eigentlich nicht mehr über die Vergangenheit sprechen, aber weil da gerade alle wieder von anfangen müssen: Ja, ich hab als Student bei meinen Prüfungen geschummelt. Meine Doktorarbeit war abgeschrieben. Aber da will ich echt nicht mehr drüber sprechen, denn ich sorge doch heute an vorderster Front dafür, dass meine Studenten bei ihren Prüfungen nicht schummeln. Natürlich könnte ich mein Amt jetzt niederlegen, aber, hey: Wenn hier einer Erfahrungen auf dem Gebiet hat, dann ja wohl ich, oder?”

Klingt irgendwie idiotisch? Okay, dann sind meine Dänischkenntnisse einfach nicht gut genug und die reden grad im Fernsehen über was ganz anderes …

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Digital Politik

Mostly Harmless

Wir alle kennen Godwin’s Law:

As an online discussion grows longer, the probability of a comparison involving Nazis or Hitler approaches one.

Weil die immergleichen Vergleiche natürlich irgendwann langweilig werden und die deutsche Geschichte ja noch mehr dunkle Kapitel auf Lager hat, heißt die neue Königsdisziplin der Krawallrhetorik “Stasi-Vergleiche”.

So kamen derartige Vergleiche jüngst im Zusammenhang mit den eingesammelten Geruchsproben von G8-Gegnern auf (wobei die Bezeichnung “Stasi-Methoden” da gar nicht mal so abwegig ist, immerhin hat die Stasi Geruchsproben gesammelt). Generalbundesanwältin Monika Harms sieht aber offenbar weder den Vergleich, noch die Aktion an sich besonders eng:

Nur weil eine Methode von der Stasi in ganz anderem Zusammenhang eingesetzt wurde, heißt das noch nicht, dass sie für uns schon deswegen tabu ist.

Dieser Satz wird umso beunruhigender, je öfter man ihn liest – aber so viel Zeit haben wir gar nicht, denn die neueste Stasi-Äußerung (hier ständig frisch) kommt von Silvia Schenk, der ehemaligen Präsidentin des Bundes Deutscher Radfahrer:

Eine Chance hat der Radsport nur, wenn wie bei der Stasi rigoros alle Schuldigen aussortiert werden.

Da kann man ja schon froh sein, dass (noch) niemand “Entdopingfizierungslager” fordert …

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Rundfunk Politik

Lug und Trug reloaded

Als ich gerade den Fernseher einschaltete, redete gerade Wolfgang Schäuble. Ich wollte schon entsetzt wieder umschalten, aber das, was Schäuble sagte, machte mich neugierig:

Ich bin wirklich erschüttert, dass in einem solchen Maß gelogen und betrogen worden ist.

“Nanu”, dachte ich, “was fangen die denn jetzt plötzlich wieder mit der CDU-Spendenaffäre an?”

War natürlich Blödsinn: Schäuble hatte nur kurz im Phrasenlexikon für Spitzenpolitiker nachgeschlagen, um sich zu den neuesten (natürlich total überraschenden) Enthüllungen in Sachen Doping im Radsport zu äußern.